Auswirkungen eines bis zur Ausbelastung ausgeführten VO2max-Stufentests unter normobarer Hypoxie auf endotheliale Progenitorzellen


Diplomarbeit, 2008

80 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


1. Einleitung

Während körperlicher Belastungen ist eine optimale Versorgung der Muskulatur mit

Sauerstoff und Nährstoffen von entscheidender Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit. Hohe sportliche Belastungen, wie sie beispielsweise in den Ausdauersportarten auftreten, stellen hohe Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System, das jederzeit die ausreichende Versorgung der Organe und Muskulatur mit Blut gewährleisten muss. Häufige Beanspruchungen dieser Art führen zu Anpassungsprozessen des Organismus, die zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems führen. Diese Adaptationsprozesse als Reaktion auf körperliches Training sind wohl bekannt und umfassen neben einer gesteigerten Pumpleistung des Herzmuskels und einer erhöhten Sauerstofftransportkapazität des Blutes durch eine Erhöhung der Erythrozytenzahl auch den Prozess der Kapillarisierung, der zu einer verbesserten Versorgungssituation der beanspruchten Gewebe führt. Ein möglicher Weg zur Neubildung von Kapillaren erfolgt durch die sogenannte Angiogenese, die die Bildung von neuen Blutgefäßen durch Teilung oder Aussprossung von bereits vorhandenen Blutgefäßen beschreibt [CONWAY 2001; DJONOV 2003; PRIOR 2004; RISAU 1997]. Mittlerweile konnte jedoch nachgewiesen werden, dass auch im bereits adulten Organismus neue Blutgefäße durch Vaskulogenese, einem Prozess bei dem Blutgefäße durch endotheliale Stammzellen neu gebildet werden und von dem man annahm, er würde nur während der embryonalen Entwicklung erfolgen, entstehen können [COGLE 2004; FLAMME 1997; FORRAI 2003; RISAU 1995]. In dem meisten Fällen erfolgt das Wachstum von Gefäßen im menschlichen Körper jedoch durch eine Kombination aus Angiogenese und (postnataler) Vaskulogenese, bei der im Blutstrom zirkulierende endotheliale Progenitorzellen (EPCs) eine entscheidende Rolle spielen [ASAHARA 1999; ASAHARA 2004; HRISTOV 2004; KHAKOO 2005; MURASAWA 2005; SHI 1998; URBICH 2004]. Diese 1997 durch eine Forschungsgruppe um ASAHARA et al. beschriebenen Vorläuferzellen entstammen der Stammzellnische des Knochenmarks und haben die Fähigkeit zum postnatalen Gefäßwachstum (postnatale Vaskulogenese) und zur Reparatur beschädigter Gefäße beitragen zu können, sowie sich zu endothelialen Zellen auszudifferenzieren [ASAHARA 1997; ASAHARA 1999].

Endotheliale Progenitorzellen besitzen im Gegensatz zu anderen Stammzellen zwar nicht deren pluripotentes Entwicklungspotential, sondern sind auf einen Differenzierungspfad der endothelialen Zelllinie determiniert, verfügen jedoch nichtsdestotrotz über Stammzellfähigkeiten wie beispielsweise die Fähigkeit zur Selbsterneuerung [COGLE 2004; HARUCHIKA 2003; HRISTOV 2003]. Außer in der Stammzellnische des Knochenmarks kommen EPCs auch im Nabelschnurblut und an den Wänden von Blutgefäßen [INGRAM 2004; MUROHARA 2000], sowie als zirkulierende endotheliale Progenitorzellen im peripheren Blutstrom adulter Individuen vor [ASAHARA 1997; URBICH 2004; MURASAWA 2005]. Innerhalb der Stammzellnische des Knochenmarks verharren die EPCs gebunden an Adhäsionsmoleküle [HEISSIG 2002], bis sie durch entsprechende Stimuli, wie beispielsweise durch akute Verletzungen, Gewebsischämie, Tumorangiogenese oder Myokardinfarkt, aktiviert werden [CHRISTOPH 2000; GILL 2001; HENRICH 2005; URBICH 2003] und zu den Regionen unterversorgten Gewebes migrieren und proliferieren, wobei sich die Anzahl der EPCs im peripheren Blut um das 50-fache erhöhen kann [GILL 2001].

Somit stellen Ischämie und Hypoxie die potentesten physiologischen Stimuli dar, die zu einer Freisetzung von Wachstumsfaktoren und somit zu einer Erhöhung der EPCs im Organismus führen [ADAMS 2004; TEPPER 2005; WAHL 2007].

