Die Frage nach Gott stellt sich durch die Geschichte hindurch immer wieder neu. Die großen naturwissenschaftlichen Errungenschaften wie zum Beispiel die der Astrophysik oder der Molekularbiologie geben nach und nach tiefere Einblicke in eine sich immer weiter ausdehnende Unendlichkeit. Je mehr Antworten auf verschiedenste Fragen erforscht werden, umso mehr neue Fragen werden aufgeworfen. Auch in den naturwissenschaftlichen Disziplinen wird eine Unendlichkeit erfahren, die einen immer weiter fragen lassen. Der Mensch ist in der Lage, sich selbst zu begreifen, sowohl als intellektuelles Individuum auf metaphysischer Ebene, als auch als ein eigener Kosmos von Mikroorganismen auf physischer Ebene. Das bedeutet analog für die theologische Frage, dass sie nicht anders kann, als in diesen Kontext der Zeiten mit ihren je neuen Erkenntnissen hinein gestellt zu werden um auch weiter berechtigt bestehen zu können.
Die theologische Frage ist und bleibt auch immer eine menschliche Frage. Sie ist nicht in etwa eine Frage, die den Menschen unterwirft, um ihm seine Endlichkeit und Unvollkommenheit aufzuzeigen. Vielmehr ist sie eine existentielle Frage, welche den Menschen in seiner ganzen Dimension mitten ins Zentrum ihres Gegenstandes hineinnimmt und gleichzeitig über ihn hinausweist. Es ist für die Theologie unumgänglich, an dem profanen Selbstverständnis des Menschen und den vielen unterschiedlichen philosophischen Ansätzen der Gegenwart anzuknüpfen. Was für die meisten von heute in Bezug auf die Gottesfrage so gut wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, bedurfte vor noch gar nicht allzu langer Zeit einer ausdrücklich neuen theologischen Standortbestimmung. Gerade für die christliche Rede von Gott bedeutet das die Herausforderung, angesichts dieser teils unvorstellbaren Dimensionen des Kosmos, von einem personalen göttlichen Wesen zu sprechen, das uns individuell alle kennt und in Jesus Christus auf dieser Erde allen erschienen ist.
Es war eines der großen Verdienste des Jesuiten und bedeutenden Theologen Karl Rahners, den Menschen als ein fragendes Subjekt ganzheitlich als wesentlichen Bestandteil der Gottesfrage auszuweisen und so eine Brücke zu den voranschreitenden Erkenntnissen auf technischem und naturwissenschaftlichem Gebiet zu schlagen. Dies war gerade in Zeiten des klerikalen Antimodernismuseides von entscheidender Bedeutung. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DER MENSCH ALS TRANSZENDENTALES WESEN
2.1 Die Selbsterfahrung des Menschen als „Person“
2.2 Die transzendentale Erfahrung der Freiheit
2.3 Der Mensch als „transzendentales Ereignis“
2.4 Die Existentialien von Freiheit und Verwiesenheit
3. DIE SELBSTMITTEILUNG GOTTES AN DEN MENSCHEN
3.1 Was wird mit dem Wort „Gott“ alles bezeichnet?
3.2 Menschliches Ereignis und göttliche Selbstmitteilung
3.3 Selbstmitteilung Gottes als existentielle Erfahrung von absoluter Entzogenheit und unmittelbarer Zuwendung
4. DER MENSCH ALS OBJEKT DER GÖTTLICHEN TRINITÄT
4.1 Die soteriologische Neuausrichtung der Trinitätslehre
4.2 Die heilsgeschichtliche Trinität als immanentes Konstitutivum menschlicher Existenz
4.3 Die Bestimmung des Menschen zu einem Wesen der Liebe durch die Trinität Gottes
4.4 Das Wagnis des Glaubens
Literaturverzeichnis
1. EINLEITUNG
Die Frage nach Gott stellt sich durch die Geschichte hindurch immer wieder neu. Die großen naturwissenschaftlichen Errungenschaften wie zum Beispiel die der Astrophysik oder der Molekularbiologie geben nach und nach tiefere Einblicke in eine sich immer weiter ausdehnende Unendlichkeit. Je mehr Antworten auf verschiedenste Fragen erforscht werden, umso mehr neue Fragen werden aufgeworfen. Auch in den naturwissenschaftlichen Disziplinen wird eine Unendlichkeit erfahren, die einen immer weiter fragen lassen. Der Mensch ist in der Lage, sich selbst zu begreifen, sowohl als intellektuelles Individuum auf metaphysischer Ebene, als auch als ein eigener Kosmos von Mikroorganismen auf physischer Ebene. Das bedeutet analog für die theologische Frage, dass sie nicht anders kann, als in diesen Kontext der Zeiten mit ihren je neuen Erkenntnissen hinein gestellt zu werden um auch weiter berechtigt bestehen zu können. Die theologische Frage ist und bleibt auch immer eine menschliche Frage. Sie ist nicht in etwa eine Frage, die den Menschen unterwirft, um ihm seine Endlichkeit und Unvollkommenheit aufzuzeigen. Vielmehr ist sie eine existentielle Frage, welche den Menschen in seiner ganzen Dimension mitten ins Zentrum ihres Gegen-standes hineinnimmt und gleichzeitig über ihn hinausweist. Es ist für die Theologie unumgänglich, an dem profanen Selbstverständnis des Menschen und den vielen unter-schiedlichen philosophischen Ansätzen der Gegenwart anzuknüpfen. Was für die meisten von heute in Bezug auf die Gottesfrage so gut wie selbstverständlich vorausgesetzt wird, bedurfte vor noch gar nicht allzu langer Zeit einer ausdrücklich neuen theologischen Standort-bestimmung. Gerade für die christliche Rede von Gott bedeutet das die Herausforderung, angesichts dieser teils unvorstellbaren Dimensionen des Kosmos, von einem personalen göttlichen Wesen zu sprechen, das uns individuell alle kennt und in Jesus Christus auf dieser Erde allen erschienen ist. Es war eines der großen Verdienste des Jesuiten und bedeutenden Theologen Karl Rahners, den Menschen als ein fragendes Subjekt ganzheitlich als wesentlichen Bestandteil der Gottesfrage auszuweisen und so eine Brücke zu den voranschreitenden Erkenntnissen auf technischem und naturwissenschaftlichem Gebiet zu schlagen. Dies war gerade in Zeiten des klerikalen Antimodernismuseides von entscheidender Bedeutung. In seinem Werk Grundkurs des Glaubens aus dem Jahr 1976 bezeichnet Rahner als christlicher Theologe in neun Gängen den Weg des Menschen in seine Vollendung auf Gott hin. Der Weg führt über wesentliche Stationen des christlichen Glaubens. Entscheidend dabei ist: Der Ausgang liegt in der Erfahrung des Menschen selbst und macht ihn zum Ereignis der göttlichen Selbstmitteilung. Die Frage nach Gott ist eingebunden in die Frage des Menschen nach sich selbst. Rahner entwirft in seinem Grundkurs des Glaubens (GKG) eine systematische Grammatik einer Theologie mit anthropologischem Ansatz. Diese theologische Grammatik eignet sich in ihrer Methodik sehr gut, um das wesentliche Anliegen einer wissenschaftlichen Theologie von heute zu veranschaulichen: Während die dynamische Expansion der profanen Naturwissenschaften nach und nach alle Geheimnisse zwischen Himmel und Erde enthüllt und die Welt für uns immer plausibler zu machen scheint, findet sich in Rahners GKG eine begriffliche Neustrukturierung theologischer Termini auf ihren anthropologischen Gehalt hin. So kann man innerhalb der für uns erfahrbaren Prozesse zwischen Himmel und Erde nicht mehr von „Geheimnissen“ in dem Sinne sprechen, dass es sich dabei um verborgene transzendente Vorgänge handelt. Die Welt ist für uns so offenkundig geworden, dass wir im Stande sind, sie z.B. auf den Gebieten der Physik zu erfassen und zu verstehen. Geheimnis im Sinne von „Mysterium“, so wie es die Theologie als Wissenschaft versteht, muss also hier anders ansetzen. Als transzendentaler Begriff meint Mysterium bereits die menschliche Existenz. Sie ist die Bedingung der Möglichkeit jeglicher Reflexion überhaupt und als solche uns Menschen vorgegeben. Somit kann sie nicht etwa ein Ergebnis im Sinne einer rein epistemischen Synthese sein, für die es etwa eine plausible und einsichtige Erklärung gäbe. Der Mensch findet sich in seiner Existenz von Anfang an vor. Die gängige philosophische Frage „warum ist etwas und nicht nichts?“ kann mit den Methoden der modernen Profanwissenschaften nicht beantwortet werden, weil sie diese von vornherein transzendiert. Es ist diese Vorgegebenheit der menschlichen Existenz, die darauf hinweist, dass der Mensch bei all seinen Fähigkeiten sich eben nicht selbst aktiv schafft, sondern immer ein geschaffenes Wesen bleibt. Menschlicher Existenz kommt hiermit ein passivischer Moment zu, der den Menschen über sich hinausweist und ihn sich selbst überantwortet.
