Interkulturelle Kompetenz auf Messen und Delegationsreisen

Qualitative Analyse der Bedeutung interkultureller Kompetenz sowie Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen


Bachelorarbeit, 2017

96 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Theoretische Grundlagen
1.1 Aspekte von interkultureller Kompetenz
1.1.1 Definition der Grundbegriffe
1.1.1.1 Kultur
1.1.1.2 Interkulturelle Kompetenz
1.1.1.3 Interkulturelle Kommunikation
1.1.2 Interkulturelles Handeln
1.1.2.1 Kulturbedingtheit des Wahrnehmens und Handelns
1.1.2.2 Eigenkulturelles und fremdkulturelles Verständnis
1.1.2.3 Interkulturelle Handlungskompetenz
1.1.2.4 Kulturelle Differenzen im internationalen Geschäftsumfeld
1.1.2.5 Interkulturelle Trainings und Coachings
1.2 Messen - ein kommunikationspolitisch gefragtes Mittel
1.2.1 Arten und Interessengruppen
1.2.2 Messebeteiligungsziele und Erfolgsfaktoren
1.3 Delegationsreisen - eine wenig beforschte Praxis
1.3.1 Arten und Interessengruppen
1.3.2 Ziele von Delegationsreisen

2 Angewandte methodische Vorgehensweise
2.1 Forschungsfragen und Hypothesen
2.2 Leitfadengestütztes Experteninterview
2.2.1 Auswahl der Interviewpartner
2.2.2 Aufbau und Inhalt
2.2.3 Planung und Durchführung
2.3 Qualitative Analyse als Untersuchungsmethode

3 Auswertung der Forschungsergebnisse
3.1 Praktische Erfahrung der Experten
3.2 Notwendigkeit interkultureller Kompetenz
3.2.1 Begriffsdefinition und universelle Notwendigkeit
3.2.2 Kategoriengebundene Auswertung für Messen
3.2.3 Kategoriengebundene Auswertung für Delegationsreisen

4 Ergebnis und Handlungsempfehlungen
4.1 Erkenntnisgewinn und hypothesengestützte Ergebnisdiskussion
4.2 Kritische Betrachtung der Experteneinschätzungen
4.3 Konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen
4.3.1 Handlungsempfehlungen für Messen
4.3.2 Handlungsempfehlungen für Delegationsreisen
4.4 Reflexion der Methodenauswahl

5 Fazit

I Literaturverzeichnis

II Verzeichnis der verwendeten Internetquellen

III Anhang

Abstract

Die vorliegende Bachelorarbeit behandelt das Thema ‚Interkulturelle Kompetenz auf Messen und Delegationsreisen‘. Sie setzt sich mit der Forschungsfrage auseinander, welche Rolle interkulturelle Kompetenz als Qualifikationsmerkmal für unterschiedliche Akteure auf Messen und Delegationsreisen spielt. Ziel dieser Arbeit ist es, mithilfe von Experteninterviews zu überprüfen, inwiefern interkulturelle Kompetenz eine notwendige Fähigkeit bei solchen Geschäftsaktivitäten darstellt und dementsprechend konkrete Handlungsanweisungen für Unternehmen abzuleiten. Zur Zielerreichung wird zuerst neben der in Kapitel 1 enthaltenen Aufarbeitung theoretischer Grundlagen das methodische Vorgehen in Kapitel 2 genauer erläutert und daraufhin die Auswertung der Forschungsergebnisse in Kapitel 3 vorgenommen sowie interpretiert. Hierfür wurde eine Vorgehensweise in Anlehnung an die Qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring ausgewählt, um die Aussagen der einzelnen Experteninterviews möglichst zielgerichtet auszuwerten. Abschließend folgt in Kapitel 4 eine kritische Betrachtung der Forschungsergebnisse mit anschließenden Handlungsempfehlungen. Die vorliegende Arbeit kommt zu der eindeutigen Schlussfolgerung, dass interkulturelle Kompetenz als notwendige Fähigkeit auf Messen und Delegationsreisen unerlässlich ist, in der Realität jedoch von Unternehmen manchmal in ihrer Tragweite unterschätzt wird. Welche Auswirkungen das zur Folge haben kann und welche Fördermaßnahmen sich eignen, thematisiert diese Arbeit ebenfalls.

This bachelor thesis is dealing with the topic ‚Intercultural competence on fairs and delegation trips’. It is looking into the research issue which role intercultural

competence plays for different actors of fairs and delegation trips. The aim of this thesis is to analyze in what sense intercultural competence is an essential skill for such business activities by conducting expert interviews and to deduce concrete guidelines for businesses accordingly. To achieve this goal, this paper first outlines the theoretical basics in chapter 1 and the applied methodical procedure in chapter 2, followed by the evaluation and interpretation of the research results in chapter 3. The approach chosen for this research paper follows the qualitative content analysis according to Philipp Mayring in order to ensure a targeted evaluation of the gathered statements. Chapter 4 contains a critical reflection of the research results and presentation of recommended actions for companies. This paper reaches the clear conclusion that intercultural competency as necessary skill is mandatory at fairs and delegation trips. However, in reality its significance is sometimes underestimated by companies. Furthermore, this paper points out consequences this circumstance could lead to and which support measures can be taken.

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Erfolgsfaktoren der interkulturellen Kompetenz

Abbildung 2: Kategorisierung der AUMA von Messen ab 500 m2

Tabelle 1: Kategorien zur Auswertung der Interviews

Einleitung

Im Folgenden wird in die Thematik der Arbeit eingeführt und deren Zielsetzung und Aufbau erläutert. Darüber hinaus enthält diese Rubrik Informationen zum derzeitigen Forschungsstand sowie erste konzeptionelle Überlegungen zur Abhängigkeit zwischen den Untersuchungsgegenständen.

Thematische Einführung und derzeitiger Forschungsstand

„ ‚ Interkulturelle Kompetenz ‘ ist heute zweifellos en vogue. “ (Bolten 2007c: 1) Die Aktualität dieses Themas ist unumstritten, insbesondere seit Beginn der wirtschaftlichen Globalisierung und Internationalisierung von Unternehmen. Wenn von interkultureller Kompetenz gesprochen wird, eröffnet sich ein großes Feld verschiedenster Aspekte und wissenschaftlicher Ansätze. Denn die jeweiligen Fachrichtungen haben eine kaum übersehbare Anzahl an Modellen zur Beschreibung und Entwicklung interkultureller Kompetenz hervorgebracht (vgl. Rathje 2006: 1). Nicht nur der Begriff ‚interkulturelle Kompetenz‘ selbst, sondern auch dessen Bestandteile lassen sich i. d. R. nur schwer präzise definieren, geschweige denn im Rahmen dieser Arbeit vollständig beleuchten. Dies ist zurückzuführen auf die große Fülle an Definitionen und auseinandergehenden Meinungen. Interkulturelle Kompetenz als Disziplin kann bei Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturkreisen erforderlich sein und spielt aufgrund „ zunehmender interkultureller Interaktion in Gesellschaft und Wirtschaft “ (ebd.) einen immer ernster zu nehmenden Faktor. Denn immer häufiger arbeiten Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammen, so beispielsweise auf Messen und Delegationsreisen.

Messen ermöglichen vielfältige Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft und sind nicht selten eine der wichtigsten Aktivitäten eines Unternehmens, um seine Produkte oder Dienstleistungen einer breiten und internationalen Zielgruppe zu präsentieren. Ein erfolgreicher Messeauftritt birgt großes Potential für sich anbahnende Geschäfte und kann folglich Umsatzsteigerung bedeuten. Dennoch werden in den führenden Lehrbüchern der Betriebs- oder Volkswirtschaft Messen als effektive Instrumente vernachlässigt (vgl. Weiler, Lindenberg, Ludwigs 2012: 4, Eichhorn, Goehrmann 2003: 5).

Delegationsreisen stellen für Unternehmen ein wichtiges Instrument der Außenwirtschaftsförderung dar, um deren Möglichkeiten für beispielsweise eine Markterschließung direkt vor Ort zu überprüfen oder mit entscheidenden Ansprechpartnern hinsichtlich der Markteintrittsstrategien in Kontakt zu gelangen. Umso wichtiger sollte es für diese Geschäftsaktivitäten sein, nicht nur fachlich kompetent zu sein, sondern auch sensibel und flexibel im Umgang mit dem Interaktionspartner aufzutreten.

