Ob Angela Merkel von der politischen Rechten eine Meinungsdiktatur vorgeworfen wird oder die politische Linke Recep Tayyip Erdoğan als Diktator kritisiert; in aktuellen Debatten wird der Diktaturbegriff durch fast alle politischen Richtungen hinweg als eine Form der Kritik verwendet. Auch in der Diktaturforschung wird der Begriff niemals wertneutral eingesetzt.
Diese negative Konnotation festigte sich nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und den Schrecken, den diktatorisch geführten Bewegungen des Faschismus und Bolschewismus über Europa und die Welt gebracht hatten. Wie aber wurde die Diktatur von Historikern und Intellektuellen bewertet, denen der Zweite Weltkrieg noch bevor stand, die aber gleichzeitig in einem Europa lebten, in dem zahlreiche Staaten von autokratischen Regimen geführt wurden? Ein Beispiel ist der österreichisch-polnische Historiker Otto Forst de Battaglia (1889-1965), der 1930 einen Sammelband namens Prozess der Diktatur veröffentlichte, in dem er die Diktatur als das beherrschende Problem „unserer politischen Gegenwart“ bezeichnete. Forst-Battaglia machte der Diktatur in einem abschließenden Kapitel gar einen imaginierten Prozess mit dem interessanten Urteil: „Freispruch im Prozess der Diktatur.“ Wie kommt ein Mann, der später als Erasmus seiner Zeit und als wertkonservativer, katholischer Liberaler galt, zu einem solchen, aus heutiger Perspektive bemerkenswerten Ergebnis?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kontextualisierung, Analyse und Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay analysiert Otto Forst de Battaglias Sichtweise auf die Diktatur im Kontext seines Buches „Prozess der Diktatur“ aus dem Jahr 1930. Ziel ist es, Forst-Battaglias Beweggründe und Argumente zu verstehen, um einerseits Einblicke in seine Denkweise als Zeitgenosse zu gewinnen, andererseits aber auch den Bedeutungswandel des Diktaturbegriffs zwischen der Zwischenkriegszeit und der Gegenwart aufzuzeigen.
- Entwicklung des Diktaturbegriffs im 20. Jahrhundert
- Forst-Battaglias Kontext und seine politische Haltung
- Analyse von Forst-Battaglias Argumentation im „Prozess der Diktatur“
- Vergleich mit zeitgenössischen und modernen Diktaturkonzepten
- Bewertung von Forst-Battaglias Schlussfolgerung: „Freispruch im Prozess der Diktatur“
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Diktaturbegriff in den Kontext aktueller Debatten und verweist auf die historische Entwicklung der negativen Konnotation des Begriffs. Sie stellt Forst-Battaglias Buch „Prozess der Diktatur“ vor und skizziert die Ziele des Essays.
- Kontextualisierung, Analyse und Diskussion: Dieses Kapitel beleuchtet den historischen Kontext, in dem Forst-Battaglias Buch entstand (Zwischenkriegszeit, Weltwirtschaftskrise, Verbreitung von Diktaturen). Es analysiert die Transformation des Diktaturbegriffs im 20. Jahrhundert und stellt Forst-Battaglias Biografie und politische Haltung dar.
Schlüsselwörter
Diktatur, Diktaturbegriff, Zwischenkriegszeit, Otto Forst de Battaglia, Prozess der Diktatur, politische Theorie, politische Ideologie, Demokratie, Vergleichende Politikwissenschaft, europäische Geschichte, Geschichte des 20. Jahrhunderts
- Arbeit zitieren
- Martin Hamre (Autor:in), 2016, "Freispruch im Prozess der Diktatur". Der Wandel des Diktaturbegriffes am Beispiel Otto Forst de Battaglias, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379396