Die folgenden Ausführungen nehmen Bezug auf den anthropologischen Ansatz in Rahners GKG und konzentrieren sich dabei besonders auf den Vierten Gang. Hier gibt eine zunächst philosophische Analyse des Menschen in seinen Wesenselementen, die auch Existentialien genannt werden, Einblick in seine Transzendenzfähigkeit. Dabei soll besonders der Gedanke Rahners vom Menschen als dem Ereignis der Selbstmitteilung Gottes nachvollzogen werden, wobei die Frage nach Gott selbst zunächst noch im Hintergrund stehen soll. Diese wird erst relevant, nachdem die konkret menschlichen Existentialien beleuchtet worden sind. Der Weg theologischen Sprechens ist somit also nicht aus der Luft gegriffen, sondern nimmt seinen Ausgangspunkt in der menschlichen Erfahrung und Selbstfindung. Er führt dann weiter über den Menschen in die Gottesfrage über. Dies tut er nicht abrupt, sondern ganz im Sinne des GKG in Schritten. Rahner nennt die Einheiten seines Buches nicht etwa „Kapitel“ oder gar „Traktate“, wie man es in etwa von dogmatischen Abhandlungen erwarten würde, sondern Gänge. Schon damit ist der Weg bezeichnet, der den Leser mit hineinnimmt, indem er ihn da abholt, wo er gerade steht und ihn sich so seiner eigenen Selbstverantwortetheit bewusst werden lässt. In diesem Bewusstsein wird der Leser selbst offen für das, was ihm (passivisch) übereignet worden ist, und was man weiter als „Wort Gottes“ bezeichnen kann, das ihn auf seine schon immer vorhandene transzendentale Beziehungsfähigkeit hinweist. Gerade hier setzt die christliche Theologie an. Was weiterhin mit „Wort Gottes“, „Offenbarung“ und „Trinität“ gemeint ist, sollen keine abstrakten Spekulationen sein. Sie bezeichnen vielmehr etwas, was dem menschlichen Geist zutiefst vertraut ist. Vor dem Hintergrund des GKG soll insbesondere entlang des Vierten Ganges der „Weg“ theologischen Sprechens, das auch immer menschliches Sprechen bleibt, im Sinne Rahners nachvollzogen werden. Wenn man hier vom Weg spricht, dann kommt damit auch schon zum Ausdruck, dass es sich hierbei nicht um eine starre Abhandlung dogmatischer Lehrsätze handeln soll, sondern um einen lebendigen und dynamischen Prozess. Die christliche Offenbarung ermöglicht es uns positiv und zugleich von der Vernunft geleitet über das uns vorgegebene und zugleich völlig entzogene zu sprechen, indem es auf unsere eigene Affinität dazu hinweist. Auf diese Weise kann auch ein Versuch unternommen werden, von den menschlichen Existentialien her und über die konkret menschlichen Erfahrung von der Trinität Gottes als dem größten christlichen Mysterium zu sprechen.
2. DER MENSCH ALS TRANSZENDENTALES WESEN
Der erste Hauptteil dieser theologischen Überlegung setzt nun bei dem Bekannten und Vertrauten an. Er geht so vom weiten Erfahrungshorizont des Menschen aus. Der Mensch ist in der Lage, sich selbst zu denken. Er ist ein rationales Wesen und kann die Welt erfassen, indem er alle darin befindlichen Prozesse einordnen und systematisieren kann. Diese Fähigkeit lässt den Menschen zunächst als völlig autonomes Wesen erscheinen. Indem er alle Weltprozesse rational durchdringen und erklären kann, kann er sich selbst verantworten. Das moderne Menschenbild der Gegenwart ist in sich so autonom, dass es hier so gut wie keine Lücke mehr gibt, für die man Gott als eine notwendig begründende Instanz einsetzen könnte. Damit in Zusammenhang steht auch eine positive Rationalisierung des christlichen Glaubens. Mit der Möglichkeit, die Welt und alle darin befindlichen Naturprozesse naturwissen-schaftlich deuten und erklären zu können, ist der Glaube an innerweltliche Eingriffe Gottes in Form von Privatoffenbarungen und wundersame Deutungen von bis dahin unbekannten, als natürlich empfundenen Phänomenen zurückgegangen. Der Mensch ist durch seine Intelligenz innerweltlich völlig autonom und kann sich vollkommen selbst verwalten. Diese Tatsache kann man in Hinsicht auf die Freiheit des menschlichen Geistes durchaus als Fortschritt bezeichnen. Gleichzeitig wird aber auch einsichtig, dass Rationalität nicht alles sein kann, was den Menschen ausmacht. Er ist keine Maschine! Vielmehr findet er in seiner Selbsterkenntnis auch Eigenschaften vor, die sich nicht so einfach durch reine Rationalität beherrschen lassen. Darunter fallen Emotionen, wie Gefühle der Trauer, des Schmerzes, der Angst aber auch der Freude, des sexuellen Begehrens und der Lebenslust. Diese Emotionen mögen sich zwar durch die Vernunft ordnen, jedoch aber nicht unterordnen lassen. Als wesentliche Eigen-schaften menschlicher Existenz stehen sie mit der menschlichen Autonomie auf gleicher Ebene. Es handelt sich um Wesenseigenschaften, die den Menschen als rationales Wesen umfassen und über ihn hinausweisen. Man kann sie mit der Sprache Karl Rahners fortan auch mit „Existentialien“ bezeichnen.
2.1 Die Selbsterfahrung des Menschen als „Person“
Die Existentialien als wesentliche Eigenschaften des Menschen zeichnen diesen als „Person“ aus. Als solche ist er aktiv handelndes Subjekt. Gerade darin, dass er nicht nur seine Umwelt, sondern vor allem auch sich selbst erfassen kann, kommt seine Subjekthaftigkeit zum Vorschein. In der Analyse der profanen Humanwissenschaften wird der Mensch immer weiter reduziert auf ein Produkt der Evolution. Diese Analysen nehmen dem Menschen zunächst immer mehr von seiner Geheimnishaftigkeit und lassen ihn nach und nach als ein Ergebnis natürlicher Faktoren erscheinen. Aber gerade in der Tatsache, dass der Mensch es zulässt, sich selbst zu reduzieren ist er subjektive Person. In diesem Moment setzt er sich gerade – ob bewusst oder unbewusst – als derjenige, der eben mehr ist als etwa nur die Summe evolutiver Gegebenheiten. Anders gesagt: Im naturwissenschaftlichen Erforschen des Menschen an sich selbst handelt der Mensch auch in der Intention sein Wesen auf das bloße Ergebnis von Natur-prozessen zu reduzieren, ob gewollt oder ungewollt, als Person. Er tritt dabei mit sich selbst in ein Verhältnis. Damit wird bereits an dieser Stelle eine transzendentale Bewegung vollzogen.
Diese transzendentale Bewegung ist in diesem Moment noch gar nicht in einem philoso-phisch-metaphysischen Sinne zu verstehen. Sie ergibt sich allein aus der Tatsache, dass der Mensch in der Reflexion seiner selbst apriori aktives (Handlungs-) Subjekt ist und sich dadurch in ein Verhältnis zu sich selbst stellt. Rahner weist bereits im Ersten Gang seines GKG auf einen unendlichen Zyklus menschlicher Erkenntnis hin. Dabei wird der Mensch seinem endlichen System als dessen erkennendes Subjekt gegenübergestellt. Damit kann er also selbst nicht Element dieses endlichen Systems sein. Gerade in der Erkenntnis der Endlichkeit von Systemen aber wird durch das erkennende Subjekt der Rahmen für diese Endlichkeit abgesteckt. In diesem Moment tritt das erkennende Subjekt dem endlichen System gegenüber, indem es sich als ganzes gegenüberbringt und dadurch die Möglichkeit dieses endlichen Systems bereits wieder überholt. Dadurch, dass der Mensch in der Erkenntnis der Endlichkeit und Reduzierbarkeit von Denk- und Natursystemen als aktives Subjekt immer derjenige ist, der die Grenzen dieser Systeme zieht und damit die Endlichkeit setzt, tritt er mit sich selbst in ein Verhältnis, in dem er sich selbst überantwortet ist. In dieser seiner Selbstüberantwortetheit erfährt sich der Mensch nun in seiner geistigen Dimension. In der Erkenntnis der Endlichkeit greift der Mensch bereits über diese Endlichkeit wieder hinaus vor dem Hintergrund seines unendlichen Erkenntnishorizontes. Diese Bewegung lässt sich nun zyklisch auf unendliche Weise fortsetzen. Jede Antwort wirft neue Fragen auf und eröffnet damit neue und weitere Horizonte, deren Endlichkeit aber immer durch den Erkenntnisprozess des Menschen überholt werden. Dieser sieht sich schließlich einer sich immer weiter öffnenden Unendlichkeit ausgesetzt, in die hinein er sich als fragendes Subjekt erfährt. Als immer weiter fragendes Subjekt setzt sich der Mensch vom Objekt seiner Erkenntnisse ab und steht diesem gegenüber. So kann er nicht etwa von diesem System einfach abgeleitet werden.[1] Damit ist die Selbsterfahrung des Menschen eine transzendentale Erfahrung, die ihn als ein unendliches Wesen auszeichnet. Als Elemente dieser Erfahrung kann man nun das Bewusstsein von Gebürtigkeit, von Körperlichkeit, von Sorge, von Schuld, von Verantwortung und letztendlich von der eigenen Sterblichkeit sehen. Als menschliche Existentielien bilden sie zusammen die transzendentale Verfasstheit des Menschen auf ihn selbst hin. Diese Selbstverantwortetheit des Menschen ist es letztlich, die ihn nun als „Person“ ausweist. Der Begriff der Person fasst das Wesen des Menschen in seiner Geistigkeit und seinem Bei-sich-selber-Sein in Bewusstheit zusammen und markiert so gleichsam seine unendliche Dimension.[2] Der Begriff der Person meint weiter auch die je ganz individuelle Einzigartigkeit eines jeden Menschen und hebt sich damit von der Ebene der menschlichen Natur ab, die eher das allen menschlichen Individuen Gemeinsame bezeichnet. In der transzendentalen Bewegung des Menschen wird er im theologischen Gang Karl Rahners als Leitbegriff noch mehrmals begegnen.