In einschlägiger Fachliteratur finden sich faktisch unzureichende Informationen zu interkultureller Kompetenz auf Messen oder Delegationsreisen. Inwiefern interkulturelle Kompetenz also für Beteiligte eine wichtige Rolle spielt oder spielen sollte, fand in der Forschung bisher wenig Aufmerksamkeit.

Zielsetzung und Aufbau

Diese Arbeit verfolgt das übergeordnete Ziel, die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz auf Messen und Delegationsreisen anhand einer qualitativen Analyse festzustellen und konkrete Handlungsanweisungen für Unternehmen aus- zuarbeiten. Im Rahmen dieser Arbeit soll die Frage beantwortet werden, inwiefern eine interkulturelle Vorbereitung für den Zweck einer Messe oder Delegationsreise in der Realität erfolgt bzw. erfolgen sollte und welchen Stellenwert interkulturelle Kompetenz für solche Geschäftsaktivitäten aus Expertensicht einnimmt. Die mit der Arbeit verbundenen Forschungsfragen und Arbeitshypothesen sind in Kapitel 2.1 erläutert.

Im theoretischen Teil unter Kapitel 1.1 werden zunächst wichtige Aspekte erklärt, die mit interkultureller Kompetenz zusammenhängen. Darauffolgend werden in Kapitel 1.2 und 1.3 Messen und Delegationsreisen thematisch analysiert sowie erforscht, inwiefern interkulturelle Kompetenz hypothetisch dafür notwendig erscheint. Nach der Vorstellung der methodischen Vorgehensweise in Kapitel 2 wird im praktischen Teil unter Kapitel 3 eine qualitative Analyse anhand von Experteninterviews durchgeführt, die Klärung über verschiedene Aspekte bezüglich interkultureller Kompetenz auf Messen und Delegationsreisen bringen soll. Dafür wurden vier Experten unterschiedlicher bayerischer Wirtschaftsverbände, Messegesellschaften und branchenunabhängigen Unternehmen mithilfe eines Leitfadeninterviews befragt. Zum Schluss werden in Kapitel 4 die Forschungsergebnisse kritisch betrachtet und konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen formuliert.

1 Theoretische Grundlagen

Im nachfolgenden Abschnitt wird sowohl das für das theoretische Verständnis grundlegende Wissen und die inhaltlich relevanten Merkmale aufgearbeitet als auch deren Zusammenhang für diese Arbeit erklärt, welcher zum Grundverständnis der qualitativen Analyse erforderlich ist. Die Theorie „ stellt eine wissenschaftliche Annäherung (…) an einen Ausschnitt der Wirklichkeit dar “ (Karmasin, Ribing 2014: 87).

1.1 Aspekte von interkultureller Kompetenz

Interkulturelle Kompetenz ist in unterschiedlichen Forschungsgebieten angesiedelt, was eine allgemein gültige Definition erschwert (vgl. Bolten 2007a: 211). Aus diesem Grund werden die für das Ziel dieser Arbeit relevantesten Begrifflichkeiten selektiert, um möglichst objektive Definitionen der mit interkultureller Kompetenz verbundenen Aspekte herausarbeiten zu können.

1.1.1 Definition der Grundbegriffe

Die im Folgenden erläuterten Begrifflichkeiten sind für eine vollständige Betrachtung im Rahmen dieser Arbeit zu umfangreich. Aus diesem Grund werden wissenschaftliche Erkenntnisse, beispielsweise aus den Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften dargestellt, um eine für den Kontext verständliche und relevante Grundlage zu schaffen.

1.1.1.1 Kultur

Kultur einschlägig zu definieren ist aufgrund seiner vielfältigen Konnotationen und komplexen Bedeutungsvariationen eine Herausforderung. Eine allgemeine und anerkannte Definition gibt es quasi nicht (vgl. Bolten 2007a: 39, Maletzke 1996: 15). Das Wort Kultur stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet „ die Art und Weise, wie die Menschen gestalten mitsamt den ‚ Produkten ‘ ihres Denkens und Schaffens “ (Maletzke 1996: 15). Diese wortwörtliche Bedeutung mag zwar einfach klingen, beinhaltet jedoch weder eine räumliche Eingrenzung nach Kulturen, noch die These, dass es sich um geschlossene Konstrukte handeln würde, welche Ansicht manche Wissenschaftler vertreten, welche jedoch vom Verfasser dieser Arbeit nicht vertreten wird.

Eine Vielzahl von Wissenschaftlern haben unterschiedlichste Versuche unternommen, Kulturen zu beschreiben oder einzuordnen, unter ihnen z. B. Geert Hofstede mit seinem Konzept der Kulturdimensionen (2009). Eine Erläuterung der kulturtheoretischen Ansätze ist im Rahmen dieser Arbeit nicht zweckmäßig. Der Kulturwissenschaftler Hansen (2003: 17f.) definiert Kultur als „ die Gesamtheit der Gewohnheiten eines Kollektivs “ und weist darauf hin, dass dieses Arbeitsfeld „ grenzenlos und zeitlos “ sei. Eine weitere Definition findet sich beispielsweise in der Kulturanthropologie: Dort ist Kultur als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und Wertorientierungen zu verstehen, „ die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden “ (Baumer 2002: 77, Maletzke 1996: 16). Laut Straub (2007a: 16) stellen Kulturen „ ein komplexes Gewebe aus zahllosen aufeinander bezogenen und verweisenden, wissensbasierten, dynamischen Praktiken und Praxisfeldern “

dar. Sowohl Maletzke als auch Straub verwenden eine relativ universelle Definition, welche sich ohne aufwendige Reflexion weder verifizieren noch falsifizieren lässt. Charakteristisch für eine gegenwärtige Betrachtung ist die relativ starke Diversifizierung des Kulturbegriffs (vgl. Bolten 2007a: 41). Mögliche Gründe hierfür nennt Bolten (ebd.): Flexibilisierung der Märkte, Aufweichung nationaler Grenzen durch transnationale Organisationen sowie zunehmende Virtualisierung der Arbeitswelt. Kultur ist demnach nicht notwendigerweise etwas rein Theoretisches, sondern wird anhand einzelner Betrachtungsweisen zu etwas Greifbarem, das logisch nachvollzogen werden kann.

Grundsätzlich sollte zwischen dem engen und dem erweiterten Kulturbegriff unterschieden werden. Während ein enger Kulturbegriff auf die Trennung zwischen Kultur und Zivilisation zurückzuführen ist und sich auf Hochkultur bezieht, was zu einer Separation der Gesellschaft führt und eine nicht mehr zeitgemäße Sichtweise darstellt, verkörpert der erweiterte Kulturbegriff eine wertungsfreiere Ansicht und versucht alle Lebensbereiche in den Diskurs mit einzubeziehen. (Vgl. ebd.: 42f.)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Kultur als dynamische Basis gesehen werden kann, welche aus Werten, Normen und Artefakten besteht und sich im Laufe der Zeit durch das Auftreten ihrer Akteure, die unterschiedlich wahrnehmen und sozialisiert sind, verändert (vgl. Yousefi 2014: 49). Dabei ist anzumerken, dass Kultur erlernt und nicht angeboren ist und sie sich aus dem sozialen Umfeld einer jeden Person ableitet (vgl. Hofstede 2009: 4). Es ist außerdem zu erwähnen, dass innerhalb einer Kultur nicht notwendigerweise alle Menschen eine identische

Auffassung über die mit der Kultur assoziierten Werte und Normen haben (vgl. Trompenaars 1993: 43). Auf diesen Grundsatz bauen auch Kulturkonzepte auf, so beispielsweise Hofstedes Kulturdimensionen (vgl. Schneider, Hirt 2007: 50).

