Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Reihenplanung
2 Didaktische Begründung
2.1 Fachdidaktische Einordnung
2.2 Methodisches Vorgehen
2.3 Classroom-Management
2.4 Lernvoraussetzungen
3 Unterrichtsskizze
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Reihenplanung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2 Didaktische Begründung
2.1 Fachdidaktische Einordnung
Die Sportart Le Parkour kann, gemäß den Rahmenvorgaben für den Schulsport in NRW, dem Bewegungsfeld und Sportbereich „ Bewegen an Geräten – Turnen (5) “ zugeordnet werden (2014, S. 18). In diesem Bewegungsfeld ist es für die SuS von zentraler Bedeutung vielfältige Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten zu erleben, indem sie an Geräten, Gerätebahnen oder –kombinationen turnen und sich akrobatisch betätigen. Von Wichtigkeit für das Unterrichtsvorhaben ist, bezogen auf die zu erwerbende Bewegungs- und Wahrnehmungs-, Methoden- und Urteilskompetenz im Bewegungsfeld „Bewegen an Geräten –Turnen“, dass die SuS „technisch-koordinative und ästhetisch-gestalterische Grundanforderungen bewältigen [...], [an verschiedensten Geräten] rollen, stützen, balancieren, springen, hängen und schwingen sowie Bewegungsfertigkeiten an Turngeräten [...] verbinden, in turnerischen Wagnissituationen für sich und andere [...] verantwortungsbewusst handeln [...], Turngeräte sicher auf- und abbauen [...] und turnerische Präsentationen einschätzen [...]“ lernen (MSW, 2011, S. 25). All diese Anforderungen sind in der Sportart Le Parkour umzusetzen. Da Le Parkour eine Trendsportart ist, aufgrund dessen für nahezu alle SuS einen hohen Aufforderungs- und Motivationscharakter hat und den SuS nach Witfeld, Gerling und Pach (2010, S. 263) authentische Erfahrungen bietet, wurde sie für die zu unterrichtende 6. Klasse ausgewählt.
Anfangs wird im Sinne der methodischen Prinzipien vom Leichten zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten vorgegangen (Böttcher, 2017, S. 129). In diesem Zusammenhang erfolgt eine Gerätegewöhnung und Hinführung zur Sportart Le Parkour, dann werden Basiselemente erarbeitet und diese in der folgenden Stunde gefestigt und präzisiert und darauf folgend wird kreativ und kooperativ zusammengearbeitet, indem eigene Hindernisse und Überwindungsmöglichkeiten erfunden, getestet, eventuell wieder verworfen und neu entdeckt werden. Danach wird die eigene Selbsteinschätzungsfähigkeit der SuS gefördert, indem sie ihre Leistungsfähigkeit reflektieren und abschließend wird die Überwindung des von den SuS selbst entwickelten Parkours individuell und gemeinsam eingeschätzt und nach ausgewählten Kriterien bewertet.
Der heutige Kompetenzzuwachs der SuS liegt in der Erweiterung der Handlungsfähigkeit im Umgang mit der eigenen Selbsteinschätzung und in der Auseinandersetzung mit unbekannten Wagnissituationen. Die pädagogische Perspektive „ Etwas wagen und verantworten “, die Kurz (2000, S. 35) als das Bemühung definiert, eine unsichere Situation mit den eigenen Fähigkeiten zu bewältigen, wird einerseits konkret, indem die SuS selbstständig aus differenzierten Anforderungsniveaus an selbst gestalteten Stationen wählen und deren Überwindung anschließend wagen und mehrmals erproben, und andererseits, indem sie ihren Mitschülern/innen helfend und sichernd zur Seite stehen und für deren Sicherheit in der Bewegung mit verantwortlich sind. Der Schwerpunkt der Stunde liegt auf der Problematisierung der Selbsteinschätzungsfähigkeit, die sich in der richtigen Wahl des Anforderungsniveaus konkretisiert. Somit ermöglicht diese Sportstunde den SuS einen erfahrbaren Stand der individuellen Selbsteinschätzungsfähigkeit, die die Lernenden für den eigenen Bildungsprozess nutzen können.