Der Mechanismus der hypoxieabhängigen EPC-Aktivierung scheint hierbei durch eine erhöhte Sekretion des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) in der Peripherie vermittelt zu werden, der ebenfalls eine essentielle Rolle bei vaskulogenen und angiogenen Prozessen einnimmt [SATOSHI 2005]. Eine EPC-mobilisierende Wirkung konnte weiterhin für das Erythropoietin (EPO) [ANAGNOSTOU 1994] und für radikale Sauerstoffspezies (ROS), wie beispielsweise die Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat-Oxidase (NADPH-Oxidase) [MOLDOVAN 2006], nachgewiesen werden.

Trotz der Tatsache, dass eine „echte“ pathologische Ischämie in den Geweben gesunder Individuen nicht vorhanden ist, führt eine körperliche Ausbelastung, wie sie beispielsweise bei der Ausführung eines maximalen Stufentests erreicht wird, zu einer Verschiebung der Energiegewinnung des Organismus in Richtung der anaeroben Glykolyse, durch die es zu einer akkumulierten, lokalen Sauerstoffschuld im Gewebe und der Generierung von oxidativem Stress kommen kann [FRANKE 2005; VAN CRAENENBROEK 2008].

So konnten bereits durch zahlreiche Forschungsgruppen positive Effekte körperlichen Trainings auf die EPCs sowohl von Patientenpopulationen, als auch bei gesunden Individuen nachgewiesen werden [ADAMS 2004; HOETZER 2007; LAUFS 2004; LAUFS 2005; REHMAN 2005; SANDRI 2005; STEINER 2005; VAN CRAENENBROECK 2008; YANG 2007].

Aber auch eine reine Hypoxieexposition von gesunden Probanden ohne eine sportliche Intervention führte zu positiven Effekten im Bereich der endothelialen Vorläuferzellen der teilnehmenden Individuen [CIULLA 2007].

Die Auswirkungen der Kombination eines Trainingsreizes in Form eines bis zur Ausbelastung durchgeführten Stufentests, gekoppelt mit einem entsprechend potenten Hypoxiereiz auf die endothelialen Progenitorzellen, wurde bis dato jedoch nur im Hinblick auf die nach einer entsprechenden Belastung vorhandene Gesamtzahl zirkulierender EPCs hin untersucht.

Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll daher nun die Frage geklärt werden, welche Auswirkungen ein Trainingsreiz in Form eines bis zur subjektiven Ausbelastung ausgeführten VO2max-Stufentests unter hypoxischen Bedingungen (4000m Höhenexposition, Höhenkammer) auf die Seneszenz-, Proliferations- und Apoptoserate endothelialer Progenitorzellen hat.

Hierzu sollen aus peripherem Blut isolierte EPCs ex vivo mit konditioniertem Serum inkubiert werden, das aus einer Studie des Institutes für Trainings- und Bewegungslehre der Deutschen Sporthochschule Köln stammt, in der gesunde, männliche Sportstudenten einen bis zur subjektiven Ausbelastung durchgeführten VO2max-Stufentest auf einem Fahrradergometer innerhalb einer Höhenkammer absolviert haben, in der eine normobare Hypoxie generiert wurde, die einer realen Höhenexposition von 4000m entsprach.

Zunächst soll jedoch im folgenden Kapitel der aktuelle Stand der Forschung zum Thema endotheliale Progenitorzellen mit den Auswirkungen sportlicher Aktivität und den zu Grunde liegenden, molekularen Mechanismen ausführlich besprochen werden.

2. Aktueller Stand der Forschung

2.1 Mechanismen des Gefäßwachstums

Grundsätzlich werden zwei zentrale Mechanismen unterschieden, die auf unterschiedliche Art und Weise zur Ausbildung des Gefäßsystems und zu dessen Entwicklung und Veränderung beitragen können: Vaskulogenese und Angiogenese.

2.1.1 Vaskulogenese

Vaskulogenese bezeichnet die Entstehung von Blutgefäßen in der frühen Embryogenese aus endothelialen Stammzellen, den sogenannten mesodermalen Angioblasten [RISAU 1995].

Bereits um das Jahr 1900 konnte gezeigt werden, dass isolierte embryonale Zellen in der Lage waren ein Blutgefäßnetzwerk auszubilden. Der Zelltypus, aus dem sich alle Endothelzellen rekrutieren, wurde Angioblast genannt. Der Terminus „Hämangioblast“ bezeichnet hierbei einen gemeinsamen Vorläufer von Endothelzellen und Zellen der hämatopoietischen Reihe. Die tatsächliche Existenz eben jener Hämangioblasten konnte allerdings erst rund 100 Jahre später experimentell nachgewiesen werden [CHOI 1998]. Die Differenzierung der pluripotenten Vorläuferzellen in Hämangioblasten wird unter anderem durch Wachstumsfaktoren induziert, wobei sich das aus den Blutinseln des embryonalen Dottersacks entstehende, primitive Blutgefäßnetzwerk sukzessive durch gezielte Gefäßmodellierung in das reife Gefäßsystem ausdifferenziert [COGLE 2004; FORRAI 2003; RISAU 1997].

