Rezeption und Verständlichkeit fremdsprachlicher Elemente. Werbeanzeigen im Vergleich zwischen Deutschland und Spanien


Bachelorarbeit, 2013

56 Seiten, Note: 2,3

Madeleine B. (Autor:in)


Leseprobe

Inhalt

1 Einleitung
1.1 Aktueller Forschungsüberblick
1.2 Das Korpus

2 Werbesprache als Untersuchungsgegenstand
2.1 Zum Begriff der Werbesprache
2.2 Funktionen und Ziele der Werbesprache
2.3 Fremdsprachliche Elemente in Werbetexten der Konsumgüterindustrie
2.3.1 Englische Elemente
2.3.2 Französische Elemente

3 Rezeption und Verständlichkeit von Werbetexten
3.1 Begriffsabgrenzung: Rezeption und Verständlichkeit
3.2 Kriterien der Verständlichkeit und des Verstehen von Werbetexten
3.3 Die rezipientenorientierte Perspektive
3.3.1 Ausgangspunkt: Der Uses-and-Gratifications -Ansatz
3.3.2 Der konstruktivistische Ansatz
3.3.3 Semantische und semiotische Bedeutungskonstruktion

4 Studie zur Verständlichkeit und Rezeption von Fremdsprachen in Werbetexten: ein Vergleich zwischen Deutschland und Spanien
4.1 Ziele und Hypothesen
4.2 Methoden
4.3 Englische Elemente in Werbetexten
4.3.1 Die deutsche und spanische Anzeige von Maybelline
4.3.2 Die Ergebnisse der deutschen Studie
4.3.3 Die Ergebnisse der spanischen Studie im Vergleich
4.4 Französische Elemente in Werbetexten: Anzeige Boss
4.4.1 Die deutsche und spanische Anzeige von Boss Nuit
4.4.2 Die Ergebnisse der deutschen Studie
4.4.3 Die Ergebnisse der spanischen Studie im Vergleich
4.5 Fazit: englische und französische Elemente in Werbetexten

5 Schlussbetrachtungen

6 Bibliografie

1 EINLEITUNG

Werbung begleitet uns tagtäglich. Ob im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung oder in Zeitschriften, im Internet, an Bus- und Bahnhaltestellen, an Plakatwänden und Litfaßsäulen zeigt sie sich uns in ihren verschiedensten Erscheinungsformen rund um die Uhr. Sie informiert uns über neue Produkte und Dienstleistungen, spricht uns an und bewegt, beeinflusst und inspiriert, stets mit dem Ziel aus dem Rezipienten einen Kunden zu gewinnen. Um dieses Ziel zu verwirklichen setzen Unternehmen auf kreative Werbemacher, die die Spots, Anzeigen und Plakate so auffällig wie möglich gestalten. Dabei hat sich die Werbewirtschaft schon längst zu einem eigenen globalisierten Industriezweig gewandelt: sie repräsentiert ganze Konzerne und deren Marken nach außen, die mit internationalen Marketingstrategien ihre Produkte und Dienstleistungen weltweit vertreiben.

Diese globalen Strategien erkennt man vor allem an der Sprache der Werbung. Sie besteht oft aus einem kreativen Mix aus Wortneuschöpfungen und Fremdsprachen, die aufgrund ihrer Fremdheit die Produkte als außergewöhnlich und neu erscheinen lassen. Beim Durchblättern von Zeitschriften jeglicher Art fällt schnell auf, dass nahezu alle Werbeanzeigen durch fremdsprachliche Lexeme geprägt sind, die teilweise aufgrund ihrer lexikalischen Neubildungen (Powerfrucht von Neutrogena) und Kontextlosigkeit (BlueMotion Technology von Volkswagen) teilweise kaum verstanden werden können. Ingrid Piller dokumentiert demnach einen Anteil von 70% an fremdsprachlichen Anteilen in Fernseh- und Printwerbung für das Jahr 1999, darunter Werbespots mit 70% an englischen, 8% an französischen und 6% an italienischen Lexemen (Piller 2000: 276).1 Interessant ist dennoch, dass die Anzeigen ihre Werbeabsicht aufgrund der Multimodalität trotz dessen vermitteln können. Die Frage, die sich hier nun aufwirft betrifft die Art und Weise der Auffassung und Interpretation des fremdsprachlichen Anteils der Werbetexte. Eine Integration von Abbildungen und Text wäre an dieser Stelle sicherlich informativ und durchaus interessant gewesen, bleibt jedoch im Rahmen dieser Arbeit aus quantitativen Gründen unberücksichtigt.

