Rammstein. Skandalöse Musik am Rande gesellschaftlicher Tabus


Seminararbeit, 2016

34 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. TABUBRÜCHE UND SKANDALE:

WIE FUNKTIONIEREN SIE?

3. RAMMSTEIN: »EINE GESCHIKT INSZENIERTE
PROVAKATIONSMASCHINERIE«?
3.1 LYRICS
3.2MUSIKVIDE0S
3.3BÜHNENSHOW

4. DIE GEFAHR INSZENIERTER AUTHENTIZITÄT: DER MEDIENSKANDAL UM DAS »STRIPPED«

VIDEO

5. FAZIT

6. ANHANG:

SONGTEXTE

GRAFIK/ EXEMPLARISCHER ABLAUF EINES MEDIENSKANDAL25 ABBILDUNGEN

BIBLIOGRAPHIE

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Das Jahr 1994: rückblickend gab es bereits zahlreiche Skandale auf weltweiten Theater- und Musikbühnen. Was bis dahin noch keiner ahnen konnte, dass sich in jenem Jahr eine deutsche Rockmusik-Gruppe gründet, die sich bald in die Serie öffentlicher Eklats einreihen wird. Das Sextett um Leadsänger Till Lindemann, Gitarristen Richard Kruspe und Paul Landers, Bassist Oliver Riedel, Drummer Christoph ,Doom‘ Schneider sowie Keyboarder Christian ,Flake‘ Lorenz steht nunmehr hinter dem Pseudonym Rammstein (Abb.1). Bei anfänglichen Kontroversen rund um den Bandnamen sollte es nicht bleiben. Egal ob mit Lyrics, Musikvideos oder Bühnenperformances, bis heute sorgen sie immer wieder für Aufregung.

Doch was machte ihre Musik in der Vergangenheit so skandalös? Wie genau bewegten sie sich stets am Rande gesellschaftlicher Tabus- am Rande des Unsagbaren?

Eben dieser Fragen widmet sich die vorliegende Arbeit. Dabei soll erst einmal im Vorfeld, also innerhalb des 2. Kapitels, allgemein aufgezeigt werden wie Tabus und Skandale funktionieren und welche bedeutende Rolle die aktuellen Medien bei der Skandalisierung spielen.

Das Gesamtkunstwerk eines jeden Musikers setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Das dritte und zugleich umfangreichste Kapitel beleuchtet unter Berücksichtigung der Leitfragen drei der unterschiedlichen Rammstein’ schen Ebenen. Beginnend mit den ersten beiden Unterpunkten bestehen die Ausführungen grundlegend aus zwei Bestandteilen. Dabei werden an Hand eines ausgewählten Songtextbeispiels (3.1) sowie eines Musikvideos (3.2), die in der Vergangenheit besonders für Furore gesorgt haben, Passagen damaliger Medienberichterstattung und eigene Interpretationsansätze gegenübergestellt. Im Rahmen des Kapitels 3.3 wird aufbauend auf dem vorausgegangen Passus eine spezielle Bühnenperformance genauer betrachtet. Das anschließende 4. Kapitel beschäftigt sich abschließend mit einem ganz besonderen Fall. Er ereignete sich zwar in den Anfangsjahren der Bandgeschichte, jedoch mit Folgen die bisweilen auch heute noch nachklingen. Unter Hilfenahme zweier linguistischer Untersuchungen soll versucht werden den Balanceakt zwischen künstlerischer Ästhetik und dem gefährlichen Wagnis der Provokation nachzugehen. Resümierend werden die Ergebnisse im Fazit kritisch reflektiert.

2. TABUBRÜCHE UND SKANDALE: WIE FUNKTIONIEREN SIE?

Zunächst einmal sind beide Felder stark mit der Gesellschaft verknüpft. So ist sie es, die laut Claudia Wegener durch Ausschluss ausgewählter Sujets Tabus geltend macht. D.h., Grenzen werden abgesteckt und was gesagt oder wie gehandelt werden darf festgelegt.[1] Tabubrüche und daraus resultierende Skandale stehen von Anbeginn mit gesellschaftlichen Umschwüngen in Wechselbeziehung.[2]