1.1.1.2 Interkulturelle Kompetenz

Genauso wie beim Kulturbegriff herrscht in der Wissenschaft trotz jahrzehntelanger Theoriebildung und Recherche kein Konsens über die Definition von interkultureller Kompetenz (vgl. Ward, Wilson 2014: 42). Interkulturelle Kompetenz kann als Ausprägung der sozialen Kompetenz gesehen werden, wobei - wie beim Kulturbegriff - unterschiedliche Definitionsansätze existieren (vgl. Mertesacker 2010: 26). Dies ist auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Disziplinen zurückzuführen, welche sich mit interkultureller Kompetenz auseinandersetzen (vgl. ebd.). Es handelt sich um ein Konzept, das in der Wissenschaft u. a. von Soziologen, Kulturwissenschaftlern und Wirtschaftswissenschaftlern, als auch in der Praxis von Kommunikationstrainern oder Personalberatern untersucht wird (vgl. Rathje 2006: 1, Stahl 1998: 88). Dies hat zur Folge, dass verschiedene Meinungen bezüglich der Teilkomponenten des Erlernens und Vermittelns von interkultureller Kompetenz existieren (vgl. Rathje 2006: 2). Im Folgenden werden unterschiedliche Definitionen zur Einführung in diese komplexe Thematik herangeführt, ohne interkulturelle Kompetenz explizit auf eine Wissenschaft einzugrenzen.

Mit Interkulturalität wird laut Bolten (2007a: 133, 2007b: 22) der Interaktionsprozess und die Dynamik des Zusammenlebens bezeichnet und ist nicht zu verwechseln mit Multikulturalität, welche sich auf eine soziale Organisationsstruktur bezieht. Es ist kein übergreifendes Vergleichsprodukt gemeint, sondern vielmehr ein Interaktionsgeschehen, in dem sich Aushandlungsprozesse unterschiedlicher Kulturen vollziehen (vgl. ebd. 2007a: 138). Hansen (2003: 318) definiert Interkulturalität als „ das handelnde oder geistige Miteinander-Umgehen von Nationalkulturen und deren Mitgliedern “. Von Kompetenz spricht man insbesondere im Rahmen von Berufsprofilen oder speziellen Anforderungen in professionellen Handlungsfeldern; sie wird zu allgemeinen Schlüsselqualifikationen gezählt, welche das in einem Beruf benötigte Fachwissen komplementieren (vgl. Straub 2007b: 35). Abb. 1 zeigt Arten von Kompetenzen, welche in wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen und im beruflichen Kontext für den Erfolg des Handelns relevant sind:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Erfolgsfaktoren der interkulturellen Kompetenz (Schneider, Hirt 2007: 136, vereinfacht nach Bolten 2007a: 214), eigene Darstellung.

Zu beachten ist, dass interkulturelle Kompetenz in Abb. 1 keineswegs eine gesonderte Kompetenz darstellen soll, sondern das synergetische Resultat ihres Interdependenzverhältnisses (vgl. Bolten 2007c: 4). Die einzelnen Komponenten üben folglich einen Einfluss darauf aus, über eine wie stark ausgeprägte interkulturelle Handlungskompetenz1 jemand verfügt. Wie detailliert diese einzelnen Kompetenzen wahrgenommen werden, wird auch bei den Experteninterviews analysiert (vgl. Kategorie 4, Kapitel 3.2.1). Die Besonderheit der interkulturellen Handlungskompetenz im Vergleich zur allgemeinen bzw. intrakulturellen2 Handlungskompetenz besteht in den Transferfähigkeiten auf das interkulturelle Bezugsfeld, wozu sowohl Fremdsprachenkenntnisse als auch Erklärungsfähigkeit in Bezug auf verschiedene Interaktionszusammenhänge zählen (vgl. Bolten 2007b: 87). Die fremdsprachliche Komponente wird in dieser Arbeit als Teil der Fachkenntnis eingeordnet.

Bolten (2007a: 214) versteht unter interkultureller Kompetenz ein „ ganzheitliches Zusammenspiel von individuellem, sozialem, fachlichem und strategischem Handeln im interkulturellen Kontext “. Fachliche Kenntnisse (z. B. Fachkenntnisse im Aufgabenbereich), strategische Kenntnisse (z. B. Problemlösungsfähigkeit), soziale Kompetenz (z. B. Empathie) und individuelle Kompetenz (z. B. Lernbereitschaft) spielen also eine wesentliche Rolle (vgl. ebd.). Insbesondere die soziale und individuelle Kompetenz sind Teil eines impliziten Wissensvorrats, welcher in seiner Struktur schwer beschreibbar ist und intuitiv eingesetzt wird, wohingegen fachliche (z. B. Beherrschung einer Fremdsprache) und strategische Kompetenzen (z. B. Vorgehensweisen für Problemlösungen) explizit und somit vermittelbar sind (vgl. Scheible 2008: 42). Es ist darauf hinzuweisen, dass interkulturelle Kompetenz das Fehlen der in Abb. 1 genannten Kompetenzen nicht ersetzen kann (vgl. Schneider, Hirt 2007: 136). Aus diesem Grund wird interkulturelle Kompetenz in keinem Fall als alleinstehendes Merkmal begriffen sondern vielmehr als Wirkungsgefüge.

Der Kulturbegriff im Rahmen von interkultureller Kompetenz ist nicht nur auf Personengruppen derselben Herkunft beschränkt, was einem engen Kulturbegriff entsprechen würde, sondern kann auch auf Kollektive angewandt werden (vgl. Rathje 2006: 12). In dem Fall stellen die Mitarbeiter eines Unternehmens in gewisser Weise eine eigene Unternehmenskultur bzw. Subkultur3 dar, welche sich beispielsweise durch gemeinsame Werte oder Normen auszeichnet. Diese implizite und für Außenstehende verborgene bzw. unsichtbare Struktur einer Kultur existiert parallel zur eigentlichen. Interkulturelle Kompetenz wird meist als wissensbasierte Fähigkeit von Individuen charakterisiert, die auch nach Auffassung von Straub (2007b: 39) Kollektiven zugeschrieben werden kann. Ein kollektives Handlungssubjekt können z. B. Mitarbeiter einer Firma sein, die regelmäßig im Ausland mit Menschen unterschiedlicher Herkunft interagieren und aufgrund ihrer Erfahrungen eine eigene Realität konstruieren. Da im Rahmen dieser Arbeit die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz anhand von persönlichen Einschätzungen erörtert werden soll und des Weiteren eine wissenschaftliche Theorie als Grundlage zur Beschreibung interkultureller Kompetenz bei Kollektiven bisher nicht existent ist (vgl. ebd.), wird auf diese Forschungsrichtung an dieser Stelle zwar verwiesen, eine genauere Betrachtung aber außer Acht gelassen. Baumer (2002: 76) beschreibt interkulturelle Kompetenz als Fähigkeit, erfolgreich mit anderen Menschen zu kommunizieren. Infolgedessen scheint Kommunikation für interkulturelle Kompetenz ein bedeutsamer Aspekt zu sein.

„ Intercultural competence can be defined as the acquisition and maintenance of culture-specific knowledge and skills required to: (1) function effectively within a new cultural context and/or (2) interact effectively with people from different cultural backgrounds. “ (Ward, Wilson 2014: 41)

Ward und Wilson betrachten interkulturelle Kompetenz demnach als ein Konstrukt aus kulturspezifischem Wissen und Fähigkeiten, die erworben und aufrechterhalten werden, um einerseits effektiv innerhalb eines neuen kulturellen Kontexts arbeiten und andererseits effektiv mit Menschen aus anderskulturellem Hintergrund interagieren zu können.

Abschließend kann interkulturelle Kompetenz als Korrelation unterschiedlicher Fähigkeiten eines Individuums beschrieben werden, die Wissen sowohl zu eigenen als auch fremden kulturellen Spezifika umfasst und beim Agieren im interkulturellen Kontext dazu beiträgt, eine Interaktion oder einen Sachverhalt zu verstehen und dementsprechend angemessen zu reagieren. Dabei sollte es immer darum gehen,

„ die interkulturelle Zusammenarbeit zu optimieren und ihre Effektivität zu erhöhen “

(Tjitra, Thomas 2006: 251), um im gemeinsamen Umgang Verständnis und eine entsprechende Handlung ableiten zu können.

1.1.1.3 Interkulturelle Kommunikation

„ Man kann nicht nicht kommunizieren “ (Watzlawick 1996, zit. nach Heringer 2010: 19) - dieses bekannte Axiom Watzlawicks trifft insbesondere auch für interkulturelle Kommunikation zu, da jegliches Verhalten interpretiert werden kann (vgl. Heringer 2010: 19).

