Strategische Gründe für Patentrechtsstreite und Auswirkungen auf den Venture Capital Zyklus


Masterarbeit, 2014

126 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einführung

2 Besonderheiten der High-Tech Branche in den USA
2.1 Netzwerkindustrie
2.2 Patente als strategisches Mittel
2.3 Venture Capital Zyklus

3 Strategien und Motive für Patentrechtstreite
3.1 Raising Rivals Cost
3.1.1 Duopol mit Netzwerkeffekt
3.1.2 Duopol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt
3.1.3 Polypol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt - Sammelklage
3.1.4 Polypol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt - Einzelklage
3.2 Predation
3.3 Pure Money Making

4 Empirische Datenanalyse
4.1 Datenerhebung
4.2 Deskriptive Statistik
4.3 Korrelationen
4.4 Hypothesentest 1 & 2
4.4.1 Regressionsergebnis
4.4.2 Auswertung
4.5 Hypothesentest
4.5.1 Regressionsergebnis
4.5.2 Auswertung

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Entwicklung der Patentrechtstreit in den USA

Abbildung 2 Standardsettingverfahren in einer Netzwerkindustrie

Abbildung 3 Graphische Darstellung der Reaktionsfunktionen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Vor- und Nachteile eines Patentsystems

Tabelle 2 Zusammenfassende Darstellung der Effekte im Mengenwettbewerb

Tabelle 3 Deskriptive Statistik der Motive

Tabelle 4 Zusammenfassung der abhängigen Variablen

Tabelle 5 Statistische Grundlagen der abhängigen Performance Variablen

Tabelle 6 Statistische Grundlagen der unabhängigen Variablen

Tabelle 7 Korrelationsmatrix der unabhängigen Variablen

Tabelle 8 Zusammenfassende Darstellung der Regressionsergebnisse 1a-3b

Tabelle 9 Zusammenfassende Darstellung der Regressionsergebnisse 4a-6b

Tabelle 10 Gleichgewicht im symmetrischen Duopol

Tabelle 11 Duopol mit Netzwerkeffekt

Tabelle 12 Duopol mit Wettbewerbseffekt

Tabelle 13 Duopol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt

Tabelle 14 Duopol mit Netzwerk- und asymmetrischen Wettbewerbseffekt

Tabelle 15 Polypol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt - Sammelklage

Tabelle 16 Polypol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt - Einzelklage

Tabelle 17 Kategorisierung der Unternehmen im Datensatz

Tabelle 18 Zusammenfassende Statistik Teil 1

Tabelle 19 Zusammenfassende Statistik Teil 2

Tabelle 20 Zusammenfassende Statistik ohne NPE Teil 1

Tabelle 21 Zusammenfassende Statistik ohne NPE Teil 2

Tabelle 22 Korrelationsmatrix ohne NPE

Tabelle 23 Regressionsergebnis 1a

Tabelle 24 Regressionsergebnis 1b

Tabelle 25 Regressionsergebnis 2a

Tabelle 26 Regressionsergebnis 2b

Tabelle 27 Regressionsergebnis 3a

Tabelle 28 Regressionsergebnis 3b

Tabelle 29 Regressionsergebnis 4a

Tabelle 30 Regressionsergebnis 4b

Tabelle 31 Regressionsergebnis 5a

Tabelle 32 Regressionsergebnis 5b

Tabelle 33 Regressionsergebnis 6a

Tabelle 34 Regressionsergebnis 6b

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

Der Erfolg oder Misserfolg von Finanzinvestitionen in junge Startup Unternehmen ist für Risikokapitalgeber mit sehr großen Unsicherheiten verbunden. Die richtige Wahl der Investitionsprojekte ist für diese sogenannten Venture Capital Funds in den meisten Fällen der entscheidende Erfolgsfaktor um das ihnen überlassene Kapital mit einer satten Rendite auszustatten. Allerdings kann der Erfolg eines Startups auch maßgeblich erst durch die Expertise und Unterstützung einer solchen Beteiligungsgesellschaft bedingt sein.(Vgl. Baum und Silverman 2004, 1)

Am Beispiel der USA ist deutlich zu sehen, welche Bedeutung ein gut funktionierender Venture Capital Markt für eine Volkswirtschaft haben kann. Ein erheblicher Teil der großen Erfolgsgeschichten der amerikanischen Wirtschaft der letzten Jahrzehnte, darunter Firmen wie zum Beispiel Facebook, Twitter oder Google wurden in den frühen Phasen nach ihrer Gründung mit privatem Eigenkapital finanziert. Sie tragen einen erheblichen Teil zur Wertschöpfung bei und prägen darüberhinaus die heutige moderne Gesellschaft maßgeblich. So wichtig die Entwicklung innovativer Produkte, Verfahren und Geschäftsmodelle für das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft sind, genauso schwierig gestaltet es sich derartige neue Unternehmen mit innovativen Produkten und Ideen effizient zu finanzieren. Hohe Unsicherheit, lange Investitionszeiträume in denen das Kapital im Unternehmen gebunden ist, fehlende Sicherheiten für den Fall des Misserfolgs und asymmetrische Information zwischen Unternehmer und Investoren eröffnen zahlreiche Freiräume für opportunistisches Verhalten aller involvierten Parteien.(Vgl. Gebhardt und Schmidt 2002, 235-240)

Hinzukommend bestehen die Bilanzen der heutigen Großunternehmen und besonders die der jungen Startups nicht nur aus physischen Vermögenswerten, sondern vielmehr aus immateriellen Vermögenswerten. Mit fortschreitender Digitalisierung und Evolution der Wissensgesellschaft steigt die Bedeutung dieser immateriellen Vermögenswerte. Durch die Verwendung von Patenten, Marken, Geschäftsgeheimnissen und Urheberrechten wird ein Großteil der volkswirtschaftlichen Produktion erzeugt. Im Jahr 1975 entfielen nur 17 Prozent des Marktwertes der gelisteten S&P 500-Unternehmen auf immaterielle Vermögenswerte. Im Gegensatz dazu stieg dieser Wert bis zum Jahr 2010 auf 80 Prozent der Marktkapitalisierung an.(Vgl. Gebhardt und Schmidt 2002, 235-240)