Ob und wie die Werbetexte also von ihren Rezipienten verstanden werden wird von den Werbemachern häufig allerdings nicht berücksichtigt. Da wundert es nicht, wenn Slogans wie „come in and find out“ (Douglas) von Deutschen oft falsch oder erst gar nicht verstanden werden oder die Kaffeegrößen bei Starbucks2

missinterpretiert werden weil sie eigentlich gleich groß sind. Doch wie verhält es sich mit der Verständlichkeit und Interpretation von globalen Werbeanzeigen aus interkultureller Sicht? Werden diese gleich verstanden? Und vor allem, welche Werbewirkung wird erzielt? Hat eine Werbeanzeige, die mit englischen Lexemen in Deutschland wirbt die gleichen Effekte auch in Spanien?

Aus dieser Motivation heraus soll in der vorliegenden Arbeit die Frage der Verständlichkeit und Rezeption englischer und französischer Lexeme im Rahmen einer durchgeführten Studie anhand von zwei ausgewählten Printanzeigen, je in deutscher und spanischer Version, geklärt werden. Zur theoretischen Fundierung trägt dabei im ersten Teil die Erläuterung der Werbesprache als sprachwissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand bei, der im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit um die Grundzüge der Textverständlichkeits- und der Rezeptionsforschung erweitert wird. Der Hauptteil besteht aus den Ergebnissen der durchgeführten Studie, die nach fremdsprachlichen Kriterien der Anzeigen aufgeteilt wurden. Nach einer kurzen Einführung der Ziele und Methoden der Umfrage werden zuerst die Ergebnisse der Studie mit englischen Lexemen vorgestellt, die von der mit französischen gefolgt wird. Beide Auswertungen fokussieren dabei die Verständlichkeit der fremdsprachlichen Lexeme, die Art der Rezeption der Anzeige anhand festgelegter Konnotationen und freien Assoziationen und die allgemeine Rezeption der Fremdsprache in Werbeanzeigen. Die Ergebnisse der deutschen Studien werden dabei jeweils im Rahmen der Präsentation der spanischen Ergebnisse verglichen. Beide Betrachtungen greifen dabei stets auf den Theorieteil zurück. In der Schlussbetrachtung werden die aufgeworfenen Fragen zusammenfassend wiederaufgegriffen um zu klären, welche Besonderheiten und Unterschiede es im Hinblick auf die Rezeption fremdsprachlicher Elemente in Werbeanzeigen zwischen Deutschland und Spanien gibt.

1.1 Aktueller Forschungsüberblick

Zur Analyse der Rezeption und Verständlichkeit von Werbetexten lässt sich eine große Anzahl an wissenschaftlichen Veröffentlichungen finden, die alle durchaus interdisziplinär geprägt sind. Aufgrund der großen Reichweite der Medien spricht uns die Werbesprache heutzutage überall und zu jeder Zeit an, sodass sie zwangsweise zum Teil unserer Rezeptionsgewohnheiten geworden ist (Janich 2010: 11). Aus jenem Grund wird sie von ganz unterschiedlichen Disziplinen methodisch sehr differenziert analysiert und interpretiert. Die für diese Arbeit relevante Forschungsliteratur stammte vor allem aus linguistischen, soziolinguistischen, psychologischen, medien-, kommunikations- und kognitionswissenschaftlichen Bereichen und wurde, gemäß den theoretischen Teilen in zwei Kategorien eingeteilt:

Einerseits wurde auf Literatur zur linguistischen, aber auch interdisziplinären Analyse der Werbesprache zurückgegriffen. Nina Janichs Studienbuch Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. (2010) gibt einen breiten Überblick über werbewissenschaftliche Grundlagen, die in Kontakt mit sprachwissenschaftlichen Fragestellungen und Untersuchen treten. Sie geht dabei weitgehend auf Forschungsfelder der Linguistik ein, die die Sprache der Werbung vor allem aus pragmatischer, struktureller und rhetorischer Seite her beleuchten. Außerdem wirft Janich in diesem Rahmen interessante Diskussionsfragen und Anregungen auf, die vor allem für akademische Zwecke von Bedeutung sein können.