2.2 Die transzendentale Erfahrung der Freiheit
Die Selbsterfahrung als Person eröffnet den Raum für eine weitere transzendentale Größe. Sich als aktives Subjekt im Erkenntnisprozess selbst überantwortet zu sein bedingt den Raum der Freiheit. Diese Erfahrung von Freiheit kann nun keine partikulare Eigenschaft des Menschen sein, worauf Rahner im Ersten Gang hinweist (GKG 1, 46f.). Sie ergibt sich als notwendige Konsequenz aktiver Subjekthaftigkeit. Als solche ist sie der Ereignisraum subjektiven Handelns. In diesem Sinne kann eine solche Erfahrung von Freiheit auch nicht auf die Methoden empirischer Wissenschaften zurückgeführt werden, in denen ein Phänomen je auf ein anderes Phänomen zurückgeführt wird. Für Rahner widerspricht geradezu eine derartige Analyse dem eigentlichen Wesen von Freiheit (GKG 1, 46). Freiheit wie sie hier im transzendentalen Sinne gemeint ist, lässt sich nicht einordnen in ein Systemdenken innerhalb des menschlichen Bewusstseins. Freiheit und Verantwortlichkeit können nicht erforscht werden, sondern gehen ebenfalls diesem Erkenntnisprozess bereits immer schon voraus. Das bedeutet weiter, dass diese hier wesentliche Form von Freiheit unabhängig subjektiven Zustimmens oder Ablehnens dem Menschen immer schon vorausgesetzt ist. Eine solche transzendentale Freiheit ist beständig. Auch wenn sie angezweifelt wird oder in der alltäglichen Erfahrung nicht immer sichtbar erscheint, findet sich das erkennende und reflektierende Subjekt a priori in ihr vor.
Die Transzendenzerfahrung der Freiheit als Bedingung der Möglichkeit subjektiven Handelns spiegelt sich in ihrer Polarität zwischen der Ursprünglichkeit und der kategorialen Objektivation (GKG 1, 47). Um den Menschen in seiner Ganzheit erfassen zu können ist es notwendig, auch die raum-zeitlichen Freiheitserfahrungen als mögliche Äußerungen der trans-zendentalen Ursprungserfahrung von Freiheit in die theologisch-anthropologische Überlegung miteinzubringen. Die Freiheit jetzt nur aus ihrer transzendental-verborgenen Seite heraus zu deuten wäre ebenso eindimensional wie sie allein als Ergebnis auf empirische Synthesen zurück zu führen. Eine theologische Anthropologie, die den Menschen in seiner Ganzheit und als Einheit erfassen will, muss bei der Ergründung der transzendentalen Ursprungserfahrung auch jene Erfahrungen der konkret fassbaren Wirklichkeit miteinbeziehen. Wenn man unter transzendentaler Erfahrung die Bedingung der Möglichkeit innerweltlicher Erfahrungen versteht, muss es hier Zusammenhänge geben. Freiheit in ihrer ganzheitlichen Dimension reflektiert sich selbst innerhalb dieser Polarität. Als solche bleibt sie in sich immer verborgen, da sie sich in ihrer Reflexion zunächst nur auf die innerweltlichen Objektivationen beziehen kann. Rahner unterscheidet daher zwischen einer Freiheit im Ursprung und einer Freiheit in ihrer welthaften konkreten Inkarnation. Diese beiden Momente können nicht voneinander getrennt betrachtet werden, sondern sie bedingen einander und bilden so die eine Einheit der Freiheit (GKG 1, 48). Der transzendente Moment dieser einen Freiheit kann dabei jedoch nur erfahren, nicht aber reflektiert werden. Er vollzieht sich aber in den innerweltlichen Freiheits-erfahrungen mit und wird darin konkret. Die transzendentale Freiheit ist also nicht weltlos und nur rein geistig zu begreifen. Sie ereignet sich in den einzelnen freiheitlichen Handlungen des Menschen in Raum, Zeit und Geschichte, in die sie sich hineininkarniert. Die transzen-dentale Freiheit ergibt sich aus der Selbsterfahrung des Menschen als Subjekt und Person. Als solche ist sie unausweichlich jedem einzelnen vorgegeben. Selbst im Moment der Ablehnung dieser Freiheit durch den zweifelnden Menschen bleibt sie gegeben, indem der Mensch gerade im Akt der Ablehnung eine freie Stellungnahme einnimmt, welche eben aus jener ihm vorgegebenen ursprünglichen Freiheit hervorgeht. Der Mensch findet sich von Anfang an in dieser transzendentalen Freiheit vor, die ihn in seiner ganzen Existenz betrifft, in die er als Subjekt mit hineingenommen ist und zu der er sich verhalten muss. So ist das Objekt der Freiheit im Ganzen gesehen das Subjekt selbst. Alle partikularen Momente der Umwelt-erfahrung leiten sich von der transzendentalen Ursprungsfreiheit ab und sind nur insofern als „frei“ zu verstehen, als dass sie das in Raum und Zeit aktiv handelnde endliche Subjekt an es selber vermitteln.
2.3 Der Mensch als „transzendentales Ereignis“
Mit der Rede von der aktiv handelnden Subjekthaftigkeit des Menschen als Person, die sich in ihrem Handeln selbst erfährt, ist eine weitere Wesenseigenschaft menschlicher Existenz vor-gezeichnet: In seiner Selbsterfahrung, die dem Subjekt a priori immer schon vorausgeht, ereignet sich in diesem eine Erkenntniserweiterung. Das Subjekt wird somit selbst zu einem Ereignis. Wie ist nun eine solche „Ereignishaftigkeit“ am Menschen zu verstehen? Man könnte hier auf eine Definition im Sinne Heideggers zurückgreifen und darunter den Moment eines Geschehens verstehen, der sich dadurch Bedeutung aneignet.[3] Die transzendentale Bewegung der Selbsterfahrung ereignet sich am Menschen. Dabei stößt er an seine Grenzen und erreicht das, was seinen Platz unter dem Seienden auszeichnet. In diesem Moment wird der Mensch vom Seienden als dem Seienden (an sich) berührt. Es ist dieser als -Moment, in dem Sein wesentlich wird, und den Heidegger als „Ereignis“ bezeichnet. Dieser Moment, in dem der Mensch ist und wird bleibt aber nur ein vorübergehender Augenblick, d.h. der Mensch kann sich in diesem Moment nicht dauerhaft aufhalten. Er befindet sich jedoch in der Spur der momentanen Wesung. Der Mensch ist somit ereignet. Damit verbunden ist auch gleich seine Geschichtlichkeit. Die Selbsterfahrung des Subjekts in einer transzendentalen Bewegung ist daher immer auch geschichtlich verfasst.[4] Dieses Geschichtlich-Sein des Menschen hebt sich von seiner konkreten Geschichte in der Form ab, dass man darin ein Existenzial erkennen kann. Es ist also genau genommen nicht das Geschichtliche, was den Menschen existentiell auszeichnet, sondern sein Geschichtlich-Sein.
Als geschichtliches Wesen ereignet sich der Mensch immer weiter in einer transzenden-talen Bewegung. Er ist ein ständiges Ereignis in seine ursprüngliche Transzendenz hinein. Die Transzendenz, in die er sich hineinbewegt, geht ihm dabei ständig voraus, sodass er sie nie wirklich einholen kann. Es handelt sich hier zugleich um eine innerliche Ursprünglichkeit des Seins, dem sich das Subjekt eröffnet und als ausgesetzt erfährt. Konkreter könnte man in jeder Sorge, Angst, Trauer, Freude und Hoffnung des Menschen in seinem Alltag, die transzen-dentale Ereignishaftigkeit menschlicher Existenz erkennen. In diesem ereignishaften Moment erfährt sich das aktive Subjekt als passiv einer es umgreifenden Wirklichkeit ausgesetzt. Als geschichtliches Wesen ereignet sich der Menschen immer wieder neu in seinem Geöffnet sein auf das ihn umgebende transzendentale Sein, in dem er sich ständig vorfindet.