2.2 Methodisches Vorgehen
Die methodischen Entscheidungen für das vorliegende Unterrichtsvorhaben wurden auf der Grundlage des Doppelauftrags des Schulsports getroffen, da die SuS durch die Unterrichtsreihe auf der einen Seite die Möglichkeit haben, die Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur näher zu erschließen, da sie die Sportart Le Parkour kennenlernen, und auf der anderen Seite eine Entwicklungsförderung durch die Bewegung, das Spiel und den Sport möglich ist, da sie die Möglichkeit erhalten, neue Bewegungs- und Grenzerfahrungen zu machen (Stibbe, 2013, S. 14). Die Herangehensweise erfolgt nach dem Prinzip des erziehenden Sportunterrichts und somit nach dem Zugang über die pädagogischen Perspektiven (MSW, 2014, S. 8). In den sechs Stunden der Unterrichtsreihe wird bewusst nicht immer dieselbe pädagogische Perspektive in den Fokus gerückt, sondern es wird sich an dem Prinzip der Mehrperspektivität orientiert und ein abwechselnder Schwerpunkt gesetzt (Stibbe, 2013, S. 37). So wird in den ersten Stunden vermehrt die Wahrnehmungsfähigkeit verbessert und die Bewegungserfahrung erweitert, während in den folgenden Stunden eher der Fokus auf der Kooperation und Verständigung, folgend auf dem Wagen und Verantworten und schließlich auf dem Leisten erfahren, verstehen und einschätzen liegt.
Durch die anfängliche Orientierung an den methodischen Prinzipien vom Leichten zum Schweren und vom Bekannten zum Unbekannten wird den SuS die Gelegenheit geboten, ihre individuelle Bewegungs- und Wahrnehmungskompetenz zu erweitern und neue Bewegungsformen kennenzulernen (Böttcher, 2017, S. 129). Im weiteren Verlauf der Reihe sind die SuS eher die aktiv-nach-der-Lösung-Suchenden, als die Durchführer vorgegebener Bewegungen (Lange, 2007, S. 26). Stibbe (2013, S. 37) erläutert ein weiteres Prinzip zur Gestaltung des Schulsports – die Reflexion. Diese wird in den Sportstunden zum Thema Le Parkour zunächst verbal abstrahiert und dann zunehmend mit Arbeitsblättern und Plakaten visualisiert und eingeschätzt. Die Reflexion wird als Ausgang für die selbstständige Urteilsbildung verstanden, weswegen hier die Urteilskompetenz der SuS gefördert wird.
Das letzte Gestaltungsprinzip ist die Verständigung und die Partizipation, das unter anderem eine Beteiligung der SuS an der Planung und Durchführung des Unterrichts meint. Auch dies ist in der Unterrichtsreihe gegeben, da die SuS eigenständig neue Hindernisse entwickeln und mögliche Überquerungsvarianten erproben, kooperativ tätig sind, sich gegenseitig sichern und füreinander verantwortlich sind. Rochhausen (2012, S.14) hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass „die freie Wahl der Überwindungsart von Hindernissen [...] Erfolgserlebnisse für alle möglich“ macht.
Die Erweiterung der Methodenkompetenz wird unter anderem dadurch gefördert, dass die SuS ein Regelplakat erstellen und immer wieder selbstständig überarbeiten und erweitern können, für die einzelnen Stationen Hilfestellungen und Sicherheitshinweise kooperativ in Gruppen erarbeiten und schließlich die Anforderungsniveaus an ihren Stationen eigenständig bestimmen und verständlich niederschreiben.
Die Unterrichtsweise ist generell schülerorientiert, aufgrund dessen eher offen und induktiv gehalten und hat auch ergebnisoffene Phasen (Kurz, 1998, S. 229). Dementsprechend steht die Lehrperson[1] den SuS nicht als vorgebende, deduktive Instanz, sondern als Unterstützer, Berater, Begleiter, Anleiter und Helfer zur Seite.
