Die Bedeutung der lateinischen Sprache in der heutigen Zeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung

0. Fragestellung

1. Früheste Entwicklung und Ausbreitung des Lateins bis zum Ende des Weströmischen Reiches

2. Die lateinische Schrift

3. Latein als Träger abendländischer Werte
3.1 Sprache der Kirche
3.2 Sprache der Bildung
3.3 Sprache der Wissenschaft
3.4 Rechtstradition
3.5 Diplomatensprache

4. Latein in den modernen Sprachen
4.1 Die romanischen Sprachen
4.2 Latein im Deutschen
4.3 Latein im Englischen

5. Reaktivierungsversuche
5.1 Universalsprache
5.2 Europäische Gemeinschaftssprache

6. Ist das Latein wirklich tot?

0. Fragestellung

Im heutigen Sprachgebrauch wird Latein oft als tot bezeichnet. Man sieht es als eine Sprache, die einmal von großer Bedeutung war, heute aber vollkommen unnütz ist und deshalb aus den Lehrplänen gestrichen werden kann. Doch ist das Latein tatsächlich eine tote, unnütze, längst überholte Sprache, die im modernen Europa keinen Platz mehr hat und der keine Bedeutung mehr zukommt? Diesen Fragen soll diese Seminararbeit nachgehen. Nach einem kurzen Überblick über Entwicklung und Werdegang des Lateins wird sie sich einzelnen Werten des lateinischen Kulturerbes sowie ausgewählten modernen Sprachen zuwenden, um zu untersuchen, wie stark die Rolle der lateinischen Sprache und Tradition heute noch ist.

1. Früheste Entwicklung und Ausbreitung des Lateins bis zum Ende des Weströmischen Reiches

Zu dem Zeitpunkt, als das Latein erstmals historisch greifbar wird, war sein Gebrauch noch auf eine kleine Region auf der Apenninenhalbinsel beschränkt. Es war umgeben von vielen konkurrierenden Dialekten, wie dem Oskischen südlich und dem Umbrischen nördlich von Rom, die einander sehr ähnlich waren und alle zur westlichen Gruppe der indogermanischen Sprachen gehörten.

Die Römer gründeten ihre Stadt in der Nähe der Tibermündung, im Süden der Landschaft Latium. Schon früh waren sie in eine größere Einheit, dem Latinerbund, einbezogen, weshalb ihr Dialekt nicht römisch, sondern latein genannt wurde. (vgl. Szemerényi 1978:28) Doch es war die Mundart dieser kleinen Siedlung am Tiber, die sich wegen der Aktivität der Bewohner und der beherrschenden Lage durchsetzte. Alle anderen Dialekte dieser Region starben relativ schnell aus. (vgl. Vossen 1981:10)

Zwischen 600 und 250 vor Christus handelte es sich bei dem Dialekt der Siedlung Rom noch um ein archaisches Latein mit einer linksläufigen Schrift in Großbuchstaben. (vgl. Störig 1991:118) Beamte, Lehrer und Schriftsteller bemühten sich im 3. Jahrhundert vor Christus darum, Ordnung in die bis dahin noch willkürliche Sprache zu bringen, so daß sich das Altlatein (250-100 vor Christus) entwickeln konnte. In dieser Zeit nahm durch die Ausweitung der römischen Macht auf Italien, Sizilien, Korsika, Sardinien und die iberische Halbinsel die Bedeutung des Lateins stetig zu. (vgl. Vossen 1981:12f.)

Durch die Sprachen der besiegten Völker wurde der lateinische Wortschatz entscheidend beeinflußt und bereichert. Prägend war dabei das Etruskische, aus dem unter anderem fenestra und populus stammen. (vgl. Haarmann 2002:120) Die Römer übernahmen auch das etruskische nunth (ankündigen), bildeten es zu nuntius um und gaben es später an verschiedene Sprachen weiter. Im Französischen existiert es als annoncer, im Italienischen als annunciare. (vgl. Haarmann 1993:125)

Doch zum Lehrmeister der lateinischen Sprache wurde das Griechische. Die Römer unterwarfen die Griechen zwar militärisch, erkannten die griechische Kultur aber als voll- und gleichwertig an. Mithilfe etruskischer Vermittlung übernahmen sie viele Begriffe, die durch das Latein an die europäischen Sprachen weitergegeben wurden. So sind beispielsweise stilus (Schreibgriffel) und littera (Buchstabe) aus dem Griechischen entlehnt worden. (vgl. Haarmann 1993:124f.)

