Bevölkerungsprognosen - Methoden und Ergebnisse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

33 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Methoden der Bevölkerungsprognose
2.1. Grundsätze der Bevölkerungsprognose
2.2. Prognosekonzeptionen
2.3. Methodische Instrumente
2.3.1. Extrapolationsmethoden
a) lineare Extrapolation
b) exponentielle Extrapolation
c) Reihen durch mehr als zwei Bezugspunkte
d) Trendberechnung
e) Graphische Methoden
2.3.2.Intuitive Methoden
a) Brainstorming
b) Delphi
c) Szenario
2.3.3. Die kohortenweise Fortschreibung
2.3.4. Die Komponentenmethode

3. Die Bevölkerungsprognose des BBR
3.1 Merkmale der Bevölkerungsprognose
a) Räumliche Dimension:
b) Dimension „demographische Eigenschaften“
c) Dimension Zeit:
3.2 Prognoseannahmen
a) Die Fertilität
b) Die Mortalität
c) Die Binnenwanderung
d) Die Außenwanderung
3.2.1 Regeln zur Annahmensetzung
3.2.2 Festlegung der Werte für die Annahmensetzung
a) Annahmen zur künftigen Fertilität
b) Annahmen zur künftigen Mortalität
c) Annahmen zur künftigen Wanderungsbewegungen

4. Vergleich der zentralen Annahmen des BBR mit anderen Vorausschätzungen

5. Trends der Prognose des BBR bis 2020

6. Die regionalisierte Bevölkerungsprognose des statistischen Landesamts Baden-Württemberg am Beispiel des Mittelzentrums Überlingen bis 2020
6.1 Typisierung der Gemeinden
6.2 Annahmen zur regionalisierten Bevölkerungsprognose
6.3 Das Mittelzentrum Überlingen

7. Konsequenzen des demographischen Wandels für die Regional-, Stadt- und Infrastrukturplanung

8. Fazit

Literatur

Glossar

Anhang

Vorwort:

Die folgende Hausarbeit wurde für das Hauptseminar Angewandte Geographie im Wintersemester 2004/05 bei Prof. Dr. Dieter Eberle erstellt. Mit ihr soll der Student seine Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten nachweisen, wobei die schriftliche Fassung einen Umfang von ca. 30 Seiten nicht überschreiten sollte. Die Hausarbeit stellt dabei einen Teil der Anforderungen dar, die zum Erwerb des Leistungsnachweises Angewandte Geographie innerhalb des Diplomstudiengangs Geographie an der Universität Tübingen erbracht werden müssen.

Besonderen Dank möchte ich Herrn Dr. Hansjörg Bucher und Herrn Claus Schlömer sowie den anderen Mitarbeitern des Referats 1 in der Abteilung I des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung aussprechen, die mir mit ihrem Fachwissen einen genaueren Einblick in dieses komplexe Thema geben konnten.

1. Einleitung

In Deutschland rückt das Thema der Bevölkerungsentwicklung in Politik und Gesellschaft immer mehr in den Vordergrund. Das Bewusstsein, dass sich die Bevölkerungszahl und Alterstruktur des deutschen Volkes mit Auswirkungen auf Gesellschaft, soziale Sicherungssysteme und Infrastruktur verändern wird hat viele zum Handeln veranlasst. Der Bundestag hat eine Enquete-Kommission zum demographischen Wandel (BUNDESTAG 2000: www.bundestag.de) eingesetzt und anerkannte Medien sprechen schon von einer „demographischen Zeitbombe“ (FAZ: 2003: Nr.181 S.12). Jedoch kommt dieses Phänomen nicht unerwartet. Demographen haben schon vor 30 Jahren aufgrund von Bevölkerungs-Vorausschätzungen auf diese Entwicklung hingewiesen.

Mit Bevölkerungsvorausschätzungen wird versucht die zukünftige Bevölkerungsentwicklung vorauszusagen. Dabei lassen sich zwei Typen unterscheiden (BÄHR 1997: 267f.). Zum einen Bevölkerungsprojektionen und Modellrechnungen, die eher auf willkürlichen und hypothetischen Annahmen und auf einer bestimmten Zielsetzung beruhen. Zum anderen Bevölkerungsvorhersagen bzw.