Besonders die Bedeutung von Patenten und intellektuellem Eigentum hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Studie von PWC aus dem Jahr 2013 macht diese Entwicklung deutlich und kommt zu dem Schluss, dass auch das Risiko für Unternehmen in Patentrechtstreite verwickelt zu werden gestiegen ist. Gerade in den USA ist eine starke Zunahme von Patentrechtstreiten erkennbar. Betrachtet man die letzten zwanzig Jahre so ist die Anzahl an Rechtstreiten seit 1991 um 6,4% p.a. gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist hingegen die Anzahl der gewährten Patente nur um 4,5% p.a. gestiegen, was einen Teil des Anstiegs erklärt jedoch weitere Faktoren für diesen Trend verantwortlich sein müssen.(Vgl. „2013 Patent Litigation Study“ 2014, 6)

Abbildung 1 Entwicklung der Patentrechtstreite in den USA

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Patente als ein verbrieftes Recht auf geistiges Eigentum sind heutzutage wie schon erwähnt wertvolle und wichtige Vermögenswerte in nahezu allen Branchen. Insbesondere in der High-Tech Branche der USA mit den Bereichen Medizintechnik, Biotechnologie, Pharmazie, Telekommunikation, Halbleiter- und im Speziellen der Softwareindustrie. Patente sind per Definition nach „PORTERs Five Forces“ Markteintrittsbarrieren zur Absicherung hart erkämpfter Marktanteile und für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens essentiell. Die

Schadensersatzforderungen in Folge von Patentrechtsverletzungen zwischen Firmen wie beispielsweise Apple und Samsung erreichen mittlerweile Milliarden Beträge.

Gleichwohl nehmen nicht nur Rechtstreite zwischen direkten Wettbewerbern im Produktmarkt zu. In der jüngsten Vergangenheit kam es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und sogenannten „Non-Practicing- Entitites“, kurz NPEs. Der Rechtstreit BlackBerry Limited vs. NTP Inc. ist eines der bekanntesten Beispiele für Patentrechtstreite mit NPE Beteiligung. Der kanadische Hersteller und Vermarkter von Kommunikationssystemen BlackBerry zahlte in Folge des Patentrechtstreits die einmalige Rekordsumme von 612,5 Millionen USD an den Patenttroll. Rechtsexperten sind der Meinung, dass Fehler im Patentsystem für diese Entwicklungen verantwortlich sind und es dadurch NPEs ermöglicht wird Ansprüche gegen produzierende Unternehmen durchzusetzen und damit zu großen Wohlfahrtverlusten führen.(Vgl. Shapiro 2006, 1-3)

Die zunehmend stärkere Bedeutung von Patenten und das Aufkommen von NPEs werden zum Anlass genommen die unterschiedlichen strategischen Motive und die Wirkungsweise auf die Venture Capital Finanzierung junger Startup Unternehmen durch Patentrechtstreite zu untersuchen. Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt, dass Startups die in mindestens einem Patentrechtstreit verwickelt wurden und im direkten Produktwettbewerb mit dem Patenthalter stehen durchschnittlich weniger Finanzierungsvolumen erhalten. Die Marktkonzentration und damit die Wettbewerbsintensität innerhalb einer Industrie in der das Startups aktiv ist weisen einen statistisch positiv korrelierten Zusammenhang mit einem erfolgreichen Exit auf. In den Fällen, in denen ein NPE involviert ist, ist wiederum ein positiver Zusammenhang der Marktkonzentration auf das Finanzierungsvolumen und einen erfolgreichen Exit erkennbar. Ein direkter Einfluss von NPEs auf den Erfolg von Startups ist nicht zu erkennen.

Die Masterthesis gliedert sich neben der Einleitung in zwei Hauptkapitel. Im ersten Teil werden theoretische Grundlagen diskutiert, um das Verständnis für die spätere empirische Analyse zu schaffen. Da der Datensatz ausschließlich aus Beobachtungen zu Venture Capital finanzierten Unternehmen besteht, die im Laufe des Venture Capital Zyklus in einen Patentrechtstreit verwickelt wurden, werden zunächst die Besonderheiten der US High-Tech-Industrie als Beispiel für eine Netzwerkindustrie, die Funktionsweise eines Patentsystems und die Besonderheiten eines Venture Capital Zyklus verdeutlicht. In Kapitel 3 folgt eine spieltheoretische Betrachtung der strategischen Motive für Patentrechtstreite aus Sicht des Patenthalters und schließt die theoretische Sichtweise ab. Im zweiten Teil der Arbeit werden die aus der Theorie abgeleiteten Hypothesen anhand eines einzigartigen Datensatzes, welcher umfangreiche Informationen zum Startup, dem Patenrechtstreit, der Finanzierungshistorie und den Gegenparteien liefert, empirisch in Kapitel 4 überprüft. Abschließend werden in Kapitel 5 die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick über mögliche Erweiterungen gegeben.

2 Besonderheiten der High-Tec h Branche in den USA

Im folgenden Kapitel werden die Besonderheiten der High-Tech-Industrie in den USA als ein Beispiel für eine Netzwerkindustrie erläutert. Beginnend mit den Eigenschaften einer Netzwerkindustrie in Kapitel 2.1, welche ebenfalls Anwendung im strategischen Modell in Kapitel 3.2.1 finden, folgen die Besonderheiten von Patenten bzw. Patentsystemen in Kapitel 2.2. Anschließend werden die Eigenschaften und mögliche Auswirkungen auf Venture Capital Finanzierung durch Patente in Kapitel 2.3 diskutiert.

