Wie schon René Descartes knapp 300 Jahre vor ihm ist auch Edmund Husserl der Meinung, dass die Philosophie die erste und grundlegendste aller Wissenschaften ist. Sie gehört reformiert, vom Grunde auf neu aufgebaut, um schlussendlich zur wirklich wahren Erkenntnis und so zur Wissenschaft zu führen. Somit beginnt Husserl seine Cartesianischen Meditationen in Anlehnung an den großen französischen Philosophen.
Mein Bestreben besteht nun darin, die wichtigsten Ausgangspunkte von Husserls Meditationen - das Ego, die έποχή und die cogitationes - zu erläutern und zu zeigen inwieweit er Descartes' Überlegungen übernimmt und schlussendlich sich aber von ihm abhebt und dessen schwerwiegenden Fehler aufdeckt.
Die Grundlagen Husserls Cartesianischer Meditationen
vom Ausgangspunkt Descartes
Wie schon René Descartes knapp 300 Jahre vor ihm ist auch Edmund Husserl der Meinung, dass die Philosophie die erste und grundlegendste aller Wissenschaften ist. Sie gehört reformiert, vom Grunde auf neu aufgebaut, um schlussendlich zur wirklich wahren Erkenntnis und so zur Wissenschaft zu führen. Somit beginnt Husserl seine Cartesianischen Meditationen in Anlehnung an den großen französischen Philosophen.
Mein Bestreben besteht nun darin, die wichtigsten Ausgangspunkte von Husserls Meditationen - das Ego, die έποχή und die cogitationes - zu erläutern und zu zeigen inwieweit er Descartes' Überlegungen übernimmt und schlussendlich sich aber von ihm abhebt und dessen schwerwiegenden Fehler aufdeckt.
"Aber wie steht es, nachdem wir über keine vorgegebene Wissenschaft als Exempel derart echter <Wissenschaft> verfügen - keine steht ja für uns in Geltung - mit der Zweifellosigkeit dieser Idee selbst, mit der Idee einer absolut zu begründenden Wissenschaft? Bezeichnet sie eine rechtmäßige Zweckidee, ein mögliches Ziel einer möglichen Praxis?"[1]
Hier beschreibt Husserl nun das Problem, mit welchem er sich durch und durch in seinen Meditationen beschäftigt: Wenn die Philosophie die grundlegendste Wissenschaft von allen ist, so muss sie sich aus sich selbst begründen. Und das bedeutet nun quasi aus dem Nichts - da die Philosophie laut Husserl in Abwesenheit von allen Wissenschaften begründet werden muss - ein Standbein, ein etwas wirklich Wahrhaftiges, einen apodiktischen Boden zu finden, von welchem man ausgehen kann.
Und genau hier kommt nun Descartes ins Spiel, denn in Descartes' Schriften findet er nun die Antwort - das transzendentale Ego. Das Ego ist das einzig Wahrhaftige - cogito ergo sum - Ich denke, also bin Ich. Nach Descartes bietet dieses Ego nämlich den unzweifelhaften Boden für die zu aufbauende wirklich wahre Welt, da es das allererste ist, was man tatsächlich als wahrhaftig nennen kann und muss. Grund für diese Annahme ist seine Überlegung, welche sich aus seinem berühmten Zitat Ich denke also bin Ich herleiten lässt: Aus dem Akt des Denkens lässt sich nun nämlich auf das Ego schließen, weil dieses Denken ein Ich-Bewusstsein beschreibt. Gleichgültig was in der externen Welt geschieht - ob es sich nur um Täuschung und Schein handelt oder nicht - so ist aufgrund des Bewusstseins gewiss, dass dieses Ego notwendig existieren muss. Dieses Ego ist also unvoreingenommen und ohne vorgegebene Meinung und führt "zur transzendentalen Subjektivität [...]: die Wendung zum ego cogito als dem apodiktisch gewissen und letzten Urteilsboden, auf den jede radikale Philosophie zu begründen ist"[2]. Und genau auf dieses Ego greift Husserl zurück. Jedoch sind beide anderer Ansicht im Falle des Erlangens der Wahrheit, also wie man von diesem Ego zur wahren Erkenntnis kommt. Wo bei Descartes die Wahrheit, die man aus diesem Ego schöpfen kann, aufgrund von unzweifelhaften Überlegungen (also Dinge die man mit voller Überzeugung annehmen muss) - das erste dieser Dinge, auf welches er schließt ist Gott, da man aufgrund des Begriffes und der Vorstellung von Vollkommenheit auf diesen notwendig schließen muss - erlangt werden kann, so gelangt Husserl aufgrund von Selbstgegebenheiten, also Evidenzen, zur Wahrheit. Denn das Ego - welches selbst die grundlegendste Evidenz markiert - muss nach Evidenz streben. "Evidenz ist in einem allerweitesten Sinne eine Erfahrung von Seiendem und So-Seiendem, eben ein Es-selbst-geistig-zu-Gesicht-Bekommen."[3]
Somit bauen also seine Cartesianische Meditationen auf das vorurteilslose Ego von Descartes auf, welches bei Husserl aber in der Lage ist, diese besondere Form der Erfahrung, die Evidenz, zu erlangen.