Medien tragen einen großen Anteil zur Erarbeitung von Skandalen bei. Steffen Burkhardt eröffnet zwei Möglichkeiten, inwieweit Skandale mit Medien in Verbindung stehen können: den medialisierten Skandal und den Medienskandal. Ersteres bezieht sich auf die alleinige Berichterstattung über einen bereits bestehenden Skandal. Letzteres bezeichnet ein Phänomen, in welchem ein Gegenstand erst durch die Medien zum Skandal wird. Innerhalb des medialiserten Skandals bleibt die Debatte auf jeweilige Teilöffentlichkeiten beschränkt. Im Medienskandal werden die vermeintlichen Verfehlungen innerhalb umfassender öffentlicher Medien und den entsprechenden Teilöffentlichkeiten diskutiert. Er ist in höchstem Maße in der Lage ein breites Publikum zu erreichen, wobei er heute im digitalen Zeitalter auch über einen sehr lang Zeitraum Bestand haben kann.[3] Burkhardt umschreibt Skandale insgesamt als Kommunikationsprozess[4], in welchem das System ins Wanken gerät, da sich über bestehende Normen öffentlich verständigt wird.[5] Entweder fühlt sich eine Gesellschaft gestärkt[6] oder sie sieht sich mit Zweifeln konfrontiert[7] An dieser Stelle ist v.a. der Medienskandal produktiv, weil die Journalisten das Geschehen solchermaßen aufbauen, dass eine leicht verständliche Handlungsstruktur entsteht. Burkhardt vergleicht diese u.a. mit Märchenerzählungen, die analog dem Paradigma von Gut und Böse entsprechen.[8] Darüber hinaus weist er im Fall des Medienskandals auf eine grundlegende Transformation hin.

Damit geht ein ästhetischer Reiz ähnlich der Beschreibung Jochen Meckes mit einer gewisse Vereinfachung mit der Skandalisierung einher.[9] Die anfänglich gesellschaftlichen Akteure unterliegen nun einem Wandel zu narrativen Figuren[10]:

[...] die Journalisten bzw. Skandalisierer werden zu den Erzählern des Medienskandals; Mitglieder des sozialen Systems werden als Helden, Antihelden oder anderen Figuren der Erzählung positioniert; und das Publikum in Form von ausgewählten Repräsentanten des Publikums (zumeist prominenten Vertretern des Systems Öffentlichkeit) wird zu Helfern des Helden oder Antihelden.[11]

Innerhalb des Aufeinandertreffens vom Mediensystem als höhere Instanz und der Öffentlichkeit[12] wird der Transformationsprozess demnach weiter ausgeführt, sodass der einstige Rezipient bzw. das Publikum zum Produzent innerhalb des Diskurses wird. Aufgrund genannter Umwandlungen büßt der Akteur bzw. Held oder Antiheld seinen Einfluss auf die Inszenierung ein. Denn die Journalisten berichten über sie auf Grundlage von Beobachtungen sowie normativen Vorstellungen. Auf diese Weise können sie erheblich auf die Wahrnehmung des Publikums einwirken.[13] Je nachdem wie stark es dem Skandalisierten vertraut, desto größer ist der Platz und die Relevanz den der Medienskandal inmitten der Debatte einnimmt.[14]

Wie solch ein Medienskandal abläuft, erkärt Steffen Burkhardt an Hand einzelner Phasen des Prozesses zusammengefasst in einem von ihm entwickelten Modell: der Skandaluhr (Abb. 2).[15]

3. RAMMSTEIN: »EINE GESCHICKT INSZENIERTE

PROVOKATIONSMASCHINERIE[16] «?

Lässt sich bei der Verletzung von Tabus eine gewisse Absicht erkennen, kann von einer Provokation geredet werden- gezielt wird versucht bestimmte Verhaltensweisen hervorzurufen.[17] Der Musiksoziologe Prof. Dr. Jan Hemming sagt in einem Interview, Rammstein sei dazu fähig „plumpe[...] Provokationen“ zu überschreiten und vielmehr „echte Schocks auszulösen“[18]. Im Rahmen dessen lässt sich auch der Journalist und Philosoph Alexander Grau heranziehen. Er schreibt insbesondere den Massenmedien eine wichtige Rolle zu. Sie würden seiner Meinung nach ganz im Sinne der Aufmerksamkeitswerbung aus simplen Verletzungen von Verboten Tabus konstruieren, um dessen Brüche zu inszenieren und letztlich über sie berichten zu können.[19]