Ursprünglich nahm man an, dass Vaskulogenese nur im Embryo stattfindet und von mesodermalen Stammzellen abhängig ist. Mittlerweile konnte jedoch von zahlreichen Forschungsgruppen gezeigt werden, dass das Wachstum von Gefäßen häufig eine Kombination aus Angiogenese und (postnataler) Vaskulogenese ist, bei der im Blutstrom zirkulierende endotheliale Vorläuferzellen eine entscheidende Rolle spielen [ASAHARA 1999; ASAHARA 2004; DRAKE 2000; FLAMME 1997; MELERO-MARTIN 2007; MURASAWA 2005].

2.1.2 Angiogenese

Angiogenese bezeichnet die Bildung neuer Gefäße aus bereits vorhandenen Endothelzellen durch die Mechanismen der Aussprossung oder Intussusception [PRIOR 2004].

Der Prozess der Angiogenese durch Gefäßaussprossung vollzieht sich in folgenden Schritten:

1. Zunächst erfolgt eine Vasodilatation der bereits existierenden Gefäße, was hauptsächlich als Antwort auf die lokale Sekretion von NO (Stickoxid) geschieht. NO sorgt außerdem für eine Hochregulation von VEGF [KIMURA 2000], das durch Reorganisation von Adhäsionsmolekülen wie PECAM-1 oder VE-cadherin die Permeabilität der Gefäße steigert.

2. Als nächstes erfolgt die Auflösung der extrazellulären Matrix mit Hilfe von Metalloproteinasen (MMPs) als Voraussetzung für die Migration der proliferierenden Endothelzellen. Dieser Prozess ermöglicht ebenfalls die Freisetzung von Wachstumsfaktoren wie VEGF, bFGF und IGF-1 [BERGERS 2000; NELSON 2000; VAN HINSBERGH 2008]. Derzeit sind über 20 verschiedene MMPs bekannt, die Einfluss auf die Angiogenese und die Zellproliferation haben.

3. Nachdem die physikalischen Barrieren durch die Auflösung der extrazellulären Matrix beseitigt wurden, können die proliferierenden Endothelzellen sich aus dem Verband lösen und in den Bereich des neu zu entstehenden Gefäßes migrieren. Es setzt eine komplexe Interaktion zwischen Wachstumsfaktoren (VEGF, bFGF, u.a.), Differenzierungsfaktoren (z.B. den Angiopoietinen) und den entsprechenden zellulären Rezeptoren ein.

Angiopoietin-1 (Ang-1), ein Ligand des Endothelzellrezeptors Tie-2, bewirkt in diesem Prozess ein Aussprossen von Endothelzellen und stabilisiert die Gefäße [SURI 1996], während Ang-2 die Gefäße zuvor durch das Ablösen glatter Muskelzellen von den Endothelzellen und der Auflösung der extrazellulären Matrix auf die Migration und das Aussprossen vorbereitet hat [MAISONPIERRE 1997]. Nach der Auflösung der extrazellulären Matrix und infolgedessen der Freisetzung von VEGF fördert Ang-2, in Anwesenheit dieses Wachstumsfaktors, ebenfalls die Angiogenese [JOUSSEN 2003]. PDGF entfaltet ebenfalls eine angiogene Wirkung auf aussprossende Endothelzellen und rekrutiert Perizyten um wachsende Gefäßsprossen [LINDAHL 1999].

4. Nach abgeschlossener Migration der Endothelzellen in die Matrix bilden diese solide Stränge aus, die ihrerseits nachfolgend ein Gefäßlumen ausbilden. Dies wird durch eine Interkalation und eine Verdünnung der Endothelzellen erreicht, die letztendlich durch die Fusion mit bereits vorhandenen Gefäßen einen neuen Gefäßast ausbilden [CONWAY 2001].

