Das Thema dieser Arbeit ist ein politisches Phänomen, das Frankreich in den letzten zwanzig Jahren dreimal erlebte und welches das politische System entsprechend geprägt hat. Es handelt sich um die cohabitation. Als Perioden der cohabitation werden die Zeitspannen der französischen Politik bezeichnet, in denen der Präsident und die Regierung des Landes aus verschiedenen politischen Lagern stammen. Sie sind dabei jedoch zur Kooperation gezwungen, um den Fortbestand der politischen Führung des Landes zu gewähren. Im sozialwissenschaftlichen Gebrauch bezeichnet die Kohabitation die sogenannte wilde Ehe, das Zusammenleben zweier unverheirateter Partner und somit eine Liebesbeziehung. Im Grunde trifft er das Phänomen der cohabitation nicht, bei dem es um eine gezwungenermaßen politisch geteilte Exekutive geht und keineswegs um eine freiwillige Zusammenarbeit. Trotzdem wurde der Begriff cohabitation zum Schlagwort und hat sich auch in der Politikwissenschaft bewährt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die französische Verfassung: Diese zeichnet sich durch ihre, von Georges Pompidou seinerzeit so genannte „souplesse“ aus, die vor allem in Zeiten der cohabitation von den Verfassungsorganen für die jeweils eigenen Zwecke genutzt wird. Der Verfassungstext gibt oft keine eindeutige Antwort darauf, an welcher Stelle die politische Entscheidungsbefugnis liegt. Es kommt zu einer Neuordnung der Kompetenzen; anstatt das politische Schicksal des Landes gemeinsam zu bestimmen und zu leiten, müssen Staatschef und Regierungschef nun auch noch die Differenzen innerhalb der Exekutive bewältigen. Charakteristisch für die cohabitation ist, dass dies auch das Verhältnis zum Parlament entscheidend verändert. Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit ist: Können die parteipolitischen Differenzen und die Verschiebung der Machtpotentiale zu einer Blockade der politischen Entscheidungsfähigkeit der Exekutive führen oder wird die Effizienz der politischen Institutionen weiterhin gewährleistet?
Inhaltsverzeichnis
- Das Phänomen der cohabitation
- Perioden der cohabitation
- Die erste cohabitation 1986-88
- Die zweite cohabitation 1993-1995
- Die dritte cohabitation 1997-2002
- Das Spiel mit der Verfassung
- Die Verfassung der V. Republik: Machtzusprüche an den Präsidenten
- Außen- und Verteidigungspolitik: die „domaines reservés“ des Präsidenten?
- Kompetenzverteilung in der Innenpolitik
- Grundlagen in der Verfassung
- Die Stärkung des Premierministers
- Die parlamentarische Verantwortung
- Die beschränkte Macht des Parlaments zugunsten einer effizienten Exekutive
- Ein Machtgewinn des Parlaments zu Zeiten der cohabitation?
- Können die parteipolitischen Differenzen und die Verschiebung der Machtpotentiale zu einer Blockade der politischen Entscheidungsfähigkeit der Exekutive führen?
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der "cohabitation" in Frankreich und analysiert dessen Auswirkungen auf das politische System. Dabei werden die verschiedenen Perioden der "cohabitation" seit den 1980er Jahren beleuchtet, um die Funktionsweise dieser ungewöhnlichen Konstellation von Präsident und Regierung zu verstehen.
- Die Funktionsweise der "cohabitation" als politisches Phänomen
- Die Machtverteilung zwischen Präsident und Regierung während der "cohabitation"
- Die Rolle des Parlaments in Zeiten der "cohabitation"
- Die Auswirkungen der "cohabitation" auf die politische Entscheidungsfähigkeit der Exekutive
- Die unterschiedliche Bewertung der "cohabitation" in der Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Phänomen der "cohabitation" und den Begriff selbst. Die Besonderheiten dieser Form der politischen Konstellation werden hervorgehoben. In Kapitel 1 werden die wichtigsten Perioden der "cohabitation" seit den 1980er Jahren vorgestellt und wichtige Ereignisse der jeweiligen Zeiträume beleuchtet. Kapitel 2 beleuchtet die verfassungsrechtlichen Grundlagen der "cohabitation" und die spezifischen Machtverteilungsprobleme im Hinblick auf die Kompetenzen des Präsidenten und des Premierministers. Kapitel 3 untersucht die Rolle des Parlaments in Zeiten der "cohabitation" und die Frage, ob es eine Stärkung oder Schwächung der parlamentarischen Macht durch diese Konstellation gibt. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, ob die "cohabitation" zu einer Blockade der politischen Entscheidungsfähigkeit der Exekutive führen kann.
Schlüsselwörter
Cohabitation, Frankreich, politische Macht, Präsident, Premierminister, Parlament, Verfassung, Außenpolitik, Innenpolitik, Entscheidungsfähigkeit, Exekutive, Blockade, Parteipolitik.
- Arbeit zitieren
- Christina Kanwischer (Autor:in), 2004, Frankreich: Die politische Machtfrage im Zeichen der cohabitation - Die Effizienzanalyse eines Ausnahmezustandes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38300