Frankreichs "Politik des leeren Stuhls". Ursachen, Verlauf und Auswirkungen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Weg in die Krise
2.1 Die Position Frankreichs in Europa seit 1945
2.2 Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

3 Die ÄPolitik des leeren Stuhls“
3.1 Ursachen
3.2 Verlauf
3.3 Positionen der anderen Mitgliedsstaaten
3.3.1 Italien
3.3.2 BRD
3.3.3 Niederlande
3.3.4 Belgien und Luxemburg
3.4 Auswirkungen

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der von Frankreich ausgeübten ÄPolitik des leeren Stuhls“ vom 1. Juli 1965 bis Ende Januar 1966.1 Diese kennzeichnete sich durch ein Fernbleiben der französischen Delegation von den Ratssitzungen des Ministerrates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Damit war dieses Organ beschlussunfähig und es brach eine Krise in den Europäischen Gemeinschaften aus.2 Die Arbeit soll darüber hinaus näher erläutern, ob die ÄPolitik des leeren Stuhls“ als ein wichtiger, wenn nicht sogar als der wichtigste, Prüfstein der Europäischen Gemeinschaften gelten kann.

Zu Beginn dieser Arbeit wird der Weg in die Krise beschrieben. Dafür wird zuerst die Position Frankreichs in Europa seit 1945 beschrieben, um das Verhalten der französischen Regierung zu ergründen, welches zum Fernbleiben von den Ministerratssitzungen führte. Nicht nur das außenpolitische Verhalten der französischen Regierung wird betrachtet, sondern auch verschiedene innenpolitische Ereignisse und Wendungen. Die Position Frankreichs in Europa wird lediglich bis zum Amtsantritt Charles de Gaulles zum französischen Staatspräsident beleuchtet, da die Entwicklung der französischen Europapolitik in den weiteren Gliederungspunkten immer wieder aufgegriffen wird und somit Dopplungen vermieden werden sollen. Die Entwicklung der EWG von ihrer Gründung am 25. März 1957 bis zum Krisenjahr 1965 wird im nächsten Abschnitt der Arbeit erläutert.3 In diesem Gliederungspunkt wird vor allem auf Fortschritte und Unstimmigkeiten bis hin zu Konflikten in der europäischen Zusammenarbeit eingegangen.

Im Hauptteil der Arbeit wird sich dann detailliert mit der ÄPolitik des leeren Stuhls“ beschäftigt. Es werden zu Beginn Faktoren aufgeführt und näher erläutert, die die Protestreaktion Frankreichs hervorriefen. Danach wird ein detaillierter Verlauf der ÄPolitik des leeren Stuhls“ dargestellt, in dem das Verhalten und die Reaktionen der Mitgliedsstaaten der EWG beschrieben werden, wie sich die entstandene Krise entwickelte und wie sie letztendlich gelöst werden konnte. Im Anschluss werden die unterschiedlichen Positionen Italiens, der Benelux-Staaten und der BRD während der ÄPolitik des leeren Stuhls“ erläutert, um zu zeigen, wie die einzelnen Staaten zur Entwicklung der Krise beitrugen und welche Einstellungen sie vertraten. Als Letztes wird im dritten Gliederungspunkt auf die verschiedenen Auswirkungen der ÄPolitik des leeren Stuhls“ eingegangen.

Den Abschluss der vorliegenden Arbeit bildet ein Fazit, in welchem noch einmal die wichtigsten Fakten zusammengefasst werden, um anschließend zur Beantwortung der zentralen Fragestellung zu kommen.

Bei der Betrachtung des Forschungsstands zur vorliegenden Thematik lässt sich feststellen, dass sich bisher wenige Historiker ausführlich mit der ÄPolitik des leeren Stuhls“ auseinander gesetzt haben. Vorwiegend taucht die Krise kurz behandelt in Werken über die Europäische Integration oder der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften auf. Das außenpolitische Verhalten Frankreichs in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg ist dagegen oft näher beleuchtet, da es als Sieger des Krieges, zentrale europäische Staatsmacht und Mitglied der Europäischen Gemeinschaften nicht unbeachtet bleiben kann. Die Rolle Charles de Gaulles im französischen Staat und in der Entwicklung der europäischen Integration ist so gravierend, dass sie Hauptbestandteil von verschiedenen Werken geworden ist, aber auch in der Basisliteratur der Thematik oft beschrieben ist.