Mit der Annahme des Menschen als transzendentalen Ereignis wird eine Perspektive in das transzendentale Sein hinein eröffnet, die zumindest von der anthropologischen Seite her einen festen Anhaltspunkt bietet, über das zu sprechen, in dem sich der Mensch ständig unmittelbar vorfindet und was ihm gleichzeitig doch immer verborgen bleibt. Dabei kommt es nicht darauf an, den Versuch zu unternehmen, dieses transzendentale Sein in irgendeiner Weise zu definieren. Das Ereignis geht ständig einher mit der Erfahrung. Man kann es nicht begreifen, sondern nur erfahren. Das menschliche Ereignis ist hier die Reaktion auf das Fremde, das dem Menschen immer entzogen bleibt, das ihn aber gleichsam mithineinnimmt und in dessen unmittelbarer Nähe er sich befindet. Mit Hinblick auf Heidegger kann man hier zwischen Seiendem und Sein unterscheiden. Unter dem Seienden kann man das „Dasein“[5] menschlicher Existenz verstehen. Dieses Dasein des Menschen mit all dem was ihn ausmacht, d.h. mit all seinen Existentialien, darf mit cartesianischer Gewissheit angenommen werden. Die Suche nach einer Antwort nach dem Sein muss also bei diesem Seienden ansetzen, das nach dem Sinn von Sein fragt und dies nicht könnte, wenn es nicht schon ein zumindest implizites Wissen von ihm hätte. Der Zugang zum Sein ist im Ereignis des Menschen also kategorial vermittelt. Er kann sich durch seine Fähigkeit, sich dem Sein zu öffnen, diesem annähern – jedoch aber nie einholen. Das Wissen um dieses eine Sein ist dem Menschen in seiner Ereignishaftigkeit von vorn herein mitgegeben. Es befähigt ihn dazu, sich dem transzendentalen Sein zu öffnen.
2.4 Die Existentialien von Freiheit und Verwiesenheit
Indem sich der Mensch als Ereignis erfährt, stehen sich zwei Grundbefindlichkeiten gegen-über, die auf den ersten Blick sich zu widersprechen scheinen, in einem weiteren Sinne aber einander entsprechen. Beide zeichnen den Menschen in seiner Existenz aus und können daher als Existentialien verstanden werden: Es sind dies die autonome Freiheit des Subjekts einerseits und seine ständige Verwiesenheit, das es als transzendentales Wesen erfährt, andererseits. Zwischen diesen beiden Existentialien „ereignet“ sich die menschliche Existenz in einem fortlaufenden Prozess. Diese stehen sich nun aber nicht konträr gegenüber, wie etwa zwei Gegenpole, sondern sie bedingen einander. Indem sich das Subjekt des Menschen selbständig und frei in das ihm vorausgehende transzendentale Sein hineinbewegt, erfährt es sich gerade selbst in seinem Wesen, d.h. in seiner vollen und ganzen, einheitlichen Existenz. Diese Erfahrung vollzieht sich in der Verwiesenheit auf das transzendentale Sein und erhält dadurch erst seine eigentliche Autonomie. Der Freiheit wird die Verwiesenheit zur wesentlichen Eigenschaft. Inwiefern Freiheit eine verwiesene Freiheit bleibt, ohne dabei aufzuhören vollkommene Freiheit zu sein, wird für den weiteren Verlauf dieser theologisch-anthropologischen Überlegungen noch von entscheidender Bedeutung sein.
3. DIE SELBSTMITTEILUNG GOTTES AN DEN MENSCHEN
Die bisherigen anthropologischen Überlegungen haben den Menschen als ein transzendentales Wesen dargelegt, das einerseits aktiv-autonomes Subjekt ist, sich andererseits aber nicht selbst verdankt, sondern immer verwiesen bleibt auf eine ihm ursprüngliche Wirklichkeit des Seins. Der Mensch bleibt ihr immer ausgesetzt und ereignet sich in sie hinein immer wieder neu. Konkret vollzieht sich dieser Prozess in den einzelnen emotionalen Verfassungen des Menschen, die bereits als Ausdruck einer transzendentalen Bewegung gedeutet werden können, die das geistige Subjekt über es selbst hinausweisen. An dieser Stelle kann nun im folgenden Verlauf die Gottesfrage ansetzen.
3.1 Was wird mit dem Wort „Gott“ alles bezeichnet?
Das Wort „Gott“ ist fester Bestandteil unserer Sprache und begegnet uns darin immer wieder. Der alltägliche Gebrauch des Wortes „Gott“ tritt unmittelbar in fast allen Situationen unseres Lebens auf. Wir gebrauchen das Wort meist ganz selbstverständlich wenn wir uns grüßen und verabschieden. Wir verwenden es beispielsweise, wenn wir angespannt sind (z.B. „Oh mein Gott!“), wenn wir bestürzt sind (z.B. „um Gottes Willen!“) oder aber auch wenn wir erleichtert sind (z.B. „Gott sei Dank!“). Allein die Verwendung dieses Wortes in der Sprache zeigt an, dass wir damit all das bezeichnen, was uns in welcher Form auch immer emotional beeinflusst. Das Wort „Gott“ wird dabei wie selbstverständlich bewusst oder unbewusst verwendet, unabhängig davon, ob man religiös ist oder nicht. Es scheint so vertraut, dass wir damit von vornherein alle unsere Emotionen und Gefühlslagen verbinden und das zunächst noch völlig unabhängig davon, ob wir uns in Form eines religiösen Bekenntnisses an dieses Wort binden. Das Wort „Gott“ begegnet uns im Sprachgebrauch meist immer da, wo wir uns selbst gegenübergestellt sind oder auf uns selbst zurückgeworfen werden. Es taucht wie von selbst da auf, wo wir – meist emotional – über uns hinausverwiesen werden.
Da das Wort „Gott“ in unserer Sprache schon von vornherein da ist zunächst und noch kein religiöses Bekenntnis meint, kommt diesem Wort auch eine sehr weit gefasste und vielschich-tige Bedeutungsebene zu. Im Unterschied zu den anderen Bezeichnungen unserer Alltags-erfahrung kann es keinem bestimmten Gegenstand zugeordnet werden. Das Wort ist also nicht eindeutig zuzuordnen, sondern es ist vieldeutig. So bezeichnet es all das, was wir mit unseren eigenen Worten nicht mehr beschreiben können und damit auch alles, was über unsere Vor-stellungskraft hinausgeht, diese so zu sagen transzendiert. Da das Wort nun offensichtlich bei jedem Einzelnen von vorn herein auftaucht, ist anzunehmen, dass auch jeder Einzelne davon eine ganz individuelle Vorstellung hat, die mit einer je ganz eigenen individuellen Erfahrung verbunden ist. Man kann die Bedeutung des Wortes „Gott“ also nicht in dem Sinne allgemein festlegen, wie wir es mit Gegenständen unsere Alltagserfahrung tun, bei denen die genaue Zuordnung von Begriff und Gegenstand eindeutig fassbar ist und daher allgemein und verbindlich ausgesagt werden kann. Mit dem Wort „Gott“ verhält es sich anders. Hier ist der Begriff dasjenige, was jedem von uns unausweichlich vorgegeben ist. Rahner führt diesen Gedanken in seinen Meditationen über das Wort Gott noch weiter aus (GKG 2, 54 – 60). Das, was dieses Wort bezeichnet, kann allein auf sprachlicher Ebene nicht mehr eindeutig zugeordnet werden. Es handelt sich aber bereits hier um eine individuelle, umfassende Größe.
3.2 Menschliches Ereignis und göttliche Selbstmitteilung
Im bisherigen Verlauf war die Rede von einer transzendentalen Bewegung des Menschen, in der er sich als ein freies Wesen erfährt, das sich in Selbstbewusstsein selbst überantwortet ist. Rahner stellt diese menschliche Selbsterfahrung nun im Vierten Gang des GKG in den Kontext der Selbstmitteilung Gottes. Hierbei wird die anthropologische Deutung des Menschen als Ereignis zum Ansatzpunkt für den theologischen Gedankengang. Es stehen sich hier nun zwei Begriffe gegenüber, die aus ihrer Bedeutungsperspektive auf das Gleiche hin-weisen: Der anthropologisch erschlossene Begriff „Ereignis“ und der nun einsetzende theologisch zu deutende Begriff der „Selbstmitteilung“. Beide meinen in ihrer Aussage den gleichen Gegenstand, so dass man in etwa sagen kann: Ereignis ist Selbstmitteilung. Rahner definiert den Begriff der Selbstmitteilung in einem derart ontologischen Sinn, wie er dem Wesen des Menschen als freies Subjekt zukommt. Somit können alle anthropologisch bestimmten Wesenseigenschaften des Menschen auf den theologischen Begriff der Selbstmit-teilung hin gedeutet werden, bzw. mit diesem theologisch umschrieben werden. Davon heraus lässt sich nun der Satz ableiten: Der Mensch, der sich ereignet, ist zugleich Ausdruck der Selbstmitteilung Gottes. Die ontologische Gleichsetzung der beiden hier gegenübergestellten Begriffe hat zur Folge, dass Selbstmitteilung Gottes nun nicht etwa ein Offenbarwerden göttlicher Wesenseigenschaften meint, sondern wirklich wortwörtlich als Selbst -Mitteilung zu verstehen ist. Gott teilt also nicht nur einen Teil von sich mit, sondern sich selbst in seiner Ganzheit und in seinem innersten Sein. Ereignis und Selbstmitteilung gehören also fest zusammen und sind eng aufeinander hin geordnet.
