In einer von Bertolt Brechts Geschichten über Herrn Keuner begrüßt diesen ein Mann, der ihn lange nicht gesehen hatte, mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ „Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte.
Sollte eine politische Theorie mit dieser Scham konfrontiert werden, sie würde zu Recht ebenfalls erbleichen. Diese Theorien sind eine Erscheinung, stark geprägt von gesellschaftlichen Einflüssen, politischen Erscheinungen und historischen Entwicklungen. Insbesondere die der internationalen, sind stets von Dynamik, Veränderung und Weiterentwicklung geprägt. Paradigmenwechsel im Verständnis gesellschaftlichen Zusammenlebens, Werte- und Normenmobilität oder veränderte Grundbedürfnisse machen es nötig, aktuelle Sichtweisen immer wieder zu reflektieren, zu überarbeiten und Prüfungen zu unterziehen. Stets beeinflussen sich hier die verschiedenen Strömungen gegenseitig, lernen, bzw. übernehmen voneinander oder orientieren sich gar am Gegenteil.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer dieser Theorien der internationalen Politik. Der Realismus gilt als eine der einflussreichsten Erklärungen internationaler Beziehungen. Ziel soll es hierbei sein, auf der Basis von Hans Joachim Morgenthaus Ausführungen, die Prinzipien und Mechanismen des realistischen Verständnisses offen zu legen, die philosophischen Grundlagen auf zu zeigen und die verschiedenen Begründungen dieser Theorie zu erläutern.
Besonderes Augenmerk soll in der Folge auf dem Einfluss des Machtaspektes im internationalen Geschehen liegen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die historische Rahmenbedingungen
3. Theorie des Realismus nach Hans J. Morgenthau
3.1 Die Philosophische Grundlage des Realismus
3.1.1 Niccolò Machiavelli
3.1.2 Thomas Hobbes
3.2 Die Theoretische Begründung des Realismus
3.2.1 Anthropologische Begründung
3.2.2 Soziologische Begründung
3.2.3 Historische Begründung
3.3 Die Internationale Politik in der realistischen Erklärung
3.3.1 Der Realismus als Kritik des ideologischen Handelns
3.3.2 Der Machtbegriff
3.3.3 Der Kampf um Macht
3.3.4 Die Begrenzung der Macht durch die Moral
4. Zur Problematik der realistischen Theorie
5. Schlussbemerkung
6. Verwendete Literatur
Einleitung
In einer von Bertolt Brechts Geschichten über Herrn Keuner begrüßt diesen ein Mann, der ihn lange nicht gesehen hatte, mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ „Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte.[1]
Sollte eine politische Theorie mit dieser Scham konfrontiert werden, sie würde zu Recht ebenfalls erbleichen. Diese Theorien sind eine Erscheinung, stark geprägt von gesellschaftlichen Einflüssen, politischen Erscheinungen und historischen Entwicklungen. Insbesondere die der internationalen, sind stets von Dynamik, Veränderung und Weiterentwicklung geprägt. Paradigmenwechsel im Verständnis gesellschaftlichen Zusammenlebens, Werte- und Normenmobilität oder veränderte Grundbedürfnisse machen es nötig, aktuelle Sichtweisen immer wieder zu reflektieren, zu überarbeiten und Prüfungen zu unterziehen. Stets beeinflussen sich hier die verschiedenen Strömungen gegenseitig, lernen, bzw. übernehmen voneinander oder orientieren sich gar am Gegenteil.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einer dieser Theorien der internationalen Politik. Der Realismus gilt als eine der einflussreichsten Erklärungen internationaler Beziehungen. Ziel soll es hierbei sein, auf der Basis von Hans Joachim Morgenthaus Ausführungen, die Prinzipien und Mechanismen des realistischen Verständnisses offen zu legen, die philosophischen Grundlagen auf zu zeigen und die verschiedenen Begründungen dieser Theorie zu erläutern. Besonderes Augenmerk soll in der Folge auf dem Einfluss des Machtaspektes im internationalen Geschehen liegen.