Des Weiteren wurden mehrere Werke von Helen Kelly-Holmes berücksichtigt, die aus soziolinguistischer und kommunikationstheoretischer Perspektive die Funktionen von Sprache und Mehrsprachigkeit in Massenmedien untersuchen. Dazu gehören vor allem die Monografie Advertising as Multilingual Communiaction (2005) und der Artikel Bier, parfum, kaas. Language fetish in European advertising (2000), in denen Kelly-Holmes kritisch auf die Stereotypisierung kultureller Aspekte durch multilinguale Werbung eingeht.

Ingrid Piller fokussiert in ihren beiden Artikeln Identity constructions in multilingual advertising (2001) und Advertising as a site of language contact (2003) neben der Konstruktion von Identitäten durch multilinguale Werbung auch Sprachkontakt und Entstehung von stereotypisierenden Kulturmustern durch die Werbung.

Andererseits fand Forschungsliteratur zu Verständlichkeit und Rezeption von Texten im Kontext dieser Arbeit Anwendung, die sich meist zwar nicht speziell auf Werbung reduzieren lässt, jedoch aber Aspekte zur allgemeinen Textrezeption und zum Textverständnis beinhaltete. Dieser Teil der Arbeit orientiert sich hauptsächlich an Charlton 1997, der einen detaillierten und diachronen Überblick über die interdisziplinären Bereiche der Rezeptions- und Medienwirkungsforschung gibt. Dementsprechend bettet er, ausgehend von älteren Wirkungsforschungsansätzen die konstruktivistisch orientierte kognitionswissenschaftliche Rezeptionsforschung in den geschichtlichen Verlauf ein, um letztlich seine Theorie der handlungstheoretischen Rezeptionsforschung zu erläutern.

Auch Ballstadt et al. 1981 widmen sich zentralen Aspekten der Mediennutzung und der Medienwirkung. Sie legen grundlegende Konzepte und theoretische Ansätze klassischer Wirkungsforschung dar, die stets interdisziplinär gehandhabt werden und Rezipienten-orientierte Ansätze und Perspektiven der Medienwirkung berücksichtigen.

Die neben der Rezeptionsforschung relevante Analyse der Textverständlichkeit wurde mit Hilfe von Hans-Jürgen Heringers Artikel Verst ä ndlichkeit. Ein genuiner Forschungsbereich der Linguistik? (1979) komplettiert. Zuletzt trug Steinert 2003 durch Klärung denotativer, konnotativer und assoziativer Aspekte zur rezeptionswissenschaftlichen Theoriefundierung für die Studie bei.

1.2 Das Korpus

Das in diesem Rahmen untersuchte Korpus umfasst deutsch- und spanischsprachige Publikums- und Frauenzeitschriften, die zwischen Juni 2012 und April 2013 veröffentlich wurden. Inbegriffen sind im Rahmen dieser Arbeit die monatlich erscheinenden Zeitschriften Glamour, InStyle, Vogue, Myself, Cover und Elle. Alle ausgewählten Anzeigen entstammen der Konsumgüterindustrie, die bestimmte Zielgruppen von Endkunden ansprechen.

Anhand von zwei ausgewählten deutschen und zwei dazu äquivalenten spanischen Werbeanzeigen wurden insgesamt vier Umfragen zur Verständlichkeit und Verarbeitung von fremdsprachlichen Anteilen in Werbeanzeigen der Konsumgüterindustrie konzipiert und durchgeführt. In diesen werden identische Produkte umworben, wobei eine der Anzeigen englische Elemente integriert, während die zweite mit französischen Inhalten geprägt ist.