3.1 LYRICS

Alle Songtexte der Band stammen aus der Feder ihres Leadsängers Till Lindemann. Seine Poesie fußt mitunter auf der Ausarbeitung animalischer oder unbewusster menschlicher Triebe und bewegt sich stets zwischen Toleranz und Tabu.[20] Im Repertoire der bis heute sechs veröffentlichten Studioalben befinden sich hierbei Themen wie „Pädophilie, Inzucht oder Nekrophilie“[21] sowie „Obsession, Gewalt, Leidenschaft, Paranoia, Perversion“[22]. Folglich, so führt es auch Ulf Lüdecke aus, liegt den sechs Männern eher wenig daran den Menschen aufzuzeigen wie sie zu sein haben, sondern viel mehr deren Aufmerksamkeit auf ihre dunkelsten, entlegensten Gedanken zu lenken.[23]

Immer wieder stoßen die Rockmusiker einzig mit ihren Lyrics bereits auf negative Kritik. Derart wurden sie bisher als pervers, hemmungslos oder gar unverantwortlich betitelt. Dies begründet die Forschung unter anderem damit, dass viele der Rezensenten die Inhalte der Texte teils (zu) ernst nehmen würden oder gar die Umsetzung mit Ironie und >Unernsthaftigkeit< [Herv. durch d. Verf.] kritisieren.[24]

Welche Ausmaße die lyrische Provokation des Sextetts annehmen kann, soll nun im Folgenden exemplarisch an Ich tu dir weh näher erläutert werden. Dieser Song wurde am 16. Oktober 2009 zusammen mit dem bisher letzten Album Liebe ist für alle da veröffentlicht. Völlig unverblümt widmet sich der Text Praktiken des Sadomasochismus­einer Form der Intimität, die einst nur hinter vorgehaltener Hand zur Sprache kam.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

zwischen lyrischem Ich und Adressat heraus. Durch die Wahl der 2. Person Singular geschieht dies auf eine Weise, in der der Rezipient einen Wandel vom passiven Zuhörer zum aktiv Teilhabenden zu vollziehen scheint: Nur für mich bist du am Leben Ich steck dir Orden ins Gesicht[25] Mehrere Passagen wirken beinahe wie heraufschwörende Formeln; wie Worte die bewirken, dass der Adressat gänzlich willenlos alles über sich ergehen lässt:

Du bist mir ganz und gar ergeben [.··]

So ein kleiner Schnitt und du wirst geil[26] Auch in diesem Lied scheint die Musikgruppe den Menschen lediglich aufzeigen zu wollen, welche Gedanken ohnehin in dem ein oder anderen schlummern bzw. was er begehrt:

Ich tu dir weh Tut mir nicht leid Das tut dir gut[27]

Scheinbar um sich von der bloßen Schilderung der Vorgänge zu lösen und insbesondere

dem Publikum aufzuzeigen, dass sie sich auch für ihre gesellschaftlich verrufene sexuelle

Vorliebe nicht schämen müssen. Auch sie ist im Grunde schlichtweg etwas Normales:

Egal erlaubt ist was gefällt [.··]

Bei dir hab ich die Wahl der Qual*

[.··]

Wünsch dir was ich sag nicht nein28

Die zweite ausgewählte Textzeile* spielt allem Anschein nach in einer ungewöhnlichen Form mit diesem Ziel. Sonst stehen die Worte ,Qual der Wahl‘ als Phraseologismus in allgemeiner Benutzung. Lindemann verändert die Wortstellung, um sie vermutlich einfach dem Topus anzupassen. Trotz dieser Vorgehensweise, liest sich die Wortverbindung schließlich wie eben jene allgemeingültige Redewendung. Demnach könnte sie als erneute Hervorhebung einer gewissen Normalität von SM- Praktiken gedeutet werden. Löst man andererseits die ursprüngliche Wortgruppe von ihrer sprichwörtlichen Bedeutung, kann es sich auch um eine Markierung des Leids eines jeden handeln, der sich hingegen gesellschaftlicher Verurteilung seiner SM- Leidenschaft hingibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Stacheldraht im Harnkanal Leg dein Fleisch in Salz und Eiter [.··]

Bisse Tritte harte Schläge Nadeln Zangen stumpfe Säge [.··]

