Wie Nathan Taylor in seinem Aufsatz über den "Nullpunkt des Realismus" festgestellt hat, muss "Literatur über die Gegenwart als solche immer nahe der Gegenwart kommen, über die sie spricht", weil die Darstellung einer bestimmten Zeit erst durch eine gewisse Distanz möglich wird. Noch während der Autor oder die Autorin die Gegenwart in Worte zu fassen versucht, wird sie immer mehr zur Vergangenheit, sodass sich die resultierende Geschichte niemals als ein Ausdruck von Gegenwart, sondern bestenfalls als eine Erinnerung an eine gewesene Zeit verstehen lässt.
Aber in dem Moment, da die Geschichte von einem Rezipienten wiederaufgenommen wird, bekommt sie wieder einen Hauch von Gegenwärtigkeit, da der Leser die geschilderten Erlebnisse durch die Kraft seiner Vorstellung wiederaufleben lässt, wobei es sich bei diesen imaginierten Szenen jedoch nicht um das ursprüngliche Erzählgut, sondern um ein Konstrukt aus fremden Ideen und eigenen Interpretationen handelt.
Somit stellt sich die Frage, durch welche Verfahren Zeit und Raum von heutigen Autoren wie Alexander Kluge, Terézia Mora und Judith Zander, die sich dieses Paradoxons durchaus bewusst sind, ins Erzählen gebracht werden.
Nach einer kurzen Übersicht über die Grundlagen und Techniken der Gegenwartsliteratur, nimmt sich diese Hausarbeit also Alexander Kluges "Dezember" vor, um anhand dieser Erzählsammlung zu untersuchen, inwiefern Texte als Spiegel der Zeit funktionieren können. Dabei macht sie es sich zum Ziel, Kluges Methode der Wirklichkeitsmontage zu durchleuchten und anhand dreier Beispiele auch festzustellen, wie der bekannte deutsche Filmemacher und Autor mit der schwierigen Aufgabe umgeht, Authentizität und Gegenwärtigkeit zu vermitteln, obwohl sich unser Empfinden ständig wandelt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Über die Gegenwartsliteratur
- Die Methode der Wirklichkeitsmontage
- Literarische Montagen
- Zeit und Gegenwart
- Der Wirklichkeitsbegriff
- Die Wirkungsweise der Texte
- Der 20. Dezember 1832
- Der 24. Dezember 1943
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert Alexander Kluges Erzählsammlung "Dezember" im Hinblick auf die Frage, wie Texte als Spiegel der Zeit funktionieren können. Sie untersucht insbesondere die Methode der Wirklichkeitsmontage, die Kluge verwendet, um Authentizität und Gegenwärtigkeit zu vermitteln, trotz der flüchtigen Natur der Gegenwart.
- Die Bedeutung der Gegenwart als „Basissegment unserer Wahrnehmung“
- Das Paradox der Literatur als nachträgliche Rekonstruktion von Gegenwart
- Die Rolle von Zeit und Raum in der Gegenwartsliteratur
- Kluges Methode der Wirklichkeitsmontage als Mittel zur Darstellung von Realität
- Die Frage, wie Authentizität und Gegenwärtigkeit in der Literatur vermittelt werden können
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Paradoxon der Literatur als nachträgliche Rekonstruktion von Gegenwart dar und führt den Begriff des „Basissegments unserer Wahrnehmung“ ein. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über die Entwicklung der Gegenwartsliteratur und beleuchtet die verschiedenen Ansätze, mit denen Autoren versuchen, die Gegenwart zu erfassen.
Das dritte Kapitel fokussiert auf die Methode der Wirklichkeitsmontage, die Kluge in seiner Erzählsammlung „Dezember“ verwendet, um die Vielschichtigkeit und Fragmentierung der Realität darzustellen. In diesem Kapitel werden die literarischen Montagen, die Rolle von Zeit und Gegenwart sowie der Wirklichkeitsbegriff im Werk Kluges analysiert.
Das vierte Kapitel betrachtet die Wirkungsweise der Texte in Kluges "Dezember" anhand von zwei Beispielen, dem 20. Dezember 1832 und dem 24. Dezember 1943.
Schlüsselwörter
Gegenwartsliteratur, Wirklichkeitsmontage, Zeit, Gegenwart, Authentizität, Realität, Erzählsammlung, Dezember, Alexander Kluge, Wahrnehmung, Erinnerung, Literatur als Spiegel der Zeit.
- Arbeit zitieren
- Ann-Kathrin Latter (Autor:in), 2017, Texte im Spiegel der Zeit. Die Methode der Wirklichkeitsmontage in "Dezember" von Alexander Kluge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/382078