Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Pupillometrie
2.1. Allgemeiner Forschungsstand zu Pupillometrie und Kognition
2.2. Vorgehensweisen und Messungen
2.3. Leistung von Pupillometrie in der klinischen Psychologie und Forensik
3. Psychische Störungen und klinische Psychologie im Strafvollzug
3.1 meist frequentierte Störungsbilder und Verhaltensauffälligkeiten im Strafvollzug
3.2 Diagnostik im Strafvollzug
3.3. Problematik von psychotherapeutischer Arbeit im Strafvollzug
4. Zweckmäßige Utilisierung von Pupillometrie im Rahmen einer Vollzugsanstalt
4.1. Stilisierung der Störungsbilder und Verhaltensauffälligkeiten, bei welchen Pupillometrie Anwendung finden kann
4.2. resultierende Arbeitsoptimierung im Psychotherapeutischen Bereich durch Pupillometrie
5. Fazit
6. Quellenverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Obgleich es sich um private, berufliche oder sonstige Situationen handelt, werden die Augen im Alltag oftmals als Spiegel der Seele bezeichnet. Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziele diese mittels der Hinzuziehung des aktuellen Forschungsstandes im Bereich der Pupillometrie auf kognitive Prozesse anzuwenden. Den Kernpunkt der Untersuchung, welche den Forschungsstand ergänzt, soll das soziale Umfeld einer Justizvollzugsanstalt bilden, welches durch eine hohe Belastung und Umstellung des Individuums intensive kognitive Prozesse hervorrufen kann. Konkret soll näher auf die Frage eingegangen werden, ob die Anwendung von Pupillometrie im Strafvollzug eine Arbeitsoptimierung in der psychologischen Diagnostik verbeiführen kann. Die Basis dieser Überlegung gründet zunächst auf dem Abstract ‚Pupillometry as a Measure of Cognitive Effort in Younger and Older Adults‘ von Piquardo, Isaacowitz und Wingfield aus dem Jahr 2010. Dieser belegt durch zwei Studien, dass kognitive Prozesse sich durch Pupillometrie abbilden lassen, was zu der Fragestellung inspiriert, inwiefern sich dies im Rahmen des Umganges mit Straftätern zur (Früh-)Erkennung von Störungsbildern anwenden lässt. Zu Beginn werden die allgemeinen Grundzüge der Pupillometrie vertieft, wobei sich die Arbeit auf den allgemeinen Forschungsstand, Vorgehensweisen bei Messungen und auf die Leistungen von Pupillometrie in klinischer Psychologie und Forensik konzentriert. Im Rahmen des Forschungsstandes wird auch oben genannter Abstract als Hauptgrundlage ausführlich thematisch vertieft. Um weitere nötige Grundlagen für diese Arbeit herauszuarbeiten, werden im folgenden Kapitel psychische Störungen im Strafvollzug thematisiert. Die Abschnitte begründen sich hierbei jeweils auf die meist frequentierten Störungen und Verhaltensauffälligkeiten und deren Ursachen, auf die Diagnostik im Strafvollzug und darauf folgend insbesondere deren Arbeitsabläufe, sowie die Problematik psychotherapeutischer Arbeit im Rahmen einer Justizvollzugsanstalt. Im vierten Kapitel soll nun ein Zusammenschluss der beiden vorhergegangenen Kapitel auf Basis der Fragestellung geleistet werden: Es soll untersucht werden, ob aufgrund des bestehenden Kenntnisstandes eine Optimierung der Arbeit im psychotherapeutischen Bereich geleistet werden kann. Hierfür werden zunächst Störungsbilder stilisiert, bei welchen Pupillometrie Anwendung finden kann, und daraufhin abgewogen, inwiefern eine Optimierung zustande kommt. In dem abschließenden Fazit dieser Arbeit erfolgt eine Beantwortung der Fragestellung, als Ergebnis der Analyse im 4. Abschnitt. In der Absicht das Ausmaß der Arbeitsoptimierung darzustellen, werden die Unterpunkte argumentativ zusammengeführt.
2. Pupillometrie
Das folgende Kapitel befasst sich nun mit Grundsätzen der Pupillometrie, wie einer kurzen Definition, dem allgemeinen Forschungsstand, den Messmethoden und Vorgehensweisen beim Messen, sowie der Leistung von Pupillometrie in der klinischen Psychologie und Forensik.