Im gesamten untersuchten Korpus fand sich in fast allen mindestens ein fremdsprachliches Element. Diese entstammten an erster Stelle der englischen Sprache, an zweiter Stelle dem Französischen, an dritter dem Spanischen, Italienischen und Japanischen. Letztere drei werden jedoch aus Mangel an vergleichbarem Werbematerial in diesem Kontext nicht weiter untersucht. Mit Englisch wurden vor allem Produkte aus der Kosmetik, wie z.B. Make-up, Wimperntusche, Lippenstifte, Nagellack, Abdeckstifte und Anti-Falten Cremes beworben. Haarpflegemittel betreffend weisen Produkte wie Haarfärbemittel, Shampoos, Haarkuren und Haaraufbaumittel englischsprachige Lexeme auf. Des Weiteren zählen Körperpflegemittel jedoch aber auch Waschmittel und Sonnenbrillen zur Liste dazu. Vor allem aber Produkte aus der Technik werden fast ausschließlich mit englischen Beschreibungen umworben. Dazu gehören in diesem Korpus Automobile, Mobiltelefone, Notebooks, Uhren und Haushaltsgeräte.

Gezielt eingesetzte französische Lexeme findet man im Vergleich in Anzeigen von Werbetreibenden, die Produkte aus Segmenten der oberen Preisklasse bewerben und meist Zielgruppen der älteren Generation ansprechen möchten. Dazu gehören vor allem Anti-Falten Cremes, Parfüms, Gesichtswasser und Make-up. Die verwendeten Beispiele in dieser Arbeit entstammen größtenteils aus diesem Korpus.

2 WERBESPRACHE ALS UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND

In den folgenden Abschnitten werden zuerst generelle Aspekte zum Begriff der Werbesprache und deren Funktionen aufgezeigt. Anschließend folgt eine theoretische Fundierung bezüglich fremdsprachlicher Elemente in Werbeanzeigen, die sich auf englische und französische Lexeme spezialisiert. In diesem Rahmen werden sprachwissenschaftliche Begriffe wie die des Lehnwortes, des Fremdwortes, des Anglizismus und des Gallizismus eingeführt und auf die Funktionen der jeweiligen Sprache in Werbetexten eingegangen, die im Teil der Studie wiederaufgegriffen werden.

2.1 Zum Begriff der Werbesprache

Werbesprache ist eine besondere Sprache. Auf diesen Gedanken kommt man spätestens, wenn man einmal versucht hat, Slogans zu deren Produkten zuzuordnen. Es ist erstaunlich, wie viele der rezipierten Sprüche man mühelos wiedergeben kann, da wir sie schon so oft gehört und gelesen haben. Und obwohl sie eine besondere Sprache zu sein scheint sind werden wir mit ihr tagtäglich konfrontiert und übernehmen sie sogar in unseren Sprachgebrauch. Denn ihre Kreativität macht sie zu etwas Ausgefallenerem und Andersartigerem als unsere Alltagssprache.

Demzufolge wurde die Werbesprache schon von Ruth Römer 1968 als ‚Sondersprache‘ unserer Gesellschaft bezeichnet, die im Gegensatz zur Alltagssprache aber keine ‚Sprechwirklichkeit‘ habe, sondern abgehoben und unwirklich sei. (Römer 1968: 202) Trotz der Besonderheit dieser Sprache ist man sich heute weitläufig darüber einig, dass die Sprache der Werbung ein Produkt unserer Alltagssprache ist, das ähnlichen Mustern folgt (Janich 2010: 45). Sie basiert ihre Funktionen, gleichermaßen wie die Alltagssprache, auf den von Coseriu geprägten Varietäten der diaphasischen, diastratischen und diatopischen Dimensionen (Coseriu 2007: 103) stets in Abhängigkeit von der spezifischen Adressatengruppe. Auf diese Weise integriert sie Dialekte, Jugendsprache, Fachsprachen und auch Fremdsprachen (Janich 2010: 45).

Sie spricht die ‚Sprache der Zivilisation‘ (Sahihi/Baumann 1987: 13) allerdings mit einem ‚internationalen Charakter‘ (Galliot 1955: 21, zit. n. Römer 1968: 235)3, die durch ihre Verspieltheit und ihre Kreativität trotz allem zu kategorisieren ist. Denn die Häufigkeit ihrer kreativen Stilmittel lassen sie dennoch als Sondersprache erscheinen. Und auch der teilweise durch Phantasiewörter und Neologismen unkonventionell geprägte Wortschatz der Werbung macht die Werbesprache nach wie vor zu einer künstlichen Sprache, die für eine bestimmte Verkaufsintention erfunden wird. Sie ist, laut Janich 2010 eine ‚Inszenierung‘. (Janich 2010.: 44f.)