Selbstmitteilung Gottes besagt also, dass das Mitgeteilte wirklich Gott in seinem eigenen Sein und so gerade die Mitteilung zum Erfassen und Haben Gottes in unmittelbarer Anschauung und Liebe ist. Diese Selbstmitteilung bedeutet gerade jene Objektivität der Gabe und der Mitteilung, die der Höhepunkt der Subjektivität auf Seiten des Mitteilenden und des Empfangenden ist.
GKG 4, 124
Die Selbstmitteilung Gottes ist also eine ontologische und dementsprechend als ein total seinshaftes Offenbarwerden des göttlichen Wesens zu verstehen. Das Objekt dieser Selbst-mitteilung ist nun sowohl für den Mitteilenden (Gott) als auch für den Empfänger (Mensch) in gleicher Weise Höhepunkt der Subjektivität und damit Ausdruck der je eigenen Freiheit und Selbstüberantwortetheit. Das Ereignis des Menschen in seiner Freiheit und seinem sich selbst aufgegeben sein mündet so zu sagen in eine unmittelbare Anschauung Gottes in eben diesen Kategorien.[6] Der Geber ist also selbst auch die Gabe, wie Rahner im weiteren Verlauf des Vierten Ganges betont (GKG 4, 126).
Ereignis und Selbstmitteilung lösen sich aber dennoch nicht in eine einzige Einheit der un-mittelbaren Anschauung Gottes auf, sondern bleiben weiterhin dialogisch gegenübergestellt. Die Freiheit des Menschen behält auch in der unmittelbaren Anschauung der göttlichen Freiheit ihre eigene autonome Berechtigung. Rahner spricht hier von der doppelten Modalität der Selbstmitteilung Gottes. Diese ist als Angebot an die Totalität der autonomen Freiheit des Menschen gerichtet, der weiter eigenständiges Subjekt bleibt und als Hörer des Wortes[7] nur aufgerufen ist, zu diesem Position zu beziehen und sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Damit ist diese bleibende Freiheit als Existential des Menschen ausgewiesen. Natürlich ist eine solche freie Annahme der Selbstmitteilung Gottes durch den Menschen getragen durch das Angebot Gottes. Als Ursprung der Wirklichkeit und allen Seienden ist Gott das dem Menschen vorausgehende Wovonher und Woraufhin, das die menschliche Transzendenz-fähigkeit erst ermöglicht und eröffnet. Freiheit, wie wir sie in ihrer ganzen Totalität kennen und erfahren dürfen, hat von hier aus ihren schöpferischen Ursprung und ist getragen von dem göttlichen Entschluss der Selbstmitteilung (GKG 4, 125). Die Annahme der Selbstmitteilung Gottes durch den Menschen wird dadurch selbst wieder zum Ereignis dieser selbst. Die ganze menschliche Existenz in ihrer freien und autonomen Subjektivität ist getragen von der göttli-chen Existenz. Diese erst ermöglicht die volle Freiheit und Autonomie des Menschen. Damit wird die göttliche Existenz in ihrer Selbstmitteilung zur Bedingung der Möglichkeit mensch-licher Freiheit und Autonomie.
3.3 Selbstmitteilung Gottes als existentielle Erfahrung von absoluter
Entzogenheit und unmittelbarer Zuwendung
Die Aussage Rahners über den Menschen als das Ereignis der göttlichen Selbstmitteilung beinhaltet eine direkte und unmittelbare Zuwendung Gottes an den Menschen einerseits, impliziert aber auch gleichsam die bleibende Entzogenheit Gottes für den Menschen. Dies zu bedenken ist im theologischen Sprechen über die Selbstmitteilung von entscheidender Bedeu-tung. Mit der Selbstmitteilung Gottes an den Menschen wird in erster Linie ein Bezugsver-hältnis zwischen Gott und Mensch hervorgehoben. Dieses Verhältnis kann durch Daten der christlichen Offenbarung konkretisiert werden und auf diese zurückgreifen (Dieser Weg führt über den Glauben). Die erfahrbare Anschauung Gottes in seiner Selbstmitteilug kann aber jetzt nicht mit der zwischenmenschlichen Erfahrung verglichen werden, sodass Gott auf personaler Ebene auf etwas kategorial einzelnes festgesetzt werden könnte, das sich eindeutig auf einen Gegenstand bezieht und sich von anderen Gegenständen abgrenzt. Selbstmitteilung Gottes kann hier nur so verstanden werden, dass es sich hierbei weiter um eine Gottes- erfahrung handelt, in der sich Gott selbst in eben seinen göttlichen Wesenseigenschaften mit-teilt. Diese bleiben weiterhin seine Unendlichkeit und Unfassbarkeit. Gott als jene Größe, die alle Existenz ermöglicht und ihr vorausgeht kann sich nie in ein Koordinatensystem des Menschen einfügen lassen, in dem er für den Menschen fassbar werden würde. Dies gilt hier in besonderer Weise auch für den Theologen! Was Selbstmitteilung Gottes hier meint, ist die Erfahrung des Menschen einer direkten und unmittelbaren Zugewandtheit der seiner Existenz vorausgehenden, sie transzendierenden und ermöglichenden Größe als sein Wovonher und Woraufhin. Diese Erfahrung ist für den Menschen in intimster Weise existentiell. Rahner sieht in der Fähigkeit des Menschen für diese unmittelbare und innige Gotteserfahrung ein wesentliches Existential des Menschen (vgl. GKG 4, 132-138). Die transzendentale Bewe-gung des menschlichen Subjekts mündet sozusagen in die Selbstmitteilung Gottes, in der Gott als der radikal andere und Entzogene aber eben als er selbst erfahren werden kann. Die transzendentale Bewegung des menschlichen Geistes und ihr Woraufhin heben sich in der Selbstmitteilung zu einer Einheit, welche sinnstiftend für ein gesamtes menschliches Leben werden kann, auf.
Um das Zueinander von Selbstmitteilung Gottes und dem Ereignis des Menschen einsichtig zu machen und theologisch zu deuten, spricht Rahner von einem Modell der formalen Ur-sächlichkeit (GKG 4, 127). Dieses erläutert er anhand einer Gegenüberstellung zur effizienten Ursächlichkeit, bei der sich das Bewirkte vom Wirkenden eindeutig unterscheidet, aus diesem hervorgeht und innerhalb unseres kategorialen Erfahrungsraumes für uns fassbar und einsich-tig ist. Bei der formalen Ursächlichkeit hingegen verhält es sich anders: Hier wird von einem Seinsprinzip ausgegangen, von dem sich alles Seiende ableitet.[8] Das Seinsprinzip ist dabei an jedem einzelnen Subjekt konstitutives Moment. Das Prinzip teilt sich diesem Subjekt als dessen inneres Konstitutivum als es selbst mit. Dieses Modell einer formalen Ursächlichkeit eignet sich daher sehr gut, um das zu bezeichnen, was durch die Selbstmitteilung Gottes aus-gedrückt ist: Gott ist in unserer Erfahrung der Anschauung selbst ganz zugegen als inneres konstitutives Prinzip des Menschen. Für die formale Ursächlichkeit wesentlich ist, dass das Seinsprinzip im Akt seiner Selbstmitteilung nichts verliert oder abgibt an dem, was es wesent-lich ausmacht. Sie behält ihr eigenes Wesen in absoluter Unberührtheit und Freiheit ständig fort. Für die Selbstmitteilung Gottes bedeutet dies, dass Gott sich in ihr voll und ganz mitteilt, dabei aber nichts an seinen Wesenseigenschaften der Unverfügbarkeit, Unendlichkeit und bleibend verborgenen Geheimnishaftigkeit verliert. Anhand des Modells der inneren formalen Ursächlichkeit kann das Verhältnis Gottes zum Menschen unter der Bewahrung der totalen Freiheit auf beiden Seiten hinreichend dargestellt werden. Damit lässt sich das ontologische Wesen einer so verstandenen Selbstmitteilung plausibel darlegen. Gott bringt nichts aus sich hervor, das von ihm verschieden wäre. Er teilt vielmehr seine eigene göttliche Wirklichkeit an sein Geschöpf mit und macht es dadurch zum freien und autonomen Subjekt. Die Freiheit eines jeden endlichen Subjekts ist wesentlich in ihrem Sein auf das ihr ursprüngliche Subjekt als ihr konstitutives Seinsprinzip verwiesen. In der transzendentalen Bewegung des Men-schen, ist das absolute sein das eigentliche tragende Prinzip, in dem sich das transzendierende Subjekt von vorn herein vorfindet und sich in seiner ganzen Freiheit erst entfalten kann. Als tragendes Prinzip kann das absolute Sein (Gott) nun nicht nur ein Teil dieser transzendentalen Bewegung des endlichen Subjekts (Mensch) sein, sondern von vornherein deren tragender Grund, der als ihr Wovonher und Woraufhin nichts an seiner Erhabenheit und Einmaligkeit verlieren kann. Damit verbunden bleibt auch die Entzogenheit und bleibende Geheimnis-haftigkeit als ständig bleibendes Woraufhin des endlichen Subjekts auf dem Weg zu seiner Vollendung hin.