Und führ dir Nagetiere ein29

Fast wie eine groteske Anleitung wirkend, die teils durch die Wahl des Imperativs verstärkt wird, kommt dabei die solcherart verurteilte düstere Poesie Lindemanns zum Tragen. Zweifellos auch als metaphorische Stellvertreter für bedenkenlose, ungezügelte Leidenschaft interpretierbar, waren sie womöglich erheblich für die Ereignisse im Winter 2009 mitverantwortlich: die Medien berichteten über die Indizierung des gesamten Albums Liebe ist für alle da zum 11. November 2009. Der Grund war unter anderem eben jenes Lied und die dazugehörige Darstellung, die im Album zu finden war (Abb. 3).30 Die Band solle das Publikum anregen, Geschlechtsverkehr ungeschützt zu praktizieren31 und für „gefährdende Sado-Maso-Praktiken“32 werben. Auf Wunsch des Familienministeriums durfte das Album dann nur noch gegen Vorlage des Personalausweises von Volljährigen erworben werden.[28] Die Musiker selbst zeigten dafür völliges Unverständnis. Sie verwiesen allem voran auf die künstlerische Freiheit und die Ironie mit welcher sie gesellschaftlichen Tabus begegnen.[29]

Am 1. Juni 2011 wurde das Verbot letztlich wieder aufgehoben und das Album war wieder frei erhältlich.[30] Der zuständige Richter äußerte sich wie folgt dazu: „Das Lied Ich tu dir weh enthalte gerade keine ,aus einschlägig filmischen, fotografischen oder literarischen Medien bekannte, detaillierte Darstellung von wirklichkeitsnahen Gewaltexzessen‘. Die Gewaltelemente würden lediglich angedeutet und surreal übersteigert.“[31] Gegenwärtig kann einen der damalige Eklat etwas paradox erscheinen. Denn war es nicht genau die im Lied verarbeitete Thematik, die der britischen Autorin E.L. James kurz darauf auch in Deutschland mit ihren Werken zu Fifty Shades of Grey zum Staus einer

Bestsellerautorin verhalf? In diesem Zusammenhang lässt sich erneut auf das 2. Kapitel verweisen. Innerhalb der entsprechenden Teilöffentlichkeit behördlicher Instanzen scheinen im Rahmen des Ich tu dir weh- Skandals die Normen neu verhandelt worden zu sein, sodass ein neuer Raum Akzeptanz geschaffen wurde und nachfolgende Werke von dahingehenden Eklats ausgeschlossen werden.

3.2 MUSIKVIDEOS

Mit dem Aufkommen von Musiksendern wie MTV oder VIVA etablierten sich Musikvideos nach und nach als autonome Kunstform.[32] Rammstein nutzen jenes Medium ebenfalls von Anbeginn zur Vermarktung ihrer Singleauskopplungen. Ein Beispielsong, der für Furore sorgte, verarbeitet die Geschichte des Mörders Meiwes- auch bekannt als Kannibale von Rotenburg.[33] Das dazugehörige Video wurde von Printerzeugnissen wie der Bild Zeitung als „Ekelhaft“ (Abb. 4) oder B.Z. und Spiegel als „perverse Verherrlichung“ betitelt.[34] Selbst Armin Meiwes kündigte an gegen die Band rechtliche Schritte einzuleiten, da er die Aufarbeitung als Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte einstufte.[35] Seitens der Band teilte der zweite Gitarrist Paul Landers mit: „Damit haben wir vielleicht bei manchen ein Tabu gebrochen. Dabei war das Thema damals in den Medien ganz groß.“[36] Zur besseren Nachvollziehbarkeit werde ich im weiteren Verlauf eingangs die Darstellungen im Clip beschreiben, um dann im Nachhinein mögliche Deutungsansätze zusammenzutragen. Überwiegend sind sie einzelnen Sequenzen mittels Parallelmontage vielfach mit sehr schnellen Schnitten aneinandergereiht. Deshalb werden in der Beschreibung, v.a. um Irritationen vorzubeugen, ausgewählte Handlungsstränge zusammengefasst. Kerstin Wilhelms verweist in ihrem Aufsatz auf eine Beobachtung, dass Video- Clips lediglich in wenigen Ausnahmen der Diegese der unterlegten Lyrics entsprächen. Die daraus entstehenden Leerstellen erschaffen für das Publikum einen Raum eigener Assoziationen und Interpretationen.[37] Jenes Prinzip spiegelt sich teils auch im besagten Musikvideo wieder. Zunächst unabhängig voneinander agieren die Bandmitglieder auf unterschiedlichste Art und Weise.