Als wichtigste Untersuchungen zur ÄPolitik des leeren Stuhls“ ist zum Einen das Werk ÄVisions, Votes and Vetoes - The Empty Chair Crisis and the Luxembourg Compromise forty years on“ von Palayret, Wallace und Winand aufzuführen, in dem sich nicht nur ausführlich mit der Entwicklung, den Ursachen und der Lösung der Krise auseinandergesetzt wurde, sondern auch mit den verschiedenen Positionen der EWG-Mitgliedsstaaten.4 Zum Anderen liegt die Dissertationsarbeit von Philip Bajon aus dem Jahr 2011 vor. In dieser beschäftigt er sich vor allem mit der ÄPolitik des leeren Stuhls“. Detailliert stellt er die Ursachen, den Verlauf und die Folgen der Krise dar, schildert aber zuvor auch die Entwicklung des europäischen Einigungsprozesses bis hin zum Ausbruch der Krise.5 Als Basisliteratur zur französischen Europapolitik ist beispielsweise das Werk von Gisela Müller-Brandeck- Bocquet zu nennen, in dem die Etappen des französischen Verhaltens in Europa festgehalten sind.6 Grundlegende Werke zur europäischen Integration sind zahlreich, als Beispiel ist hier die Untersuchung von Eger, Fritz und Wagener anzuführen.7

2 Der Weg in die Krise

2.1 Die Position Frankreichs in Europa seit 1945

In den ersten Jahren der Nachkriegszeit fokussierten sich die außenpolitischen Bestrebungen Frankreichs vor allem auf Deutschland. Grundlegend sollte ein Wiedererstarken der deutschen Nation verhindert werden. Anstelle einer Zentralverwaltung Deutschlands sprach sich die französische Regierung für eine Spaltung in viele kleinere Staaten aus. Die von den USA entwickelte ÄContainment-Politik“ in der Entstehungsphase des Kalten Krieges führte zwangsläufig zu einer Annäherung und Zusammenarbeit der westlichen Staaten und durch die Angewiesenheit auf die finanziellen Mittel aus dem ÄMarshall-Plan“ musste Frankreich der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland zustimmen. Die französische Regierung veränderte ihre Zielsetzung dahingehend, dass ein größtmöglicher Schutz vor einem neuerlichen ÄDeutschen Reich“ und der Sowjetunion durch die Einbettung der BRD in westeuropäische Strukturen und einer gegenseitigen Annäherung gewährleistet werden konnte.8

Das Bestreben, ein vereintes Europa zu schaffen, entstand etwa ab 1950 und Frankreich trug maßgeblich dazu bei. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und weitere Projekte zur europäischen Integration wie zum Beispiel Konzepte für eine Politische Gemeinschaft in Europa (EPG) und einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) wurden von Frankreich angestoßen worden, auch wenn von diesen drei Plänen nur die EGKS in die Tat umgesetzt werden konnte. Selbst in Frankreich wurde lediglich die EGKS 1951 ratifiziert, denn die EPG und EVG wurden in der französischen Nationalversammlung während der IV. Republik aufgrund von politischen Unstimmigkeiten zwischen dem Ministerpräsidenten Pierre Mendès France und den Kommunisten, Linkssozialisten und Gaullisten abgelehnt.9 Dieser politische Widerstand basierte vor allem darauf, dass Frankreich als starke europäische Macht auf seine Eigenständigkeit beharren müsse und auch deshalb die Bereitschaft gering war, Ä[…] Souveränität auf eine europäische Organisation zu transferieren.“10 Zudem fürchtete die Opposition, dass die BRD im Zuge der EVG an eine gefährliche militärische Stärke gelangen könnte, was der im Vordergrund stehenden Sicherung Frankreichs widersprochen hätte. Die Ablehnung von EVG und EPG verhinderte einen großen Fortschritt im europäischen Integrationsprozess.11

Dem Beitritt der BRD zur NATO Ende 1954 und zum Brüsseler Pakt, der zur Westeuropäischen Union (WEU) umbenannt wurde, stimmte die französische Regierung zu, um ein bilaterales Verteidigungsabkommens zwischen den USA und der BRD zu verhindern und gleichzeitig noch möglichst viel Mitbestimmung über die Bestrebungen der BRD zu bewahren. Am 1. und 2. Juni 1955 trafen sich die Außenminister der sechs EGKS-Staaten in Messina, um über die Entwicklung des europäischen Einigungsprozesses zu beraten. Aufgrund von großen wirtschaftlichen Vorteilen durch den entstehenden Gemeinsamen Markt entschloss sich die französische Regierung mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 zur Gründung und zum Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und zur Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). Frankreich sah ein, dass ein Erstarken der BRD nicht verhindert werden konnte und versuchte nun eine zentralere Position im europäischen Gefüge einzunehmen.12 Im darauffolgenden Jahr kam es im zu Frankreich gehörenden Algerien aufgrund einer schlechten Kolonialpolitik zu einem Aufstand von Armee und Bewohner, die zur Absetzung der damaligen französischen Regierung und zur Einsetzung Charles de Gaulle als Ministerpräsident führte. Dieser erarbeitete eine neue Verfassung, die dem Staatspräsidenten den größten Einfluss im Staat garantierte. Die IV. Republik wurde 1958 für beendet erklärt und die V. Republik begann.13