4. DER MENSCH ALS OBJEKT DER GÖTTLICHEN TRINITÄT
Die bisherige Analyse der Selbstmitteilung Gottes, wie sie sich anthropologisch erschließen und durch das christliche Credo konkretisieren lässt, weist eine innige Verbindung zwischen Gott und Mensch mit bleibender Wesensunterscheidung auf. Das Bezugsverhältnis einer formalen Ursächlichkeit bettet das Wesen des Menschen in das Wesen Gottes ein. Die Frage nach Gott geht dem Menschen in einer transzendentalen Bewegung immer schon voraus, indem der Mensch in ihr sich selbst in seiner Ganzheit und Totalität gegenübergestellt wird. Bevor er mit sich selbst anfängt, ist er schon immer der von Gott Gedachte und von Gott Voraus-Gesetzte. Der Mensch ereignet sich in einer direkten Selbstmitteilung Gottes, von der er getragen wird und die ihn wesentlich konstituiert. Dadurch drückt sich ein Beziehungs-verhältnis aus, welches das Wesen Gottes in seiner Selbstmitteilung weiter als ein Wesen der Beziehung in sich erschließen und konkretisieren lässt. Das christliche Symbolum weist das göttliche Wesen als Dreifaltigkeit aus, was darauf hindeutet, dass es sich dabei um ein Wesen handelt, das in sich selbst Beziehung ist. In seiner Selbstmitteilung lässt sich Gott in der christlichen Offenbarung als eben diese Beziehung in sich selbst, als das Zueinander von der Personen Vater, Sohn und Geist, erfahren. In dieser Form wird er für den Menschen durch die Haltung des Glaubens innig als absolute Zuwendung zugänglich. Die trinitarische Selbstmit-teilung in der christlichen Offenbarung lässt nun das Wesen Gottes natürlich eben nicht durchsichtig werden. Gott bleibt weiterhin und immer das größte und letzte Geheimnis. Es erlaubt jedoch im Folgenden konkretere Aussagen zu machen über das Beziehungsverhältnis zwischen Gott und Mensch.
4.1 Die soteriologische Neuausrichtung der Trinitätslehre
Die theologische Rede von der Selbstmitteilung Gottes hat für Rahner entscheidende Auswir-kungen auf die bis dahin bestehende Trinitätslehre. Damit verbunden ist eine dogmatische Neuakzentuierung der Begrifflichkeiten in ihren Aussagen. Damit werden die Konstruktionen und die Verwendung der Begrifflichkeiten der bisherigen Trinitätsspekulationen neu über-dacht und auf ihren eigentlichen theologischen Inhalt – gerade in Bezug auf den Menschen hin – überprüft (vgl. GKG 4, 140f). Rahner verweist darin auf die Gefahren einer rein „psychologischen Trinitätslehre“, welche zwar in sich plausibel und schlüssig sein mag, sich aber in Begrifflichkeiten verlieren kann, die im Kontext der Zeiten philosophisch auf ver-schiedenste Weise ausgedeutet werden können, und somit letztlich nur ein Gedankengebäude bleibt. Zieht man das anthropologisch-theologische Bemühen in Betracht, muss es in der Trinitätslehre um eine neue inhaltliche Grundausrichtung gehen. Dabei muss der Schwerpunkt auf das „warum“ und „wozu“ dieser Begrifflichkeiten gerichtet werden. Es kann nicht nur darum gehen, das innere Leben Gottes erklären zu wollen, sondern durch die Erschließung des Wesens Gottes als in sich trinitarische Beziehung im Rahmen seiner innigsten Selbstmitteilung, das Bezugsverhältnis zum Menschen herauszustellen (GKG 4, 141). Damit wird ersichtlich, was die Rede von der Dreifaltigkeit Gottes eigentlich im Kern meint: Die heilsgeschichtliche Vollendung des Menschen. Die Trinitätslehre kann und will nichts von der bleibenden Geheimnishaftigkeit des Wesens Gottes preisgeben, aber sie bezeichnet eine zutiefst existentielle Aussage über den Menschen. Diese wird wiederum zum theologischen Ansatzpunkt, der es erlaubt „positiv“ über das Wesen Gottes zu sprechen. Trinitätslehre wird also hier mit der Soteriologie verknüpft. Das dreifaltige Wesen Gottes steht nicht nur für sich allein, sondern nimmt Bezug zum Geschöpf. Anders herum sind Aussagen über das Wesen der Dreifaltigkeit nur möglich, weil diese eben aus der Selbstmitteilung hervorgeht und einen eschatologischen Heilsweg für den Menschen bezeichnet.
4.2 Die heilsgeschichtliche Trinität als immanentes Konstitutivum menschlicher Existenz
Rahner geht sogar so weit, dass er die heilsgeschichtliche Trinität als „immanent“ (innergöttlich) bezeichnet (GKG 4, 141), da Gott sich in seiner Selbstmitteilung dem Geschöpf als er selbst in seiner Trinität mitteilt und so zum konstitutiven Element menschlicher Existenz in der ihn umgebenden Welt wird. Die innergöttliche Trinität wird mit der Heilsökonomie gleichgesetzt. Rückgreifend auf die Offenbarung in den biblischen Texten lässt sich aufzeigen, dass es sich hier nicht um das Auftreten gottvertretender Mächte und Vermittlungsinstanzen wie etwa Engel handelt, sondern der eine Gott selbst und unmittelbar. In der Person Jesu Christi tritt er in unsere immanente Welt ein und wird ein physisch fassbarer Teil von ihr. Er tritt unmittelbar in die Umwelt und den Lebensraum des Menschen ein. Durch die Selbstmitteilung Gottes als dreifaltiges Wesen an die Welt wird ein Bezugsverhältnis zur Welt und in der Welt herausgestellt. Rahner beschreibt im GKG dieses immanente Bezugsverhältnis der drei göttlichen Personen in der Welt und am Menschen folgendermaßen:
Insofern er (Gott) als das und vergöttlichende Heil in der innersten Mitte des Daseins eines einzelnen Menschen angekommen ist, nennen wir ihn wirklich und in Wahrheit „Heiliges Pneuma“, „Heiligen Geist“. Insofern eben dieser eine und selbe Gott in der konkreten Ge-schichtlichkeit unseres Daseins streng als er selber für uns in Jesus Christus da ist – er selber und nicht eine Vertretung – nennen wir ihn „Logos“ oder den Sohn schlechthin. Insofern eben dieser Gott, der als Geist und Logos so bei uns ankommt, immer der Unsagbare, das heilige Geheimnis, der unumfassbare Grund und Ursprung seines Ankommens in Sohn und Geist ist und sich als solcher behält, nennen wir ihn den einen Gott, den Vater.
GKG 4, 141
Rahner versteht hier die Dreifaltigkeit Gottes als drei verschiedene Modi der Selbstmitteilung an den Menschen. Damit ist auch zugleich ausgesagt, dass Gott sich nicht als eine Art „Dreipersönlichkeit“ mitteilt, sondern darüber hinaus sich selbst in drei Personen. Jede dieser drei Personen erscheint in ihrem heilsgeschichtlichen Wirken als diejenige, die sie aufgrund ihres innertrinitarischen Ursprungs ist und verbindet sich so mit der Person des Menschen auf eine je ganz individuelle und konstitutive Weise. Gott verhält sich zum Menschen dreifaltig. Die Proprietäten von Vater, Sohn und Geist bezeichnen nicht nur allein das innergöttliche Beziehungsverhältnis, sondern sie nehmen direkten und existentiellen Bezug zum Menschen als Geschöpf allgemein und so auf jede individuelle Existenz einer menschlichen Person. Der Mensch wird in dieses innertrinitarischen Beziehungsgeschehen mithineingenommen. Dieses dreifaltige Verhältnis ist nun nicht etwa ein Abbild der inneren Trinität, sondern eben diese selbst.[9] Mit dieser Gleichsetzung von heilsgeschichtlicher und immanenter Trinität ist die volle Anwesenheit Gottes in der Welt radikal ausgesagt. Die Dreifaltigkeit Gottes wird auf den Menschen hin geöffnet. Der Vater teilt sich ihm im Sohn durch den Heiligen Geist selbst mit. Diese gnadenhafte Selbstmitteilung macht Gott als den Geber selbst zur Gabe. In dieser (Gottes-)Erfahrung der Dreifaltigkeit hat sich dem Menschen das innerste Wesen Gottes bereits gezeigt. In der Dreifaltigkeit Gottes wird ein dynamisches innergöttliches Beziehungs-ereignis offenbar, das deutlich macht, dass es sich hierbei auch um ein Wesen von endgültiger Lebendigkeit handelt. Gott lässt sich nicht als eine nur in sich ruhende tote und leere „Einerleiheit“ (vgl. GKG 4, 142) erfahren, sondern als immerwährende Dreifaltigkeit. Für die Selbstmitteilung ist die Trinität für Rahner notwendig. Nur durch sie kann man hinreichend von Gott als dem „bleibenden heiligen Geheimnis, als dem unumfassbaren Grund und den transzendierenden Dasein des Menschen sprechen, für den er nicht nur der Gott unendlicher Ferne ist, sondern der Gott absoluter Nähe in wahrer Selbstmitteilung (Rahner GKG 4, 142).“
Gott wird dadurch immanent für uns und unsere Welt und ist in einer jeden Tiefe der geistigen Existenz eines Menschen von vorherein gegeben und „da“.
