Theaterpädagogik als Unterstützung bei der Bewältigung von Alltags- und Lebensthemen für Schulkinder


Facharbeit (Schule), 2014

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

2. Theaterpädagogik
2.1 Was ist das?

3. Alltagsbewältigung
3.1 Themen, Interessen und Hürden von Schulkindern
3.2 Sich finden, sehen, verstehen
3.3 Keine Leistungsorientierung – Gegenbewegung Schule
3.4 Handlungsfreiheit – Handlungssicherheit

4. Spielleitung – Prozesse gestalten
4.1 Einzel- und Gruppenprozesse
4.2 Lernprozesse
4.3 Beziehungsprozesse

5. Rollenvielfalt – Rolle der Spielleitung
5.1 Wer bin ich? Welche Rolle spiele ich? – Alltagsrollen erkennen
5.2 Erproben – sich in verschiedenen Rollen erleben
5.3 Musterunterbrechung – Neue Handlungsmöglichkeiten entdecken und erleben

6. Praxis – Durchführung
6.1 BeiSpieleinheit – Spiele und Übungen
6.2 Rituale und Rollenidentifikationen

7. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Ich bin eine begeisterte Theaterbesucherin. Als Zuschauerin bin ich Teil jeder Aufführung. „Theater ist immer ein persönliches Erleben, welches über den bloßen Unterhaltungswert hinausgeht.“[1] Das, was ich auf der Bühne gezeigt bekomme, bewegt, rüttelt auf und berührt. Ich erinnere mich an Wünsche und Träume und finde mich wieder. Theater schafft Bilder und Symbole und lässt Unmögliches möglich erscheinen. Es ist die Verwandlung, die weniger zu greifen als zu empfinden ist.[2]

Um einen Blick hinter die Kulissen zu wagen und am Theater aktiv mit zu gestalten, habe ich mich im Sommer 2012 für einen Spielclub in Stuttgart angemeldet. Bis Februar 2013 entstand eine Spielgruppe von vier Jungen und Mädchen, die aus ihrem Heimatland nach Deutschland geflüchtet sind und zwei Mädchen, die aus Stuttgart kommen (eine von den beiden war ich). Gemeinsam entwickelten wir mit einem Theaterpädagogen und einer Autorin ein Stück zum Thema Flucht und Vertreibung aus der Heimat, Freundschaft, Begegnungen zwischen Jugendlichen, die sich fremd sind aber langsam Annäherung suchen. Am 8. November 2013 feierten wir die Premiere von „Salzherz“. Das Stück wurde ein Erfolg.

Das alles klingt sehr aufregend, wertvoll und gut. Diesen Eindruck möchte ich auch nicht schmälern. Nur ist es wichtig, einen weiteren Blick hinter die Kulissen, in die Arbeit zwischen den Zeilen zu werfen. Bevor ich an dem Projekt teilnahm, hatte ich mich bereits etwas mit Theaterpädagogik beschäftigt. Mich interessierte vor allem die Umsetzung. Nun bot der Spielclub eine gute Gelegenheit, mich selber von einem Theaterpädagogen anleiten zu lassen und zu erleben, wie er mit uns arbeitet.

Zu Anfang standen das Kennenlernen, die Verständigung und die Faszination füreinander im Vordergrund. Wir näherten uns alle behutsam an. Die Rolle, mich als Spielerin zu entdecken, machte mir große Freude.