2.1 Netzwerkindustrie

Zu den klassischen Netzwerkindustrien zählen die Branchen Hardware, Telekommunikation, Kabelfernsehen, Luftfahrt, Eisenbahn, Softwareindustrie und Banken. Der im späteren Teil dieser Arbeit analysierte Datensatz, welcher aus insgesamt 286 Unternehmensbeobachtungen besteht, enthält ausschließlich Startup Unternehmen, die in der High-Tech Branche der USA tätig waren bzw. nach wie vor in dieser Branche agieren und daher zu diesen Kategorien eingeordnet werden können. In den letzten Jahren ist zudem die relativ neue Branche der „sozialen Medien“ als ein Musterbeispiel für Netzwerkindustrien hinzugekommen. Diese Industriezweige sind durch vier besondere Eigenschaften geprägt: Kompatibilität, Wechselkosten, Skalenerträge und positive Externalitäten. Alle vier Eigenschaften werden im Folgenden kurz erläutert.

Kompatibilität:

Um eine vertikale Kompatibilität von Produkten zu gewährleisten gibt es in vielen Industrien Produktstandards und Normen. Zur Einhaltung eines Standards sind Unternehmen oftmals nicht nur rechtlich verpflichtet, sondern auch aus gewinnmaximierenden Erwägungen interessiert, da mit jeder weiteren verkauften Einheit eines komplementären Gutes auch die Nachfrage nach dem eigenen Produkt steigt. Allerdings haben Unternehmen oftmals ein großes Interesse daran, die eigenen Technologie zum Industriestandard zu machen, da in Folge einer erfolgreichen Marktdurchdringung eine monopolistische Position erreicht werden kann.(Vgl. Shy 2001, 53-70)

Wechselkosten:

Wechselkosten bzw. der Lock-in-Effekt[1] entstehen beim Wechsel eines Konsument von einem Produkt zu einer Produktalternative eines anderen Herstellers bzw. wenn dieser wechseln möchte. Durch den Wechsel gehen produktspezifische Kenntnisse oder andere Vorteile die im Laufe der Zeit erworben wurden verloren. Die dabei entstehenden Kosten lassen sich in verschiedene Typen klassifizieren:

1. Vertragskosten: Nutzer können vertraglich verpflichtet werden bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter Schadenersatz oder Kompensationszahlungen an den bisherigen Anbieter zu leisten.
2. Lernkosten: Konsumenten haben sich im Laufe der Nutzung eines Produktes die spezifischen Nutzungsmethoden angeeignet. Diese Fähigkeiten müssen bei Wechsel zu einem anderen Produkt neu erlernt werden. Die Folge können zeitlich begrenzte Produktivitätsverluste und generelle Aufwandskosten zur Erlernung der neuen Fähigkeiten sein.
3. Datenanpassung'. Besonders im Bereich Software und soziale Medien sind Daten an ein bestimmtes digitales Format gebunden. Bei einem Wechsel ist eine Umwandlung der Daten notwendig, sodass die neue Software die alten und bestehenden Datensätze verwenden kann. Zudem sammeln sich im Laufe der Zeit immer mehr Daten an und somit steigen die Wechselkosten mit längerer Bindungsdauer ebenfalls.
4. Suchkosten'. Ein häufiger Grund warum Konsumenten ein Produkt nicht wechseln, sind die mit der Suche nach einer Alternative verbundenen Kosten und der Zeitaufwand. Diese Kosten entstehen bereits vor dem eigentlichen Wechsel und können beim erfolglosem Wechselversuch als versunkene Kosten angesehen werden.
5. Loyalität' Durch den Wechsel zu einem neuen Anbieter können bestehende bzw. erarbeitete Vorteile und Kundenbindungsprogramme, wie zum Beispiel das bekannte Vielfliegerprogramm bei Airlines nicht weitergeführt werden. Der Treuebonus muss daher in der Regel für jeden Anbieter neu aufgebaut werden.

Alle genannten Wechselkosten generieren starke Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten und im Besonderen einen „First-Mover-Advantage“ für innovative Unternehmen, da nachfolgende Konkurrenten gleiche Produkte nur zu einem niedrigeren Preis verkaufen können, der die Konsumenten für die entstehenden Wechselkosten kompensiert. Abwanderungsgefährdete Konsumenten können in Märkten mit homogenen Produkten daher durch erhöhte Wechselkosten innerhalb eines Produktstandards gehalten werden. Unter der Annahme vollständiger Informationen sollte ein etabliertes Unternehmen den Preis des Produktes so wählen, dass der Preis abzüglich Wechselkosten unterhalb der Grenzkosten potentieller Konkurrenten liegt. Somit kann ex ante der Markteintritt neuer Konkurrenten und somit direkter Wettbewerb verhindert werden und ein Profit über dem Duopolgewinn erzielt werden. Dies kann eine mögliche Strategie zur Implementierung einer Markteintrittsbarriere sein.(Vgl. Shy 2001, 188ff.)