Bezüglich des allgemeinen Foschungsstandes dient insbesondere das oben bereits genannte Paper ‚Pupillometry as a Measure of Cognitive Effort in Younger and Older Adults‘ von Piquardo, Isaacowitz und Wingfield aus dem Jahr 2010 als maßgebliche Grundlage für die Intention dieser Arbeit, weshalb dieses ausführlich wiedergegeben wird. Des Weiteren wird der Forschungsstand in Hinblick auf die Zielführung dieser Arbeit in den Abschnitten 2.2. und 2.3. vertieft.
Um nun einen Einstieg in das Kapitel zu liefern, folgt eine knappe Definition der Pupillometrie an sich: Die Pupillometrie ist die Messung der Pupillengröße oder die Veränderung dieser aufgrund mentaler Aktivität (Grünberger, 2003).
2.1. Allgemeiner Forschungsstand zu Pupillometrie und Kognition
Nachdem Hess und Polt 1964 von den ersten messbaren Veränderungen der Pupillengröße als Reaktion auf mentale Prozesse berichteten wurde später von Kahneman und Beatty bewiesen, dass die Pupillengröße beim Hören und Merken einer wiederzugebenden Ziffernliste schrittweise mit steigt und bei der Wiedergabe dieser Liste ebenfalls schrittweise wieder sinkt (Piquardo, Isaacowitz, & Wingfield, 2010).
Ebenfalls wurde bewiesen, dass die Pupillen auf den Prozess der Sprachverarbeitung sensibel reagieren, wenn es um die lexikalische Übersetzung oder das Lesen von Texten mit unterschiedlicher, syntaktischer Schwierigkeit geht.
Diese und weitere frühe Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Pupillengröße und mentalen Verarbeitungsanforderungen bei verschiedenen Aufgaben gezeigt.
Weitergeführt werden diese Beobachtung in dem von dieser Arbeit hauptsächlich thematisierten Abstract von Piquardo, Isaacowitz & Wingfield aus dem Jahre 2010. Dort wird aufgrund der Hinzuziehung von zwei verschiedenen Experimenten bewiesen, dass die Pupillenreaktion ein wirksames Maß für kognitive Belastung darstellt, was für diese Arbeit eine große Relevanz hat, da ein Maß an kognitiver Belastung eventuell als Indikator für ein psychisches Störungsbild wirken kann.
Beide Experimente utilisieren ein Mixed-Design, sowie jeweils zwei gleich große Gruppen aus jüngeren und älteren Erwachsenen, um diese Werte zu vergleichen. In beiden Fällen werden die abhängigen Variablen der Messung jeweils durch die AV1, den Durchmesser der Pupille, und die AV2, die korrekte Wiedergabe der dargebotenen Daten, gebildet. Die unabhängigen Variablen sind jeweils UV1, die dargebotenen Daten, und UV2 ist das Alter der Versuchspersonen.
Das erste Experiment beobachtet die Veränderung der Pupillengröße bei unterschiedlich langen Zahlenlisten. Aus der Messung resultiert, dass ein signifikanter Effekt der Listenlänge vorliegt, was bedeutet, dass ein erhöhter Pupillendurchmesser bei längeren Zahlenreihen gemessen wird. Bezüglich des Alters liegt kein signifikanter Effekt vor. (Piquardo et al., 2010, S.2 ff.)
Im zweiten Experiment, wird die veränderte Pupillenreaktion bei syntaktisch unterschiedlich komplexen und unterschiedlich langen Sätzen betrachtet. Die syntaktische Komplexität wird durch eine Umstrukturierung von subjekt- zu objektorientierten Sätzen geleistet. Durch Adjektive, welche bestimmte Assoziationen bei den Versuchspersonen hervorrufen sollen, wird der Satz ohne die gegebene Struktur zu verändern anregungsreicher und länger generiert. Es resultiert, dass ein größerer Pupillendurchmesser bei den syntaktisch komplexeren objektorientierten Sätzen, sowie bei der Nutzung von Adjektiven, welche das Kurzzeitgedächtnis anstrengen, vorliegt. (Piquardo, et al., 2010, S.6 ff.)
Nachdem nun dargestellt wurde, dass es durch Pupillometrie möglich ist, kognitive Prozesse abzubilden, sollen kurz die aktuellen Messmethoden dargeboten werden.