Die Erfahrung der göttlichen Dreifaltigkeit geht dem Menschen als erkennendem Subjekt bereits immer schon voraus, indem sie ihn nun sich selbst in seiner Ganzheit gegenüberstellt, ihn über sich hinausweist und so transzendiert. Damit wären wir wieder am Anfang dieser anthropologisch-theologischen Überlegungen – nun auch in theologischer Hinsicht – angelangt. Dabei wird deutlich, dass hier anthropologisches reden über die menschliche Existenz eng einhergeht mit dem theologischen Sprechen über diesen. Durch die Immanenz der göttlichen Selbstmitteilung an den Menschen findet sich Gott selbst schon immer in jeglichem anthropologischen Sprechen vor. Er wird radikal in den Lauf der Weltgeschichte und der des Menschen verortet. Darin sah vor allem Hans Urs von Balthasar (1905-1988) die Gefahr, dass Gott auf diese Weise so in den Weltprozess eingebunden werde, dass es ihm drohe, von diesem verschlungen zu werden.[10] Die immanente, innergöttliche Trinität würde sich bei einer absoluten Gleichsetzung mit der ökonomischen Trinität in den Weltprozess hinein auflösen und zu viel an ihrer verborgenen Geheimnishaftigkeit verlieren. Natürlich darf sich die immanente Trinitätslehre nicht an der Selbstmitteilung zur menschlichen Person erschöpfen, indem sie für jede weitere theologische Rede als selbstverständlich, ein- und durchsichtig vorausgesetzt wird. Über Gott und seine Dreifaltigkeit zu sprechen bedeutet immer über ein absolutes Geheimnis und damit das zu sprechen, was dem Menschen immer vorausgesetzt ist, ihm zwar radikal zugewandt aber eben auch genau so radikal entzogen bleibt. Die besondere Qualität der rahnerschen Trinitätslehre ist ihre anthropologisch-theologische Aussage über die radikal- personale Zuwendung Gottes an den Menschen, den er als Adressaten und Hörer seiner selbst bestimmt und gewollt hat.[11] Jeder Mensch hat daher unmittelbaren Zugang zum dreifaltigen innergöttlichen Beziehungsgeschehen, da sich Gott in seine Existenz eingestiftet hat. Rahner spricht daher auch vom übernatürlichen Existential eines jeden menschlichen Wesens.
4.3 Die Bestimmung des Menschen zu einem Wesen der Liebe durch die Trinität Gottes
Das christliche Symbolum, auf dem Rahner seine Theologie aufbaut, weist den trinitarischen Gott als einen Gott der Liebe aus und damit als den Urgrund der Liebe selbst. In der Trinität wird Gott selbst zum Ereignis. Das innergöttliche Beziehungsgeschehen im Zueinander der drei Personen von Vater, Sohn und Geist, welches in der Selbstmitteilung erfahren wird, lässt uns Gott als eine zutiefdt dynamische Größe erschließen. Der Vater zeugt den Sohn und beide hauchen den Geist. Die jeweils eigenen Proprietäten der einzelnen göttlichen Personen, wie sie die Dogmatik lehrt, bezeichnen ein Verhältnis, die sie eindeutig der anderen Person zuordnet: Der Vater als der geliebte Ursprung, der Sohn als vom Vater gezeugt, der Geist als von Vater und Sohn gehaucht. Die Einheit besteht in der gegenseitigen Beziehung. Diese besteht in einem gegenseitigen Nehmen und Empfangen als Ganzhingabe. In diesem personalen Austausch gegenseitigen Gebens und Nehmens ereignet sich Liebe. Darin besteht eine innere Dynamik der Liebe, die konstitutiv wird für die aus ihr hervorgehende Schöpfung und damit auch für den Menschen. Durch den Unterschied in den drei Proprietäten der drei göttlichen Personen werden innertrinitarische Differenzen im innergöttlichen Beziehungs-verhältnis markiert. Erst durch diese Differenzen kann sich eine innere Dynamik der Liebe ereignen, die keine starr in sich ruhende Einheit bezeichnet, sondern eine lebendige Einheit, die in ihrer Vollkommenheit offen ist, ihr Ereignis der Liebe weiterzugeben. Durch die Dynamik zwischen den Differenzen wird einer Wirklichkeit Raum gegeben, die aus diesem göttlichen Zueinander der drei Personen hervorgeht und sich von diesen unterscheidet. Darin kann man in etwa nun die geschöpfliche Wirklichkeit des Menschen sehen, der aus dem göttlichen Ereignis als autonomes Wesen hervorgeht, dessen konstitutives Prinzip göttliche Selbstmitteilung ist.[12] Wendet man hier das Prinzip dr formalen Ursächlichkeit an, ergibt sich ein Gottesbild, das sich nicht am Menschen selbst konstituiert, so als würde es des Menschen bedürfen, sondern as in seiner inneren Dynamik den Menschen als freies Geschöpf aus sich hervorbringt und ihn an seiner Liebe teilhaben lässt. Die eingangs anthropologisch gedeuteten Wesenseigenschaften des Menschen wie Selbstverantwortung, Selbstüberantwortetheit und Freiheit sind in dieser Hinsicht dann Ausdruck der innergöttlichen trinitarischen Liebe als dessen konstitutives Prinzip.
Der Mensch in seiner vollen Freiheit und Autonomie verdankt seine Existenz also keiner Notwendigkeit. Die Freiheit des Menschen erklärt sich daraus, dass er in sich zweckfrei und nur um seiner selbst gewollt ist. Er ist weder Ergebnis einer willkürlichen Allmacht noch als Objekt notwendig um die trinitarische innergöttliche Liebe zu vollenden, sondern er geht aus der Liebe Gottes hervor, die ihn durch ihre Selbstmitteilung in ihr eigenes Wesen mithinein-nimmt. In der inneren Dynamik der Liebe des Vaters zum Sohn, die sich nicht erschöpft, sondern durch die trinitarische Vollkommenheit Überfluss nimmt, eröffnet sich ein Raum für „weitere Söhne“ und damit Raum für die Welt und für die Menschen.[13] Der trinitarische Gott im christlichen Credo ist keine Allmacht, die den Menschen niederdrückt, sondern das ursprüngliche Prinzip des Menschen, das ihn aus Gnade aber in voller Freiheit hervorbringt, ihn als autonomes Subjekt konstituiert und in seiner Existenz erhält. In seiner Selbstmitteilung zeigt sich Gott dem Menschen selbst in seinem innersten Wesen der Dreifaltigkeit und wird dadurch in seiner personalen Liebe für den Menschen in unmittelbarer Nähe erfahrbar. Gleichzeitig bleibt er in seiner göttlichen Ursprünglichkeit des Menschen als sein Wovonher und Woraufhin das letzte Geheimnis, das dem autonomen Geschöpf immer vorausgeht, indem es diese transzendiert. Die Fähigkeit dieser Einsicht in die göttliche Trinität von der Seite des Menschen her ist das übernatürliche Existential. Durch dieses erkennt sich der Mensch selbst in seiner eigenen Würde und darüber hinaus in seiner freien Verantwortung über sich selbst als ein Wesen der Transzendenz, das als solches gewollt ist.
4.4 Das Wagnis des Glaubens
Die Entscheidung des Menschen sich zum trinitarischen Gott zu bekennen ist also daher eine freie Entscheidung seiner selbst. Die Autonomie dieser Freiheit ist von Gott so gewollt, da er in seiner Liebe den Menschen in seiner Ganzheit und seiner Bereitschaft zur Ganzhingabe , die so nur vom Geschöpf selbst her kommen kann, anspricht. Die Ganzhingabe Gottes in seiner Selbstmitteilung hingegen ist von dieser Entscheidung unabhängig und geht dem Menschen schon am Anfang voraus. Das große Wagnis, sich auf das Angebot der Selbstmitteilung Gottes einzulassen kann nur der Glaube sein. Da Gott eben weiterhin das letzte Geheimnis als das endgültige Woraufhin der transzendentalen Bewegung des Menschen ist, kann es nur in der vollen Entscheidung des Menschen liegen, sich dem dreifaltigen Gott in dieser Weise anzuvertrauen. Dieser Schritt kann oftmals die größte Überwindung bedeuten. Die Frage nach Gott stellt sich gerade in Extremsituationen von Krisen in Erfahrungen von Sinnlosigkeit immer wieder neu. Gerade hier transzendiert sich der Mensch in Erfahrungen des Schmerzes oder der Angst über sich hinaus. Er versucht auch im Akt der Verzweiflung Halt zu finden. Greift nach einem letzten Sinn aus und vollzieht damit selbst im Akt der Ablehnung Gottes eine transzendentale Bewegung, die getragen ist von einem sinnstiftenden Grund. Dieser kann nicht durch Mittel der Einsicht, der menschlichen Ratio und Vernunft ergründet werden, sondern nur erfahren werden. Die Entscheidung zu glauben und sich in seiner Existenz dem dreifaltigen Gott anzuvertrauen wird für den autonomen Menschen von heute immer die größte Herausforderung und die weiteste reise bleiben.
Literaturverzeichnis:
Hans Urs von Balthasar, Theodramatik 2/2: Die Personen in Christus, Einsiedeln 1967.
Hans Urs von Balthasar, Pneuma und Institution, Einsiedeln 1974.
Heidegger, Martin, Sein und Zeit, Tübingen7 1953.