Kommunikation besteht aus verschiedenen Komponenten: Es sind verbale, nonverbale, paraverbale und extraverbale Anteile vorhanden, welche in einem Interdependenzverhältnis zueinander stehen und entscheidend für die Vermittlung des Kommunikationsinhalts zwischen Interaktionspartnern sind. Im interkulturellen Kontext können einzelne Komponenten wie beispielsweise nonverbale Signale unterschiedlich starke Ausprägungen haben oder Stellenwerte aufweisen (vgl. ebd.). Bei unzureichender Reflexion oder Kenntnis darüber können Missverständnisse zwischen Interaktionspartnern entstehen (vgl. Critical Incidents, Kapitel 1.1.2.4).

Mit Kommunikation bezogen auf den interkulturellen Kontext ist jedoch nicht nur der sprachliche Diskurs gemeint, sondern jede Art der interkulturellen Begegnung (vgl. Schneider, Hirt 2007: 265). Sie betrifft die Bereiche Leadership, Cooperation, Negotiations und Marketing (vgl. ebd.). Somit sind z. B. sprachlich oder inhaltlich adaptierte Plakate eines Unternehmens auf einer Auslandsmesse ebenso eine Form der interkulturellen Kommunikation wie die face-to-face Kommunikation zweier Mitarbeiter fremdkultureller Herkunft4 desselben Unternehmens in einer Lingua franca5 .

Interkulturelle Kommunikation ist häufig konnotiert mit Kommunikationsproblemen und deren theoretischer Erklärung, wohingegen sich interkulturelle Kompetenz mit der Lösung oder Vermeidung dieser Problematik beschäftigt (vgl. Straub 2007b: 39). Auernheimer (2008: 43) argumentiert:

[N] icht alle Kontakte oder Beziehungen zwischen Menschen mit unterschiedlichem kulturellen [sic!] Hintergrund stellen eine Kommunikationssituation mit den Störungsquellen dar, wie sie für eine interkulturelle Kommunikation angenommen werden können. “

Somit bedeuten kulturelle Differenzen bei interkulturellen Kommunikationssituationen nicht unbedingt ein Hindernis. Bolten (2007a: 138) ist der Auffassung, dass Sprache - eine verbale Form der Kommunikation - als Form des Handelns angesehen werden kann und der Übergang zwischen interkulturellem Handeln und interkultureller Kommunikation fließend ist, insofern von Interkulturalität als Prozessbegriff ausgegangen wird. Auch Thomas (2007: 56) ist der Überzeugung, dass aus psychologischer Sicht interkulturelle Kommunikation als Begriff unzureichend ist, auch wenn diese eine zentrale Rolle einnimmt. Stattdessen sei interkulturelles Handeln zutreffender, weshalb den Facetten des interkulturellen Handelns das folgende Kapitel 1.1.2 gewidmet ist.

1.1.2 Interkulturelles Handeln

Handeln bedeutet aus psychologischer Sicht eine spezifische Form des Verhaltens, welches sich durch Zielorientierung und Motivation kennzeichnet und sowohl intentional als auch bewusst ausgeführt wird (vgl. Thomas 2007: 56). Bei interkulturellem Handeln werden folglich bedeutsame Handlungsmuster untersucht, die eine notwendige Bedingung darstellen, wenn Aktionen zwischen unter- schiedlichen Kulturen stattfinden. Zu beachten ist hierbei, dass gemeinsame Handlungskontexte geschaffen werden sollen, ohne Akzeptanzgrenzen eines Interaktionspartners zu überschreiten (vgl. Bolten 2007a: 138). Ein Beispiel im beruflichen Umfeld wäre ein persönliches Aufeinandertreffen zweier Geschäftspartner. Inwiefern eine Begrüßung oder Verabschiedung nach den Kulturstandards6 des einen oder anderen ausgeübt wird, entscheidet sich erst spontan in der Situation und erfolgt implizit. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um eine reflektierte Handlung (vgl. ebd.: 139) und man folgt nicht notwendigerweise bewusst einem konkreten Handlungsmuster.

Gleich wie interkulturelle Kommunikation bezieht sich interkulturelles Handeln insbesondere auf kommunikative Aspekte und umschließt verbale, nonverbale, paraverbale und extraverbale Dimensionen (vgl. Bolten 1995: 37). Somit ist der Übergang zwischen interkultureller Kompetenz, Kommunikation und interkulturellem Handeln nahezu fließend und kann nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden. Interkulturelles Handeln ist vereinfacht gesagt die Form, in der sich die theoretische Fähigkeit der interkulturellen Kompetenz praktisch vollzieht und manifestiert; das wirkliche Verhalten von fremdkulturellen Individuen im interkulturellen Kontext. Jemand der interkulturell handelt, sollte also fähig sein, das Verhalten des Gegenübers sensibel wahrzunehmen und eine adäquate Handlung durchzuführen. Des Weiteren ist eine solche Person in der Lage, ihr eigenes Verhalten und das des anderen zu verbalisieren und zu deuten. Thomas (2006: 114) schreibt der interkulturellen Handlungskompetenz eine „ü berfachliche Schüsselqualifikation von weitreichender Bedeutung “ zu. Interkulturelle Handlungskompetenz bezogen auf die Arbeitswelt wird in Kapitel 1.1.2.4 thematisiert.

1.1.2.1 Kulturbedingtheit des Wahrnehmens und Handelns

Inwiefern wird menschliches Wahrnehmen und Handeln durch unsere kulturelle Prägung beeinflusst? Während kulturelle Werte (z. B. Individualismus, Gleichheit) dem eigenen Bewusstsein zugänglich gemacht werden können, geht man davon aus, dass kulturelle Grundannahmen (z. B. Raum- und Zeitkonzept) unbewusst sind und nicht reflektiert werden (vgl. Stahl 1998: 38). Beim Verhalten spielt Kultur eine essenzielle Rolle, da sie dem Individuum die Mühe eines Entschlusses abnimmt und sozial gelernt ist (vgl. Hansen 2003: 123). Wahrnehmung ist erfahrungsabhängig und erfolgt auf Grundlage bestimmter Wissensvorräte eines Menschen, was in einer individuellen Realitätskonstruktion gipfelt (vgl. Bolten 2007a: 115). Dies kann zu Stereotypisierung bzw. der Bildung von Vorurteilen führen, wenn immer dieselben Erfahrungen in einem eingeschränkten Umfeld gemacht werden und Neues oder Unbekanntes folglich als falsch deklariert wird. Je vielfältiger die Erfahrungen einer Person, umso flexibler sind deren Handlungsschemata (vgl. Bolten 2007b: 35). Daher kann Bolten (2007a: 119) zufolge Schemaflexibilität als Bedingung interkultureller Kompetenz angesehen werden.

Auernheimer (2008: 58) erkennt: „ Um Irritationen durch differente Kulturmuster gewachsen zu sein, ist primär ein Bewusstsein der eigenen Kulturgebundenheit notwendig. “ Denn Missverständnisse im interkulturellen Kontext resultieren häufig daraus, dass man sich der eigenen Kulturgebundenheit und der Wahrnehmung des fremdkulturellen Partners nicht ausreichend bewusst ist (vgl. Bolten 2007b: 29). Als Beispiel lässt sich anführen, dass ein Mitarbeiter, der geringfügig interkulturell kompetent ist, Schwierigkeiten haben könnte, eine Geschäftsbeziehung mit einem fremdkulturellen Partner erfolgreich aufzubauen. Wenn derjenige sich beispiels- weise nicht über die Relevanz der Beziehungsebene bewusst ist, welche einen wesentlich höheren Stellenwert einnehmen kann als in seiner eigenen Kultur, erscheint ein Geschäftsabschluss auf Sachebene, wie er es bisher gewohnt ist, fast unmöglich. Dies mag ihm jedoch aufgrund seiner kulturellen Prägung und seines Verhaltens, die von der des fremdkulturellen Partners abweichen, nicht plausibel erscheinen. Bolten (2007b: 46) zufolge sollte daher das Ziel sein, „ uneindeutige Sachverhalte in Frage zu stellen und auf diese Weise, [sic!] nach befriedigenden und in dem entsprechenden Kontext plausiblen Problemlösungen zu suchen “. Dieser Grundsatz stellt eine wichtige Basis für interkulturelles Handeln dar. Solche indexikalischen7 Sachverhalte erst in oder nach der jeweiligen Situation zu thematisieren, kann bereits zur Bildung von Vorurteilen oder Stereotypen geführt haben. Vorteilhafter ist es, bereits vor einer interkulturellen Begegnung auf solche kulturellen Prägungen aufmerksam zu machen, wie beispielsweise durch Sensibilisierung der Interaktionspartner mithilfe von interkulturellen Trainings (vgl. Kapitel 1.1.2.5).