Die pädagogische Begleitung unseres Projektes erwies sich als große Herausforderung. Die Rolle der Spielleitung war nicht leicht zu besetzen. Die Menschen und die Themen, die wir waren und auch im Theater verkörperten, waren schwere Kost, hoch sensibel und emotional intensiv. Die Schwelle, uns aufeinander einlassen zu können, war hoch und schwer zu überwinden. Pädagogisch wurde darauf eher unsicher reagiert. Die Versuche, mit uns ins Gespräch zu kommen etwas bemüht und hilflos. Sobald die Öffentlichkeit ihr Interesse zeigte und in Zeitungs- und Radiointerviews auf uns zukam, klang alles sehr durchgeplant und sinnvoll. Die Absichten und Ziele schienen ohne Zweifel aufgezeigt, das Lob für die Gruppe überschwänglich. Leider hatten wir mehr Probleme, als offen zugegeben. Die Regieführung war angespannt und der Fokus lag auf dem Endergebnis, dass wir präsentieren sollten. Zudem wurden wir kaum nach unseren Ansichten gefragt und von Entscheidungsprozessen, die uns betrafen, ausgeschlossen. Am Ende des Projektes wurden wir uns leider ziemlich selbst überlassen. Wir konnten keinen Abschied gestalten und das Projekt im Guten beenden. Die Spannung stieg und scheinbar unerklärlicher Streit stand plötzlich im Raum. Mit der Derniere, die auf der Bühne sehr unter unseren Verunsicherungen litt, war es vorbei. Keine Aussicht auf ein organisiertes Wiedersehen. Für uns als Gruppe sehr frustrierend.

Im Nachhinein sage ich, dass noch viel ungeöffnetes Potenzial in diesem Projekt steckte. Wir alle waren zwar besondere Jugendliche mit sechs einzigartigen und reichen Biografien, von denen das Theater profitierte. Doch waren wir auch ganz normale Menschen dieser Lebensphase, die sich mit Themen, wie Freundschaft, Schule, Musik, Familie, Ängsten, Problemen, Zukunft etc. beschäftigten. Dies wurde zu wenig berücksichtigt. Der Erwartungsdruck und Antrieb bezüglich der Ablieferung war doch immer im Vordergrund. Der Umgang mit den jugendlichen Flüchtlingen hätte noch intensiver, bereichernder und nachhaltiger werden können. Die Absicht, diese Menschen in ein solches Projekt hineinzunehmen, dass sie sonst von alleine nicht erreichen konnten, war und ist wertvoll. Doch wenn ich nun sehe, wie unsere Gruppe am Schluss in eben die gleichen Stücke zerfiel, in denen wir uns ganz am Anfang begegneten, finde ich es sehr traurig. Ich habe einzigartige, schöne, unvergessliche, schwere und kritische Erfahrungen gemacht, die ich nicht missen möchte. Nun möchte ich diese als Ausgangslage für mein folgendes Forschungsinteresse nutzen.

Wir alle spielen Rollen in unserem Leben, die wir kennen. Vielleicht durchschauen wir sie nicht immer. Hinterfragen nicht unser Verhalten, weil es einfach gewöhnlich ist und von anderen nun auch so erwartet wird. Welche Rollen werden zum Beispiel von jugendlichen Flüchtlingen, von Jugendlichen und Kindern mit Migrationshintergrund, von Jugendlichen aus Brennpunkten, von Jugendlichen aus wohlgesitteten Familien, von Jugendlichen mit künstlerischen Begabungen etc. in unserer Gesellschaft erwartet? Welche Rollen gilt es also zu spielen? Wo stehen wir wirklich auf der Bühne? Im Theater oder auf der Straße? Die Theaterpädagogik ist meiner Meinung nach eine Möglichkeit Rollen zu hinterfragen. Sich in seinem Leben zu betrachten, neue Verhaltensmöglichkeiten zu erproben und aus festgefahrenen Rollen auszubrechen. Die Kunst ist, einen Ort zu schaffen, wo so etwas möglich ist. Was gehört also dazu?

Im Besonderen untersuche ich die Lebenssituationen von Schulkindern. Womit beschäftigen sie sich, welche Hürden müssen sie bewältigen, was wird von ihnen erwartet. Dabei ergibt sich ein komplexes Gefüge, indem sich Schulkinder heute bewegen (müssen). Angesichts der heutigen Anforderungen, die die Gesellschaft an Schulkinder stellt, suche ich nach Möglichkeiten, Hilfestellungen anzubieten, mit denen sie ihren Alltag besser bewältigen können. Welche Fragen muss ich mir also in der Position der Spielleitung bezüglich meiner Selbsteinschätzung und Reflexion stellen? Wie viel „Leitung“ braucht es? Welche Rolle spiele ich?