Bevölkerungsprognosen, bei denen hingegen von der wahrscheinlichsten Entwicklung ausgegangen wird. Aber auch bei Bevölkerungsvorhersagen gibt es Unsicherheiten, die daraus resultieren, dass die Annahmen häufig schwer erklär- und vorhersehbaren Schwankungen unterliegen. Und diese werden größer, je länger der Prognosezeitraum ist. Es geht bei einer Bevölkerungsprognose also nicht um die exakte Vorhersage, sondern um die Darstellung der wahrscheinlichsten Entwicklung. Besonders anfällig sind Prognosen natürlich auf unvorhersehbare Ereignisse, wie z.B. das Absinken der Geburtenrate durch den so genannten „Pillenknick“ oder die Veränderung des Wanderungsverhaltens durch den Fall der Mauer in den 90er Jahren (RV - BO 2003: 14ff.).

Weltweit werden Bevölkerungsvorausschätzungen von verschiedenen Institutionen mit Ergebnissen auf unterschiedlichsten räumlichen Ebenen durchgeführt (RV - BO 2003: 11). Die wichtigsten Internationalen Prognosen für Deutschland sind wohl die „World Population Prospects“ der UNITED NATIONS POPULATION DIVISION (2002: 30) und die Veröffentlichungen von EUROSTAT (2004: 8) dem statistischen Dienst der Europäischen Union (EU). Auf Bundesebene erstellt das Statistische Bundesamt seit 1951 Bevölkerungsprognosen, wobei seit dem Jahre 1965 in Zusammenarbeit mit den Statistischen Landesämtern die so genannten „koordinierten Bevölkerungs- Vorausberechnungen“ durchgeführt werden um die Ergebnisse zu spezifizieren (RV - BO 2003: 11). Des weiteren gibt das Bundesinnenministerium (BMI) über seinen „Arbeitskreis Bevölkerungsfragen“ eine Modellrechnung zur Bevölkerungsentwicklung heraus (BMI 2000: 16). Auch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und seine Vorgängerin das BfLR führen seit über 20 Jahren Bevölkerungsprognosen durch (BUCHER/SCHLÖMER 2003: 1).

Diese Seminararbeit bemüht sich die komplexe Methodik von Bevölkerungsprognosen in seinen Grundzügen darzustellen und später auf die Ergebnisse näher einzugehen. Dabei wird auf verschiedene Methoden eingegangen werden. Ebenso werden Prognosen und ihre Bedeutung für die drei verschiedene räumliche Ebenen (Bundes-, Landes- und Kreisebene) dargestellt. Einen besonderen Schwerpunkt legt diese Arbeit auf die Bevölkerungsprognose des BBR, weil sie als einzige eine regionalisierte Bevölkerungsprognose bis auf Kreisebene für ganz Deutschland darstellt. Schließlich wird auch noch auf den demographischen Wandel und seine sozioökonomischen, räumlichen und gesellschaftlichen Folgen in Deutschland eingegangen.

2. Methoden der Bevölkerungsprognose

2.1 Grundsätze der Bevölkerungsprognose

Nach SCHWARZ (1975: 4ff.) beruhen die meisten Bevölkerungsprognosen auf der Übertragung von Entwicklungen aus der Vergangenheit in die Zukunft. Das erfordert eine gute Auswertung von bisherigen Beobachtungen und das Aufspüren von Regelmäßigkeiten. Dabei sollte jedoch der Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zu dem erwartetem Ergebnis stehen.

Die Ergebnisse einer Prognoserechnung hängen meist stärker von den Annahmen über die weitere Entwicklung ab als von der Art der Rechenmethode. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Annahmen immer zu begründen sind. Festzuhalten ist auch, dass kurzfristige Vorausschätzungen weniger problematisch sind als langfristige, da sie sich noch näher an den zuletzt beobachteten Entwicklungen bewegen. Werden Vorausschätzungen jedoch von der tatsächlichen Entwicklung überholt, ist es angebracht die Ergebnisse mit den neueren Informationen zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten.