2.2. Vorgehensweisen und Messungen
„Da das Licht selbst die Pupillenweite beeinflusst, müssen wir diese(s) sehr genau kontrollieren, wenn wir den Effekt geistiger oder emotionaler oder anderer nichtsichtbarer Ereignisse auf die Pupille eines Menschen erfassen wollen.“ (Hess, 1977, S. 221). Daher ist es methodisch relevant, die Lichteinstrahlung auf einem konstanten Niveau zu halten, sowie Vortests durchzuführen, um einen Maßstabswert zu haben.
Solche Vortests sind ins besondere dann von Bedeutung, wenn verschiedene Altersgruppen unter den Versuchspersonen sind. Dafür muss im Vorfeld ein Maßstab festgelegt werden um die Pupillengrößen akkurat vergleichen zu können, da ältere Erwachsene generell einen größeren Pupillendurchmesser besitzen als jüngere Erwachsene. (Piquardo et al., 2010)
Diese Voraussetzungen leisten nach aktuellem Forschungsstand moderne Messgeräte, wie die Vergleichsmessung dreier Geräte von Dr. Thomas Schilde wiedergibt. (vgl. Schilde, 2013, S.32-34)
In dem thematisierten Abstract wurde die Pupillengröße der Versuchspersonen 60mal pro Sekunde anhand eines ASL Eye Tracker (Applied Science Laboratories aus Bedford) gemessen. Außerdem wurden die Strahlen einer Infrarotkamera auf das linke Auge des Teilnehmers gerichtet und von der Retina reflektiert. Diese Technik erzeugt ein hochauflösendes Bild der Pupille, zugleich mit einer konstanten Aufnahme des Pupillendurchmessers. (vgl. Piquardo et al., 2010)
2.3. Leistung von Pupillometrie in der klinischen Psychologie und Forensik
Da als Grundlage für diese Arbeit nicht nur ein generelles feststellen kognitiver Aktivität durch Pupillometrie ausreicht, soll der nun folgende Abschnitt auf den aktuellen Kenntnisstand der Pupillometrie in Bezug auf klinische Psychologie und Forensik eingehen.
Relevant hierzu ist der Zeitschriftenartikel von Grünberger et al. aus dem Jahr 2014, welcher die Bestimmung von Psychopathie mittels Pupillometrie im österreichischen Maßnahmenvollzug erstmalig thematisiert. Zunächst wird die wichtige Erkenntnis betont, dass die Aktivierung der Pupille rein vegetativ erfolgt, ‚unbeeinflusst von bewusst steuerbaren Faktoren‘. (Grünberger et al., 2014, S.32) Dies macht die Pupillometrie als Messmethode im forensischen Kontext zu einem sehr geeigneten Instrument, da eine Manipulierung als äußerst unwahrscheinlich und nahezu unmöglich gesehen wird.[1]
Das Vorgehen in der Studie beginnt damit, die durch Pupillometrie zu untersuchenden Häftlinge zunächst in folgende Gruppen aufzuteilen (vgl. Grünberger et al., 2014, S 32d):
Gruppe A: organische Erkrankungen
Gruppe B: Suchterkrankungen
Gruppe C: Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis
Gruppe D: Persönlichkeitsstörungen
Gruppe E: Störungen der Sexualpräferenz
Gruppe F: Intelligenzminderung
Nach dieser Einteilung erfolgen eine Messung der jeweils durchschnittlichen Pupillengröße innerhalb der Gruppen, sowie eine Messung der durchschnittlichen Latenzzeit, wie die folgende Abbildung zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb1: links: durchschnittliche Pupillengröße innerhalb der jeweiligen Gruppen, rechts: durchschnittliche Latenzzeit
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[1] ‚folgende Gründe sprechen dafür, die Pupillenreaktion als Indikator für psychopathologische Zustände zu messen: 1. Die Pupillenreaktion ermöglicht die Erfassung von physiologischen Variablen beim Menschen ohne invasive Techniken. 2. Die Reagibilität der Pupille hängt von einer Vielzahl von spezifischen Variablen (sensorischen, mentalen, emotionalen) ab. 3. Die Pupille ist leicht zugänglich und kann daher mit großer Genauigkeit und ohne Beeinträchtigung des Patienten vermessen werden. 4. Die Pupillenreaktion stellt in der Diagnostik ein objektives Maß der vegetativen Regulation dar.‘ (Grünberger et al., 2014, S.32b)