Ich möchte durch die Methode der Theaterpädagogik eine Gegenbewegung zum System Schule und zur Ergebnisorientierung unserer Leistungsgesellschaft aufzeigen. Dass Handlungsfreiheit nicht zum befürchteten Disziplinproblem, sondern zu Handlungssicherheit führen kann. Im Theaterspielen geht es nicht um die egozentrische Konzentration auf das eigene Schaffen und sich allein. Beziehungen und die Freude am gemeinsamen Gestalten ist ein bedeutender Teil dieser Arbeit. Für sich und mit anderen kann zu künstlerischem Schaffen und Ausdruck gefunden werden. Zuletzt werde ich ein paar spielerische Übungen aus der Theaterpädagogik für Schulkinder beschreiben.

Nun, Bühne frei, Vorhang auf!

2. Theaterpädagogik

2.1 Was ist das?

„Theaterpädagogisches Arbeiten ist nicht die kleine Schwester der großen Kunst Schauspiel, sondern eine eigenständige Art und Weise, künstlerische, theatral inspirierte Prozesse und Aufführungen zu entwickeln, bei denen der spielende Mensch mit seiner Biografie im Mittelpunkt steht – doch das nicht zum Zweck der reinen Selbsterfahrung, sondern mit dem Ziel, anderen davon zu erzählen, in spannenden Geschichten, die einer Öffentlichkeit nicht nur standhalten, sondern diese selbstbewusst suchen.“[3]

Der Begriff „Theaterpädagogik“ als solcher besteht noch nicht lange und hat einen langen Weg zur Akzeptanz und Bekanntheit hinter sich. Er vereint zwei Wörter, zwei Arbeitsbereiche, zwei Welten, die sich einander angenähert haben. Die Pädagogik, die die didaktisch- und methodische Anwendbarkeit des Theaters entdeckte und das etablierte Theater, das seine Inhalte näher an das Publikum bringen und mit ihm kommunizieren wollte. So haben sich diese beiden Richtungen in der Bezeichnung der Theaterpädagogik getroffen und ein eigenes, fachliches Berufsbild entwickelt. Trotzdem ist diese Berufsbezeichnung in Deutschland nicht staatlich anerkannt, also nicht geschützt. Die Ausbildungsmöglichkeiten sind vielfältig und sehr verschieden aufgebaut. Es gibt sogenannte Grundausbildungen (Fortbildungen), Studiengänge, Vollzeit oder- berufsbegleitende Ausbildungen.[4] Die Angebote dieser Institutionen unterscheiden sich oft sehr stark zum Beispiel im Verhältnis von theoretischen und praktischen Anteilen.

Heute beschreibt Theaterpädagogik also die Arbeit zur Eröffnung neuer künstlerischer Gestaltungs- und Verwandlungsräume. Gemeinsam werden neue Ausdrucksmöglichkeiten und Kommunikationsformen entdeckt und diese in ein ästhetisches und soziales Gefüge eingebettet, aus dem in der Gruppe ein erzählendes Theater entstehen kann.[5]

Der Beruf des Theaterpädagogen und der Theaterpädagogin umfasst künstlerische, sowie pädagogische Aufgaben. Alle Menschen unabhängig ihres Alters, Herkunft und gesellschaftlichen Schichten können etwas Gemeinsames erschaffen und erleben. Wichtig ist, sich seiner Rolle als Theaterpädagoge und als Theaterpädagogin bewusst zu sein. Ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen für die Menschen, die sich öffnen und ein hohes Vertrauen in die gemeinsamen Prozesse legen, ist unverzichtbar. Das Vereinen der Kunst mit der Pädagogik ist ein nicht zu unterschätzendes, sensibles und zugleich sehr fruchtbares und erfolgreiches Unterfangen. Es ist immer wieder wichtig, sich als Begleiterin zu verstehen und nicht allein als Regieführende. Dazu gehört auch, sich der Gefahr, die Gruppe als Mittel zur eigenen produktiven Selbstverwirklichung zu benutzten, bewusst zu sein und sich an dieser Stelle immer wieder zu überprüfen!