2.3 Classroom-Management
Die vorliegenden Entscheidungen zum Classroom-Management liegen unter anderem darin begründet, dass sich zwei SuS mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in der Schulklasse befinden. Im Folgenden werden Maßnahmen des Classroom-Managements beschrieben, die das Ziel haben „durch eine geschickte Organisation [die Struktur der Unterrichtsstunde zu erhöhen und] eine effektive Nutzung der Unterrichtszeit [zu] ermöglichen“ (Schwarz, 2015, S. 165). Außerdem sollen Interaktions- und Kommunikationsfähigkeiten bei den SuS aufgebaut werden, um eine damit einhergehende Stabilisierung des Sozialverhaltens zu ermöglichen.
Nach Schwarz (2015, S. 166) zählt zu Classroom-Management unter anderem die räumliche Strukturierung der Klasse, auf die in der vorliegenden Stunde Wert gelegt wurde. Demnach achtet die L. bei jeder Aktion auf ihre Stellung der Turnhalle. Zum Beispiel sitzen die SuS beim Einstieg auf Bänken, die in einer Dreiecksform angeordnet sind, und die L. positioniert sich so, dass sie jeden/jede SuS im Blick hat (Eikenbusch, 2009, S. 7). Außerdem sollte sie einen nicht allzu großen Abstand zu den weiter entfernt sitzenden SuS haben, damit diese nicht das Gefühl haben unbeachtet oder unbeobachtet zu sein. Während der Erwärmungs-, Erarbeitungs- und Anwendungsphase positioniert sich die L. so, dass die SuS das Gefühl haben, sie hätte alle Aktivitäten im Blick, da sie auf die Bedürfnisse und auch Störungen der SuS angemessen eingeht (Eikenbusch, 2009, S. 7). In der Phase des Abschlusses muss abgewogen werden, ob es reicht, sich mit den SuS in einen freien Teil der Halle auf den Boden, mit genügend Abstand zum Nachbarn, zu setzen, sodass sie nicht unnötig durch diese oder die noch aufgebauten Geräte abgelenkt sind, oder ob die Organisationsform mit Sitzbänken vom Anfang der Stunde wiederholt werden muss. Dies würde zwar einen höheren zeitlichen Aufwand in Anspruch nehmen, dafür würden die SuS aber auf den Bänken sitzen und hätten weniger die Möglichkeit durch viel Bewegung (z.B. auf den Boden legen, Sitzposition mehrmals und lautstark ändern etc.) den Unterrichtsfluss zu stören.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Classroom-Management sind Regeln und Rituale (Eichhorn, 2015, S. 38). Die in den ersten Stunden auf dem Regelplakat festgehaltenen klaren Regeln und Vereinbarungen werden nicht von der L. vorgegeben, sondern von den SuS in der geleiteten Diskussion aufgestellt und können auch ergänzt werden, wenn es die SuS aufgrund ihrer in der Stunde gemachten Erfahrungen für nötig halten. Ebenfalls formulieren die SuS in den ersten Stunden die Konsequenzen bei Regelverstößen, wodurch die Folgen des eigenen Handelns vorhersehbar werden und eventuell überdacht werden. Durch das Mitspracherecht wird die Kommunikation mit und in der Klasse selbst gefördert und es fällt ihnen mitunter leichter, selbst erstellte Regeln einzuhalten als vorgegebene. Im Laufe der Unterrichtsreihe werden einige Rituale eingeübt, die auch in der vorliegenden Stunde wiederzufinden sind. Anfangs hängt ein/e passive/r SoS das Regelplakat an die gewohnte und gut sichtbare Stelle an der Wand, dann holt er/sie einen kleinen Kasten für Schmuck und Wertsachen, der in eine Garage hinter das Rolltor gestellt wird, damit die SuS während der Unterrichtsstunde so wenig wie möglich durch diesen abgelenkt sind. Dann werden, wie immer, Bänke geholt und in einem offenen Dreieck aufgestellt, damit die SuS direkt nach dem Umziehen und dem Ablegen der Wertsachen und des Schmucks auf diesen Platz nehmen können. Das