Ende des Jahres wurde de Gaulle zum Staatspräsidenten in der neuen Verfassung gewählt, die er nach seinen eigenen Wunschvorstellungen entwickelt hatte. Welch starke Position de Gaulle nun innehatte wird in Artikel 5 deutlich, denn die nachfolgenden Aufgaben konnte er ohne Mitbestimmung von Parlament und restlicher Regierung ausüben. Zum Einen war der Staatspräsident ÄGarant der Verfassung“, außerdem oblag ihm die ÄSchiedsrichterfunktion“ und er sollte außenpolitisch Ä[…] die Interessen der Nation“ sichern.14 Obwohl er bei bestimmten Entscheidungen wie beispielsweise zur europäischen Integration und generellen Außenpolitik verfassungsrechtlich der Zustimmung des Premierministers oder eines Ministers bedurfte, konnte der Staatspräsident förmlich uneingeschränkt entscheiden, wenn er die Mehrheit in der französischen Nationalversammlung besaß. Denn dadurch war vor allem der Premierminister auf Seiten des Staatsoberhauptes, sodass dieser seine eigenen Entschlüsse durchbringen konnte. Das von de Gaulle selbst entwickelte Staatssystem ermöglichte ihm dementsprechend weitreichende Befugnisse in den von ihm favorisierten Entscheidungenbereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik.15 Seine Entscheidungsfreiheit nutzte er vorrangig, um sein wohl wichtigstes Anliegen durchzusetzen.

Er schrieb Frankreich eine tragende Rolle in der internationalen Politik zu. Diese Ansicht basierte auf dem Großmachtanspruch Frankreichs infolge dessen, dass die Franzosen zu den Siegern des Zweiten Weltkriegs gehörten.16 De Gaulles Leitsätze in Bezug auf sein Land machen klar, in welcher Position er Frankreich sah: ÄFrankreich ist eine Persönlichkeit, […] der Garant der Freiheit, […] die Keimzelle Europas, […] eine Weltmacht.“17 De Gaulle wollte Frankreichs Stellung im internationalen politischen Gefüge sichern und möglichst ausbauen, gleichzeitig wollte er die Souveränität seines Landes gewährleisten. Diese Ziele wollte er mit allen Mitteln erreichen und war auch bereit auf Konfrontationskurs zu gehen, wie spätestens durch die ÄPolitik des leeren Stuhls“ klar wurde.18

Obwohl de Gaulle und die gaullistischen Abgeordneten in Frankreich die ÄRömischen Verträge“ abgelehnt hatten, war de Gaulle grundlegend einer europäischen Einigung nicht abgeneigt und betonte sogar immer wieder ihre Wichtigkeit. Allerdings sollte Frankreich nach seinem Verständnis dem Zusammenschluss westeuropäischer Staaten voran stehen und den Staatenbund leiten. Damit wollte er die Vorrangstellung der USA in Westeuropa eingrenzen und ein Potenzial entwickeln, um zwischen den Weltmächten der USA und Sowjetunion vor allem wirtschaftlich und politisch bestehen zu können. Sicherlich waren es auch wirtschaftliche Gründe mit Blick auf den Gemeinsamen Markt, die ihn die Zusammenarbeit mit europäischen Staaten akzeptieren ließ. Als künftiges Ziel hatte de Gaulle auch im Sinn, die osteuropäischen Staaten in den Einigungsprozess einzubeziehen.19