Durch Adaption dieser theoretischen Modellannahmen kommt KLEMPERER (1987) allerdings zu einem gegensätzlichen Ergebnis. Anhand eines zwei Perioden Modells und unter der Annahme vollständiger Informationen, steigender Nachfrage, keiner Preisdiskriminierung und homogenen Konsumentenerwartungen konnte er zeigen, dass Wechselkosten zu einem „Second-Mover-Advantage“ führen können. In der zweiten Periode setzt das in den Markt eintretende Unternehmen, der sogenannte Entrant[2], den Preis unterhalb des etablierten Unternehmens, kurz Incumbent[3], um neue Kunden zu generieren. Aus Sicht des Incumbent ist es weiterhin rational das Preislevel zu halten, zu dem die eigenen Kunden keinen Anreiz haben abzuwandern. Bei Ausweitung des Spiels auf ein Mehrperioden Spiel mit steigender Nachfrage übersteigt auf lange Sicht der Gewinn des Entrant den Gewinn des Incumbent und liefert somit eine Gegenthese für Wechselkosten als ein Mittel für strategische Abschreckung potentieller Konkurrenten.(Vgl. Klemperer 1987, 375-378)

Skalenerträge:

Informationsindustrien, insbesondere die Softwareindustrie, die im verwendeten Datensatz 56% der Unternehmen repräsentiert, haben einzigartige Produktionseigenschaften. Die Entwicklung und Herstellung der ersten Produktionseinheit ist in der Regel mit sehr hohen versunkenen Forschungs- und Entwicklungskosten verbunden. Den sehr hohen Forschungs- und Entwicklungskosten folgen sehr niedrige Herstellungskosten nach erfolgreicher Produkteinführung auf dem Markt. Jede weitere Produktionseinheit zu replizieren kostet das Unternehmen einen verschwindend geringen Anteil im Vergleich zur Anfangsinvestition. Ökonomisch ausgedrückt ist die in Kapitel 4 zu analysierende Industrie durch hohe versunkene Kosten und gleichzeitig mit vernachlässigbaren Grenzkosten charakterisiert. Die durchschnittlichen Kosten reduzieren sich somit drastisch mit der Anzahl der verkauften Einheiten. Eine kostenbasierte Preisstrategie ist in solchen Industrien oftmals nicht anwendbar. Spieltheoretisch betrachtet bedeutet dies, dass ein Gleichgewicht in Wettbewerbssituationen nicht existiert und diese Märkte von einzelnen dominanten Marktführern geprägt sind. Ohne staatliche bzw. künstliche Eingriffe bilden sich in solchen Märkten natürliche Monopole heraus.(Vgl. Shy 2001, 53-70)
positive Externalitäten:

Positive Externalitäten treten vor allem in Netzwerken auf. Aktuellste Beispiele sind soziale Netzwerke wie sie heutzutage durch Facebook oder Xing betrieben werden. Diese Portale dienen zum Austausch von Informationen zwischen Nutzem. Würde das Portal nur von einem Individuum genutzt werden so wäre der Nutzen relativ gering. Kommen weitere Nutzer hinzu so steigt der Informationsaustausch und der Nutzen des gesamten Netzwerkes steigt gleichzeitig exponentiell. Folglich steigt der Nutzen durch den Konsum des Produkts für jeden einzelnen Konsumenten mit der Anzahl anderer Konsumenten die das gleiche Produkt nutzen. Dieser Effekt wird als positive Externalitäten bezeichnet. Weitere Beispiele aus dem Alltag sind Betriebssysteme auf dem PC, Spielekonsolen, eBay oder Google. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Plattformen, deren Wert mit der Anzahl der Nutzer steigt und positive Externalitäten erzeugt.(Vgl. Katz und Shapiro 1985, 424f.)

Abbildung 2 Standardsettingverfahren in einer Netzwerkindustrie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A bekommt die meisten Neukunden

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Shy (2001)

Bezogen auf ein Startup das auf einem neuen Markt agiert, stellt die gezeigte Abbildung den Netzwerkeffekt anschaulich dar. Kann das Startup zu Beginn die meisten Nutzer akquirieren, so besitzt das Unternehmen die größte Attraktivität für neue Nutzer und erhält die höchste Nachfrage. Die Anzahl der Nutzer steigt und das Produkt wird zum Standard in dem spezifischen Markt. Dieser Prozess wird stetig durchlaufen und potenziert sich im Laufe des Produktzyklus.(Vgl. Shy 2001, 81ff.)

Netzwerkindustrien erlauben nur selten die Koexistenz verschiedener Produkte. Meist setzt sich ein Produktstandard durch und beeinflusst somit das Verhalten von Unternehmen auf diesen Märkten. Bekanntes Beispiel ist der Kampf BlueRay vs. DVD. Der Grund für diese Tendenz ist die verstärkte Nachfragedynamik ausgelöst durch den Netzwerkeffekt. Inwiefern sich dadurch Märkte verändern hängt von den Erwartungen der Konsumenten über die Größe des Nutzernetzwerkes ab. Geht man von rationalen und uniformen Erwartungen aus so stellen sich zwei Gleichgewichte ein. Entweder alle Konsumenten adaptieren sich und nutzen ein spezielles Produkt oder sie nutzen es nicht. Dies spiegelt unter Annahme von rationalen Akteuren die beste Reaktion auf das Verhalten der anderen Konsumenten wieder.(Vgl. Shy 2001, 81ff.)

Wie bereits aufgeführt setzt sich in Netzwerkindustrien im zeitlichen Verlauf ein Standardsetter durch, dieses Unternehmen kann seinen Marktanteil bis hin zum Monopolisten ausbauen. Im Gegenzug wird der Marktanteil des Konkurrenten reduziert bis hin zum vollständigen Marktaustritt. Produktstandards sind jedoch nicht notwendigerweise das bessere Produkt, sondern der Nutzen ist durch beispielsweise vertikale Kompatibilität für den Konsumenten am größten. Hier stellt sich die Frage, inwiefern der Erfolg und Durchbruch einer Technologie durch eine kritische Masse an Nutzern als eine Art Katalysator bedingt ist. Ein berühmtes Beispiel für diese spieltheoretischen Überlegungen ist das Internet, über welches 1969 die erste E-Mail versendet wurde. Die breite Nutzung dieser Technologie startete aber erst Mitte der 1980 Jahre. Danach verdoppelten sich die Nutzerzahlen jährlich.(Vgl. Shy 2001, 81ff.)