Insgesamt kann die Werbesprache demnach als eine „instrumentalisierte, zweckgerichtete und ausschließlich auf Anwendung konzipierte Sonderform der sprachlichen Verwendung“ (Baumgart 1992: 34) bezeichnet werden.

2.2 Funktionen und Ziele der Werbesprache

Die Funktionen der Werbesprache sind nach Ferrer 1995 im Allgemeinen auf drei Ebenen anzusiedeln: auf deskriptiver Ebene, im Sinne von Informationsweitergabe, auf expressiver Ebene als Ausdruck von Beeinflussung, und auf indikativischer Ebene als Werkzeug der Überzeugung. (Ferrer 1995: 42)

Die an erster Stelle genannte deskriptive Ebene übernimmt die beschreibende, informative Funktion der Werbesprache. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht liefert sie dem Rezipienten Produktinformationen und -beschreibungen, welche besondere Produkteigenschaften hervorheben und unterstreichen sollen. Oftmals sind diese Informationen jedoch nur scheinbar informative Angaben, die meist zweckorientiert ausgesucht werden und von früheren sprachwissenschaftlichen Arbeiten deshalb als manipulativ eingestuft wurden. (Janich 2010: 47)

Die expressive Ebene übernimmt Funktionen des Ausdrucks und des Apells an den Konsumenten. Darunter zu kategorisieren sind die von Flader 1974 unterschiedenen Formen der interpersonaler und intrapersonaler Ansprache des Rezipienten. Der interpersonale Appell meint die Ansprache eines „Dus“ oder „Sies“ (Weil Sie es sich wert sind, Jade), unter Umständen von einem kollektiven „Wir“ im Sinne einer Firma (Wir machen den Weg frei, Raffeisen Bank). Dahingegen betont die intrapersonale Ansprache Werbetexte, die den Kunden mit einem spezifischen „Ich“ ansprechen: (Ich f ü hl mich sch ö n mit Maybelline, Maybelline). Je nach Kontext wird eine unterschiedliche Werbewirkung erzielt. (Flader 1974: 119)

Neben der expressiven Ebene spielt die indikativische Ebene eine wichtigere Rolle für den weiteren Verlauf. Diese beinhaltet die überzeugenden, persuasiven Ziele der Werbesprache, welche die wichtigsten Aspekte für die Wirtschaftswerbung darstellen. Darunter fallen rationale, vor allem aber emotionale Appelle, die sich meist auf die Ansprache von Wünschen und Ängsten beziehen, welche durch das gewisse Produkt dann entweder erfüllt bzw. beseitigt werden sollen. Um wissenschaftlicher und glaubwürdiger zu wirken, werden deshalb positiv klingende Fachwörter (der konzentrierte Durstl ö scher mit Hyalurons ä ure, Clarins), Neologismen (Powerfrucht, Neutrogena) bis hin zu Pseudofachwörter (Complejo Bio-Renewal, Shisheido) eingesetzt. (Janich 2010: 48)

Zur Erfüllung appellativer und persuasiver Funktionen mit den Zielen der Aufmerksamkeitserregung und Überzeugung bedient sich die Sprache der Werbung aktiv an Überschreitungen der sprachlichen Textkonventionen. Dieser Instrumentalisierung der Sprache wird durch die Werbewirtschaft global Einhalt geboten, sodass sich zunehmend eine werbesprachliche Einheit herausbildet. Während auf der einen Seite versucht wird, mit Stereotypen Lokalität zu evozieren (s. Kap. 2.3), ist die Entwicklung der Werbesprache dennoch der zunehmenden Globalisierung unterworfen. (Bendel/Held 2008: 4f.)

2.3 Fremdsprachliche Elemente in Werbetexten der Konsumgüterindustrie

In Werbeanzeigen aller Art findet man heutzutage eine Vielzahl an fremdsprachlichen Lexemen und Phrasen. Viele der fremden Lexeme sind auf einen ersten Blick nur schwer verständlich. Warum die moisturizing Creme so einen tollen Effekt auf der Haut erzielt, auf welche Körperstellen R é nergie Multi-Lift genau abzielt, oder was uns die BlueMotion Technologie von Volkswagen für Vorteile bietet, das alles bleibt auch nach dem kompletten Lesen der Anzeige oft fragwürdig.

