Anders als etwa in den USA, in denen zivilgesellschaftliches Engagement das kirchliche Leben geradezu prägt, sind in Deutschland die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer (sowie die jüdischen Gemeinden) als Körperschaften des öffentlichen Rechts rein formal nicht der Zivilgesellschaft anzurechnen. Auch der Einzug der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzbehörden und der Treueeid auf die deutsche Verfassung, der mancherorts von Bischöfen verlangt wird, wiederspricht einem der wichtigsten Grundsätze zivilgesellschaftlicher Assoziationen: der Unabhängigkeit vom Staat.
Protestantische Kirche und Zivilgesellschaft – allein diese beiden Wörter in einem Satz regen deshalb zum Widerspruch an, meint der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates Olaf Zimmermann. Er mahnt an, dass das 500. Jubiläum der Reformation in diesem Jahr zur Reflexion über das Verhältnis von Protestantismus bzw. Evangelischer Kirche und Zivilgesellschaft motivieren sollte.
Auch wenn eine solche Reflexion nicht das Ziel dieser Arbeit ist, so beschäftigt sie sich immerhin mit dem Verhältnis der Reformation und der Zivilgesellschaft im historischen Kontext und ob die reformatorischen Forderungen mit einer modernen Zivilgesellschaft in Einklang zu bringen sind oder nicht. Bezogen wird sich dabei hauptsächlich auf Martin Luther. Seine „Zwei-Reiche-Lehre“ als auch seine Äußerungen zu Widerstand und Obrigkeit bieten für dieses Thema reichlich aussagekräftiges sowie widersprüchliches Material.
Am Anfang steht jedoch eine kurze Begriffsklärung der Zivilgesellschaft. Es folgt ein Abriss über die wirtschaftliche und soziale Situation der spätmittelalterlichen Bevölkerung, um die Ursachen der Reformation im Kontext nachvollziehbar zu machen. Kapitel 4 beschäftigt sich anschließend mit den Forderungen der Reformatoren und deren theologische Herleitung. Um über das Verhältnis Martin Luthers zur „Zivilgesellschaft“ Aussagen treffen zu können, kommt man nicht daran vorbei, sich mit seinem Verständnis von einer paternalistischen Gesellschaftsstruktur auseinander zu setzen – Kapitel 5. Im 6. Kapitel werden exemplarisch drei mögliche Impulse für die Entwicklung einer modernen Zivilgesellschaft erörtert, um im letzten Kapitel Luthers Ansichten zu reflektieren und aus einer zivilgesellschaftlichen Brille zu bewerten.
INHALT
1. Einleitung
2. Zivilgesellschaft – eine kurze Begriffsbesprechung
3. Die gesellschaftlichen & sozialen Verhältnisse im Spätmittelalter
4. Die Reformation - Motivation und Forderungen
4. 1 Die Exklusivpartikel der Rechtfertigungslehre
4.2 Der Ablasshandel
5. Luthers Verständnis von Widerstand und Obrigkeit
6. Mögliche Impulse der Reformation für die Zivilgesellschaft
6.1 Bildungsteilhabe & Bildungsgerechtigkeit
6.2 Priestertum aller Getauften
6.3 Freiheit des Christenmenschen
7. Fazit: Luther und Zivilgesellschaft – passt das zusammen?
QUELLEN
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- Christina Schütze (Author), 2017, Reformation & Zivilgesellschaft. Zusammenhänge und Widersprüche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379462
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