Die allegorische Bedeutung der beseelten Puppen in der Literatur

Das Puppe als Metapher für den Dichter Robert Walser


Hausarbeit, 2017

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Robert Walser, der schreibende Schauspieler

2. Die Puppenbeseelung
2.1. Puppen in der Literatur
2.2. Das Gedicht

3. Die Puppe als Metapher für Walsers Dichtung
3.1. Walser und die Puppe

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit wird eine Parallele zwischen Robert Walser und seinem Gedicht „Puppe” gezogen.

Die Puppe wird in dieser Auseinandersetzung als Metapher für Robert Walser, den Dichter, betrachtet.

Da das lyrische Ich des Gedichtes eine Puppe ist, müssen die Figur und die Bedeutung dieses menschenähnlichen Geschöpfs eingerahmt werden, um dann die These zu unterstützen, dass Walser, der Dichter, Analogien mit der Puppe aufweist, beziehungsweise, dass die sprechende Puppe metaphorisch für den Dichter steht.

Die sogenannte Beseelung der Puppen, also ihre imaginäre fiktive Lebendigkeit und ihre allegorische Bedeutung in der Literatur, sind ein zentraler Punkt dieser Arbeit, anhand dessen Walser und seine Puppe, charakterisiert werden sollen.

Im Voraus soll zuerst die Figur von Robert Walser als sogenannter schreibender Schauspieler skizziert werden. Daraufhin werden zunächst dann drei Beispiele von Puppen in der Literatur dargestellt: „Kafkas Puppe”1 von Gerd Schneider, „Pinocchio”2 von Carlo Collodi und „Meine Puppe Mirabell”3 von Astrid Lindgren.

Der Hauptteil der Arbeit, wird aus der Argumentation der These bestehen, indem ein Vergleich zwischen Walser und der Puppe im Gedicht gezogen wird.

Anhand von Rilkes Essay „Puppen. Über die Wachs-puppen von Lotte Prietzel”4 und dem Aufsatz von Gundel Mattenklott „Heimlich-unheimliche Puppe: Ein Kapitel zur Beseelung der Dinge”, soll die These unterstützt und ihre Metaphorik begründet werden. Es ist zu bedenken, dass diese Arbeit einen rein interpretatorischen Charakter besitzt und daher als weiterführender Gedanke betrachtet werden soll. Die Puppe wird als Metapher für den Dichter Walser verstanden, dies bedeutet jedoch nicht, dass Walser sich tatsächlich jemals als Puppe beschrieben hätte.

Schneider 2008. Collodi 2016. Lindgren 2003. Rilke 2013.

1.1. Robert Walser, der schreibende Schauspieler

Robert Otto Walser, am 15. April 1878 in Biel, als vorletzter Sohn von acht Kindern geboren, war ein schweizer Dichter, dessen literarische Produktion heute noch unsere Gemüter begeistert und amüsiert, jedoch auch noch viele Fragezeichen hinterlässt. Walser ist kein gewöhnlicher Autor und gerade dieses Ungewöhnliche, führte dazu, dass er vom Publikum und von den Literaten seiner Zeit, nicht ganz verstanden worden ist5. „Wenn auch die großen Literaten seiner Zeit von ihm Notiz nehmen, so wird er nie von der Verlagswelt und der Kritik akzeptiert”6. Als zeitgenössische_r Leser_in ist das ,Verständnis’ dieses Autors auch nicht sofort einleuchtend. „Robert Walser ist ein Autor, der sich der Festlegung entzieht, der gern unseren geläufigen Begriffen von Literatur ausweicht”7. Das ist was Jochen Greven in seinem Buch „Robert Walser Figur am Rande in wechselndem Licht” über ihn schreibt. Greven bringt in seiner Einführung zum Buch die Figur von Robert Walser ziemlich auf den Punkt. Er nennt Walser einen „Verwandlungskünstler”8. Was dies bedeuten soll, können wir anhand seiner Biographie erklären, die uns zeigt, dass Walsers Liebliengsspiel darin bestand, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, sich Eigenschaften bestimmter Charaktere anzueignen und die Außenwelt wie ein Schwamm aufzusaugen, um sie dann eifrig in seinen Schriften wiederzugeben. Diese Eigenschaft können wir anhand seiner gesamten literarischen Produktion beobachten, die eine Mischung zwischen Autobiographie und Fiktion ist.