2.2 Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

Bei der bereits angeführten Außenministerkonferenz der EGKS am 1. und 2. Juni 1955 kam es unter anderem zu einer Diskussion über einen europäischen Wirtschaftsraum. Während Frankreich an Ä[…] einer planwirtschaftlich orientierten sektoralen Integration […]“ interessiert war, bevorzugten Belgien, die Niederlande und Luxemburg Ä[…] eine allgemeine wirtschaftliche Integration in der Form einer Zollunion und später eines Gemeinsamen Marktes.“20 Die deutsche Regierung um Wirtschaftsminister Ludwig Erhard stimmte der marktwirtschaftlichen Zielsetzung der Benelux-Länder zu. Eine Expertenrunde um Paul Henri Spaak, dem damaligen belgischen Außenminister, der sich um einen europäischen Einigungsprozess bemühte, wurde mit der Erarbeitung eines zukünftigen Wirtschaftsplans beauftragt, der alle Beteiligten zufrieden stellen sollte.21 Auf Basis des Spaak-Berichts konnte mit Unterzeichnung der ÄRömischen Verträge“ durch die EGKS-Länder - Italien, BRD, Frankreich, Belgien, Niederlande und Luxemburg - am 25. März 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet werden. Am 1. Januar 1958 traten die vereinbarten Verträge in Kraft, sodass die EWG ihre Arbeit aufnehmen konnte. Die Hauptaufgaben der EWG waren zum Einen die Bildung einer Zollunion, um Behinderungen des Handelns zu vermeiden und einen einheitlichen Außenzoll festzulegen. Zum Anderen sollte ein Gemeinsamer Markt entstehen, um die Handelsbedingungen unter den Mitgliedsstaaten zu verbessern und zu vereinfachen.22

Die EWG setzte sich neben den Mitgliedsstaaten aus den Organen Ministerrat, Kommission, Europäisches Parlament und Europäischer Gerichtshof zusammen. Die wesentlichen Entscheidungskompetenzen lagen beim Ministerrat, der aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedsstaaten bestand. Etwa 10 Jahre wurde darin das Einstimmigkeitsprinzip angewendet, wenn Entscheidungen zu treffen waren. Dementsprechend konnte jeder Mitgliedsstaat der EWG ein Veto einlegen und so ungewollte Vereinbarungen oder Pläne verhindern. Dies trug dazu bei, dass die EWG weit weniger Entscheidungen traf, als erwartet worden war. Die Kommission, bestehend aus neun Politikern, die unabhängig von den Regierungen agierten, besaß in der EWG als einziges Organ die Gesetzesinitiative und legte ihre Vorschläge dem Ministerrat vor.23 Erster Präsident der Kommission wurde der deutsche Politiker Walter Hallstein. Insgesamt stellten die Benelux-Länder jeweils ein Kommissionsmitglied, während die drei weiteren Mitgliedsstaaten durch jeweils zwei Kommissare repräsentiert wurden.24

Die Errichtung des Gemeinsamen Marktes erwies sich bereits ab dem 1. Januar 1959 durch die Entstehung des Europäischen Währungsabkommens, welches die Europäische Zahlungsunion ablöste, als äußerst förderlich. Die Entwicklung einer Zollunion ermöglichte eine schrittweise Senkung des Zolls und Handlungsbeschränkungen konnten eingegrenzt werden. In Fragen der Außenzölle und Binnenzölle war sich der Ministerrat grundlegend einig, sodass sie in den weiteren Jahren stetig gesenkt werden konnten.25

De Gaulle wollte dennoch, dass sich die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auch auf eine politische Ebene erstreckte, da in den ÄRömischen Verträgen“ lediglich die wissenschaftliche Ebene für die EWG festgelegt wurde. Dementsprechend versuchte er die anderen Länder von einer Europäischen Politischen Union (EPU) zu überzeugen. Dies gelang, denn die Regierungen der anderen Mitgliedstaaten waren auch an einer politischen Zusammenarbeit interessiert, wie sie auf einem Zusammentreffen am 10. Februar 1961 bekannt gaben. Daraufhin erarbeitete ein Ausschuss unter dem französischen Diplomaten Christian Fouchet im Auftrag Frankreichs Pläne zu einer Umsetzung. Der anschließend präsentierte Vorschlag fand keine Zustimmung bei der belgischen und niederländischen Regierung aufgrund unterschiedlicher Ansichten zum Europaprojekt. Nach einem erfolglosen Kompromissversuch von französischer Seite und einem neuerlichen Vorschlag zur EPU, der Protest von den Niederlanden und Belgien auslöste, entzog sich Frankreich weiteren Verhandlungen zu einer politischen Zusammenarbeit der EWG-Staaten.26

In dieser angespannten Situation zwischen den Mitgliedsstaaten, stellte Großbritannien am 9. August 1961 einen offiziellen Antrag zum Beitritt in die EWG. Die von der britischen Regierung angeleitete Gründung der Europäischen Freihandelszone als Gegenstück zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1960 konnte nicht den erhofften wirtschaftlichen und finanziellen Nutzen bringen. Da die EWG dagegen ökonomisch eine Vielzahl von Vorteilen bot und ihren Sinn erfüllte, entschied sich Großbritannien zu einem Beitrittsgesuch. Dieser Antrag sollte in den folgenden Jahren das ohnehin angespannte Verhältnis der Mitgliedsstaaten durch den EPU Fehlschlag auf eine erneute Probe stellen.27