Anzumerken ist an dieser Stelle außerdem, dass heutzutage häufig länderspezifische Produktvarianten einer Marke existieren, die faktisch denselben Namen tragen, jedoch marginale Unterscheidungen in ihrer Verpackung und den jeweiligen Bestandteilen aufweisen. Man spricht von Produktstandardisierung, welche sich aufgrund von kollektiven Erfahrungs- und Wahrnehmungswelten gebildet haben und von kulturellen Gepflogenheiten abhängen (vgl. Bolten 2007a: 111). Somit lassen sich auch Produktstandardisierungen in den Bereich des kulturbedingten Wahrnehmens eingliedern. Hierbei wird interkulturelle Kompetenz von Unternehmen als Vehikel genutzt, um unterschiedliche Zielgruppen und deren Vorlieben zu berücksichtigen.

Diese Erkenntnisse führen zu der Schlussfolgerung, dass das menschliche Wahrnehmen und Handeln hochgradig von der kulturellen Prägung abhängt und bei unzureichender Sensibilität schwerwiegende Missverständnisse mit gravierenden Folgen entstehen können.

1.1.2.2 Eigenkulturelles und fremdkulturelles Verständnis

Zwischen der eigenen und einer fremden Kultur zu trennen, entspräche dem Ansatz des engen Kulturbegriffs, welcher nach Meinung des Autors dieser Arbeit nicht mehr zeitgemäß ist. An dieser Stelle wird nun das Verständnis beschrieben, das zwischen der eigenen und einer fremden Kultur herrscht. Dieses Verständnis ist eng verbunden mit der kulturbedingten Wahrnehmung: Einerseits wird das verstanden, was im Rahmen der Sozialisation bereits ab dem frühen Alter infiltriert wurde (vgl. ebd.: 116). Aufgrund dieses expliziten Wissensvorrats wird das Wahrgenommene verarbeitet. Andererseits wird etwas Neues konstruiert, das mithilfe von Analogiebildung erfolgt, insofern bis dato keine logische Erklärung zu einem Sachverhalt vorliegt (vgl. ebd.). Das bedeutet, dass bei einem geringen fremdkulturellen Verständnis ein rein individueller, subjektiver Eindruck oder eine möglicherweise falsche, neue Realität konstruiert wird und nur das eigenkulturelle Konstrukt als richtig erachtet wird, da dieses aus dem bereits vorhandenen Wissensvorrat schöpft. Dieses fremdkulturelle Verständnis kann jedoch geprüft und modifiziert werden, sodass gewissermaßen eine Annäherung an die Realität erfolgt (vgl. Schneider, Hirt 2007: 148). Auch Kollektiverfahrungen führen zur Konstruktion dieser Fremdbilder, welche unsere Erwartungen in der interkulturellen Begegnung prägen (vgl. Auernheimer 2008: 52).

Welche Bedeutung hat dies im Kontext der vorliegenden Arbeit? Messen und Delegationsreisen stellen eine zeitlich beschränkte Aktivität dar (vgl. Zademach, Rimkus 2016: 117) und werden im eigen- oder fremdkulturellen Umfeld durchgeführt. Es ist wichtig zu wissen, dass kulturelles Verständnis stets subjektiv konstruiert wird und nicht notwendigerweise der Wirklichkeit entspricht. Eine Gegenwirkung kann durch die bewusste Reflexion des eigenkulturellen sowie der Erweiterung des fremdkulturellen Orientierungssystems erzielt werden, um ein Reagieren des Partners zu antizipieren (vgl. Thomas 2006: 121).

1.1.2.3 Interkulturelle Handlungskompetenz

Wie wird interkulturelle Kompetenz greifbar? Dieses Kapitel soll sich kurz der Anwendung widmen. Was interkulturelle Kompetenz bedeuten kann und woraus sie sich zusammensetzt, wurde bereits in Kapitel 1.1.1.2 erörtert.

Dass Deutschland häufig als Exportweltmeister bezeichnet wird, spiegelt den hohen Internationalisierungsgrad der deutschen Wirtschaft wieder (vgl. Schipper 2007: 14). Somit gewinnt interkulturelle Kompetenz als Qualifikation im beruflichen Kontext an immer größerer Bedeutung, häufig in Bezug auf Mitarbeiter- entsendungen von international agierenden Unternehmen. Dies ist logisch nachvollziehbar, doch sollte interkulturelle Kompetenz im unternehmerischen Kontext nicht nur auf Auslandseinsätze eingeschränkt, sondern vielmehr auf Begegnungen jeglicher Art mit fremden Kulturen im In- und Ausland ausgeweitet werden? Beispiele für diese Begegnungen im internationalen Geschäft stellen sowohl Messen mit internationalem Publikum als auch Delegationsreisen dar. Solche Begegnungen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen bezeichnet man als interkulturelle Überschneidungssituationen (vgl. ebd.: 26). Sie treten dann auf, wenn divergierende Einstellungen, Wertehaltungen oder Grundannahmen aufeinandertreffen (vgl. Stahl 1998: 38).

Interkulturelle Handlungskompetenz ist als Qualifikation bei einer interkulturellen Überscheidungssituation beispielsweise dann erfolgreich, wenn der fremdkulturelle Partner gleichberechtigt anerkannt wird und seine kulturspezifischen Normen, Werte und Verhaltensgewohnheiten ernst genommen und akzeptiert sowie eigenkulturelle Prägungen vernachlässigt und überwunden werden. Inwiefern bei dieser Interaktion inhaltlich ein Konsens erzielt wird, bleibt jedoch fraglich, auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Konsensbildung höher ist als wenn über keine interkulturelle Handlungskompetenz verfügt wird.

Wie interkulturelle Handlungskompetenz vermittelt werden kann und wie Mitarbeiter auf interkulturelle Überschneidungssituationen vorbereitet werden, wird in Kapitel 1.1.2.5 erläutert. Folglich spielt interkulturelle Handlungskompetenz eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei interkulturellen Überschneidungssituationen im beruflichen Kontext. Daneben sind fachspezifische Kompetenzen, zu denen die beruflichen, technischen und betriebswirtschaftlichen Fachqualifikationen zählen sowie internationale Managementkompetenz von Relevanz (vgl. Thomas 2006: 115). Stark (2005: 41) schreibt der interkulturellen Handlungskompetenz einen - besonders für Entscheidungsträger internationaler Unternehmungen - ganz entscheidenden Wettbewerbsfaktor zu. Thomas (2006: 123) fordert, „ interkulturelle Handlungskompetenz als Teil der langfristigen Personalförderung und Personalqualifizierung anzusehen und für alle Fach- und Führungskräfte, die mit Auslandsgeschäften befasst sind, verbindlich zu machen “.

1.1.2.4 Kulturelle Differenzen im internationalen Geschäftsumfeld

Kulturelle Differenzen sind im internationalen Geschäftsumfeld als Gefährdungsfaktor für den Geschäftserfolg nicht zu vernachlässigen. Denn mangelnde Sensibilität diesbezüglich kann z. B. zu Produktivitätsverlusten führen (vgl. Apfelthaler 2002: 13). Dass sich international agierende Mitarbeiter kultureller Differenzen bewusst sein sollten, ist eine triviale Annahme. Im internationalen Geschäftsumfeld werden kulturelle Differenzen nicht selten unterschätzt: Laut Apfelthaler (2002: 13) scheitern lediglich 30% transnationaler Unternehmungen oder Kooperationen an technischen, finanziellen oder strategischen, 70% jedoch an interkulturellen Problemen.