2.2 Prognosekonzeptionen

Laut BÄHR (1997: 268) lassen sich drei verschiedene Prognosekonzeptionen unterscheiden:

Die „ex post“ -Konzeption verwendet Daten eines abgelaufenen Zeitraumes um auf die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung zu schließen. Die Daten werden allerdings nicht einfach fortgeschrieben, sondern es wird versucht aus der Analyse der Daten Schlussfolgerungen zu ziehen und in die Prognose einfließen zu lassen. Bei der „ex ante“ - Konzeption wird versucht „echte Zukunftsdaten“ zu erforschen, d.h. eine begründete Schätzung der zukünftigen Entwicklung zu ermitteln, was aber aufgrund der Abhängigkeit von persönlichen Entscheidungen einzelner Personen vor allem für einen längeren Zeitraum sehr schwierig ist. Oftmals wird bei Prognosen davon ausgegangen, dass gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Bedingungen konstant bleiben. Dabei wird dann von einer Status-quo-Prognose gesprochen. Bei der Analogie-Konzeption wird dahingegen versucht, bei vergleichbaren Ausgangsbedingungen Entwicklungsabläufe von einer auf andere Bevölkerungsgruppen zu übertragen.

2.3 Methodische Instrumente

Es gibt vielfältige Methoden für die Vorausberechnung von Bevölkerungszahlen. Bevölkerungsprojektionen stützen sich dabei mehr auf mathematische Methoden, während bei Bevölkerungsvorhersagen zusätzlich die subjektive Einschätzung eine große Rolle spielt (BÄHR 1997: 269).

2.3.1 Extrapolationsmethoden

Extrapolationsmethoden sind Verfahren, bei denen ein in der Vergangenheit beobachteter Entwicklungsverlauf in die Zukunft fortgeschrieben wird. VOGT (1994: 65) spricht hier von Zeitreihenextrapolationen. Dabei wird nach SCHWARZ (1975: 8ff.) zwischen folgenden drei rechnerischen Verfahren (a bis d) und graphischen Verfahren (e) unterschieden:

a) Lineare Extrapolation

Vor allem bei einem relativ geradlinigen Verlauf zwischen den beiden Zeitpunkten liegt es nahe, diese Methode anzuwenden. Für eine arithmetische (lineare) Extrapolation sind zwei Zahlenwerte nötig, die zu verschiedenen Zeitpunkten beobachtet wurden.

Zahlenwert erster Zeitpunkt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Zahlenwert um n späteren Zeitpunkt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Dabei sei der gesuchte Zahlenwert ax für den Zeitpunkt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] der n ' Zeiteinheiten nach tn liegt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Dabei unterscheidet sich jedes Reihenglied von seinem Nachbarn um den exakt gleichen absoluten Betrag:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Da es bei Bevölkerungsprognosen unrealistisch ist, dass die Bevölkerung bis ins Unendliche steigt oder sich in den negativen Bereich bewegt, die lineare Extrapolation aber bei langen Zeiträumen zu eben solchen Ergebnissen führt, ist es möglich die Veränderung in jeder Zeiteinheit um relative und absolute Beträge zu verringern und somit das Verfahren so zu modifizieren, dass die Ergebnisse innerhalb des wahrscheinlichen Bereichs bleiben.

b) Exponentielle Extrapolationen

Auch bei geometrischen (exponentiellen) Extrapolationen sind nur zwei Zahlenwerte für jeweils verschiedene Zeitpunkte notwendig.

Zahlenwert erster Zeitpunkt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Zahlenwert um n späteren Zeitpunkt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Dabei sei der gesuchte Zahlenwert a für den Zeitpunkt t[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] , der n ' Zeiteinheiten nach t liegt:[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

r steht hierbei für die Veränderungsrate, die sich aus [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ergibt.

Dabei wird errechnet mit wie viel jede Zeiteinheit zu multiplizieren ist, um den bereits bekannten Wert a n zu erreichen. Dadurch ergibt sich eine Reihe, in der sich jedes Reihenglied um den gleichen relativen Wert unterscheidet.

Wie auch schon bei der linearen Extrapolation, lassen sich die Veränderungen in jeder Zeiteinheit um relative und absolute Beträge zu verringern. Somit kann auch hier verhindert werden, dass bei längeren Zeiträumen die Bevölkerung rechnerisch bis ins Unendliche steigt oder sich in den negativen Bereich bewegt.

c) Reihen durch mehr als zwei Bezugspunkte

Sind mehr als zwei Beobachtungswerte ai in verschiedenen Zeiteinheiten x vorhanden errechnet sich der gesuchte Extrapolationswert y wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

d) Trendberechnung

Sowohl bei der linearen, wie auch bei der exponentiellen Extrapolation verliefen die Geraden und Kurven direkt durch die bereits beobachteten Werte. Nach Aussage HIPPMANNS (2003: 196ff.) ist das bei diesem Verfahren nicht der Fall, aber trotzdem ist die Kurve so angepasst, dass die quadratischen Abweichungen zu den Einzelwerten ein Minimum bilden. Dabei bedient man sich bei der Berechnung an dem Prinzip der „Gaußschen Quadrate“. Eine Trendgerade lässt sich durch die lineare Einfachregression darstellen.