Ein anderer Mechanismus der Angiogenese ist die sogenannte Intussusception. Bei dieser Form des Gefäßwachstums wird die Kapillare durch eine longitudinale Teilung der Lumenseite des Gefäßes in zwei Kapillaren aufgesplittet [PRIOR 2004]. Diese Form des Gefäßwachstums wird als ein sehr effektiver Prozess angesehen, da auf diese Art und Weise neue Gefäße ohne den aufwändigen Umbau der extrazellulären Matrix und mit weniger Proliferation der Endothelzellen als beim Prozess der Aussprossung entstehen können, so dass mehrere Studien mittlerweile das intussuskeptive Gefäßwachstum als den primären Mechanismus in der Gefäßentwicklung ansehen [DJONOV 2003; KURZ 2003].

Folgende Abbildung stellt zusammenfassend die beiden Mechanismen der Angiogenese dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die zwei Mechanismen der Angiogenese: Aussprossung und Intussuskeption. [PRIOR 2004]

Tabelle 1: Aktivatoren der Angiogenese. [nach CONWAY 2001; JOUSSEN 2003]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Stammzellen und Vorläuferzellen

Stamm- und Vorläuferzellen repräsentieren eine Population von unspezialisierten bzw. Wenig spezialisierten Zellen, die in der Lage sind sich auf einen entsprechenden Stimulus hin zu spezialisierten Zellen auszudifferenzieren. Hierbei entscheiden molekulare Signalwege darüber, welchen Differenzierungsweg eine Stammzelle einschlagen wird [FUCHS 2000].

Während der Embryogenese erwächst aus einer einzigen, befruchteten Oozyte ein gesamter Organismus, dessen Zellen und Gewebe verschiedenste Charakteristika und Schicksale angenommen haben, um die spezifischen Funktionen und Aufgaben sämtlicher Organe des Körpers auszuführen. Aber auch nachdem ein Organismus ausgewachsen ist, verbleiben die meisten Gewebe und Organe in einem Zustand der Homöostase, innerhalb der Zellen sterben - sei es durch natürlichen Tod oder Verletzung - und durch neue Zellen ersetzt werden. Hierbei sind es im menschlichen Organismus insbesondere die Epidermis, die Haare, der Dünndarm und das hämatopoietische System, die sich ständig in diesem dynamischen Gleichgewichtszustand befinden [FUCHS 2000].

Im Idealfall sind adulte Stammzellen in der Lage, sich über die gesamte Lebensdauer eines Organismus zu teilen und somit ihr Stammzellpotential zu erhalten. Das Produkt einer sich teilenden Stammzelle ist in der Regel eine neue Stammzelle und eine spezialisierte Zelle, respektive eine Zwischenstufe, die als Vorläuferzelle bezeichnet wird. Bei einer Vorläuferzelle handelt es sich um eine Stammzelle, die bereits eine partielle Differenzierung durchgemacht hat und nicht mehr über ein pluripotentes Differenzierungspotential verfügt, sondern bereits auf einem zellulären Entwicklungsweg determiniert ist [BLOCH 2006(a); ROBEY 2000; WEISSMAN 2000].

Im adulten Organismus ist das Knochenmark die Hauptquelle für Stamm- und Vorläuferzellen, wo sie in sogenannten „Nischen“ verharren [HEISSIG 2002]. Innerhalb dieser Nischen sind die Stammzellen an Adhäsionsmoleküle gebunden. Auf spezifische Signale hin wird die Bindung der Stammzellen an ihre Adhäsionsmoleküle gelöst, woraufhin die Zellen ihre Nischen verlassen können und durch sukzessive Differenzierung zu einer spezialisierten Zelle heranreifen [HEISSIG 2002].

Es sind hierbei zwei Typen von Stammzellen, die hämatopoietischen (hematopoietic stem cells = HSCs) und die mesenchymalen (mesenchymal stem cells = MSCs) Stammzellen, die sich zu allen Zellentypen des Blutes (HSCs) oder zu verschiedenen anderen mesodermalen Gewebszellen wie bspw. Osteocyten, Myocyten und Adipocyten (MSCs) ausdifferenzieren können [BLOCH 2006 (a)].

Darüberhinaus konnten Stamm- und Vorläuferzellen in vielen anderen Geweben nachgewiesen werden. Hierzu zählen insbesondere die Skelettmuskulatur, der Herzmuskel und das Gehirn [BLAU 2001; GAGE 1995; JACKSON 1999; OH 2003].