Vor allem Cicero und Cäsar prägten schließlich die klassische Form des Lateins, das im 1. Jahrhundert vor und nach Christi Geburt genutzt wurde. Dabei verwendeten sie jedoch keine neuen Sprachmittel, sondern beschränkten sich auf Auslese und Ausbau des Vorhandenen. (vgl. Vossen 1981:13)

Die Römer errichteten in ihrem Weltreich ein Fernstraßennetz von 86.000 Kilometern Länge. Durch die römische Armee, Kaufleute und Kolonisten hielt das Latein auf diesen Wegen Einzug in weite Teile Europas, Afrikas und Asiens und stieg so zur Sprache der westlichen Welt auf.

Die meisten unterlegenen Völker nahmen die lateinische Sprache schnell als das Instrument einer weltumfassenden, überlegenen Kultur an, obwohl sie ihnen von den Römern nie aufgezwungen wurde. Doch vereinzelt traf das Latein auch auf kulturell stärkere Sprachen, wie dem Griechischen, gegen das es sich nicht durchsetzen konnte.

Auch an der Peripherie des Reiches war dem Latein kein dauerhafter Erfolg beschieden. So gelang es neben den Griechen auch den Basken, den Kelten in Britannien, den Albanesen und den Berbern, ihre Sprache zu retten. (vgl. Vossen 1981:15) Dennoch zeugt der auffällig große Anteil an lateinischem Wortgut von dem Einfluß, den das Latein auch auf diese Sprachen hatte. Unter den zahlreichen Entlehnungen finden sich unter anderem im Griechischen kalantari (Kalender), im Baskischen arima (Seele), im Bretonischen sec’h (trocken), im Kymrischen llyfr (Buch), im Albanischen fill (Faden), im Berberischen angelus (Engel). (vgl. Haarmann 2002:121)

2. Die lateinische Schrift

Im 9. Jahrhundert vor Christus übernahmen die Griechen von den Phöniziern eine Buchstabenschrift, die nur aus Konsonanten bestand. Sie ließen einige Zeichen, die sie nicht brauchten, weg und ergänzten das Alphabet stattdessen durch Vokale. (vgl. Störig 1991:94) Die so entstandene griechische Schrift ist die älteste, die noch heute verwendet wird. Sie wurde von den Etruskern adaptiert und um 600 vor Christus durch die Latiner mit einigen Veränderungen übernommen.

Durch das Bildungswesen der römisch-katholischen Kirche erfuhr diese Schrift schließlich eine starke Verbreitung. „Die Grenze zwischen orthodoxem und römisch-katholischem Christentum markiert bis heute die Grenze zwischen der Verbreitung lateinischer, kyrillischer und griechischer Schrift.” (Munske 1996:84)

Das lateinische Alphabet ist so beliebt, daß es bei Transkription und Transliteration fremder Sprachen weltweite Erfolge feiert. Es wird heute von vielen Sprachen verwendet, die erst eine andere Schrift nutzten oder die vorher noch nicht verschriftet waren. Beispielsweise wurden die lateinischen Buchstaben ins Türkische eingeführt. Das neue Schriftsystem ist sogar in der Lage, die tatsächliche Aussprache der Wörter genauer wiedergeben zu können als vorher die arabische Schrift. (vgl. Vossen 1981:46)

Heute wird das lateinische Alphabet auf dem größten Teil der bewohnten Erde genutzt: in Nord- und Südamerika, in Australien, in großen Teilen Afrikas und Asiens und im größten Teil Europas. Es ist somit „das produktivste Schriftsystem aller Zeiten, denn es werden heutzutage mehr Sprachen in Lateinschrift als in irgendeiner anderen Schriftart geschrieben.” (Haarmann 1993:123)

3. Latein als Träger abendländischer Werte

3.1 Sprache der Kirche

Mit dem Einfall der germanischen Stämme und dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches war das Latein noch längst nicht an seinem Ende angelangt. Seit dem späten 2. Jahrhundert übernahm es den Platz der griechischen Sprache in der aus dem Osten vordringenden Kirche. Erneut floß verstärkt griechisches Sprachgut ins Latein, das im Zuge der Christianisierung an die europäischen Sprachen weitergegeben wurde. Das aus dem Griechischen übernommene eleemosyna lebt noch heute in ganz Europa fort (deutsch: Almosen, englisch: alms, französisch: aumône, spanisch: limosna, italienisch: limosina, baskisch: arremusina, tschechisch: almužna, ungarisch: alamizsna). Ähnlich starke Verbreitung fanden apostolus, evangelium, propheta, blasphemare, diaconus und episcopus. (vgl. Szemerényi 1978:37f.)