2. Die historischen Rahmenbedingungen
Um die Entwicklung der realistischen Theorie in ihrer Gesamtheit zu erfassen und nachzuvollziehen, ist es unabdingbar, sie auch im Kontext des geschichtlichen Verlaufs zu betrachten. Einen exakten Nullpunkt zu datieren und auf ein bestimmtes Ereignis zu reduzieren ist sicherlich nicht möglich, spielt doch die Summe von historischen Entwicklungen die entscheidende Rolle, welche die bisherige Sichtweise der internationalen Politik veränderte.
In den 20er Jahren war das internationale Geschehen geprägt von den Ideen des Universalismus und des Multilateralismus, die ihre Umsetzung mit dem Völkerbund fanden. Im Verlauf der 30er Jahre wurde dieses Gedankengut allerdings von einer zunehmenden Selbstorientierung der Staaten überlagert. Mit dem Scheitern der Genfer Abrüstungskonferenz, sah sich das gerade von den Schrecken des ersten Weltkrieges erholte Europa mit einer neuen Militarisierung der Großmächte konfrontiert. Die Remilitarisierung des Rheinlandes zeigt hier das endgültige Scheitern des Völkerbundes als System der kollektiven Sicherheit und die Ohnmacht der kantschen Ideale auf europäischer Ebene. Zur Verschärfung dieser Zustände trugen auch maßgeblich die Folgen der Weltwirtschaftskrise bei. Der Versuch der Nationalstaaten, dies durch wirtschaftliche Autarkie zu kompensieren, führte allerdings zu großen politischen und sozialen Spannungen innerhalb der Staaten. „An die Stelle des analytischen Bezugsmodells der Völkergemeinschaft trat das Modell eines offenen, multipolaren, zentraler Sanktionsmöglichkeiten entbehrenden internationalen Staatensystems.“[2]
3. Theorie des Realismus nach Hans J. Morgenthau
Hans J. Morgenthau gilt mit seinem Werk Politics Among Nations[3] als Vater der realistischen Theorie. Er verstand seine Ausführungen allerdings eher als Basis einer Theorie der internationalen Beziehungen, da sich in der Folgezeit die übrigen Vertreter des Realismus auf keine einheitliche, in sich geschlossene Theorie des Realismus einigen konnten. Den gordischen Knoten der internationalen Politik versucht Morgenthau mittels seines Fundamentalbegriffes des im Sinne von Macht verstandenen Begriffes des Interesses zu lösen.[4] „Durch diese Gleichsetzung von Macht und Politik gewinnt Morgenthaus Theorie eine Wucht und Geschlossenheit des Ansatzes, die sie leichter erklärbar und anwendbar erscheinen läßt als manche anderen Theorien.“[5]
3.1 Die philosophische Grundlage des Realismus
Philosophische Grundlagen fanden die Realisten vor allem bei zwei Autoren. Niccolò Machiavellis pessimistische Sicht der menschlichen Natur, sowie dessen Hervorhebung des Machtbegriffes und Thomas Hobbes Schilderungen des Naturzustandes prägten maßgeblich ihr Verständnis über die Mechanismen der internationalen Politik.
3.1.1 Niccolò Machiavelli
Zentraler Kern bei Machiavelli ist die Begrifflichkeit der Macht. Eng verbunden damit sind deren Erhalt und Vergrößerung. Der Erhalt des Staates und der Staatsmacht wird damit zur Maxime erklärt. Machiavelli empfiehlt, im Hinblick auf die Schlechtigkeit des Menschen, vorausschauend zu handeln und nicht auf Versprechungen, sondern Vorkehrungen zu bauen. Grundintention ist, sich nur auf das zu verlassen, was man selbst beeinflussen kann. Es gilt somit, nicht nur „gegenwärtigen Gefahren, sondern auch den zukünftigen [...] mit allem Fleiß entgegenzuarbeiten.“[6] Dies eröffnet die These Machiavellis, in der es durchaus als legitim betrachtet wird, einen benachbarten Staat allein deshalb anzugreifen, um den Krieg im eigenen Land zu verhindern. Er nimmt die aktuell diskutierte Methode des Präventivschlages frei nach dem Motto si vis pacem para bellum voraus und legt mit diesem negativen Friedensbegriff schon den Grundstein für Clausewitz Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Solch ein Krieg ist für Machiavelli also durchaus gerecht. Aber auch ein auf Eroberung ausgerichteter Krieg gilt als legitim, da es dem Fürsten dadurch gelingen kann, sich Ansehen und somit Sicherheit im eigenen Land zu verschaffen. Dies geschieht natürlich nur unter der Voraussetzung, dass diese Eroberungen schnell und erfolgreich vonstatten gehen – denn „Erfolg“[7] entschuldigt alles.