So darf man also nur das als geltend akzeptieren, was einem durch die Evidenz gegeben ist. "Wir müssen uns alles, was ein philosophisches Anfangen ermöglicht, allererst selbst erwerben"[4], das bedeutet den Aufruf zum Philosophieren aus letzter Selbstverantwortung. Was nun dazu führt, dass man alles, was man bis dato erlernt hat, verwerfen - wie es bereits Descartes in seinem Discours de la Méthode im 17. Jahrhundert, um sein Ego zu reinigen, gemacht hat - muss. Im Unterschied zu Descartes versucht aber Husserl nicht die externe Welt damit zu beweisen, wie bereits oben angedeutet. Im Gegenteil, er schließt die externe Welt völlig aus seinen Überlegungen aus. Er klammert diese ein und lässt sie außen vor, diesen Prozess nennt er έποχή. Grund für die έποχή ist jener, dass man in der Außenwelt nicht zur wahren Erkenntnis kommen kann und alles, was sich in dieser befindet auch nur eine Täuschung, ein Schein sein könnte.
Was aber laut Husserl wirklich als wahr anzunehmen ist, sind die Apperzeptionen im Bewusstsein, welche aus jenen Phänomenen hervorgehen, die wir - so wie wir es meinen - aus der Außenwelt wahrnehmen. Denn nur diese Phänomene im Bewusstsein können durch das Ego untersucht und bestätigt oder verworfen werden. Aber jene Dinge, die sich in der Außenwelt befinden, wie bereits oben vermerkt, kann man als solche nicht bestätigen oder widerlegen. Und genau dadurch rechtfertigt er den Anspruch auf die έποχή, dass die Außenwelt als solche nicht untersucht werden muss, geschweige denn kann. Damit kommt es zur Trennung des subjektiven Ichs und der externen Welt, weder das Ich darf als Objekt der Außenwelt, noch die Außenwelt als Objekt des Ichs betrachtet werden.
"Es genügt demgemäß nicht, alle uns vorgegebenen Wissenschaften außer Geltung zu setzen, sie als für uns unzulässige Vor-Urteile zu behandeln. Auch ihren universalen Boden, den der Erfahrungswelt, müssen wir der naiven Geltung berauben. Das Sein der Welt auf Grund der natürlichen Erfahrungsevidenz darf nicht mehr für uns selbstverständliche Tatsache sein, sondern selbst nur ein Geltungsphänomen."[5]
Damit beschließt Husserl nun eine Wendung zum Transzendentalen und beschäftigt sich nur mit jenen Sachen, die sich im Bewusstsein befinden beziehungsweise dort wahrgenommen werden. Aufgrund dieser Vorgehensweise und des Ausschließens der Außenwelt und all den uns bis dato gegebenen Erfahrungen ist "die ganze konkrete Lebensumwelt [...] nunmehr [...] statt seiend nur Seinsphänomen"[6].
Und diese Phänomene sind laut Husserl jene Dinge, die sich untersuchen lassen und zur wahren Erkenntnis führen können, weil diese aufgrund der Wahrnehmung in das Bewusstsein gelangen und somit vom Ego betrachtet werden können. Diese in uns wahrgenommene Welt ergibt sich aus den cogitationes - gleichbedeutend mit Bewusstseinsstrang - welcher sich durch ein ganzes Leben zieht. Durch diese ist man schließlich in der Lage die außerweltlichen Gegebenheiten beziehungsweise die uns als solche so scheinenden als Phänomene im transzendentalen Ego zu erkennen und räumlich und zeitlich zu markieren. Es ergibt sich dadurch eine Geschichte des Ichs, in welche das Ego hineinblicken und diese untersuchen kann. Diese Untersuchung kann aber einzig und allein nur vom Ego in dessen cogitationes durchgeführt werden.