Zur Berechnung der Regressionsfunktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist es zuerst notwendig die Regressionskonstante a und den Regressionskoeffizienten b zu berechnen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nicht lineare Trends lassen sich mithilfe einer Exponentialfunktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] (Exponentialtrend) darstellen.

e) Graphische Methoden

Hier wird eine Entwicklung in der Vergangenheit zeichnerisch in die Zukunft verlängert. Dazu müssen zuerst die bisher beobachteten Werte in ein Koordinatensystem übertragen werden. Als nächstes trägt der Bearbeiter eine Kurve ein, die nach seiner eigenen Auffassung den bisherigen Verlauf am treffendsten wieder gibt. Anschließend verlängert der Bearbeiter die Kurve bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dabei sollte er darauf achten, dass die Kurve ihren ursprünglichen Charakter nicht verliert. Der größte Nachteil dieser Methode ist, dass die subjektiven Einflüsse des Bearbeiters immer mit einfließen(SCHWARZ 1975: 31ff).

2.3.2 Intuitive Methoden

Die hier aufgeführten intuitiven oder auch heuristischen Verfahren stellen nur eine Auswahl nach DEHLER (1976: 67ff.) dar.

a) Brainstorming:

Das Brainstorming wird als veraltet angesehen, weil die Ergebnisse oft nicht sehr fundiert und zumeist revisionsbedürftig sind. Jedoch ist es die Ausgangsmethode für die Delphi Methode und ist auch bei Expertengesprächen durchaus sinnvoll.

b) Delphi:

VOGT (1994: 65) erläutert, dass bei der Delphi Methode Experten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten eines Problems beschäftigen, anonym und unabhängig voneinander mittels Fragebögen befragt werden, damit eine gegenseitige Beeinflussung ausgeschlossen werden kann. Aus den Antworten werden dann laut DEHLER (1976: 69ff.) jeweils das arithmetische Mittel, die durchschnittliche Abweichung sowie das erste und zweite Quartil den Experten mitsamt den anonymen Kommentaren der anderen Experten mitgeteilt. Jeder Experte soll anhand dieser Daten seine eigene Aussage noch einmal überprüfen. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrere Runden, so genannte Iterationen. Vorteil dieser Methode ist, dass subjektive Einflüsse durch Mittelung der einzelnen Ergebnisse minimiert werden.

c) Szenario:

Bei einem Szenario wird die zukünftige Entwicklung des Prognosegegenstandes unter unterschiedlichen, alternativen Rahmenbedingungen geprüft. Dabei lassen sich auch durch bewusstes Vernachlässigen wichtiger Faktoren, wie zum Beispiel der Zuwanderung, die jeweiligen Einflussgrößen anschaulich darstellen. Vor allem, dass bei diesem Verfahren alternative Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, ist ein großer Vorteil (VOGT 1994: 64f.).

Das STATISTISCHE BUNDESAMT (2003: 24) hat bei seiner „10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung“ insgesamt neun verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Annahmen gerechnet. Folgende Abbildung stellt drei verschiedene Szenarien mit ihren jeweiligen zentralen Annahmen dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 aus: Statistisches Bundesamt, Bevölkerung Deutschlands bis 2050, Presseexemplar (2003: 26)

2.3.3 Die Komponentenmethode

BÄHR (1997: 269f.) stellt heraus, dass auch wenn eine längere Zeitspanne aus der Vergangenheit analysiert und daraus Zukunftswerte extrapoliert werden, die Ergebnisse der Wirklichkeit nur selten gerecht werden. Sogar bei mittelfristigen Prognosen ist es nötig, die einzelnen Bestimmungsfaktoren des Bevölkerungswachstums einzeln zu untersuchen und fortzuschreiben. Daher werden bei der Komponentenmethode die Mortalität, Fertilität und Migration getrennt prognostiziert und anschließend zusammengefasst. Es besteht dabei immer noch die Möglichkeit die einzelnen Bestandteile weiter zu verfeinern, indem man sie zum Beispiel noch nach Alter und Geschlecht aufteilt und dann jeweils die darauf bezogenen Fruchtbarkeits- und Sterbeziffern sowie Migrationsraten unter Berücksichtigung der jeweiligen zeitlichen Veränderung anwendet.