Aber auch das jüngste Beispiel von Facebook zeigt wie sich ein Produkt, in diesem Fall ein soziales Netzwerk, als Standard durchsetzte. Nach und nach wurden die Konkurrenten aus dem Markt gedrängt und Facebook als dominierendes Netzwerk etabliert. Unter den Verlierern sind auch ehemals große deutsche Netzwerke. Im April 2013 wurde SchülerVZ geschlossen. Im darauffolgenden Jahr traf es Wer- kennt-Wen.(Vgl. Tournier 2014, 311ff.)

2.2 Patente als strategisches Mittel

Nach KONDRATIEV und SCHUMPETER sind Innovationen und technologischer Fortschritt der Antrieb für ökonomisches Wachstum. Um eine neuartige Kombination von Produktionsfaktoren und eine tatsächlich erfolgreiche Marktdurchdringung für neue Produkte zu erreichen müssen allerdings gezielt Anreize in der Gesellschaft implementiert werden um die Innovationstätigkeit zu forcieren. Unter der Annahme eines vollständigen Wettbewerbs und ohne ein funktionierendes Patentsystem kann ein Erfinder seine Innovation am Markt zu Grenzkosten verkaufen. Die in der Vergangenheit aufgewendeten und notwendigen hohen Investitionskosten für Forschung und Entwicklung können dadurch nicht über den Produktverkauf vereinnahmt werden. Der Barwert eines solchen Projektes ist negativ und ex ante besteht daher kein Anreiz für einen rationalen Akteur diese Projekte durchzuführen. Die Folge ist, dass Investitionen in Innovation nicht getätigt werden und es zum wirtschaftlichen Stillstand kommt. Aus diesem Grund ist ein funktionierendes Patentsystem essentiell für den Fortschritt einer Ökonomie. Ist ein Patentsystem in der Gesellschaft etabliert, erhält der Erfinder als Kompensation für seine zeitlichen, intellektuellen und monetären Aufwendungen ein zeitliches Monopol über mindestens 20 Jahre in dem er Übergewinne abschöpfen und so die entstandenen Kosten amortisieren kann. Die Gesellschaft profitiert im Gegenzug von einer frühzeitigen Wissensdiffusion und trägt die durch das Monopol entstehenden sozialen Kosten.(Vgl. B. H. Hall 2007, 1-4)

Dieses Kalkül war die Grundlage bei Einführung der ersten Patente im Jahre 1421 in Florenz Italien. Doch durch die heutigen modernen Wissensgesellschaften sind diese Situationen komplexer geworden. Zwei Faktoren bedingen eine neue Sichtweise auf das Patentsystem.(Vgl. Bronwyn H. Hall und Harhoff 2012, 4)

Zum einen sind heutige Innovationen kumulativ. Das bedeutet, dass sie auf bereits patentierten Innovationen der Vergangenheit fußen und Folgeentwicklungen sind. Zum anderen wird für die Herstellung eines neuen High-Tech-Produktes heutzutage eine Vielzahl an Patenten benötigt. Da diese Patente sehr stark fragmentiert sind und bei geplanter Verwendung mit jeder Partei eine Lizenzierungsvereinbarung getroffen werden muss, ist dies mit hohen zeitlichen und monetären Aufwendungen verbunden. Ein aktives und gültiges Patent kann dadurch Forschungsanreize zerstören und den Innovationsprozess verlangsamen bzw. die Kosten drastisch erhöhen. Dies stellt neue Anforderungen an moderne Patentsysteme und die erwarteten Effekte auf Innovationsbestrebungen werden komplizierter.(Vgl. Bronwyn H. Hall und Harhoff 2012, 4)

SCOTCHMER (1991) hat die genannten kumulativen Eigenschaften von Patenten untersucht und kommt zu dem Schluss, dass bei zwei sequentiellen Innovationen, unter der Annahme dass nur die zweite Innovation ein verkäufliches Produkt erzeugt, es nicht möglich ist ein funktionierendes Patentsystem zu schaffen um die Anreize für Innovationen zu setzen. Sofern ex ante und vor Investition in Forschung und Entwicklung, kurz F&E, ein Lizenzierungsvertrag zwischen beiden Unternehmen geschlossen wird kann dieses System funktionieren. Dieser Lösungsansatz gestaltet sich jedoch schwierig, da ex ante der zweite Innovator nicht bekannt ist und keine Wertbestimmung beider Innovationen ad hoc möglich ist.(Vgl. Scotchmer 1991, 29­35)

Nach BESSEN und MASKIN (2009), die ein sequentielles Spiel mit komplementären Innovationen untersuchten, wurde die genannte Eigenschaft unter zwei verschiedenen Bedingung getestet. Im Falle von nicht sequentiellen Eigenschaften führen Patente stets zu einer höheren Wohlfahrt, da die Wissensdiffusion durch die verbrieften Rechte gefördert wird. Im sequentiellen Spiel liefert das Gleichgewicht ohne Patente eine wesentlich höhere Wohlfahrt, da Innovatoren auf der ersten Stufe in Folge von Spillover-Effekten[4] stärker profitieren können und in einer Ökonomie mit Patenten die bereits angesprochene Problematik von SCOTCHMER (1991) zum tragen kommt.(Vgl. Bessen und Maskin 2009, 1-6)

Wie schon angesprochen, spielt auch die Fragmentierung bzw. zersplitterten Besitzverhältnisse eine gewichtige Rolle. Aufgrund steigender Produktkomplexität und stärkerer Nutzung von Patenten auch in Sektoren, in denen die Patentierung früher untypisch war, spielen Patente eine zunehmend stärkere Rolle. Stark betroffen sind gerade die Informations- und Biotechnologiesektoren.(Vgl. Shapiro 2001, 119­122)

GALLINI und SCOTCHMER (2002) kamen zu dem Schluss, dass durch stetige Lizenzierung das Problem zersplitterter Besitzverhältnisse durch wiederholte Interaktionen gelöst werden kann. Allerdings ist bei sehr starker Interaktion, Cross­Lizenzierung und Patentpools die Gefahr eines Antitrust[5] gegenwärtig.(Vgl. Gallini 2001, 51ff.)