Die Einsatzmöglichkeiten der Theaterpädagogik sind sehr vielfältig. Ob in Kindertageseinrichtungen, Schulen, am Theater, in Sucht- und gewaltpräventiven Projekten, Rehabilitations- und Therapiezentren etc.[6] Der situationsorientierte Ansatz dieser Arbeitsform bietet vielen Menschen die Möglichkeit, etwas Neues zu wagen, zu finden und sich fallen zu lassen. Sie können die Veränderung, Bewegung und Heilsamkeit dieser Kunstform erleben, die ihre Stärke und ihren Wert durch das öffnen der Fähigkeiten jedes einzelnen Akteures gewinnt.

3. Alltagsbewältigung

3.1 Themen, Interessen und Hürden von Schulkindern

Die Bedingungen des Heranwachsens von Kindern haben in den letzten Jahren einen deutlichen Wandel vollzogen. Das Verständnis von Kindheit und Familie hat sich verändert.[7] Die Erwartungen, Einflüsse und Eindrücke, die die heutigen Lebenssituationen von Schulkindern prägen, bringen neue Herausforderungen, Aufgaben und auch Chancen mit sich. Betrachtet man das Bild, dass wir Heute von der Lebensphase Kindheit und Jugend haben, so finden sich doppelte, fast widersprüchliche Botschaften. Zum einen ist dies eine Phase, die sich mit ihrer inneren Entwicklung, dem Lernen, der Identitätsbildung beschäftigen soll. Zum anderen ist dieses Leben von der Gesellschaft bestimmt. Darauf angesetzt gesellschaftlichen Erwartungen und Verhältnissen und vor allem Zukunftsvorstellungen zu entsprechen. So rückt der biografische Sinn der Jugendphase in einen gesellschaftlichen Nutzen.[8]

Auch die familialen Strukturen sind abhängig vom gesellschaftlichen Wandel. Das klassische Rollengefüge ist längst überholt. Familie ist nicht mehr unbedingt die stabile Intimgruppe, die alles auffängt. Diskontinuität, Trennung, wechselnde Bezugspersonen prägen das Bild. Früh müssen hohe soziale Kompetenzen erbracht werden, Bindungen zu lösen und neue einzugehen. Durch die Verkleinerung der Familiengrößen nimmt der Anteil der Einzelkinder zu. All dies hat eine frühe Vereinzelung zur Folge. Die Kinder sind vorzeitig auf sich allein gestellt.[9]

Das Konfliktpotenzial steigt. In der Schule gilt diese Not eher als ein Disziplinproblem und wird unbewältigt als störend abgetan. Ein Ort, an dem Kinder und Jugendliche einen großen Teil ihrer bisherigen Lebenszeit verbringen. Zeit, die sie maßgebend beeinflusst und prägt. Leider steigen die Belastungen des SchülerInnenseins zunehmend. Die Erwartungen an hohe Bildungsabschlüsse sind groß. Das schulische Scheitern wird zum persönlichen Versagen.

Die Organisation der Kinderbetreuung verlagert sich auf öffentliche Einrichtungen. Der Kinderalltag findet vermehrt an vielen einzelnen Orten statt. Ihr Terminkalender inzwischen vergleichbar mit dem der Erwachsenen. Hier spricht Richard Münchmeier vom Phänomen der „Verinselung“ des Kinderalltags. Es heißt, sich ständig „angemessen“ verhalten zu müssen und sich Regeln und Logiken von Institutionen unterzuordnen. Der Schonraum der Lebensphase Kindheit wird zunehmend vom „Ernst des (Erwachsenen-) Lebens“ bedrängt.[10]

Großes Thema ist die verstärkte Mediennutzung. Die Fähigkeiten im Umgang mit Handy, Spielekonsole und Co entwickeln sich rasant. Der Ehrgeiz diese zu erwerben und zu vertiefen gewinnt an Bedeutung. Auch hier hat der Vergleich unter Gleichaltrigen eine neue Plattform gefunden, um sich zu messen und auszustechen. Zudem bringt der kontinuierliche Einfluss von Medien Erwachsenenthemen, wie zum Beispiel Gewalt, Sucht, Kriege und Umweltkatastrophen in das Gespräch von Kindern.[11] Das muss eine Verstärkung der pädagogischen Aufgaben von Fachkräften bedeuten, um Kindern und Jugendlichen einen angemessenen und reflektierten Umgang zu vermitteln.