In Europa wurden Kirche und Latein unzertrennlich vereint, denn die Verbreitung des Christentums ging mit der Verbreitung der lateinischen Sprache einher. Beide bildeten jahrhundertelang die Grundpfeiler der westeuropäischen Zivilisation. Als Sprache des Vatikanstaates, der päpstlichen Rundschreiben und der Liturgie war das Latein lange Zeit unentbehrlich, wird aber inzwischen zugunsten der besseren Verständlichkeit für die Laien immer stärker durch die Volkssprachen verdrängt. (vgl. Löffler 1991:86)

3.2 Sprache der Bildung

Mit der Verbreitung des Christentums hielt das Latein ebenfalls Einzug in andere Lebensbereiche. Es waren Mönche, die in den Klöstern die christlichen Texte abschrieben und übersetzten sowie Unterricht erteilten und Latein dadurch zur Sprache der Bildung machten.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts blieb das Latein die Sprache des höheren Schulwesens und der Universitäten. Erstmals 1687 wurde in Leipzig eine Vorlesung in deutscher Sprache gehalten, was damals einen Skandal hervorrief. Dennoch setzte sich die Nationalsprache nach und nach durch, so daß im Laufe des 18. Jahrhunderts Vorlesungen in deutscher Sprache üblich wurden. Doch auch im späten 19. Jahrhundert wurden Doktorarbeiten noch immer in lateinischer Sprache verteidigt.

Daß die Universitäten auf eine lange lateinische Tradition zurückblicken, zeigt sich in den unverändert lateinischen Benennungen, wie beispielsweise Auditorium maximum, Kolloquium, Dies academicus, summa cum laude und Numerus clausus. Solche Bezeichnungen finden sich auch in anderen Sprachen (vgl. Schiewe 1996:59f.):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Sprache der Wissenschaft

Wegen ihres übernationalen Charakters blieb die Wissenschaft in ganz Europa sehr lange eine Domäne der Latinität. Wichtige wissenschaftliche Werke wurden für ein knappes Jahrtausend im ganzen Abendland in lateinischer Sprache verfaßt. (vgl. Störig 1991:127) Waren sie doch einmal in einer Nationalsprache geschrieben, wurden sie nachträglich ins Lateinische übersetzt, um sie einem größeren, internationalen Publikum zugänglich zu machen.

Bis ins 18. Jahrhundert hinein wurde dafür die Form des Neulatein genutzt, „einer[r] historische[n] Sprachstufe des Lateins, die aus der [...] Wiederbelebung des klassischen Altertums hervorging, die der bewußte rhetorisch-stilistische Rückgriff auf das klassische Latein (Cicero) und die ebenfalls bewußte Hereinnahme des wiederentdeckten, zuerst in neulateinischer Übersetzung vermittelten klassischen Griechisch kennzeichneten. Neulatein stellt trotz individueller und regionaler, nicht zuletzt durch Einwirkungen der jeweiligen Landessprachen bedingter Unterschiede die lingua franca europäischer Gelehrter und Wissenschaftler während und jahrhundertelang nach der Renaissance dar und liegt heute noch internationalen wissenschaftlichen Nomenklaturen (z. B. Anatomie, Botanik) zugrunde.” (Kirkness 1991:337) Über Landesgrenzen hinweg ist mithilfe der einheitlichen Bezeichnungen leichtere Verständigung, beispielsweise im internationalen Handel, möglich. Das Latein hilft also, Mißverständnisse zu vermeiden.

[...]

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Details

Titel
Die Bedeutung der lateinischen Sprache in der heutigen Zeit
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Veranstaltung
Alte und neue Romania
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V37806
ISBN (eBook)
9783638370561
ISBN (Buch)
9783638866286
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprache, Romania, Latein
Arbeit zitieren
Jana Silvia Lippmann (Autor:in), 2005, Die Bedeutung der lateinischen Sprache in der heutigen Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37806

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