Im Gegensatz dazu berücksichtigen HELLER und EISENBERG (1998) die im Lizenzierungsprozess entstehenden Transaktionskosten, wodurch die Innovation aufgrund der Vielzahl an Lizenzierungsgebern scheitern können. Zur strategischen Absicherung kann es in der Folge zu „Defensive Patening“[6] kommen, um sich gegenüber Konkurrenten strategisch besser zu positionieren, was zu protektionistischen Verhalten aller Akteure führen kann.(Vgl. Heller und Eisenberg 1998, 698ff.)

Die folgende Tabelle stellt die Wechselwirkungen eines Patentsystems unter zusätzlicher Berücksichtigung der beiden genannten Entwicklungen übersichtlich dar. Die in den weißen Feldern dargestellten Eigenschaften repräsentieren die klassische Wirkungsweise von Patenten, während in den grau hinterlegten Feldern, die möglichen positiven Effekte auf den Wettbewerb und negativen Effekte auf potentielle Innovationen dargestellt sind. Deutlich wird, dass Effekte auf Innovationstätigkeit und Wettbewerb gegenläufig sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hall,Harhoff (2012)

In Bezug auf Patentrechtstreite weisen Patente zum Schutz des geistigen Eigentums eine gewisse Unsicherheit auf. Zudem muss die Gültigkeit bzw. Anwendbarkeit durch ein Gericht bestätigt werden um die verbrieften Rechte gegebenenfalls durchsetzen zu können. Die reine Anklage eines möglichen Patentrechtsverletzers, kurz Infringer[7], begründet keine rechtlichen Ansprüche. Im Zuge eines Gerichtsverfahren wird festgestellt, ob eine Patentrechtsverletzung vorliegt und inwieweit das gewährte Patent Gültigkeit besitzt.(Vgl. Shapiro 2003, 1-4)

Viele Patentrechtstreite werden vor dem Abschluss der Gerichtsverhandlung frühzeitig beendet. Im überwiegenden Teil der Fälle einigen sich die beteiligten Parteien außergerichtlich. Im verwendeten Datensatz wurden zufolge 94,06% der Gerichtsverhandlungen frühzeitig beendet und eine außergerichtliche Einigung, häufig mittels Lizenzierungsvereinbarungen, erzielt. Gründe für diese Reaktionen können die erwartet hohen Kosten bei Weiterführung der Gerichtsverhandlung und eine mögliche Kostenexplosion in Folge von Unsicherheiten bezüglich des Ergebnisses sein. Unterstützt wird dies durch die Tatsache, dass rechtliche Prozesse, gerade in den USA, sehr kostenintensiv sind. Finanziell betrachtet ist diese Entscheidung oft optimal, liefert jedoch keine Informationen und Signale für andere

Marktteilnehmer oder potentielle Entrants über die Gültigkeit des gewährten Patents.(Vgl. Shapiro 2003, 1-4)

MEUER (2003) kommt zu dem Ergebnis dass das aktuelle Patentsystem den strategischen Missbrauch von intellektuellen Eigentumsrechten begünstigt. Vor allem Incumbents nutzen das System aus um direkte Wettbewerber in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Hohe Belastungen durch Gerichts- und Anwaltskosten, geringere Zahlungsströme, eine mögliche Herabstufung im Kreditrating oder schlechte Reputation bei Kunden und Investoren sind nur einige der möglichen Folgen. Nicht aufgrund des Patents, sondern vielmehr aufgrund eines unvollständigen Kapitalmarkts und finanziellen Vorteilen können große Unternehmen mit größeren finanziellen Reserven, sogenannten „Deep Pockets“[8], kleinere Unternehmen anklagen und aus dem Markt verdrängen (Vgl. Meurer 2002, 509-511). Auf der anderen Seite ist der erwartete Barwert des Startups aufgrund der Größe wesentlich geringer und diese Unternehmen haben im Gegensatz zu Großkonzernen weniger zu verlieren. Großunternehmen hingegen besitzen sehr hohe versunkene Kosten, die im Zeitverlauf armortisert werden müssen. Startups können daher diese Unsicherheit von Patenten ausnutzen und Incumbents aus Wettbewerbssicht bedrohen.(Vgl. Bronwyn H. Hall und Harhoff 2012, 7)

Bezogen wiederum auf die Softwareindustrie liegen nach Meinung von BESSEN, FORD und MEURER (2011) die Probleme moderner Patente in der Komplexität und Unklarheit von IT-Innovationen. Die Patentansprüche und vor allem eine Patentrechtsverletzung sind ex post nur schwer zu erkennen, daher kommt es bei „Intellectual Property Rights“[9], kurz IP, häufiger zu Patentrechtsklagen. Auch das ist ein Grund warum NPEs die Patente dieser Branche ausnutzen und die Anreizwirkung zur Durchführung von F&E hemmen können (Vgl. Bessen, Ford, und Meurer 2011). Im vorliegenden Datensatz konnte 48,80% der Fälle innerhalb der Software Branche eine NPE Beteiligung zugeordnet werden und liegt somit mit 1,60% leicht über der durchschnittlichen NPE Beteiligung.