2.3.4 Die kohortenweise Fortschreibung

Geburtskohorten sind Gruppen von Personen eines gemeinsamen Geburtenjahrgangs und somit treten somit gemeinsam in eine Untersuchung ein (StaLA BA-WÜ, 2001: 11). Es handelt sich also um eine Gruppe von Individuen, die im Vergleich zu anderen Geburtskohorten eine unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen können und ähnliche Sozialisationsbedingungen in ihrer Entwicklung vorfanden. Wie folgende Abbildung zeigt, ist dieselbe Personengruppe des Ausgangsjahres die nächst ältere im Folgejahr -> Kohorte B1 ist im Jahr 2001 60 Jahre alt und im Jahr 2002 61 Jahre alt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 :eigene Darstellung

3. Die Bevölkerungsprognose des BBR

Wie bereits erwähnt, ist das BBR die einzige öffentliche Institution, die kleinräumig regionalisierte Bevölkerungsprognosen des gesamten Bundesgebiets für alle 440 Kreise erstellt. Die Datenbasis für die Prognose wird von der amtlichen Statistik bereitgestellt und durch die hauseigene „Laufende Raumbeobachtung“ des BBR in geeigneter Form bereitgestellt (BUCHER et al., 2004: 107). Die Kleinräumigkeit des Modells bringt aber auch Probleme mit sich. Zum einen wird es schwieriger geeignete Daten von der amtlichen Statistik zu erhalten und zum anderen verringert sich durch die oft niedrige Bevölkerungszahl auch die Stabilität von Zeitreihen (BUCHER/SCHLÖMER 2003: 2). Die folgende Darstellung der Bevölkerungsprognose des BBR über den Zeitraum von 2000 bis 2020 orientiert sich an den Erläuterungen zur INKAR PRO - CD des BBR der Autoren BUCHER und SCHLÖMER.

3.1. Merkmale der Bevölkerungsprognose

Die Bevölkerungsprognose des BBR verwendet die so genannte kohortenweise Fortschreibung, bei der der Bevölkerungsbestand der jüngsten Vergangenheit unter Einbeziehung der vier folgenden Stromgrößen fortgeschrieben wird: Die Geburten und Sterbefälle die die natürlich Bevölkerungsbewegung stellen und die Zuzüge und Fortzüge die als räumliche Bevölkerungsbewegungen bezeichnet werden. Diese Merkmale lassen sich weiter differenzieren:

a) Räumliche Dimension:

Kleinster räumlicher Baustein sind die 440 Kreise und Kreisfreie Städte. Ergebnisse auf diesen Ebenen lassen sich auch zu größeren räumlichen Ebenen zusammenfassen. Dabei werden sowohl Verstorbene als auch Geborene nach dem ersten Wohnsitz dieser Personen erfasst. Komplexer sind allerdings die Wanderungsverflechtungen, auf die später näher eingegangen wird.

b) Demographische Dimension:

Die wichtigste Differenzierung ist hierbei die nach Geschlecht und Alter. Wobei auch die Geburten auch noch nach dem Alter der Mutter unterschieden werden.

c) Zeitliche Dimension:

Hier lässt sich zwischen einem spezifischen Zeitpunkt und einer Zeitraum oder auch Periode unterscheiden, in welchen Angaben ermittelt werden können.

3.2 Prognoseannahmen

Die Definitionsgleichung und mehrere Verhaltensgleichungen setzen das Gleichungssystem der Bevölkerungsprognose zusammen. Hierbei beschreibt die Definitionsgleichung den Prozess ausgehend vom Bevölkerungsbestand einer Ausgangssituation über die folgenden Bevölkerungsbewegungen hin zu einem neuen Bevölkerungsbestand am Ende eines Zeitraums. Die Bevölkerungsbewegungen werden über folgende Verhaltensgleichungen beschrieben:

a) Die Fertilität

Dabei werden als potentielle Mütter Frauen im Alter von 15 bis unter 45 angenommen und sind selbst endogener Teil des Prognoseergebnisses. Die Geburten selbst werden durch die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter und deren Fruchtbarkeit berechnet. Die Fertilitätsraten werden dann als exogene Annahme des Gleichungssystems vorgegeben.