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Abb. 2: Entwicklungslinien verschiedener Stamm- und Vorläuferzellpopulationen. [ASAHARA 2004]

Lange Zeit galt der Differenzierungsweg adulter Stammzellen als linear und irreversibel - ein schrittweises Fortschreiten entlang eines genau definierten Entwicklungspfades der schließlich mit der Ausdifferenzierung in einen terminalen spezialisierten Zelltypus endet. Diese traditionelle Sichtweise wurde in neuerer Zeit durch die Entdeckungen zahlreicher Forschungsgruppen in Frage gestellt. So berichten Studien über die Differenzierung von Stammzellen in die entgegengesetzte Richtung des Entwicklungspfades und die Fähigkeit verschiedener Vorläuferzellen sich auch in Gewebe ausdifferenzieren zu können, die nicht der durch ihre Teildifferenzierung bereits eingeschlagenen Entwicklungslinie entsprechen [BLAU 2001]. Diese Entdeckungen lassen vermuten, dass die Biologie der Stammzellen komplexer ist, als zunächst angenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Neue Sichtweise des Potentials von Stammzellen. Entgegen der traditionellen Betrachtungsweise verlieren Stammzellen erst mit fortschreitender Differenzierung allmählich ihr Potential. [BLAU 2001]

Neben ihrer essentiellen Rolle während der embryonalen Entwicklung nehmen Stamm- und Vorläuferzellen des adulten Organismus eine entscheidende Rolle bei Adaptations- und Regenerationsprozessen ein [BLOCH 2006 (b)]. Hierbei sind u.a. die hämatopoietischen Vorläuferzellen, die einen entscheidenden Beitrag zur Anpassung, Modellierung und Reparatur des vaskulären Systems leisten.

Im Blutgefäßsystem kommt neben den hämatopoietischen aber noch ein anderer Vorläuferzelltyp vor, der in zunehmendem Maße an Bedeutung gewinnt: Die sogenannten endothelialen Progenitorzellen (EPCs) [ASAHARA 1997; HRISTOV 2004; KHAKOO 2005; MURASAWA 2005; SHI 1998; URBICH 2004].

2.3 Endotheliale Progenitorzellen (EPCs)

Lange Zeit glaubte man, dass die Differenzierung mesodermaler Zellen zu Angioblasten und deren sukzessive endotheliale Ausdifferenzierung ausschließlich in der embryonalen Entwicklung geschehen könne. Dieses zentrale Dogma konnte im Jahre 1997 verworfen werden, als eine Forschungsgruppe um Takayuki Asahara nachweisen konnte, dass gereinigte CD34+ / VEGFR-2+ hämatopoietische Vorläuferzellen (HSCs) von erwachsenen Individuen sich in vitro in einen endothelialen Phänotyp ausdifferenzieren können [ASAHARA 1997]. Die Forscher gaben diesen Zellen den Namen „endothelial progenitor cells“ (EPCs).

Diese von ASAHARA beschriebenen Zellen entstammen dem Knochenmark und haben die Fähigkeit, zum postnatalen Gefäßwachstum (postnatale Vaskulogenese) und zur Reparatur beschädigter Gefäße beitragen zu können [ASAHARA 1999]. Nachfolgende Studien konnten jedoch weitere Zellpopulationen nachweisen, die ebenfalls über die beschriebenen Eigenschaften verfügen, so dass die phänotypische Charakterisierung dieser endothelialen Vorläuferzellen kontrovers diskutiert wird. Hinzu kommt, dass die bisher gefundenen spezifischen Oberflächenmarker von EPCs zum Teil auch von anderen Zelltypen exprimiert werden, so dass auch hier keine eindeutige Zuordnung möglich ist.

Folgende generelle Definition von EPCs wurde 2005 von KHAKOO und FINKEL verfasst:

- EPCs sind im Blutstrom zirkulierende, dem Knochenmark entstammende Stammzellen, die sich funktionell und phänotypisch von ausdifferenzierten Endothelzellen unterscheiden.
- EPCs haben die Fähigkeit, sich in Endothelzellen zu differenzieren.
- EPCs können zur postnatalen Vaskulogenese und zur vaskulären Homöostase beitragen [KHAKOO 2005].

Allerdings berücksichtigt diese allgemeine Definition nicht die Tatsache, dass EPCs verschiedenen Zellpopulationen entstammen können [WAHL 2007]. So wurde nachgewiesen, dass Zellen, die per Definition als EPCs bezeichnet werden können, sich aus folgenden Zellpopulationen entwickeln können:

1. Hämatopoietische Stammzellen [ASAHARA 1999a; ASAHARA 1997; GEHLING 2000; HRISTOV 2004; HRISTOV 2003; HUR 2004; KHAKOO 2005; PEICHEV 2000; QUIRICI 2001; SHI 1998]
2. Monozyten / Makrophagen [HARRAZ 2001; HUR 2004; REHMAN 2003; RHODE 2005; SCHMEISSER 2001; URBICH 2003]
3. Mesenchymale Stammzellen (multipotent adult progenitor cells = MAPCs) [JIANG 2002; REYES 2002]
4. Myoendotheliale Vorläuferzellen [TAMAKI 2002]

Die genaue Charakterisierung von EPCs wird weiterhin durch die Tatsache erschwert, dass ein Großteil der zirkulierenden Zellen, die zur Vaskulogenese bzw. zur Neoangionese beitragen können, nicht dem Knochenmark entstammen, sondern es sich hierbei um von der Gefäßwand abgelöste, sogenannte „circulating endothelial cells“ (CECs) handelt [LIN 2000].