2.3 Venture Capital Zyklus

Venture Capital Gesellschaften sind wichtige Intermediäre in Finanzmärkten um Risikokapital für Unternehmen bereitzustellen, die benötigte Finanzierungsmittel hingegen nur sehr schwierig erhalten würden. Venture Capital Finanzierung ist eine Sonderform der Private Equity Finanzierung und tritt in frühen Phasen nach der Unternehmensgründung, in Expansions- und Wachstumsphase und späteren Phasen auf, in denen beispielsweise ein Börsengang vorfinanziert wird. Neben dem Venture Capital, kurz VC, umfasst Private Equity auch sogenannte Leverage Buyouts, Mezzanine Funds und Infrastruktur Funds. Im modernen Finanzvokabular spricht man in diesem Zusammenhang auch von Alternative Assets als mögliche Anlageklasse. Typische Investoren von VC-Funds sind Stiftungen, Universitäten, Pensionsfonds und finanzkräftige Privatpersonen.(Vgl. Sahlman 1990, 473)

Attraktive Investitionsziele sind vor allem junge Unternehmen in High-Tech- Branchen wie zum Beispiel Biotechnologie, Software oder moderne Halbleiterindustrie. Historisch betrachtet sind diese Branchen sehr erfolgreich allerdings ist das Risiko solcher Unternehmen auch erheblich höher. Durch lange Entwicklungszyklen, komplexe wissenschaftlichen Produktentwicklungen oder rechtliche Herausforderungen können ex ante die Erfolgschancen nur sehr schwer eingeschätzt werden. Auch mögliche Reaktionen potentieller Konkurrenten können zu Beginn des Investitionszyklus und bei Eintritt auf einen neuen Markt noch nicht abgeschätzt werden. Zudem sind diese modernen Unternehmen oft durch einen hohen Anteil immaterielle Vermögenswerte, negative Zahlungsströme und technologische Unsicherheiten allerdings gleichzeitig auch durch hohe Wachstumsaussichten gekennzeichnet. Diese schwer einzuschätzenden Variablen machen eine Investitionszusage eines VC-Funds sehr schwierig. Daher bedarf es einer ausführlichen Analysephase vor der Investition durch die Venture Kapitalisten.(Vgl. Paul Alan Gompers und Lerner 2004, 128ff.)

Generell bestehen bei Unternehmensfinanzierung vier kritische Faktoren, die es für Fremd- als auch Eigenkapitalgeber zu hinterfragen gilt. Diese Faktoren sind: Unsicherheit, asymmetrische Informationen, Verwertbarkeit von Vermögenswerten und die Bedingungen im vorliegenden Finanz- bzw. Produktmarkt. Diese vier Faktoren bedingen die Wahl des Finanzierungsinstrumentes, die Ausgestaltung der Anreizverträge und die Kapitalzusage von Investoren. Zur Verdeutlichung dieser Herausforderungen werden drei Problemsituationen im Bereich der Untemehmensfmanzierung, die durch externe Finanzierung bedingt sind, herausgehoben.(Vgl. Paul Alan Gompers und Lerner 2004, 128)

JENSEN und MECKLING (1976) haben erstmals diese sogenannten Agency- Probleme[10] zwischen Investoren und Entrepreneurs[11] beschrieben. Demnach besteht bei externen Finanzierungen ein Anreiz für den Entrepreneuer das Risiko der Unternehmung überproportional zu erhöhen, um den eigenen erwarteten Gewinn auf Kosten der Kapitalgeber zu steigern. Die Folge ist ex post ein wesentlich höheres Risiko für Kapitalgeber. Informationsasymmetrien können daher die Investitionsbereitschaft von Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern beeinflussen, sofern keine ausreichenden Kontrollmechanismen implementiert sind.(Vgl. Jensen und Meckling 1976, 305ff.)

Auch wenn die Motivation des Unternehmers auf die Maximierung des Shareholder- Values[12] ausgerichtet ist, besteht dennoch das Risiko für VC-Funds, dass eine Beteiligung am Unternehmen durch den Entrepreneur nur in Phasen zugelassen wird, in denen das gesamte Investitionsprojekt bzw. die Märkte überbewertet sind, sodass die Investitionsentscheidung hinsichtlich zeitlicher Entwicklungen verzerrt sein kann. Dieses Problem ist in der Literatur unter dem „Lemons-Problem“[13] bekannt und wurde erstmals von AKERLOF (1970) beschrieben.(Vgl. Akerlof 1970, 488­500)

STIGLITZ und WEISS (1981) haben die Selektionseffekte durch Preisdiskriminierung zwischen Banken und zu finanzierendem Unternehmen untersucht. Banken nutzen Zinssätze um zwischen guten und schlechten Unternehmen zu selektieren. Durch die Erhöhung des Zinssatzes wandern potentiell gute Unternehmen ab und nur die risikoreichen Unternehmen verbleiben im Kreditportfolio der Bank aufgrund der rechtlich begrenzten Haftbarkeit der Unternehmenseigentümer. Eine Zinserhöhung führt demnach zu einer Verschlechterung des Kreditportfolios. Daher ist die Folge eine Restriktion des Kreditvolumens von Banken und nicht die Erhöhung des Zinssatzes um zwischen guten und schlechten Kreditnehmern zu selektieren.(Vgl. Stiglitz und Weiss 1981, 393f.)