Warum werden fremdsprachige Lexeme also in der Werbung eingesetzt, wobei man sie als Normalverbraucher - zwar mit ausgiebigen Fremdsprachenkenntnissen, aber ohne fachsprachlichen Hintergrund - doch kaum versteht? Wann und von wem werden diese Fremdsprachen eingesetzt, und warum ausgerechnet diese und nicht andere?

Zur Klärung dieser Fragen folgt an dieser Stelle vorab eine kurze Ausführung über die Definition fremdsprachlicher Elemente als Lehnwörter und als Fremdwörter.

Lehnw ö rter

Fremdsprachliche Elemente in der Werbesprache sind in erster Linie Lehnwörter.

Als Lehnwörter werden lexikalische Einheiten bezeichnet, die von einer Sprache in eine zweite durch einen zuvor stattgefunden Sprachkontakt übernommen werden. Diese Wörter werden an diese Sprache angepasst und integriert. (Greule 1980: 270f.)

Dabei wird zwischen äußerem und innerem Lehngut unterschieden: Äußeres Lehngut bezeichnet Wörter, die von einer anderen Sprache direkt in die eigene übernommen werden. Dazu gehören direkte Entlehnungen, Scheinentlehnungen, also Entlehnungen, die es in der Ausgangssprache so nicht gibt (z.B. public viewing) oder deren Bedeutung in der Zielsprache verändert wird, und Hybridbildungen, sogenannte Mischformen von Ausgangs- und Zielsprache (Gel-Shine-Effekt von Catrice, Interieurvarianten von Citroën). Als inneres Lehngut hingegen werden Wortbildungen verstanden, die auf Anregung einer fremden Sprache in der eigenen nachgebildet werden. Dazu werden Lehnübersetzungen, -übertragungen und - schöpfungen gezählt, die in dieser Arbeit jedoch nicht weiter betrachtet werden. (Janich 2010: 157)

Der Einsatz von Lehnwörtern wird in der Werbebranche zielgerichtet betrieben um einen Befremdungseffekt und die darauffolgenden Assoziationen auszulösen. Die Aufmerksamkeit wird dabei auf etwas Unbekanntes gelenkt, dessen Formen und Muster wir noch nicht kennen. Dadurch werden heutzutage ehemalige Assimilationen der Lehnwörter wieder rückgängig gemacht: der Klub wird wieder zum Club, die Zigarette zur Cigarette und das Müsli zu Cerealien. (ibid.:158)

Die Fremdheit der Lexeme ist deshalb heutzutage eine weitverbreitete Strategie (ibid.), um Neuigkeit, Einzigartigkeit und Exklusivität der Produkte im Gegensatz zu der schon bekannten Werbesprache der einheimischen und altbekannten Produkte aufzuzeigen.

Fachw ö rter

Der Einsatz von Fachwörtern und sprachlichen Elementen aus dem wissenschaftlichen Bereich spielt in der heutigen Werbewirtschaft zunehmend eine Rolle. Sie werden zwar nicht von der breiten Masse an Rezipienten verstanden, jedoch ist dies auch nicht die Absicht. Vielmehr setzt man Fachwörter aus Medizin, Technik oder auch Chemie ein, um assoziative Gedankengänge im Rezipienten zu wecken. (ibid.: 217)

Oftmals entstammen diese jedoch keinem genauen wissenschaftlichen Feld, sondern werden von Werbetextern zu genau jenem Zweck erdacht. Für den Laien entsteht die Produktaufwertung allerdings durch den Kontext: da verstanden wird, für was im Allgemeinen geworben wird, wertet das (Pseudo-)Fachwort lediglich die schon bestehende Produktvorstellung auf. Aus der Forschung kommende Produkte müssen nach genereller Auffassung schließlich qualitativ hochwertig und zuverlässig sein. Die vorgelegte „Wissenschaftlichkeit“ wird auf Grund ihres ‚Wissens‘ von den meisten Menschen allerdings kaum hinterfragt. (ibid.: 217)

Beispiele aus der Kosmetikwerbung wären das Gesichtswasser Id é alia Pro von Vichy ohne Parabene, das Haarmittel EverPure von L’Oréal ohne Sulfate aber mit botanischen Ö len, oder aber Estée Lauders globale Anti-Aging Creme mit IntuiGen Technologie ™. Dahingegen wären aus der Automobilwerbung die SYNC und EcoBoost-Technologie von Ford oder das neue Harman Kardon ® Logic 7 ® Surround Soundsystem der neuen A-Klasse von Mercedes-Benz zu nennen.