2.3.1 Die Relevanz hämatopoietischer Stammzellen als Quelle für EPCs

Nachdem ASAHARA et al. 1997 zeigten, dass CD34+/VEGFR-2+ hämatopoietische Vorläuferzellen sich ex vivo in einen endothelialen Phänotyp namens EPCs ausdifferenzieren können, stellte sich durch nachfolgende Forschungsarbeiten bald heraus, dass CD34+ keinesfalls exklusiv von hämatopoietischen Stammzellen exprimiert wird, sondern, wenngleich zu einem geringeren Anteil, auch auf ausdifferenzierten Endothelzellen vorkommt [URBICH 2004]. Aus diesem Grund benutzen darauffolgende Studien den Stammzellmarker CD133 [PEICHEV 2000], der von hämatopoietischen Stammzellen exprimiert wird, aber auf ausdifferenzierten Endothelzellen und Monozyten fehlt [HANDGRETINGER 2003; YIN 1997] und demonstrierten die Fähigkeit dieser gereinigten CD133+ Zellen, sich in vitro zu Endothelzellen auszudifferenzieren [GEHLING 2000]. Somit stellen CD133+/VEGFR-2+ Zellpopulationen eine präzisere Oberflächenmarker-Konstellation dar, um EPCs zu definieren [PEICHEV 2000].

CD133+/CD34+ Zellen können sich entlang des endothelialen- oder hämatopoietischen Entwicklungspfades ausdifferenzieren und erfüllen somit viele Kriterien eines echten Hämangioblasten; einer mesodermalen Stammzellform, aus der hämatopoietische und endotheliale Zellen entstehen können [COGLE 2004; FORRAI 2003; GEHLING 2000; QUIRICI 2001].

Die Oberflächenmarker-Konstellation CD133+/CD34+/VEGFR-2+ charakterisiert scheinbar „frühe“ EPCs in einem noch unausgereiften Entwicklungsstadium mit einer hohen proliferativen Kapazität, die vornehmlich im Knochenmark oder, in einem frühen Stadium, auch im peripheren Blutstrom zu finden sind [GEHLING 2000; PEICHEV 2000; QUIRICI 2001]. Zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt verlieren dann diese Zellen den Oberflächenmarker CD133, was wohl die Transformation der unreifen EPCs in eine reifere, mehr endothelartige Zellpopulation mit eingeschränkter proliferativer Kapazität zu markieren scheint (CD133-/CD34+/VEGFR-2+) [HRISTOV 2003; KHAKOO 2005].

Ein weiterer Hinweis für die Reifung der EPCs in der peripheren Zirkulation ist die Expression von endothel-spezifischen Oberflächenmarkern, wie VE-cadherin, vWF und CD31. Dies weist darauf hin, dass sich mindestens zwei Arten von EPCs in der peripheren Blutzirkulation befinden:

1. „Frühe“ EPCs mit dem Oberflächenmarker-Profil: (CD133+/CD34+/VEGFR-2+/VE- cadherin-/eNOS-)
2. „Späte EPCs mit dem Oberflächenmarker-Profil: (CD133-/CD34+/VEGFR-2+/VE- cadherin+/vWF+/eNOS+) [HRISTOV 2004].

HUR et al. beschrieben 2004 den Phänotyp „früher“ EPCs als „spindelförmig“ und stellten fest, dass es diesen Zellen nicht möglich war gefäßartige Strukturen auszubilden. Die „späten“ EPCs beschrieben die Forscher als einen „pflastersteinartigen“ Phänotyp. Diese Zellen verfügten über höheres proliferatives Potenzial und über eine erhöhte Apoptose- Resistenz und waren in der Lage, gefäßartige Strukturen auszubilden [HUR 2004].