Christoph wird durchgängig in einer Frauenkostümierung gezeigt, mal nur beobachtend, etwas Undefiniertes essend oder liegend seinen Körper liebkosend (Abb. 5); Paul mit zerrissenen Anzug zum Himmel flehend und sich spuckend auf der Erde krümmend (Abb. 6); Richard trifft scheinbar auf eine andere Nuance seiner Selbst mit dem er endend in eine gewaltsame Auseinandersetzung gerät (Abb. 7); Oliver einzig mit einer Windel bekleidet krümmt sich scheinbar schmerzerfüllt um sich anschließend mit völliger Körperspannung auf dem Boden zu winden (Abb. 8); Till wird von aus dem unteren Bildrand hervorragenden Händen ins Gesicht geschlagen, zerrupft genussvoll etwas Gefiedertes, übt zurücklehnend auf einem Stuhl mit einer vor ihm knienden Frau mit Engelsflügeln Oralverkehr aus und zerrt sie gepeinigt an einem Bein aus der Bildfläche (Abb. 9); Flake mit freien Oberkörper und Leggings vollzieht ekstasische Bewegungen an einem Geländer (Abb. 10). Nachdem jeder Einzelne des Sextetts vorgestellt wurde, offenbart sich dem Betrachter ein erbarmungsloser Schlammkampf zwischen fünf der Bandmitglieder (ohne Christoph) (Abb. 11). Beendet wird der Clip mit einer Szene in welcher Christoph seine angeleinten, sich ankeifenden und am Boden krabbelnden Bandkollegen in aller Öffentlichkeit über die Straße führt (Abb. 12).

Angefangen bei Christoph, der sich mit seinem Rollenbild deutlich von den anderen abgrenzt, soll er laut Angaben des Band Managers Emanuel Fialik der Mutter des Kannibalen Meiwes nachempfunden sein.[38] [39] Folglich steht seine Figur, zumindest für diejenigen die jene Parallelen ausmachen können, für ein erstes Anzeichen purer Provokation. Möglicherweise sogar für eine Reaktion auf die Anschuldigung des Kannibalen. Der Einschränkung seiner Persönlichkeitsrechte bezichtigt, wollten sie ihm vielleicht ihren unbeeindruckten Standpunkt vor Augen führen, indem sie dem Werk für ihn unverkennbar biografische Züge verleihen. Gekoppelt an die spezifischen Handlungen der Figur scheinen darüber hinaus Armin Meiwes Eigenarten und das Äußere seiner Mutter miteinander vereint zu sein. Auch er ergötzte sich am Verspeisen. Die anderen Figuren könnten in Anbetracht der damaligen umfangreichen Berichterstattung zum Prozess unterschiedliche Gegebenheiten der Tat sowie der Person Meiwes aufgreifen. Liest man einige Artikel, lassen sich demnach weitere verschiedene Aspekte in der Darstellung der Rollenbilder wiedererkennen.

[...]


[1] Vgl. Claudia Wegener: „Musik und Tabus“. In: Klaus Dieter Felsmann (Hg.): Mediale Tabubrüche vs. political correctness / erweiterte Dokumentation zu den 12. Buckower Mediengesprächen 2008. München: kopaed 2009 (= Buckower Mediengespräche, Bd. 12), S. 95-104, hier S.96.

[2] Vgl. Steffen Burkhardt: „Skandal, medialisierter Skandal, Medienskandal: Eine Typologie öffentlicher Empörung“. In: Kristin Bulkow, Christer Petersen (Hg.): Skandale /Strukturen und Strategien öffentlicher Aufmerksamkeitserzeugung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011, S. 131-155, hier S. 131.

[3] Vgl. ebd. S. 133f.

[4] Vgl. ebd. S. 131.

[5] Vgl. ebd. S. 139.

[6] Vgl. Jochen Me>

[7] Vgl. ebd. S. 313.

[8] Vgl. Burkhardt 2011, S. 151.

[9] Vgl. Mecke 2014, S. 310.

[10] Vgl. Burkhardt 2011, S. 136.

[11] Ebd.

[12] Vgl. ebd. S. 134.

[13] Vgl. ebd. S. 137.

[14] Vgl. ebd. S. 140.

[15] Ebd. S. 142. Ein exemplarischer Ablauf, erstellt an Hand von Burkhardts Aufzeichnungen, befindet sich im Anhang.