Zur Klärung der angeführten Fragen muss nun an erster Stelle unterstrichen werden, dass fremdsprachliche Anteile in Werbetexten heutzutage vielmehr symbolische Funktionen repräsentieren als annehmlich relevante kommunikative Funktionen. Im Unterschied zur Alltagssprache, in der - meistens - das Gesagte der Form überliegt bildet sich die Werbesprache auf diese Weise ihre eigenen funktionalen und stilistischen Merkmale. (Kelly-Holmes 2000: 67ff.; Kelly-Holmes 2005: 11)

Fremdsprachliche Elemente in der Werbung übernehmen in diesem Kontext stets eine Geber- und eine Nehmerfunktion kulturgebundener Vorstellungen: Zum einen vermitteln und festigen sie die symbolischen Funktionen spezifischer Charakteristiken über andere Kulturen, Länder und Sprachen. Dadurch werden stereotype Konzeptionen als ‚ common knowledge ‘ (Lewis 1969, zit. n. Kelly-Holmes 2000: 68)4 in einer Kultur geleitet und vor allem auch gefestigt. (Kelly-Holmes 2000: 67ff.) Im Mittelpunkt der Werbemacher steht dabei die Vergabe von Stereotypen, die im Rezeptorland schließlich auch als solche erwartet, wiedererkannt und ausschließlich dadurch verstanden werden (Kelly-Holmes 2005: 18). Ob die vermittelten Charakteristiken und Stereotype allerdings immer der Realität entsprechen sei an dieser Stelle außenvorgelassen.

Zum anderen rufen fremdsprachliche Werbetexte gleichzeitig auch ethno-kulturelle Assoziationen im Rezipienten hervor, die dem Produkt durch die Sprache schließlich zugeordnet werden (Piller 2003: 175). Wichtig dabei ist, ein Produkt durch eine Fremdsprache als „exotisch“, „ausländisch“ oder „fremd“ darzustellen und dieses als solches im Rezipienten wirken zu lassen. Die Neugier und die Aufmerksamkeit des Kunden sollen dadurch geweckt werden. (Kelly-Holmes/Milano 2011: 468)

Kelly-Holmes 2005 beschreibt das Hervorrufen einer bestimmten Vorstellung durch eine Fremdsprache als sogenannten ‚ country-of-origin-effect ‘ (Kelly-Holmes 2005: 27ff.). Dieser ist dafür zuständig, dass ein Produkt, welches mit einer spezifischen Sprache umworben wird, auch als aus diesem Land stammendes Produkt rezipiert wird. Die Sprache wird im Verarbeitungsprozess mit Expertise aus einzigartigem und nationengebundenem Fachwissen gleichgesetzt, die dem Produkt einen internationalen Stellenwert ermöglicht. Denn, sobald eine landestypische Sprache zum Einsatz kommt werden Vorstellungen von ethnozentrischen Stereotypen und Übergeneralisierungen aktiviert, die unsere Perzeption von der Anzeige - und damit auch vom Produkt - nachhaltig beeinflussen. Schließlich vermittelt dieser Prozess produkttypische Landeszugehörigkeit und die daraus folgende Glaubwürdigkeit. (Kelly-Holmes 2005: 27ff.)

Beispielhaft sei an dieser Stelle die Automobilindustrie erwähnt, die vor allem durch deutsches Ingenieurfachwissen geprägt ist. Autos werden aus diesem Grund auch im Ausland mit deutschen Slogans und deutscher Expertise beworben. So wird der Slogan von Volkswagen „Das Auto , weder in Nord-, noch in Südamerika übersetzt, und auch Audi belässt seinen Slogan bei „Vorsprung durch Technik . Demgegenüber würden Nudeln, wenn sie mit Deutsch beworben werden würden, kaum einen sogenannten country-of-origin-effect auslösen, selbst wenn diese aus Deutschland stammen würden. Hier würde die italienische Sprache einen größeren Effekt erzielen, da Italien weltweit berühmt für reichhaltiges und gutes Essen ist. (Kelly-Holmes 2005: 27ff.).