Es ist eine wahre Herausforderung Walsers Figur in ihrem Ganzen hier kurz zusammenfassend darzustellen. Es ist eine Herausforderung, denn Walser und seine literarische Produktion, besitzen keine einheitliche, nachvollziehbare Struktur. Walsers Schreibstil ist ironisch und widersprüchig. Seine Schriften können keiner präzisen Gattung zugeschrieben werden. Er spielt mit seinen Lesern, bastelt kleine Fallen, schlüpft in verschiedene Rollen hinein und hinterlässt in den Gaumen seiner Leser einen herben Geschmack, ein Gemisch aus Witz und Staunen begleitet von der anhaltenden Frage: Wer ist Robert Walser wirklich? „All diese Spiele werden von ihm so widersprüchlich dargestellt, daß der Leser nie weiß, wessen Partei er ergreifen muß, ob er lachen oder weinen, gerührt sein oder sich ärgern soll”9.

Wenn von Robert Walser die Rede ist, können wir sagen, dass es sich fast um eine mysteriöse Figur handelt, dessen literarische Produktion Zeugnis seiner paradoxen Selbstauffassung ist. Walser ist ein Schauspieler, ein Kind, ein Diener, ein leidenschaftlicher Spaziergänger und ein Commis, er ist aber vor allem ein Dichter, dessen Leben sich kaum von seinem Schreiben trennen lässt.10.

Wie schon oben erwähnt ist Walser in Biel geboren, dort besuchte er bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr die Schule, danach begann er eine Lehre bei der Kantonalbank in Biel. Als er siebzehn Jahre alt war, ging er zuerst nach Basel, dann nach Stuttgart, dann zurück in die Schweiz nach Zürich, Thun, Solothurn, Winterthur und Wädenswil bei Zürich. Zehn Jahre arbeitete er als Commis und bildete sich nebenbei als Schriftsteller selbstständig aus11. Während dieser Jahre besuchte Walser regelmäßig das Theater, nahm vermutlich auch Schauspielunterricht in Basel und verliebte sich Hals über Kopf in den Beruf des Schauspielers, bis er dann in Stuttgart von dieser Laufbahn gezerrt wurde, als ihm „ein Meister des tragischen Fachs alle diesbezüglichen Illusionen raubte.”12. Jedoch wird das Theater Walser sein ganzes Leben lang begleiten. „In unaufhörlicher Arbeit durchwühlt er die Materie des Theaters, so wie man in der Erde gräbt. Alles, was zum Wesen der Theaterwelt gehört, wird buchstäblich ausgebeutet”13.

Nach einer gescheiterten Schauspielerkarriere beginnt für Walser ein Leben als schreibender Schauspieler, weil er das Theater nie richtig verlassen konnte.

Dieses erste Versagen, in dem sein schauspielerischer Ehrgeiz sich an der Wirklichkeit stößt, wird von der Schriftstellerei beschworen und abgewendet, in der nichts ihn mehr aufhalten kann, da ihm von nun an jede Freiheit möglich ist. Er wird sich also mit der gleichen Ungebundenheit in verschiedenen Rollen üben.14

Walser ist ein schreibender Schauspieler, da, wie Böschenstein sagt, ein Dichter einen „Doppelgänger”15 braucht, indem er sein Ich aufgibt, um „über die Menschen und zu den Menschen sprechen zu können”16. Wie ein Schauspieler schlüpft Walser in verschiedene Rollen, sowohl im realen Leben, als dann auch in seinem Schreiben. Rollen, wie die des Commis oder später des Dieners oder des „beruflichen Spaziergängers”17, wird Walser als Vorlage seines literarischen Werks verwenden.

„Ein Dichter, der zugleich ein Schauspieler seiner selbst wäre und ein Publikum vor sich hat, eine aus Ichbesitz und Ichferne gemischte Gestalt, elementar und stilisiert zugleich für die andern lebt, aber niemals weiß, wie es um es selber bestellt ist”18.

Das Ich, das in die Rolle des Schauspielers schlüpft, ist ein zur Darstellung zugespitztes Ich, das zur Inszenierung geschliffen wurde. Wenn man plötzlich auf einer Bühne stehen würde, wäre die Darstellung von uns selbst, bestimmt nicht ganz mit unserem inneren Ich übereinstimmend. Dieses schauspielerische Ich, das Walsers Dichtung immer begleitet, ist als alter ego des Autors zu betrachten, also als das doppelte Gesicht seiner Person. Die Kulisse des Theaters ist ein wiederkehrendes Motiv Walsers Dichtung. Walser spielt mit Wirklichkeit und Fiktion, mit Traum und Realität und bildet in seinen Texten eine Theaterkulisse19, in der das inszenierte Spiel den Leser, beziehungsweise den Zuschauer, in Verblüffung versetzt. Wir können das Motiv des Traums, das im Text „Das Theater, ein Traum”20 vorkommt, als Vorlage für Walsers Dichtung betrachten. Der Traum, der das versteckte Innere eines Menschen verbirgt21, wird auf einer Bühne, vor einem Publikum, inszeniert. So wie die Dichtung eines Dichters sein Inneres vor einem Publikum zum Ausdruck bringt.