Der Wunsch, Gleichaltrige und soziale Räume aufzusuchen, die nicht von Erwachsenen kontrolliert werden, nimmt zu. Das Bedürfnis nach Entlastung und ausgleichenden Gegenwelten wird geradezu von den alltäglichen Belastungen und dem Abverlangen von Leistungen, wie Selbstdisziplinierung provoziert. Das Verlangen nach ausbrechen, „Wildsein“, nach „Über-die-Stränge-schlagen“ und sich lustvoll austoben, verschärft sich. Paradoxerweise werden gleichzeitig Toberäume, wie Bolzplätze, an denen sich das aufbrausende Jugendleben erstrecken kann, immer rarer. So sammeln sich Kinder und Jugendliche dort, wo sie eigentlich unerwünscht sind. Suchen sich „‘Zwischenräume‘“[12] zwischen den Einrichtungen.[13] Wo sollen sie also hin?

3.2 Sich finden, sehen, verstehen

Ein Ort, an dem Theaterpädagogik mit Schulkindern stattfindet, kann eine wichtige Anlaufstelle sein. Hier geht es um jedes einzelne Gesicht. Um jede Biografie. Um Stärken, Interessen und Ideen. So stark, wie sich jeder und jede einzelne fühlen kann, so reich profitiert das gemeinsame Schaffen. Wichtig ist die Gewährleistung von Freiwilligkeit, Wertschätzung und einem sensiblen Umgang, mit dem, was alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einbringen und von sich preisgeben, damit ein vertrauensvoller Umgang entstehen kann.

Unsere allgemeine Wahrnehmung richtet sich sehr häufig auf unsere äußere Umwelt. Sie orientiert sich an objektiven Erscheinungen, die uns spontan ins Auge fallen. Wir entscheiden, ob uns das, was wir sehen, gefällt oder nicht. Erfinden Geschichten und stellen Vermutungen zu Dingen und Menschen an. Urteilen über ihr Verhalten. Bestimmen Tatsachen. Heißt es nun, den Blick einmal nach innen zu richten, könnte es passieren, dass manche Menschen ins stutzen kommen. Fragen, wie: wer bist du, was fühlst du, was denkst du? lassen sich nicht immer schnell und sicher beantworten.

Bevor wir etwas finden, müssen wir es suchen. So auch mit der Suche nach sich selber. Das Bild, das viele Menschen von sich selber haben, ist erschreckend negativ. Die Antwort auf die Frage nach den eigenen Stärken scheint mühevoller, als die nach den Schwächen. Es ist sehr bedeutend zu sich selber zu kommen. Die eigenen Energien zu entdecken und selbstbewusst aus ihnen zu schöpfen. Jedoch fehlt oft etwas Entscheidendes. Ein liebevoller, ermutigender, bedingungsloser Blick von Außen. Um sich selber sehen zu können, muss man gesehen werden. Dem Kind das Gefühl geben, interessant und wichtig zu sein. Bewusst hören, was es zu sagen hat. „Schau mal, wie toll du bist!“ Mit der Theaterpädagogik kommt die Freiheit, jedem Impuls Raum geben zu können. Der Fokus richtet sich auf die Fähigkeiten. Für ein Kind ist das Entdecken eigener Fähigkeiten von großer Bedeutung. Und nicht nur in dieser Lebensphase. Ein Leben lang ist das eigene kraftvolle und erfolgreiche Erleben enorm bedeutend. Dies wirkt sich auf das Verständnis für sich selber aus (Selbstverständnis). Die Antennen für das persönliche Feingefühl werden geschärft. Das Erfassen eigener Gefühle, Bedürfnisse und Verhaltensweisen ist Voraussetzung, dass auch eine selbstkritische Betrachtung möglich ist. Denn ist es nicht unser aller Bedürfnis selbstwirksam und fähig zu sein? – Ja, das wollen wir! Und wir haben ein Recht darauf!