Nun trennen sich aber Husserls Wege von Descartes durch die Einführung der έποχή. Laut Husserl hat es Descartes nämlich nicht verstanden, seine bahnbrechende Entdeckung so strikt und radikal durchzuziehen wie er es durchführen hätte müssen. Denn Descartes gelangt zur "verhängnisvollen Wendung, die das Ego zur substantia cogitans, zur abgetrennten menschlichen mens sive animus [...] und zum Ausgangslied für Schlüsse nach dem Kausalprinzip"[7] macht. Das Problem, welches Husserl hierbei zu erläutern versucht, ist, dass Descartes sich nicht völlig von der natürlichen Anschauungsweise getrennt hat, das heißt, dass er seine Schlüsse nicht vorurteilslos zieht, sondern mit einer bereits vorhandenen, nicht untersuchten Erfahrung, im konkreten Fall durch das Kausalitätsprinzip.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie man dieses Problem lösen kann, ohne auch nur auf eine einzige bis dato erlernte Erfahrung wie zum Beispiel die Kausalität zurückzugreifen. Nach Husserl müsse man einfach dem transzendentalen Ich, welches die Evidenzen wahrnimmt, strikt folgen.
"Die objektive Welt, die für mich ist, die für mich je war und sein wird, je sein kann mit allen ihren Objekten, schöpft, sagte ich, ihren ganzen Sinn und ihre Seinsgeltung, die sie jeweils für mich hat, aus mir selbst, aus mir als dem transzendentalen Ich, dem erst mit der transzendental-phänomenologischen έποχή hervortretenden."[8]
Zusammenfassend ist also nun zu sagen, dass Husserl die Idee von Descartes, das Ego als apodiktischen Boden anzunehmen, was zur Reformierung der ersten und grundlegendsten Wissenschaft, der Philosophie, beitragen soll, übernimmt. Dieses Ego ist nun ein vorurteilsloses transzendentales, welches nach Evidenzen strebt und nun aus sich heraus die Phänomene der Welt erklären muss, um zu einer wirklich wahren Erkenntnis zu gelangen. Diese Phänomene werden mit Hilfe des Bewusstseinsstroms, den cogitationes, als zeitlich wahrgenommen, da dieser quasi die Phänomene annimmt, verbindet und verknüpft. Somit gelangen die Phänomene in unser Bewusstsein und werden dort gespeichert, so kommt man zu einem Ich-Bewusstsein mit Geschichte. Die Wege von Descartes und Husserl trennen sich, als Zweiter die έποχή, die Einklammerung der externen Welt, einführt. Durch diese Einführung schließt man die externe Welt aus und konzentriert sich nur auf die Phänomene, welche man erfährt. Im Gegensatz zu Descartes beschäftigt sich Husserl also nicht mit dem Beweisen der Außenwelt, sondern er betreibt eine Phänomenologie, da nur das, was sich im Bewusstsein selbst befindet und sich dort abspielt zu untersuchen ist. Bei dieser Phänomenologie ist es wichtig, vorsichtig vorzugehen und sich strikt und radikal an die Regeln zu halten, damit nicht derselbe Fehler wie bei Descartes, welcher nicht seine ganzen bis dato erfahrenen Gegebenheiten gelöscht hat, passiert. So sei die wirklich wahre Welt, welche nur die Welt des Bewusstseins betreffen kann, ausnahmslos im transzendentalen Ich zu finden.
[...]
[1] Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen. Eine Einleitung in die Phänomenologie. Ströker Elisabeth (Hg.). Hamburg: Felix Meiner Verlag 2012, S. 9.
[2] Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen. S. 20
[3] Ebd. S. 13.
[4] Ebd. S. 14.
[5] Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen. S. 19.
[6] Ebd. S. 20.
[7] Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen. S. 25.
[8] Ebd. S. 27.
- Quote paper
- Daniel Hödl (Author), 2015, Die Grundlagen Edmund Husserls "Cartesianischer Meditationen" vom Ausgangspunkt René Descartes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380300