Es kommt alles darauf an, den Unterschied zwischen Innen- und Außenbühne, Traumstaffage und Theaterkulisse zunichtezumachen. Interiorisierung und Entäußerung gehen stets ineinander über, da das Äußere nur ein umgestülptes Inneres, das innere jedoch ein Ort der >Selbstregie< ist22

Wenn wir Walsers schreibendes Ich als alter ego, beziehungsweise als Schauspieler betrachten, dann können wir diese Figur eines schreibenden Doppelgängers als Puppe bezeichnen. Wie eine Marionette von ihren Puppenmeister zum Leben erweckt wird oder eine Puppe, die durch die Fantasie eines Kindes beseelt wird, wird Walsers Ich durch seine Dichtung lebendig.

2. Die Puppenbeseelung

Puppen sind Objekte die den Menschen nachbilden. Sie sind sozusagen unser künstliches Spiegelbild. Puppen sind Spielzeuge, Sammelobjekte (z.B. die russischen Matrijoskas), Glücks- und Unglücksbringer, Souvenirs, religiöse Gegenstände (z.B. die Voodo Puppe in Haiti) und Theaterfiguren (z.B. Marionetten). Puppen werden in den verschiedensten Formen dargestellt, sie können in Miniatur auftauchen (z.B. für Puppenhäuser), sie können eine Kindesgröße haben (z.B. Säuglingspuppen) oder eine Mittelgröße (z.B. Marionetten).

Das Besondere an der Figur der Puppe ist, dass sie dem Menschen sehr ähnlich ist und daher etwas mehr als nur ein regloses Ding ist23 und auch etwas mehr als nur eine Puppe24. Die Puppe hat, dank ihrer menschenähnlichen Figur, die Macht sich von der baren Welt der Dinge zu befreien.

Wenn wir erst einmal nur die Puppe als Kinderspielzeug betrachten, dann sehen wir vor uns das Bild eines spielenden Kindes, das mit seiner Puppe spricht und mit ihr die Szenarien seines eigenen Lebens rekapituliert und auf seine eigene Art und Weise darstellt25. Wie oft haben wir schon einen gedeckten Tisch in Miniatur gesehen, der mit Teegeschirr und Keksen bestückt ist, an dem wie Menschen bekleidetete Puppen sitzen? Das Mädchen bewegt dann die Hand der Puppe, führt die Teetasse an ihren Mund und tut so, als würde die Puppe daraus trinken. Sie spielt auf diese Art und Weise die Realität nach. Dem Kind geht es beim Spielen mit der Puppe, laut Insa Fooken, um „das (assimilative) lustvolle Ausprobieren eigener Denk- und Handlungsschemata und Bedürfnisse”26. Die Puppe dient so als Spiegelbild des Inneren des Kindes.

[...]

1 Schneider 2008.

2 Collodi 2016.

3 Lindgren 2003.

4 Rilke 2013.

5 vgl. Sauvat 1993, S. 88.

6 ebd.

7 Greven 1992, S. 35.

8 ebd., S. 17.

9 Sauvat 1993, S. 130.

10 vgl. Greven 1992, S. 7.

11 ebd., S. 13.

12 ebd.

13 Sauvat 1993, S. 116.

14 ebd., S. 132.

15 Böschenstein 1983, S. 78.

16 ebd.

17 Sauvat 1993, S. 129.

18 ebd., S. 79.

19 vgl. Böschenstein 1983, S. 67.

20 Walser 1985 (15), S. 7 ff.

21 vgl. ebd., S. 76.

22 ebd.

23 vgl. Mattenklott 2014, S. 29.

24 vgl. Fooken 2014, S. 44.

25 vgl. ebd., S. 48.

26 ebd., S. 47.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die allegorische Bedeutung der beseelten Puppen in der Literatur
Untertitel
Das Puppe als Metapher für den Dichter Robert Walser
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Deutsche Literatur)
Veranstaltung
Robert Walser
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
16
Katalognummer
V380511
ISBN (eBook)
9783668571648
ISBN (Buch)
9783668571655
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, puppen, literatur, puppe, metapher, dichter, robert, walser
Arbeit zitieren
Lilian Sassanelli (Autor:in), 2017, Die allegorische Bedeutung der beseelten Puppen in der Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380511

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