Die Zahl der Ehen, die durch Scheidung beendet werden, ist in den letzten Jahren stark angestiegen: Anfang der 1960er Jahre wurde noch jede zehnte Ehe in Deutschland geschieden, heute wird annähernd jede zweite Ehe geschieden (Stand 2011: 377.816 Eheschließungen, 187.640 Ehescheidungen). Von der Scheidung der Eltern waren 2011 148.239 minderjährige Kinder betroffen (Quelle: Statistisches Bundesamt).Heftige Diskussionen um den Zerfall der Familie als Institution sind entbrannt. Nicht außer Acht zu lassen ist dabei aber, dass das Vorhandensein der Kernfamilie als quasi einzige Familienform, sich lediglich in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchsetzen konnte.
Die Familie des 21. Jahrhunderts zeigt sich jedoch in vielseitigen Formen: Neben der modernen Kleinfamilie bestehen Nicht-eheliche Lebensgemeinschaften mit und ohne Kinder, Scheidungsfamilien, Ein-Eltern-Familien oder eben Stieffamilien.
Stieffamilien sind keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, sondern haben eine lange Geschichte. Bis ins 20. Jahrhundert hinein waren Stieffamilien in der Regel eine durch Schicksalsschläge erzwungene Lebensform. In England und Frankreich waren vermutlich in der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts 25-30% aller Ehen, aufgrund der geringen Lebenserwartung und der hohen Müttersterblichkeit, keine Erstehen. Heute hingegen werden Stieffamilien frei gewählt und entstehen mehrheitlich nach einer Trennung oder Scheidung der leiblichen Eltern.
Es verwundert, dass im Rahmen der gestiegenen Scheidungshäufigkeit die Stieffamilie an Bedeutung gewonnen hat, es aber an quantitativen Studien zur Vorkommenshäufigkeit dieser Familien mangelt. Qualitative Studien aus dem therapeutischen Bereich lassen sich hingegen häufiger finden. Diese befassen sich aber vor allem mit Stieffamilien, die Hilfe benötigen, weil sie mit ihrer Lage nicht ohne weiteres zurechtkommen. Hier könnte der Anschein erweckt werden, dass es sich bei Stieffamilien generell um „Problemfamilien“ handelt.
Das Anliegen dieser Arbeit ist es, die Besonderheiten und Entwicklungsaufgaben von Stieffamilien zu durchleuchten, ohne dabei das Bild einer problembelasteten Familienform aufzuzeichnen. Daher sollen auch die Chancen und Ressourcen dieser Familien herausgestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Definition und Häufigkeit von Stieffamilien
- 3 Besonderheiten von Stieffamilien
- 3.1 Merkmale von Stieffamilien
- 3.2 Typen von Stieffamilien
- 3.2.1 Stiefvaterfamilie
- 3.2.2 Stiefmutterfamilie
- 3.2.3 Zusammengesetzte Stieffamilie
- 3.2.4 Stieffamilie mit gemeinsamem Kind oder gemeinsamen Kindern
- 3.2.5 Teilzeitfamilie
- 4 Entwicklungsaufgaben in Stieffamilien
- 4.1 Entwicklungsaufgaben der Erwachsenen
- 4.2 Entwicklungsaufgaben der Kinder
- 5 Kommunikationsbeziehungen in Stieffamilien und deren jeweilige Selbstauffassung
- 5.1 Die gescheiterte Stieffamilie
- 5.2 Die „Normalfamilie“
- 5.3 Die erweiterte Stieffamilie
- 6 Chancen und Ressourcen von Stieffamilien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beleuchtet die Besonderheiten und Entwicklungsaufgaben von Stieffamilien. Ziel ist es, die oft problembelastete Sichtweise dieser Familienform zu hinterfragen und gleichzeitig die Chancen und Ressourcen von Stieffamilien aufzuzeigen.
- Definition und Häufigkeit von Stieffamilien
- Strukturmerkmale und Typen von Stieffamilien
- Entwicklungsaufgaben der Erwachsenen und Kinder in Stieffamilien
- Kommunikationsbeziehungen und Selbstauffassung in Stieffamilien
- Chancen und Ressourcen von Stieffamilien
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Die Einleitung beleuchtet die steigende Scheidungsrate und die damit einhergehende Zunahme von Stieffamilien. Die Arbeit fokussiert auf die Chancen und Ressourcen dieser Familienform und vermeidet die Darstellung eines problembelasteten Bildes.
- Kapitel 2: Hier wird eine Definition von Stieffamilien gegeben und auf die Häufigkeit von Stiefkindern und deren Familien eingegangen. Es werden verschiedene Bezeichnungen für Stieffamilien diskutiert und die Vor- und Nachteile des Begriffs „Stieffamilie“ beleuchtet.
- Kapitel 3: Dieses Kapitel widmet sich den Besonderheiten von Stieffamilien. Neben der Darstellung der spezifischen Strukturmerkmale wird ein Überblick über die verschiedenen Familienkonstellationen von Stieffamilien gegeben.
- Kapitel 4: Hier werden die Entwicklungsaufgaben betrachtet, denen Stieffamilien gegenüberstehen. Die Entwicklungsaufgaben der Erwachsenen und der Kinder werden getrennt voneinander dargestellt.
- Kapitel 5: Dieses Kapitel befasst sich mit den Kommunikationsbeziehungen in Stieffamilien und deren jeweilige Selbstauffassung. Es werden unterschiedliche Modelle der Stieffamilie vorgestellt, von der gescheiterten Stieffamilie bis hin zur erweiterten Stieffamilie.
Schlüsselwörter
Stieffamilie, Stiefkind, Scheidung, Familienform, Entwicklungsaufgaben, Kommunikation, Chancen, Ressourcen, Familienstruktur, Familienkonstellation, „Bonusfamilie“, Familienbeziehungen, Familienentwicklung, gesellschaftliche Vorurteile.
- Arbeit zitieren
- Heike Lechner-Jermann (Autor:in), 2013, Besonderheiten, Entwicklungsaufgaben und Chancen von Stieffamilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381380