[16] Gert Reifarth: „Herzeleid im Tod nach Noten: Zur Poesie von Rammstein und Till Lindemann“. In: Gert Reifarth (Hg.): Das Innerste von außen. Zur deutschsprachigen Lyrik des 21. Jahrhunderts. Würzburg: Könighausen & Neumann 2007, S. 244-266, hier S. 244.

[17] Vgl. Wegener 2009, S. 96.

[18] Michael Fuchs- Gamböck, Thorsten Schatz: Bis das Herz brennt. Die inoffizielle Rammstein Biografie. Königswinter: Heel Verlag GmbH 2010, S. 89.

[19] Vgl. Alexander Grau: „Unberührbar, unaussprechlich, unverschämt. Über die Erfindung des Tabubegriffs in der Mediengesellschaft“. In: Klaus Dieter Felsmann (Hg.): Mediale Tabubrüche vs. political correctness/ erweiterte Dokumentation zu den 12. Buckower Mediengesprächen 2008. München: kopaed 2009 (= Buckower Mediengespräche, Bd. 12), S. 27-34, hier S. 32.

[20] Vgl. Reifarth 2007, S. 255.

[21] Fuchs- Gamböck, Schatz 2010, S. 9.

[22] Ebd. S. 11.

[23] Vgl. Ulf Lüde>

[24] Vgl. Christian Diemer: „Pink Riefenstahl. (Un-)authentische Inszenierung von Homophilie und Homophobie im Musikvideo »Mann gegen Mann« von Rammstein“. In: Dietrich Helms, Thomas Phleps (Hg.): Ware Inszenierungen. Performance, Vermarktung und Authentizität in der populären Musik. Bielefeld: transcipt Verlag 2013, S. 187-210.

[25] aus dem Booklet von folgender CD entnommen: Liebe ist für alle da. Deutschland: Universal Music 2009.

[26] Ebd.

[27]

[28] Vgl. Pilz 2011.

[29] Vgl. „Rammstein werden zum Staatsfeind“, 22.02.2010 http://www.zeit.de/kultur/musik/2010- 02/rammstein-weissrussland-verbot (Stand: 09.03.2016).

[30] Vgl. Pilz 2011.

[31] “Gericht hebt Verbot von Rammstein- Album auf“, 11.06.2010 http://www.zeit.de/kultur/musik/2010- 06/rammstein-liebe-verbot (Stand: 09.03.2016).

[32] Vgl. Kerstin Wilhelms: „The Sound of Germany. Nationale Identifikation bei Rammstein.“. In: Katharina Grabbe (Hg.): Das Imaginäre der Nation: zur Persistenz einer politischen Kategorie in Literatur und Film. Bielefeld: transcript Verlag 2012 (= Kultur- und Medientheorie), S. 245-263, hier S. 247.

[33] Vgl. Fuchs- Gamböck, Schatz 2010, S. 135.

[34] “Ekelhaft! Pervers! Skandal!“, 26.07.2004 http://www.laut.de/News/Rammstein-Ekelhafb-Pervers!- Skandal ! -26-07-2004-2971 (Stand: 31.03.2016).

[35] Vgl. Fuchs- Gamböck, Schatz 2010, S. 135.

[36] Ebd.

[37] Vgl. Wilhelms 2012, S. 247.

[38] Vgl. offizielles Making Of- Video: https://www.youtube.com/watch?v=woEvrmYm7zc, 0:17:04- 0:17:21, (Stand: 09.04.2016).

[39] Vgl. Claus Peter Müller: „Arwin Meiwes für achteinhalb Jahre in Haft“, 30.01.2004 http://www.faz.net/aktuen/gesenschaft/kriminalitaet/kannibale-von-rotenburg-armin-meiwes-fuer- achteinhalb-jahre-in-haft-1135492-p2.html (Stand: 09.04.2016).

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Rammstein. Skandalöse Musik am Rande gesellschaftlicher Tabus
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Germanistik)
Veranstaltung
Seminar: Theatrale Invektiven
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
34
Katalognummer
V378036
ISBN (eBook)
9783668596825
ISBN (Buch)
9783668596832
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rammstein, Medien, Musik, Provokation, Performance, Bühnenperformance, Rockmusik, Theatrale Invektiven
Arbeit zitieren
Madlen Stiebler (Autor:in), 2016, Rammstein. Skandalöse Musik am Rande gesellschaftlicher Tabus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378036

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