Während die Benelux-Staaten, Italien und die BRD ernsthaft über eine Zustimmung zum Beitritt Großbritanniens nachdachten, erteilte die französische Regierung um de Gaulle dem Mitgliedschaftsantrag am 14. Januar 1963 eine klare Absage. Offiziell wurden wirtschaftliche Gründe angeführt und dass die britische Regierung keinerlei Interesse an der EWG gezeigt hatte, als diese in ihrer Entstehungsphase gewesen war. Ökonomisch sei Großbritannien noch nicht bereit gewesen für einen Beitritt und als Mitglied hätte es durch seine Lage und seine auf Industrie und Handel ausgelegte Wirtschaft zu viele Sonderrechte in Anspruch nehmen müssen. Inoffiziell war die Absage Frankreichs vor allem politisch bedingt.28 ÄPolitisch sah de Gaulle die Engländer […] als Vasallen der Amerikaner, denen mit der Aufnahme Großbritanniens in die EWG ein trojanisches Pferd ermöglicht worden wäre.“29 Der französische Regierungschef wollte eine europäische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten von Amerika, wie sie bereits nach 1945 bestanden hatte, verhindern.

[...]

1 Weidenfeld, Werner: Die Europäische Union. Paderborn 2010, S. 68.

2 Palayret, Jean-Marie/Wallace, Helen/Winand, Pascaline (Hrsg.): Visions, Votes and Vetoes. The Empty Chair Crisis and the Luxembourg Compromise forty years on. Brüssel 2006, S. 15f.

3 Gruner, Wolf D.: Europa - Europavorstellungen - Europaidee - Europabilder - Europäische Einheitspläne - Europäische Integration: Ein historischer Überblick, in: Gruner, Wolf D./Woyke, Wichard (Hrsg.): EuropaLexikon. Länder - Politik - Institutionen, München 2004, S. 11-47, hier S. 45.

4 Palayret, Jean-Marie/Wallace, Helen/Winand, Pascaline (Hrsg.): Visions, Votes and Vetoes. The Empty Chair Crisis and the Luxembourg Compromise forty years on. Brüssel 2006.

5 Bajon, Philip: Europapolitik Äam Abgrund“. Die Krise des Äleeren Stuhls“ 1965-66. Stuttgart 2012.

6 Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela: Frankreichs Europapolitik. Wiesbaden 2004.

7 Eger, Thomas/Fritz, Heiko/Wagener, Hans-Jürgen: Europäische Integration. Recht und Ökonomie, Geschichte und Politik. München 2006.

8 Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela: Frankreichs Europapolitik. Wiesbaden 2004, S. 13f.

9 Ebd., S. 14.

10 Woyke, Wichard: Frankreichs Aussenpolitik von de Gaulle bis Mitterand. Opladen 1987, S. 22.

11 Ebd.

12 Woyke, 1987, S. 22f.

13 Ebd. S. 24f.

14 Müller-Brandeck-Bocquet, 2004, S. 18ff.

15 Ebd., S. 20f.

16 Müller-Brandeck-Bocquet, 2004, S. 23.

17 Blessing, Otto: europäisches Europa. Die vierzehn Pressekonferenzen de Gaulles. Troisdorf 1966, S. 8.

18 Ebd., S. 23f.

19 Bajon, 2012, S. 38.

20 Eger/Fritz/Wagener, 2006, S. 71.

21 Eger/Fritz/Wagener, 2006, S. 71f.

22 Weidenfeld, 2010, S. 65.

23 Bajon, 2012, 26f.

24 Loth, Wilfried: Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte. Frankfurt am Main 2014, S. 75.

25 Ebd., S. 90ff.

26 Bajon, 2012, S.41f.

27 Woyke, 1987, S. 44f.

28 Ebd., S. 45f.

29 Ebd., S. 46.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Frankreichs "Politik des leeren Stuhls". Ursachen, Verlauf und Auswirkungen
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
25
Katalognummer
V379251
ISBN (eBook)
9783668565364
ISBN (Buch)
9783668565371
Dateigröße
834 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Europa, Politik des leeren Stuhls, Frankreich, Europäische Union, De Gaulle, Europäische Gemeinschaft
Arbeit zitieren
Marc Damrath (Autor:in), 2017, Frankreichs "Politik des leeren Stuhls". Ursachen, Verlauf und Auswirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379251

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