Kulturelle Differenzen entstehen dann, wenn Kulturen in direktem Kontakt zueinander stehen und beziehen sich auf die Erfahrungsebene konkreter Akteure (vgl. Moosmüller 2009: 16). Dies ist z. B. bei Geschäftsaktivitäten multinational und international tätiger Unternehmen der Fall, wobei die Mitarbeiter hier als Akteure fungieren. Moosmüller (1998: 196ff.) macht darauf aufmerksam, dass sowohl Kultur als auch Differenz positiv oder negativ aufgefasst werden können sowie Chancen und Risiken suggerieren. In Bezug auf den Kontext dieser Arbeit werden kulturelle Differenzen als problematisch beim Interagieren im internationalen Geschäftsumfeld angesehen und sind daher negativ konnotiert.

Hinsichtlich des Kommunikationsprozesses können nach Götz und Bleher (2006: 13f.) folgende Störungen auftreten, die Ursprung kultureller Differenzen sind und zu Missverständnissen führen:

- Subjektive und selektive Realitätswahrnehmung: Unterschiede zwischen dem Wahrgenommenen und der Interpretation des Wahrgenommenen.
- Kategorisierung (Stereotypisierung): Bewusste aber implizite Einteilung des Kommunikationspartners in Kategorien und Unterstellung eines bestimmten Verhaltens auf Grund einzelner Merkmale.
- Nationale Überheblichkeit: Eigene nationale Wertvorstellungen werden als besser oder überlegen im Vergleich zu fremden angesehen.

Daher ist es wichtig, kulturelle Differenzen zu relativieren, indem vorschnelle Urteile nicht zugelassen werden und sich vor jeder Handlung über die Art der kulturellen Unterschiede sowie deren Ursprünge und Folgen zu informieren (vgl. Schneider, Hirt 2007: 49). Denn ein Fehlverhalten kann weitreichende Folgen haben: So kommt es im Extremfall zum sogenannten Kulturschock8 (vgl. Stark 2005: 28), der jedoch meist im Zusammenhang mit langfristigeren Auslandsentsendungen thematisiert wird. An dieser Stelle zu erwähnen sind Critical Incidents9 . Mit der Untersuchung und Veranschaulichung dieser Vorfälle beschäftigen sich häufig auch interkulturelle Trainings, um anhand von Paradebeispielen auf die möglichen negativen Auswirkungen solcher Critical Incidents aufmerksam zu machen. Von Kulturschock ist die Rede, wenn ein Individuum während eines kulturellen Anpassungsprozesses im Ausland mit kultureller Fremdheit konfrontiert wird, was schlimmstenfalls zu gravierenden physischen Symptomen führt (vgl. Hofstede 2009: 444ff., 521).

Es stellt sich nun die Frage, wie den oben genannten Missverständnissen bzw. unreflektierten Konsenshandlungen entgegengewirkt werden kann, um kulturelle Differenzen als Hindernis so gut wie möglich zu überwinden. Bolten (2007a: 143f.) nennt folgende Charakteristika, die gleichzeitig Bestandteile eines interkulturell kompetenten Verhaltens darstellen:

- Rollendistanz: Selbst-Objektivierung durch Vergegenwärtigung des interkulturellen Handlungskontextes und Reflexion des Eigenen und Fremden.
- Empathie: Distanzierung gegenüber dem eigenen Handeln, Fähigkeit des Perspektivenwechsels und Verständnis für das Handeln des Anderen.
- Metakommunikation: Handlungen oder Kommunikationsprozesse werden zum eigentlichen Gegenstand der Kommunikation und explizit im Diskurs thematisiert.

Manche dieser Fähigkeiten zur Vermeidung von Missverständnissen müssen trainiert und bewusst angewandt werden. Sie sind als permanent einzusetzende Mittel interkulturellen Handelns zu verstehen (vgl. ebd.: 144).

1.1.2.5 Interkulturelle Trainings und Coachings

Laut Thomas (2006: 116) erfordert interkulturelle Handlungskompetenz „ neben interkulturellem Verstehen [auch] fremdkulturelles Akzeptieren und einen intensiven interkulturellen Lernprozess “. Ein solcher Lernprozess ist sehr umfangreich und zeitaufwendig. Grundvoraussetzungen für interkulturelles Lernen sind z. B. Eigenschaften wie Selbstsicherheit, Flexibilität, Ambiguitätstoleranz und Perspektivenwechsel (vgl. ebd.: 119). Im Folgenden werden kurz diverse Merkmale interkultureller Trainings und Coachings erläutert, sowie erörtert, welche Relevanz diese für Messen und Delegationsreisen haben könnten. Vorab ist darauf aufmerksam zu machen, dass eine Vielzahl uneinheitlicher Konzepte und Typologien interkultureller Trainings existieren, deren Erläuterung nicht Teil dieser Arbeit ist. Dieses Kapitel dient daher lediglich einer kurzen Einführung.

Interkulturelle Trainings verfolgen i. d. R. das Ziel, Teilnehmern die Kulturgebundenheit des Denkens und Handelns zu vermitteln, womit dazu beigetragen wird, fremde Denk- und Erlebnisweisen zu durchschauen.10 Zudem werden Verhaltensweisen und Konfliktlösungsmechanismen erarbeitet, um eine Anpassung an die fremden Verhältnisse zu erzielen (vgl. Götz, Bleher 2006: 33). Es sollte kritisch hinterfragt werden, inwiefern von einer vollständigen Anpassung an fremde Verhältnisse gesprochen werden sollte bzw. ob dies überhaupt ein wünschenswertes Ziel darstellt. Eine vollständige Assimilation an fremdkulturelle Verhältnisse wird in den seltensten Fällen erreichbar sein, da aufgrund der Sozialisation bestimmte Verhaltensmuster fest verankert sind, die nur sehr schwer änderbar sind (vgl. Kapitel 1.1.2.2). Vielmehr sollte das eigene Bewusstsein (das im besten Fall dank interkultureller Handlungskompetenz dazu in der Lage ist, einen fremden Sachverhalt empathisch nachzuvollziehen und angemessen damit umzugehen) dazu genutzt werden, bei jeder Interaktion stets eigen- als auch fremdkulturelle Merkmale im Hinterkopf zu bewahren.

Ziele interkultureller Trainings lassen sich kognitiv, affektiv und verhaltensorientiert untergliedern: Unter kognitiven Zielen ist die Vermittlung spezifischer Kenntnisse einer relevanten Kultur zu verstehen; affektive Ziele beinhalten die Fähigkeit zur emotionalen Selbstkontrolle mit fremdkulturellen Interaktionspartnern; verhaltens- orientierte Ziele sind u. a. Methodenaneignung und selbständige Entwicklung des eigenen Verhaltens und Assimilation an kulturelle Verhaltensmuster (vgl. ebd. 34).

„ Von besonderer Bedeutung bleibt jedoch die Bereitschaft der Teilnehmer, sich auf eine fremde Kultur einzulassen. “ (ebd.: 33) Es ist also erwiesen, dass eine gewisse Offenheit erforderlich ist, falls ein interkulturelles Training gewinnbringend und effektiv sein soll.

Interkulturelle Trainings werden - insofern kein eigenes unternehmensinternes interkulturelles Trainingsmanagement besteht - in international tätigen Unternehmen entweder als Inhouse -Fortbildung oder mithilfe von externen Seminaren durchgeführt und sind in den Bereich der internationalen Personalentwicklung einzuordnen (vgl. Stark 2005: 88). Gründe für die interkulturelle Fortbildung von Mitarbeitern sind u. a. wettbewerbstechnischen Ursprungs (vgl. Scheible 2008: 54). Die Methoden reichen von der einfachen Vermittlung von Faktenwissen oder dem Eingehen auf kulturelle Differenzen (kognitive Dimension, didaktisch) bis hin zu Rollenspielen oder Kultursimulationen (affektive/verhaltensorientierte Dimension, erfahrungsbezogen) (vgl. Puck 2009: 81, 92, Schipper 2007: 82, Bolten 2007a: 225f., Bolten 2007b: 88, Stark 2005: 80f.). Bei manchen Trainingsarten kommen auch Critical Incidents (vgl. Kapitel 1.1.2.4) zur Veranschaulichung eines Sachverhalts zum Einsatz. Nancy Rienow, 17 Expertin für interkulturelle Messevorbereitung, nennt im Interview mit dem Fachverband Messe- und Ausstellungsbau (FAMAB) e.V. folgende Trainingsinhalte: Sensibilisierung der Eigenkultur, Arten von Kommunikationsstilen und praktische Übungen zur kompetenteren Kommunikationsstrategien im globalen Umfeld (vgl. FAMAB: 10.04.2017).