b) Die Mortalität

Dadurch, dass die Sterblichkeit sehr hohe alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede zeigt, wird eben nach diesen biologischen Kriterien noch näher unterschieden. Ebenso wie bei der Geburtenprognose ist die Bevölkerung selbst ein endogener Teil des Prognoseergebnisses, wohingegen die Mortalitätsraten exogen vorgegeben werden. Die Lebenserwartung wird anhand von Trendanalysen und internationalen Vergleichen ermittelt und dann auf altersspezifische Mortalitätsraten heruntergebrochen. Ausgehend hierfür, werden laut KULS/KEMPER (2000: 152) so genannte Sterbetafeln verwendet, die unter anderem die Sterbe-, bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit nach Altersjahrgängen darstellt (siehe Anhang I + II).

c) Die Binnenwanderung

Bei dem Prognostizieren von Binnenwanderungen wird mit einem zweistufigen Verfahren gearbeitet. Zuerst werden mit Hilfe von Mobilitätsraten für Bevölkerungsgruppen die Anzahl der Fortzüge aus einer Region abgeleitet. Diese Fortzüge werden auf bestimmte Zielregionen verteilt, womit auch gleichzeitig die Zuzüge bestimmt werden. Die Fortzüge werden über ein Wanderungsaufkommensmodell ermittelt, dass vor allem von stark altersspezifischer Mobilität ausgeht. Die Trendanalyse ist durch die nur sehr kurzen Zeitreihen nur bedingt verwendbar. Das zweite wichtige Modellelement ist sehr komplex. Das so genannte Wanderungsverteilungsmodell ordnet jedem Fortzug aus einer Region ein Ziel zu. Das wichtigste Element dieses Modells ist die Wanderungsverflechtungsmatrix, welche die Fortzüge einer Region nach Anteilen auf die jeweiligen Zielregionen verteilt. Es kommt auch vor, dass für bestimmte Regionen eine Zeitreihenanalyse nicht das erwünschte Ergebnis widerspiegelt, weil z.B. durch Verwaltungsakte wie Schließungen von Aufnahmelagern starke Strukturumbrüche zu erwarten sind.

d) Die Außenwanderung

Die Außenwanderung stellt einen Sonderfall des ganzen Modells dar, bei dem Zuzüge und Fortzüge unterschiedlich behandelt werden. Die Zuzüge werden in einem „Brainstorming“ - Ansatz in Zusammenarbeit von BBR und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erörtert und als numerischer Wert im „Top - Down“ Verfahren ohne die Berücksichtigung von Verhaltensgleichungen ins Modell übertragen. Die Fortzüge werden allerdings mit Fortzugsraten ähnlich dem Binnenwanderungsmodell in das Modell eingeführt.

3.2.1 Regeln zur Annahmenfindung

Da die Prognoserechnung auf der niedrigsten hier verwendeten räumlichen Ebene stattfindet, ergeben sich die Resultate von größeren räumlichen Ebenen aus der Summe verschiedener Kreisergebnisse (Bottom up - Verfahren). Bei der Annahmensetzung werden hingegen die Annahmen für verschiedene Raumtypen getroffen und dann auf Kreisebene nach unten gebrochen (Top - Down - Verfahren).

[...]

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Bevölkerungsprognosen - Methoden und Ergebnisse
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Geographisches)
Veranstaltung
Angewandte Geographie
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
33
Katalognummer
V37939
ISBN (eBook)
9783638371452
ISBN (Buch)
9783638692434
Dateigröße
3548 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hauptseminararbeit beschäftigt sich zunächst mit verschiedenen statistischen Methoden die bei einer Bevölkerungsprognose angewandt werden können und beleuchtet auch verschiedene Analysemodelle (z.B. Kohortenmodell). Es werden weiterhin Prognosen verschiedener Einrichtungen vorgestellt, wobei am Beispiel der Prognose des BBR sehr genau auf den Aufbau der Annahmensetzung bis zur Analyse eingegangen wird. Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand.
Schlagworte
Bevölkerungsprognosen, Methoden, Ergebnisse, Angewandte, Geographie
Arbeit zitieren
Felix Bachofer (Autor:in), 2004, Bevölkerungsprognosen - Methoden und Ergebnisse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37939

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