Begrüßungsritual wird durchgeführt, was den SuS als gewohntes Signal für den Stundenanfang dient. Die grobe Skizzierung des Stundenablaufs und deren mögliche Visualisierung an der rollbaren Tafel schafft Transparenz bezüglich des Ablaufs, macht die Stunde vorhersehbar und gibt den SuS Sicherheit, da sie „wissen, was von ihnen erwartet wird“ (Schwarz, 2015, S. 167). Die Wiederholung der Regeln und Sicherheitsaspekte am Ende des Einstiegs ist wichtig, da es den SuS so mitunter leichter fällt, sich auch im Sich-Bewegen daran zu erinnern (Schwarz, 2015, S. 167). Das altersgerechte Aufwärmspiel wird den SuS im Sitzen erklärt, erst nachdem mögliche Fragen gestellt und geklärt wurden, werden die Bänke gemeinsam weggeräumt und das Spiel beginnt auf das Einstellen der Musik, die als Steuerungsmittel dient und den Spaß am Spiel unterstützt. Auch dieser Ablauf ist mittlerweile ritualisiert und kommt in verschiedensten Unterrichtsreihen in dieser Klasse immer wieder vor. Nach dem Einstieg findet der Aufbau des Parcours durch die seit Beginn bestehenden Gruppen statt. Diese Gruppen bestehen für die gesamte Unterrichtsreihe und jede hat die klare Aufgabe, ihre fest zugeteilte Station gemäß dem Bild auf einer laminierten DIN A4 Karte an einem fest zugewiesenen Platz in der Halle aufzubauen. Diese deutliche Zuteilung in relativ kleine Gruppen von 5 – 6 SuS soll verhindern, dass sich einige SoS aus dem Geschehen rausziehen und nicht beim Aufbau mithelfen, denn sie sind für ihre Gruppe wichtig, da jede Hilfe zählt und jeder SoS wichtig für das Gelingen des Aufbaus ist. Das Verantwortungsbewusstsein, die Eigenverantwortlichkeit (Eikenbusch, 2009, S. 8) und der sorgfältige Umgang mit Mitschülern/innen und Geräten wird so gefördert. Die Visualisierung des Aufbaus auf einem großen Blatt Papier erleichtert diesen und nach der Abnahme des Aufbaus durch die L. dürfen die Gruppen beginnen ihre Hindernisse zu überqueren. Auch der Stundenabschluss findet ritualisiert und strukturiert statt, denn das Abschlussritual signalisiert den SuS, dass sie nun ihre Wertsachen aus dem Kasten holen und sich in die Umkleiden begeben können.
Durch die unterschiedlich angebotenen Anforderungsniveaus kann jede/r SuS in einem angemessenen Anspruchsniveau gefördert werden und seinen/ihren individuellen Leistungsfortschritt erleben, sowie in der Erfolgszuversicht und einer realistischen Selbsteinschätzung gestärkt werden. Die gegenseitige Unterstützung und Hilfestellung der Mitschüler/innen soll dazu beitragen, sich in einer Gruppe zu verantworten und das positive soziale Umfeld erleben zu können.
Als Hilfen für die wenigen SuS, die weder tunen noch sichern, werden Anstellhilfen in Form von Pylonen verwendet. Diese vermindern das Risiko, dass sich während des Wartens Gedrängel ergibt, da die Pylonen mit etwas Abstand voneinander aufgestellt sind und jede/r SoS an je einer Pylone wartet. In der Phase der Anwendung werden die Pylonen von Station 2 – 5 dafür benutzt, den Laufweg zu markieren und so die Orientierung im Raum und während der Bewegung zu erleichtern. Die übrigen Pylonen und die der Station 1 werden weiterhin als Anstellhilfen benutzt, um Konflikten vorzubeugen. Generell ist allerdings anzumerken, dass jede/r SuS eine hohe Bewegungszeit und wenig Wartezeit hat, sodass keine/sehr wenig Langeweile aufkommen sollte.
Passive SuS haben die Aufgabe, als „Experten der Sicherheit und des Umgangs“[2] zu fungieren und dort zu beraten, wo Hilfe benötigt wird.
[...]
[1] Im Folgenden der Einfachheit halber „L.“ genannt.
[2] Beispielhafter Arbeitsauftrag siehe Anhang.