Fraglich ist, auf welche Trainingsart zurückgegriffen werden sollte. Während kulturallgemeine Trainings kulturübergreifendes Wissen vermitteln und somit im Idealfall auf jede interkulturelle Handlungssituation übertragbar sind, beziehen sich kulturspezifische Trainings meist auf Merkmale einzelner Kulturen (vgl. Puck 2009: 79). Diese Entscheidung ist nach Auffassung des Verfassers dieser Arbeit kontextabhängig zu treffen: Sie ist davon abhängig, ob ein Mitarbeiter vor allem mit nur spezifischen fremden Kulturen in Kontakt kommt oder es vielfältige Berührungspunkte gibt. Kulturallgemeine Trainings bieten sich demnach für Messepersonal an, das mit Vertretern unterschiedlicher Kulturen in Verbindung kommt. Das interkulturelle Messetraining bei Cultural Consultant umfasst jedoch beispielsweise länderspezifische Kulturstandards und Verhaltensregeln (vgl. Cultural Consultant: 11.04.2017), um Messepersonal auf spezifische Kulturkreise vorzubereiten. Diesen Ansatz verfolgt auch das Pilotprojekt Fit for Fair im Rahmen des bayerischen Messebeteiligungsprogramms (vgl. Fit for Fair: 20.04.2017), mit dem sich Unternehmen gezielt auf interkulturelle Überschneidungssituationen vorbereiten können. Für ein interkulturelles Messetraining ist pro Teilnehmer mit einer Gebühr von mehr als 1000€ zu rechnen (vgl. Escolar: 11.04.2017). Kulturspezifische Trainings eignen sich aus Sicht des Autors dieser Arbeit auch für Delegationsreisen, da häufig die Interaktion insbesondere mit nur einer fremdkulturellen Gruppe anvisiert wird.

Wie wirkungsvoll interkulturelle Trainings schlussendlich sind, hängt neben der grundlegenden Offenheit der Teilnehmer auch insbesondere von der für das Training aufgebrachten Zeit und dessen Umfang, der Fundiertheit sowie der persönlichen Relevanz ab, um ein paar mögliche Einflussfaktoren zu nennen. Inwiefern interkulturelle Trainings auch von Messeveranstaltern und deren Mitarbeitern sowie Teilnehmern von Delegationsreisen in Anspruch genommen werden, bleibt zu erforschen. Hierzu wurden auch die Experten befragt, da in aktuellerer Literatur keine Informationen darüber zu finden sind. Eine solche Schulungs- bzw. Fortbildungsmöglichkeit ist jedoch mit Sicherheit ein geeignetes Instrument, die interkulturelle Kompetenz von Messepersonal oder Teilnehmern von Delegationsreisen zu fördern.

Da sich in der Literatur nur wenige Informationen zu interkulturellen Coachings finden, werden diese nur kurz betrachtet. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Art der Sensibilisierung für kulturelle Differenzen verkannt werden sollte. Coachings können von interkulturellen Trainings abgegrenzt werden: Diese beziehen sich sowohl auf individuelle Beratung und Entwicklung von Personen als auch multikulturellen Teams, die in interkulturelle Prozesse involviert sind (vgl. Bolten 2007a: 236). Im Gegensatz zum interkulturellen Training ist ein Coaching eine Maßnahme, die meist direkt am Ort des Geschehens stattfindet. Der Coach hat beispielsweise die Aufgabe, konkrete Handlungen eines internationalen Teams zu analysieren, wodurch in Kooperation mit den Coachees ein künftig effizienteres Verhalten entwickelt wird (vgl. ebd.). Das Ziel soll sein, neue Handlungs- perspektiven zu eröffnen, jedoch nicht ein „ Null-Kulturfehler-Ziel “, was auf eine kulturneutrale Kommunikation herausliefe, so Ute und Ulrich Clement (2006: 154). Damit stimmt auch Trompenaars (1993: 251) überein, der argumentiert, dass es faktisch unvermeidbar ist, im Umgang mit fremden Kulturen Fehler zu machen. Da Methoden des interkulturellen Coachings in der Forschung bislang nicht systematisch erarbeitet worden sind (vgl. Bolten 2007a: 236), wird in dieser Arbeit auf eine dezidierte Erläuterung verzichtet. Es ist fraglich, ob interkulturelle Coachings eine gleichermaßen wirkungsvolle Unterstützung wie interkulturelle Trainings darstellen, um interkulturelle Handlungskompetenz von Messe- mitarbeitern oder Delegationsteilnehmern zu explizieren und zu fördern, da dies die Notwendigkeit der permanenten Anwesenheit eines Coaches mit sich brächte. Weiler, Lindenberg und Ludwigs (2012: 376) verweisen auf die Möglichkeit eines internen Coaches (Führungskraft des Unternehmens) auf Messen, stellt aber gleichzeitig deren zeitliche Verfügbarkeit infrage. Es bietet sich eher ein externer Coach an, der einen anderen Blickwinkel ermöglicht und dies Mitarbeiter offener für Veränderungen macht (vgl. ebd.: 377). Eine Miteinbeziehung der interkulturellen Problematik nehmen Weiler, Lindenberg und Ludwigs in diesem Zusammenhang nicht explizit vor.

1.2 Messen - ein kommunikationspolitisch gefragtes Mittel

Neben einer Definition des Messebegriffs wird nachfolgend insbesondere auf die Relevanz von Messen im unternehmerischen Kontext und die grundsätzlichen Ziele einer Messe aus Sicht unterschiedlicher Interessengruppen eingegangen. Die Definition einer Messe lautet nach § 64 der Gewerbeordnung wie folgt: „ Eine Messe ist eine zeitlich begrenzte (…) Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt und (…) vertreibt. “ (Gewerbeordnung: 29.03.2017)

Einige der in diesem Kapitel aufgeführten Angaben beruhen u. a. auf den Informationen, die der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V.11 (AUMA) zur Verfügung stellt. Der AUMA fungiert als Spitzenverband der Messebranche, vereinigt Aussteller, Veranstalter, Besucher und Serviceunternehmen und vertritt die Interessen der einzelnen Gruppen. Neben dieser Hauptaufgabe koordiniert er beispielsweise die Auslandsmesseaktivitäten der deutschen Wirtschaft. Zudem besteht eine wichtige Aufgabe des Verbands der Messewirtschaft in der Beratung ausländischer Interessenten. Daher unterstützt dieser das internationale Marketing der deutschen Messen. (Vgl. Kresse 2003: 88- 94)

Messen nehmen insbesondere im Business-to-Business-Bereich einen hohen Stellenwert für die Absatzförderung ein: Laut AUMA (2017a: 4) wenden deutsche Unternehmen rund 45% ihres Business-to-Business-Marketing-Etats für Messen auf. Messen sind also im Bereich des Marketing verankert und als Teil der Kommunikationspolitik und der Unternehmenskommunikation zu verstehen: Sie ermöglichen den persönlichen Kontakt zu Kunden bzw. Stakeholdern (vgl. Haag 2012: 6), jedoch auch die Beobachtung von Wettbewerbsaktivitäten. Funktionen von Messen umfassen aus Unternehmenssicht u. a. Kundenpflege und - gewinnung, Präsentation neuer Produkte und Dienstleistungen, (betriebswirtschaftliche Funktionsausprägung), Wirtschaftsförderung, Marktbildung und Marktpflege (volkswirtschaftliche Funktionsausprägung), Wissenstransfer sowie Kontaktbildung zwischen Wirtschaft und Politik (gesellschaftliche Funktionsausprägung) (vgl. AUMA-1: 24.03.2017).

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Messen parallel als Marketinginstrument eines Standorts wirken, da Messegesellschaften und -standorte meist in wirtschaftsstarken Regionen und Städten zu finden sind und diese gewissermaßen sekundär profitieren (internationale, nationale und regionale Standortbewerbung) (vgl. AUMA-2: 24.03.2017). Neben dem Vorteil des monetären Gewinns für die Messegesellschaften ist die Zielsetzung von Städten und Regionen auch die Förderung und Nachfragesteigerung der eigenen nationalen und regionalen Wirtschaft (vgl. Von Zitzewitz 2003: 139). Durch das Veranstalten von Messen kann demnach auch die gesamtwirtschaftliche Situation eines Standorts optimiert werden. Regionale Profiteure und Stakeholder sind beispielsweise Hotellerie, Gastronomie, Freizeitanbieter, Verkehrsgesellschaften und Einzelhandel (vgl. ebd.: 138); nationale Profiteure können Fluggesellschaften, Reiseagenturen und der Staat selbst sein, da zusätzliche Steuereinnahmen generiert werden.