Kasper, Walter, Jesus Christus, Mainz 1974.
Kim, Yul, Selbstbewegung des Willens bei Thomas von Aquin, Grabmann Institutes, Band 51, Dissertation an der Universität Regensburg, Berlin 2007.
Rahner, Karl, Grundkurs des Glaubens, Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg i. Br. / München2 1976.
Rahner, Karl, der dreifaltige Gott als transzendentaler Urgrund der Heilsgeschichte, in: Feinr, Johannes u. a. (Hgg.), Mysterium salutis, Grundriss heilsgeschichtlicher Dogmatik, Band 2, Einsiedeln 1967.
Rahner, Karl, Lehmannn, Karl (Hg.), Sämtliche Werke Band 4, Hörer des Wortes, Schriften zur Religionsphilosophie und zur Grundlegung der Theologie, Zürich, Freiburg i. Br., Wien 1997.
Søren, Gosvig Olsen, Transzendentale Geschichte, Teil III, Museum Tuskulanum Forlag, Aus dem Dänischen übersetzt von Monika Wesemann, Kopenhagen 2000.
Vorgrimler, Herbert, Neues Theologisches Wörterbuch, Freiburg i. Br.6 2008.
Wildfeuer, Armin, Person I. Philosophisch, in LThK3 8 (2009), 43.
[1] Vgl. Rahner, Karl, Grundkurs des Glaubens (GKG), Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg i. Br. / München2 1976, Erster Gang 42f
[2] Der Begriff der Person leitet sich ab aus dem lateinischen persona bzw. dem griechischen πρόωπον, was eigentlich mit „Gesicht“ oder „Maske“ zu übersetzen ist. Die genaue Herleitung bleibt jedoch unklar. Als wahrscheinlich wird die Theorie der Herleitung aus dem etruskischen phersu (Maske) angenommen. Naheliegend ist die Verwendung dieser Bezeichnungen im antiken Theater. So wurde darunter vor allem die Maske eines Schauspielers verstanden, die seine genaue Eigenart kennzeichnete. Durch Sie sprach der Schauspieler während des Theaters und an ihr wurde die von ihm zu verkörpernde Rolle in Figur und Charakter deutlich. Vgl. Wildfeuer, Armin, Person I. Philosophisch, in: LThK3 8 (2009), 43; Vorgrimler, Herbert, Neues Theologisches Wörterbuch, Freiburg i. Br.6 2008, 490.
[3] Søren Gosvig Olsen, Transzendentale Geschichte, Teil III, Museum Tuskulanum Forlag, Aus dem Dänischen übersetzt von Monika Wesemann, Kopenhagen 2000, 21.
[4] Ebd. 21f
[5] Die Bezeichnung des Menschen als „Dasein“ geht zurück auf die Phänomenologie Martin Heideggers, in der es um das geht, „was sich zunächst und zumeist gerade nicht zeigt…, aber zugleich etwas ist, was wesenhaft zu dem, was sich zunächst und zumeist zeigt, gehört, so zwar, dass es seinen Sinn und Grund ausmacht.“ Es geht also darum, das Sein des Seienden zu erfassen. Schon in dieser Formulierung wird ein inniger Zusammenhang deutlich, der das einzelne Seiende in das Sein einbindet. Für Heidegger ist „Dasein“ gleichbedeutend mit dem Menschen als dem fragenden Subjekt. Heidegger, Martin, Sein und Zeit, Tübingen7 1953, 27.
[6] Rahner greift hier bereits schon an mehreren Stellen zurück auf die christliche Offenbarung und weist bei der Charakterisierung der Selbstmitteilung Gottes auf die Daten der katholischen Dogmatik hin. Dabei stellt er die unmittelbare Anschauung Gottes in engen Zusammenhang mit der Gnadenlehre, deren wichtigste Aufgabe er darin sieht, das Ziel und die Vollendung des Menschen in der unmittelbaren Anschauung Gottes herauszustellen. In diesem Zusammenhang würden sich aber auch Bezüge zur Eschatologie herleiten lassen vgl. GKG 4, 124.
[7] Verwiesen sei ihr auf das umfangreiche Werk dieses Titels: Rahner, Karl, Lehmann, Karl (Hg.), Sämtliche Werke Band 4, Hörer des Wortes, Schriften zur Religionsphilosophie und zur Grundlegung der Theologie, Zürich, Freiburg i. Br., Wien 1997
[8] Das Modell der formalen Ursächlichkeit lässt sich traditionsgeschichtlich zurückführen auf die aristotelisch geprägte Theologie des Thomas von Aquin (1225-1274), die innere formale Ursächlichkeit wird hier der Wirkursächlichkeit gegenübergestellt, darüber hinaus gibt es auch die finale Ursächlichkeit, welche sich ebenfalls weniger eignet, das ontologische Wesen der Selbstmitteilung zu beschreiben, vgl. Kim, Yul, Selbstbewegung des Willens bei Thomas von Aquin, Grabmann Institutes, Band 51, Dissertation an der Universität Regensburg, Berlin 2007, 189.
[9] Rahner, Karl, der dreifaltige Gott als transzendentaler Urgrund der Heilsgeschichte in : Feiner, Johannes u.a. (Hgg), Mysterium salutis, Grundriss heilsgeschichtlicher Dogmatik, Band 2, Einsiedeln 1967, 337.
[10] Hans Urs von Balthasar, Theodramatik 2/2: Die Personen in Christus, Einsiedeln 1978, 466.
[11] Rahner, Karl, der dreifaltige Gott als transzendentaler Urgrund der Heilsgeschichte, 376.
[12] Vgl. Hans Urs von Balthasar, Pneuma und Institution, Einsiedeln 1974, 33.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Hauptfokus des Dokuments?
Das Dokument untersucht das Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen, insbesondere im Kontext der Selbstmitteilung Gottes und der trinitarischen Theologie, basierend auf dem anthropologischen Ansatz von Karl Rahner.
Was sind die wichtigsten Themen, die im Dokument behandelt werden?
Die wichtigsten Themen umfassen: Der Mensch als transzendentales Wesen, die Selbstmitteilung Gottes an den Menschen, der Mensch als Objekt der göttlichen Trinität, die soteriologische Neuausrichtung der Trinitätslehre, die Existentialien von Freiheit und Verwiesenheit, und das Wagnis des Glaubens.
Wie beschreibt das Dokument den Menschen?
Der Mensch wird als ein transzendentales Wesen beschrieben, das zur Reflexion, Freiheit und Selbstverantwortlichkeit fähig ist. Er ist ein aktives Subjekt, das sich in einem ständigen Prozess der Selbsterfahrung befindet und sich in seinem Handeln selbst überantwortet ist. Der Mensch wird als ein Ereignis der Selbstmitteilung Gottes betrachtet.
Was bedeutet "Selbstmitteilung Gottes" im Kontext des Dokuments?
Selbstmitteilung Gottes bedeutet, dass Gott sich selbst, in seiner Ganzheit und in seinem innersten Sein, dem Menschen mitteilt. Es ist ein ontologisches Offenbarwerden des göttlichen Wesens, das den Höhepunkt der Subjektivität sowohl auf Seiten Gottes als auch auf Seiten des Menschen darstellt.
Wie wird die Trinität im Dokument dargestellt?
Die Trinität wird als die Beziehung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist dargestellt, als ein dynamisches innergöttliches Beziehungsgeschehen, das die Liebe Gottes konstituiert. Sie wird als ein konstitutives Element menschlicher Existenz betrachtet, durch das sich Gott dem Menschen in drei verschiedenen Modi mitteilt. Die Heilsgeschichtliche Trinität wird als Immanent bezeichnet.
Welche Rolle spielt der Glaube im Verhältnis zwischen Mensch und Gott?
Der Glaube wird als das Wagnis des Menschen dargestellt, sich auf das Angebot der Selbstmitteilung Gottes einzulassen. Da Gott weiterhin das letzte Geheimnis bleibt, ist es die freie Entscheidung des Menschen, sich dem dreifaltigen Gott anzuvertrauen.
Was sind Existentialien und welche werden im Text genannt?
Existentialien sind wesentliche Eigenschaften des Menschen, die diesen in seiner Existenz auszeichnen. Im Text werden genannt: Bewusstsein von Gebürtigkeit, Körperlichkeit, Sorge, Schuld, Verantwortung und letztendlich von der eigenen Sterblichkeit sowie Freiheit und Verwiesenheit.
Welche Philosophen und Theologen werden in diesem Dokument erwähnt?
Das Dokument erwähnt Karl Rahner, Martin Heidegger, Thomas von Aquin, Hans Urs von Balthasar, und Walter Kasper.
Was versteht Rahner unter dem Begriff "formalen Ursächlichkeit"?
Rahner verwendet den Begriff "formalen Ursächlichkeit", um das Verhältnis zwischen Gott und Mensch zu beschreiben. Im Gegensatz zur effizienten Ursächlichkeit, bei der sich das Bewirkte vom Wirkenden unterscheidet, ist bei der formalen Ursächlichkeit Gott als Seinsprinzip an jedem einzelnen Subjekt konstitutives Moment.
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- Maximilian Bekmann (Author), 2017, Der Mensch als das Ereignis der trinitarischen Selbstmitteilung Gottes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383380