Beide Zelltypen können auf unterschiedliche Art und Weise zur postnatalen Vaskulogenese beitragen:

- „Frühe“ EPCs hauptsächlich durch die Sekretion angiogener Zytokine wie VEGF, HGF, IL-8 und G-CSF, durch die vorhandene, ausdifferenzierte Endothelzellen rekrutiert und Ihre Proliferation und Überlebensfähigkeit gesteigert werden.
- „Späte“ EPCs durch die Bereitstellung neuer Endothelzellen, basierend auf ihrem hohen proliferativen Potential [HUR 2004; YOON 2005].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Phänotyp „früher“ und „später“ EPCs: Die Abbildung zeigt die zwei von HUR et al. 2004 beschriebenen, unterschiedlichen EPCs eines „frühen“, spindelförmigen (links) und „späten“, pflastersteinartigen Phänotyps (rechts). Die abgebildeten „frühen“ EPCs entstammten eigener Isolation und wurden nach 1 Woche photographiert. Rechts sind konfluente, „späte“ EPCs [nach HUR 2004] dargestellt.

2.3.2 Die Relevanz von Monozyten und Makrophagen als Quelle von EPCs

Eine Forschungsgruppe um REHMAN konnte 2003 zeigen, dass die Mehrheit der durch AcLDL+/ulex-lectin+ charakterisierten EPCs typische Oberflächenmarker von Monozyten/Makrophagen, wie CD14, CD11c oder CD11b, exprimierte [REHMAN 2003]. Nur ein paar wenige der von REHMAN et al. untersuchten Zellen zeigten die Expression endothel- spezifischer Marker wie VE-cadherin, CD133, c-Kit oder E-selectin. Diese Zellen verfügten weiterhin über keine hohen proliferativen Fähigkeiten, sezernierten jedoch angiogene Wachstumsfaktoren.

Diese Ergebnisse deuten auf zwei unterschiedliche Mechanismen EPC-induzierter Neoangionese/Vaskulogenese hin:

1. Eine erhöhte Zahl verfügbarer Endothelzellen durch die Proliferation und Differenzierung vorhandener EPCs.
2. Einen Anstieg von EPC-sezernierten angiogenen Wachstumsfaktoren [REHMAN 2003; HUR 2004; YOON 2005].

Aufgrund dieser unterschiedlichen Mechanismen unterschieden REHMAN et al. zwischen EPCs die von hämatopoietischen Stammzellen/Hämangioblasten abstammen und die Anzahl verfügbarer Endothelzellen erhöhen können; und zirkulierenden, angiogenen Zellen (circulating angiogenic cells = CACs), die von Monozyten/Makrophagen abstammen und angiogene Wachstumsfaktoren freisetzen können [REHMAN 2003].

SCHMEISSER et al. konnten 2001 nachweisen, dass eine Subpopulation von CD34-/CD14+ Monozyten unter angiogener Stimulation in endotheliale Zellen differenzieren und sich in die Wand von Blutgefäßen einfügen kann [SCHMEISSER 2001]. Allerdings ist laut URBICH et al. der Ursprung jener aus dem peripheren Blut isolierten EPCs keinesfalls auf den von SCHMEISSER et al. verwendeten monozytären Oberflächenmarker CD14 beschränkt [URBICH 2003], weshalb in diesem Kontext diskutiert wird, ob aus dem Blut isolierte Monozyten EPCs nachahmen [RHODE 2005].

2.3.3 Die Relevanz mesenchymaler Stammzellen (MAPCs) als Quelle von EPCs

Eine weitere Zellpopulation, aus der EPCs hervorgehen können, sind die aus dem Knochenmark stammenden, multipotenten adulten Progenitorzellen (MAPCs). Diese Zellen verfügen über ein extensives Proliferations- und Differenzierungspotential und differenzieren als Reaktion auf organspezifische Reize. MAPCs verfügen laut REYES et al. über folgende Oberflächenmarker-Konstellation: CD31-/CD34-/CD45-/CD62E-/cKit-/VE- cadherin-/CD133(+)/VEGFR-2(+) [REYES 2002]. Unter speziellen Kulturbedingungen auf Fibronectin-beschichteten Wells, inklusive der Zugabe von VEGF, verwandelten sich die MAPCs in CD34+/VE-cadherin+/VEGFR-2+/CD133+ Zellen und differenzierten in endotheliale Zellen. Solche endothelialen Zellen/EPCs können in vivo unter Wundheilungs-Konditionen oder Tumorgenese-Bedingungen zur Neoangionese beitragen [JIANG 2002; REYES 2002].

2.3.4 Myoendotheliale Vorläuferzellen

Vermeintliche Vorläuferzellen myoendothelialen Ursprungs konnten von einer Forschungsgruppe um TAMAKI et al. 2002 in den interstitiellen Zwischenräumen der Skelettmuskulatur von Mäusen nachgewiesen werden.