Auf extremer und kritischer Weise kann die aktuelle Werbesprache demnach als ‚Form ohne Inhalt‘ (Kelly-Holmes 2000: 71) betrachtet werden, die euphemisierende Bilder der Realität widergibt, trotz allem aber bestehende Produkterwartungen befriedigt (ibid.). Kelly-Holmes nennt dies eine ‚Ausbeutung‘ formaler Strukturen, die jedoch durch diese zu Bedeutungskonstituenten kulturell denotierter Produkte florieren:

Syntax, style, accent, dialect - all of these are exploited in advertising and can stand alone as an independent source of meaning, and in the process give meaning to a particular product in terms of cultural competence. (Kelly-Holmes 2000: 74)

Zusammenfassend kann nun ausgesagt werden, dass die Sprache das Hauptunterscheidungsmerkmal kultureller Identitäten in der Werbung abbildet. Die Wahl dieser (Fremd-) Sprache geschieht niemals zufällig (Kelly-Holmes 2005: 26), sondern basiert stets auf deren konnotierten Stereotypen und ausgelösten Assoziationen, die durch Werbung zum einen aktiv vermarktet, zum anderen aber auch individuell konstituiert und rezipiert wird. Werbesprache kreiert auf diese Weise symbolischen Wert für das Produkt, die Marke und den Produzenten. (Kelly-Holmes 2000: 65).

Language, it could be argued, is the key distinguishing feature of the European countries, […]. In such a context, languages, words, accents become shorthand for a whole range of immediately interpretable relations and associations, and such advertising is increasingly both product and producer of a quantity of ‘shared knowledge’ within which intercultural and pan-national communications are interpreted throughout Western Europe. (Kelly-Holmes: 2000 68f.)

2.3.1 Englische Elemente

„Viele internationale Unternehmen werben in Italien auf Italienisch, in Spanien auf Spanisch, in Frankreich auf Französisch und in Deutschland auf Englisch.“ (Kick 2004: 176) - Diese Wahrheit lässt sich bestätigen wenn man eine deutsche Publikumszeitschrift einmal von vorne bis hinten durchblättert und gezielt auf die Sprache der Anzeigen achtet.

Jedoch war das nicht schon immer so. Erst mit dem Ende des zweiten Weltkrieges und der damit verbunden Implementierung des amerikanisch-kapitalistischen Systems in der westeuropäischen Gemeinschaft wurde eine Vielzahl von englischen Elementen in unseren Sprachgebrauch übernommen. Insbesondere die Werbefachsprache und die Sprache der Werbung wurden dadurch von Agenturen mit Sitz in den USA größtenteils beeinflusst. (Piller 2003: 174)

Nichtsdestotrotz erreichte die erst seit den 70er Jahren gestiegene Häufigkeit an englischen Elementen in deutscher Werbung ihre Klimax erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts (ibid.). So datiert Schiemichen in ihrer Dissertation von 20045 (Schiemichen 2005: 81) gesammelten Anzeigen insgesamt 5506 englischsprachige Elemente (ibid.: 403).

[...]


1 Ingrid Piller verwendete für diese Analyse 658 Werbespots, die im Februar 1999 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden (Piller 2000: 264).

2 Die Kaffeegrößen tall (engl.) und grande (ital.) bedeuten beide ‚groß‘.

3 Galliot, Marcel (1955): Essai sur la Langue de la Réclame Contemporaine. Toulouse: Privat.

4 Lewis, David Kellog (1969): Convention. A Philosophical Study. Cambridge, MA: Harvard University Press.

Ende der Leseprobe aus 56 Seiten

Details

Titel
Rezeption und Verständlichkeit fremdsprachlicher Elemente. Werbeanzeigen im Vergleich zwischen Deutschland und Spanien
Hochschule
Universität Mannheim
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
56
Katalognummer
V379678
ISBN (eBook)
9783668602809
ISBN (Buch)
9783668602816
Dateigröße
844 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werbung, Deutschland, Spanien, Rezeption, Verständlichkeit
Arbeit zitieren
Madeleine B. (Autor:in), 2013, Rezeption und Verständlichkeit fremdsprachlicher Elemente. Werbeanzeigen im Vergleich zwischen Deutschland und Spanien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379678

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