3.1.2 Thomas Hobbes
Hobbes Beschreibung des Naturzustandes, der zum Vertragsschluss der Menschen untereinander führt, legt das Fundament der realistischen Schule. Für Hobbes ergibt sich der Grund des Vertragsschlusses aus einem ständigen Sicherheitsdilemma der Menschen untereinander. Die Unerträglichkeit des Naturzustandes ist keinesfalls die Folge von unkontrollierter Machtgier oder anderen finsteren Leidenschaften des Menschen, sondern vielmehr das unausweichliche Resultat rationalen menschlichen Handelns unter Knappheitsbedingungen. Der Nutzenmaximierende homo oeconomicus ist der Protagonist des bellum omnium contra omnes. Menschen besitzen Vernunft und daher praktische Voraussicht. Es gilt, mit dem Schlimmsten zu rechnen und der möglichen Gewalt anderer zuvorzukommen. Sie bemühen sich, existierende Unsicherheiten durch eigene Sicherheitsanstrengungen zu kompensieren und sich aufschaukelnden Strategien des offensiven Misstrauens anzupassen. Somit ist dem hobbesschen Naturzustand eine Aufrüstungslogik immanent. Hierfür sind drei Ursachen zu nennen: „Erstens Konkurrenz, zweitens Mißtrauen, drittens Ruhmsucht. Der erste führt zu Übergriffen der Menschen des Gewinnes, die zweite der Sicherheit und die dritte des Ansehens wegen.“[8] Durch das Fehlen einer übergeordneten, regulierenden und richtenden Gewalt sehen sich die Menschen mit ihrer existentiellen Bedrohung konfrontiert – der „beständige[n] Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes“[9] „Daraus ergibt sich klar, daß die Menschen [...] sich einem Zustand befinden, der Krieg genannt wird, und zwar in einem Krieg eines jeden gegen jeden.“[10]
Der Realismus übernimmt Hobbes Vorstellungen des Naturzustandes und überträgt sie auf die internationale Ebene, in der ein anarchischer Zustand und ständiges Sicherheitsdilemma zwischen den Nationalstaaten herrscht. Der Faktor Macht wird hierbei genutzt, die eigene Position zu stärken und zu sichern, um die eigenen nationalstaatlichen Interessen durchzusetzen.
[...]
[1] vgl.:Brecht, Berthold: Geschichten, Aufbau Verlag, Berlin, 1973, S. 261
[2] Meyers, Reinhard: Die Lehre von den internationalen Beziehungen, Droste-Verlag, Düsseldorf,
1981, S.47
[3] Morgenthau, Hans Joachim: Politics Among Nations, Kopf-Verlag, 1973
[4] vgl.: Morgenthau, Hans Joachim: Macht und Frieden, C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh, 1963, S. 51
[5] Kindermann, Gottfried-Karl; Grundelemente der Weltpolitik, Piper Verlag, München, 1986, S. 16
[6] Machiavelli, Niccolò: Realpolitische Bedingungen der Ausübung staatlicher Macht, in: Hoerster; Klassische Texte der Staatsphilosophie, 8. Aufl., dtv, München, 1993, S. 102
[7] ebd.: S. 101
[8] Hobbes, Thomas: Der Staat als Instrument eines aufgeklärten Egoismus, in: Hoester, Klassische Texte der Staatsphilosophie, 8. Auflage, dtv, 1993, S. 111
[9] ebd.: S. 111
[10] ebd.: S. 111
- Arbeit zitieren
- Fabian Will (Autor:in), 2005, Internationale Politik in der realistischen Erklärung nach Hans Joachim Morgenthau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37940
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