Diese CD34+/CD45- Zellen konnten außerhalb der Basallamina beobachtet werden - einem Standort, der nicht dem Herkunftsort anderer Satellitenzellen entspricht. Die Zellen wiesen weiterhin keine endothel-spezifischen Oberflächenmarker wie CD31, VE-cadherin oder VEGFR-2 auf. Nach 4-5 Tagen begannen die isolierten Zellen Kolonien zu bilden (colony forming units = CFUs), innerhalb derer zwei unterschiedliche Zellpopulationen nachgewiesen werden konnten: Ein Teil der Zellen differenzierte zu Muskelzellen, wohingegen der andere Teil Dil-Ac-LDL-Aufnahme zeigte, was ein Hinweis auf eine Differenzierung in die endotheliale Zelllinie darstellt. Folglich vermuteten die Forscher, dass die nachgewiesenen CFUs der CD34+/CD45- Zellen über ein Differenzierungspotenzial für unterschiedliche Zelllinien verfügen könnten. [TAMAKI 2002].

Eine Studie aus dem Jahr 2007 [YODER 2007] unterschied bei der Untersuchung von EPCs die sogenannten koloniebildenden Einheiten endothelialer Zellen (endothelial cell colony- forming units = CFU-ECs), die mit Hilfe kommerziell erhältlicher Kit´s zur Oberflächenmarker- Analyse identifiziert werden können, und einer weiteren Art von EPCs mit blutgefäßbildenden Fähigkeiten, die sie endotheliale koloniebildende Zellen (endothelial colony-forming cells = ECFCs) nannten. Bei der Untersuchung der beiden verschiedenen Zelltypen konnte nachgewiesen werden, dass die CFU-ECs dem hämatopoietischen System entstammen und Eigenschaften von myeloiden Vorläuferzellen besitzen, jedoch in vivo nicht in der Lage waren Gefäße auszubilden. Die ECFCs hingegen zeigten ein robustes proliferatives Potential und waren in der Lage in vivo Blutgefäße auszubilden. Die Forscher schlussfolgerten aus diesen Beobachtungen, dass CFU-ECs keine EPCs sind und ihre Rolle im Gefäßbildungsprozess genauer untersucht werden müsse, wohingegen ECFCs eine EPC- Population darstellen, die zur therapeutischen vaskulären Regeneration beitragen könnte [YODER 2007].

2.3.5 Zirkulierende endotheliale Zellen (CECs)

Der Versuch EPCs eindeutig zu identifizieren und zu charakterisieren wird durch die starke Präsens einer weiteren Zellpopulation in der peripheren Blutzirkulation erheblich erschwert - den sogenannten zirkulierenden endothelialen Zellen (CECs).

Diese repräsentieren eine Population adulter, ausdifferenzierter Zellen, die, beispielsweise im Zuge eines vaskulären Traumas, aus der Gefäßwand herausgelöst werden und infolgedessen im Blutstrom zirkulieren. Weiterhin haben sie die Fähigkeit, ebenso wie EPCs, zur Neoangionese/Vaskulogenese beitragen zu können, besitzen im Unterschied zu EPCs jedoch nur stark begrenzte Wachstumskapazität [LIN 2000].

Untersuchungen an Knochenmark-Transplantationsmodellen zeigten, dass 95% aller zirkulierenden, endothelialen Zellen der Gefäßwand entstammen; lediglich 5% erwiesen sich als EPCs, die Ihren Ursprung im Knochenmark hatten. Allerdings zeigte dieser „echte“ EPC- Typus eine im Vergleich zu den residenten CECs 1000-fach erhöhte Wachstumsrate [LIN 2000].

Die folgende Abbildung gibt eine zusammengefasste Übersicht über die verschiedenen Herkunftsmöglichkeiten von EPCs:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Herkunftsmöglichkeiten von EPCs [WAHL 2007].

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Details

Titel
Auswirkungen eines bis zur Ausbelastung ausgeführten VO2max-Stufentests unter normobarer Hypoxie auf endotheliale Progenitorzellen
Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln  (Molekulare und zelluläre Sportmedizin)
Note
1.0
Autor
Jahr
2008
Seiten
80
Katalognummer
V379829
ISBN (eBook)
9783668570658
ISBN (Buch)
9783668570665
Dateigröße
20190 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EPCs, endotheliale Progenitorzellen, Hypoxie, VO2max, Stufentest
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Dennis Nebe (Autor:in), 2008, Auswirkungen eines bis zur Ausbelastung ausgeführten VO2max-Stufentests unter normobarer Hypoxie auf endotheliale Progenitorzellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379829

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Titel: Auswirkungen eines bis zur Ausbelastung ausgeführten VO2max-Stufentests unter normobarer Hypoxie auf endotheliale Progenitorzellen



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