1.2.1 Arten und Interessengruppen

Es gibt In- und Auslandsmessen, wobei in dieser Arbeit auf beide Arten mit Fokus auf Deutschland eingegangen wird. Wenn nachfolgend von Inlandsmessen die Rede ist, bezieht sich der Verfasser dieser Arbeit auf Messen in Deutschland, Auslandsmessen werden aus der Perspektive Deutschlands betrachtet. Man unterscheidet zudem zwischen Mehrbranchenmessen, welche das Angebot mehrerer Wirtschaftszweige präsentieren und Fachmessen, welche sich auf einen oder wenige Wirtschaftszweige oder bestimmte Dienstleistungen konzentrieren (vgl. AUMA 2016a: 26). Eine branchenspezifische Trennung oder Eingrenzung von Messen ist in dieser Arbeit nicht vorgesehen.

Der AUMA (2016a: 25) klassifiziert Messen in Deutschland hinsichtlich deren Einzugsbereich und deren konzeptionellen oder schwerpunktmäßigen Ausrichtung. Daraus ergeben sich regionale, nationale und internationale Messe-Kategorien, welche je nach Größe unterschiedliche Zwecke erfüllen (beispielsweise das wesentliche Angebot von einem oder mehreren Wirtschaftszweigen abzudecken) und unterschiedliche Reichweiten erzielen müssen (beispielweise mindestens 20 % der Fachbesucher reisen aus mehr als 300 Kilometern an), was in Abb. 2 zu sehen ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: AUMA-Klassifizierung von Messen ab 500 m2 (vgl. AUMA 2017b: 1, AUMA 2016a: 25f.), eigene Darstellung.

Zwei Drittel aller Leitmessen12 weltweit finden in Deutschland statt (vgl. AUMA 2017a: 3). Das macht Deutschland zu einem interessanten Standort für Messegesellschaften13 und Anziehungspunkt für Veranstalter14, internationale Aussteller15 sowie Fachbesucher16. Unternehmensspezifische Interessengruppen sind i. d. R. Aussteller und Fachbesucher. Jede Leitmesse sollte die heterogenen Interessen von Ausstellern und Besuchern miteinander homogenisieren, was eine Koordinationsfunktion seitens einer Messe erfordert (vgl. Fuchslocher, Hochheimer 2000: 51). Denn Aussteller und Besucher verfolgen unterschiedliche Messebeteiligungsziele (vgl. Kapitel 1.2.2). 2016 kamen rund 55% der Aussteller und 35% der Besucher von Messen in Deutschland aus dem Ausland (vgl. AUMA 2017a: 2).

[...]


1 Mit Handlungskompetenz ist die Fähigkeit gemeint, zielgerichtet sowie der Situation angemessen und verantwortungsbewusst betriebliche Aufgaben zu erfüllen und Probleme zu lösen (vgl. Gabler-1: 25.03.2017). Es handelt sich um ein optimales strategisches Vorgehen (vgl. Stark 2005: 36). Interkulturelle Handlungskompetenz ist daher die effektive und richtige Anwendung des Konzepts der interkulturellen Kompetenz (vgl. ebd.: 33).

2 Interaktion zwischen Angehörigen von Subkulturen innerhalb eines Lebenswelt-Netzwerkes (vgl. IKUD: 25.03.2017).

3 Subkultur bezeichnet „ die besonderen Verhaltensweisen und Ansichten eines bestimmten Milieus, das wir unterhalb der vorzeigbaren Schichten ansiedeln “ (Hansen 2003: 13).

4 Maletzke (1996: 37) trennt bei Herkunft zwischen Kultur und Nation, wobei diese Begriffe auch deckungsgleich sein können. Auch Menschen derselben Nation besitzen nicht zwangsläufig dieselbe Kultur bzw. kulturelle Prägung. Baumer bestätigt diese These und differenziert wie Maletzke zwischen interkultureller Kommunikation und internationaler Kommunikation. Ersteres meint die Begegnung von Menschen verschiedener Kulturen wohingegen sich letzteres auf die Begegnung zwischen Menschen verschiedener Nationalitäten bezieht (vgl. Baumer 2002: 56, Maletzke 1996: 37). Eine Staatsangehörigkeit ist zudem abzugrenzen von einer Kulturangehörigkeit, da ansonsten ggf. eine unrechtmäßige Zuschreibung von kollektiven Eigenschaften entsteht (vgl. Hofstede 2009: 23).

5 Verkehrs- bzw. Arbeitssprache.

6 Kulturstandards kennzeichnen in diesem Fall die in der Gesellschaft akzeptierten und praktizierten Formen der Begegnung (z.B. Begrüßungsritual). Es sei auf die hochgradig individuelle Prägung des Einzelnen hingewiesen, dessen Verhalten ggf. von dem abweicht, was von einer Mehrheit als Norm verstanden wird. Innerhalb einer Gesellschaft existieren keine allgemeingültigen Generalisierungen bezüglich einer Handlungsnorm (Vgl. Bolten 1995: 33).

7 uneindeutig, interpretationsbedürftig (vgl. Bolten 2007a: 56).

9 Diese von John Flanagan ursprünglich für die Analyse und Diagnose komplexer Systeme und Abläufe entwickelte Technik findet auch bei menschlicher Interaktion Anwendung (vgl. Heringer 2010: 218f.): Zu einem Critical Incident kommt es dann, wenn Personen verschiedener Kulturen in Kontakt treten und daraus Missverständnisse oder Konflikte resultieren (vgl. ebd.: 219).

10 Diese Prämisse wird als Awareness bezeichnet. Zuerst muss die Cultural Self-Awareness entwickelt werden, also der eignen kulturellen Prägung Bewusstsein verschafft werden, auf die schließlich die Intercultural Awareness aufbaut (vgl. Apfelthaler 2002: 187).

11 Eine genauere Erläuterung der mit dem AUMA in Verbindung stehenden Aufgaben und Ziele findet sich auf deren Website, siehe http://www.auma.de.

12 Führende Messe einer Branche (AUMA-3: 25.03.2017).

13 Unternehmen in öffentlichem oder privatem Eigentum, die Messen im In- und Ausland durchführen und häufig selbst Messegelände besitzen und/oder betreiben (AUMA-4: 25.03.2017).

14 Institution, die eine Messe konzipiert und/oder durchführt (AUMA-5: 25.03.2017).

15 Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen, die vom Messeveranstalter auf einer Aussteller-Standfläche zugelassen sind und dort Produkte, Dienstleistungen und/oder Rechte präsentieren (AUMA-6: 25.03.2017).

16 Messebesucher, der an einer Messe aus beruflichen oder geschäftlichen Gründen teilnimmt (AUMA-7: 25.03.2017).

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Interkulturelle Kompetenz auf Messen und Delegationsreisen
Untertitel
Qualitative Analyse der Bedeutung interkultureller Kompetenz sowie Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen
Hochschule
Sprachen & Dolmetscher Institut München  (Hochschule für Angewandte Sprachen)
Veranstaltung
Internationale Wirtschaftskommunikation
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
96
Katalognummer
V378350
ISBN (eBook)
9783668554993
ISBN (Buch)
9783668555006
Dateigröße
1121 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interkulturelle Kompetenz, Messewesen, Delegationsreisen, Internationale Unternehmen, Kulturelle Differenzen, Kultur, Interkulturelles Handeln, Experteninterviews, Qualitative Inhaltsanalyse, Handlungsempfehlungen, Leitfadeninterviews, Internationale Wirtschaftskommunikation, Critical Incidents, Interkulturelle Trainings, Deduktive Hypothesen, Interkulturelle Handlungskompetenz
Arbeit zitieren
Benjamin Straub (Autor:in), 2017, Interkulturelle Kompetenz auf Messen und Delegationsreisen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378350

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