3.3 Keine Leistungsorientierung – Gegenbewegung Schule

Oft erfahren Schulkinder schon in der Grundschule primär, sich an vorgefertigte Regeln, schablonenartige Aufgaben und konformes Lernen zu halten. Dem Freiraum für eigene Gestaltung und Entfaltung wird nur zögernd eine Existenzberechtigung zugesprochen. Und diese Toleranz bleibt dann leider häufig auch nur eine Schutzbehauptung. Der Formzwang lässt kaum Alternativen zu und führt unvermeidlich zu Kindern, die aus dem Rahmen fallen. Leider sind diese Reaktionen Störfaktoren, die mit Mühe und Not unterbunden und gleichgeschaltet werden sollen. Zwar haben sich die Erziehungsziele auch in der Schule in den letzten Jahren auffallend von Gehorsam und Unterordnung zu Selbständigkeit und eigener Wille verändert.[14] Doch auch hier sind die Botschaften mit doppeltem Boden versehen. „Selbständigkeit und Eigenkompetenz als optimale Voraussetzungen für das Vorankommen in der Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft“[15] sind kompetent klingende und vernünftige Absichten. Aber wie sieht das dann in der Umsetzung aus? Das Schulsystem ist noch lange nicht da angekommen, wo es sich gerne in seinen Versprechungen sehen würde. Das dreigliedrige System verleitet tendenziell zur Abwertung der unteren Schulabschlüsse zu Gunsten höherer. Die Kinder werden enorm früh in Schubladen und Erwartungsfenster gedrängt, aus denen sie möglichst schnell aber kaum realisierbar aussteigen und in immer bessere Bildungschancen aufstreben sollen. Der Konkurrenzkampf wird angefeuert. Der Druck steigt. Viele Eltern neigen dazu, diesen auch noch zu erhöhen und mit ihren Statusvorstellungen zu verknüpfen.[16]

[...]


[1] Strasser, Felix 2002: Figurentheater in der Grundschule – Handbuch für Theorie und Praxis. Schneider Verlag Hohengehren GmbH, S.6

[2] Vgl. ebenda, S.1

[3] Gruber, Helga: Die Bedeutung des Theaters für Kinder heute – Theater als Erfahrungsfeld zur Entwicklung von neuen Methoden in der Pädagogik. In: Theaterpädagogische Zeitschrift für Berlin und Brandenburg. URL http://www.spielart-berlin.de/rubriken/paedagogik.html

[4] Vgl. Winter, Matthias: Ratgeber & Tips zur Ausbildung Theaterpädagogik. URL http://www.ausbildung-theaterpädagogik.de/html/theaterpaedagogik-einfuehrung.html

[5] Vgl. Hochschule für Künste im Sozialen, Ottersberg – Theater im Sozialen – Theaterpädagogik. URL http://www.hks-ottersberg.de/studium/theaterpaedagogik/

[6] Vgl. Knaak, Jennifer: Was ist eigentlich Theaterpädagogik? URL http://www.jennifer-knaak.de/biodanza/theaterpaedagogik.html

[7] Vgl. Münchmeier, Richard 1999: Kindheit und Familie im Wandel – neue Herausforderungen, S.9

[8] Vgl. Münchmeier 1999, S.10

[9] Vgl. a.a.O., S.15

[10] Vgl. a.a.O., S.16

[11] Vgl. a.a.O., S. 16-17

[12] Böhnisch, Lothar 1994: Gespaltene Normalität. Weinheim und München, zitiert nach Münchmeier 1999

[13] Vgl. Münchmeier 1999, S.17

[14] Vgl. Münchmeier 1999, S.20

[15] Münchmeier 1999, S.20

[16] Vgl. Münchmeier 1999, S.17

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Theaterpädagogik als Unterstützung bei der Bewältigung von Alltags- und Lebensthemen für Schulkinder
Hochschule
Evangelische Fachschule für Sozialpädagogik Stuttgart
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
23
Katalognummer
V383126
ISBN (eBook)
9783668586147
ISBN (Buch)
9783668586154
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
theaterpädagogik, unterstützung, bewältigung, alltags-, lebensthemen, schulkinder, grundschule, rollenspiel, spielleitung, gesellschaftsanforderungen
Arbeit zitieren
Ipek-Jorina Dogan (Autor:in), 2014, Theaterpädagogik als Unterstützung bei der Bewältigung von Alltags- und Lebensthemen für Schulkinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383126

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