Diese drei Effekte verdeutlichen, dass gerade die Finanzierung in junge Unternehmen , die hohe Informationsasymmetrien aufweisen und nicht zwangsläufig auf Shareholder-Value-Maximierung ausgerichtet sind, einer engen Kontrolle durch Spezialisten und einer umfassenden Reduzierung der Informationsasymmetrien bedarf. Um mögliche Interessenskonflikte zwischen Unternehmer und Investoren in Einklang zu bringen und mögliche Agency-Probleme zu reduzieren wurden verschiedene Anreizsysteme und Kontrollmechanismen entwickelt. VC-Investoren nutzen ein aktives Monitoring, Screening Mechanismen, Syndizierung im Investitionsprozess und eine stufenweise Finanzierung, um die Risiken zu kontrollieren.(Vgl. Paul Alan Gompers und Lerner 2004, 130)

Kapitalfinanzierungen, die stufenweise durchgeführt werden, sind nach Auffassung von SAHLMAN (1990) der effizienteste Kontrollmechanismus, um opportunistisches Verhalten zu reduzieren. Durch die einzelnen Stufen wird der Handlungsspielraum der Anteilseigner eingeschränkt und die Wahrscheinlichkeit für potentiell schlechte Entscheidungen reduziert. In der Folge können die Finanzierungsduration erhöht, die Frequenz des Monitoring reduziert und Verwaltungskosten eingespart werden. Generell gilt, je risikoreicher das Investitionsprojekt, desto kürzer die Duration einer Finanzierungsrunde und desto regelmäßiger überwachen die VC-Investoren das Unternehmen und dessen Entwicklung um mögliche Verluste in Folge schlechter Entscheidungen zu begrenzen. (Vgl. Sahlman 1990, 473ff.)

Wurde die Investition getätigt und entsprechende Maßnahmen zur Wertgenerierung implementiert ist für Venture Capital Gesellschaften besonders die Formen des Exits wichtig über den sich der Gesamterfolg des Investitionsprojektes definiert. Mögliche Exitformen sind „Tradesale“[14] bzw. Akquisition an einen strategischen Käufer, Verkauf an einen anderen Finanzinvestor, sogenannter „Secondary“[15], oder der Börsengang durch IPO. Historisch betrachtet liefern Venture Capital finanzierte Unternehmen, die einen Börsengang vollzogen haben, die höchste Rendite für Venture Capital Investoren. Im Durchschnitt werden durch diese Exitform 59,5% p.a. auf das investierte Kapital erzielt. Akquisitionen haben eine durchschnittliche Rendite von 15,4% p.a. während durch Liquidationen ca. 80% des Kapitals verloren gehen. Unternehmen, die einen IPO vollzogen haben, sollten daher auch eine höhere Summe an Finanzierungsmitteln erhalten.(Vgl. Paul A. Gompers 1995, 1461-1468)

Da die Laufzeit eines VC-Funds vertraglich zwischen Venture Kapitalisten und Kapitalgebern begrenzt ist, sind Venture Capitalisten zur möglichst zeitnahen Trennung, nicht nur von schlechten Investitionen sogenannten „Living Deads“[16] oder „Zombies“[17] gezwungen, sondern auch von ihren erfolgreichen Investitionen um den Fund mit einer bestmöglichen Performance auszustatten. Der Fokus von VC- Gesellschaften liegt daher auf dem Exit und nicht der permanenten Beteiligung am Unternehmen. Nicht realisierte Investitionen bedeuten zudem für die Performance des Funds und die Investoren einen großen Unsicherheitsfaktor.(Vgl. Paul A. Gompers 1995, 1461-1468)

Um im Vorfeld die Erfolgswahrscheinlichkeiten einer Investition zu erhöhen können vor allem junge Unternehmen mit einer kurzen Unternehmenshistorie Patente nutzen und somit in Folge dieser Signalwirkung die Agencykosten und Informationsasymmetrien zu reduzieren. BHATTACHARYA und RITTER (1983) kommen zu dem Schluss, dass Patente die Informationslücke zwischen Investor und Unternehmer schließen können. Voraussetzung ist, dass die Gewährung eines Patents mit erheblichen Kosten für den Patenthalter, kurz Patentee18, verbunden sind um ein separierendes Gleichgewicht zu erhalten, sodass das Signal als glaubwürdig erscheint. (Vgl. Bhattacharya und Ritter 1983, 187ff.)

HSU und ZIEDONIS (2008) haben die durch VC finanzierten Startups in der Halbleiterindustrie von 1980 bis 2005 untersucht und bestätigen die effektive Wirkung dieses Signals und einer höheren Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen IPOs.(Vgl. Hsu und Ziedonis 2008, 1ff.)

Offen bleibt in diesem Zusammenhang inwiefern ein Patentrechtstreit gegen ein VC finanziertes Unternehmen dessen Investitionsprozess und Erfolg beeinflusst. Geht man von rational agierenden Akteuren im Markt aus, so ist ein Klage gegen einen potentiellen Infringer nur dann sinnvoll, sofern die Erfolgsaussichten und Validität des eigenen Patents hinreichend wahrscheinlich sind und der Konkurrent eine potentielle Gefahr für das eigenen Geschäftsmodell bzw. Marktanteile darstellt. Auch ein erwarteter positiver Gewinn nach Abzug der Gerichtskosten für den Kläger kann ein mögliches Motiv sein. Dies setzt jedoch einen gewissen Erfolg und Verwertbarkeit des Startups voraus. Die im Datensatz beobachteten Unternehmen wurden alle während eines VC-Zyklus in einen Rechtstreit verwickelt. Ein direkter Vergleich der Performance zwischen einem angeklagten Startup gegenüber einem Startup ohne Rechtstreit kann aufgrund der fehlenden Vergleichsgruppe nicht durchgeführt werden. Dennoch können beeinflussende Determinanten und die Wettbewerbssituation zwischen Patentee und Infringer herausgearbeitet werden, um mögliche Rückschlüsse und Signalwirkungen für den Erfolg von VC-Finanzierungen abzuleiten. Hierzu werden im nächsten Kapitel zunächst die strategischen Motive eines Patentrechtstreits durch einen Patentee spieltheoretisch anhand mehrerer strategischer Wettbewerbsmodelle analysiert.[18]

3 Strategien und Motive für Patentrechtstreite

Das dritte Kapital befasst sich mit spieltheoretischen Modellen und Erklärungsansätzen um das strategische Verhalten des Patentee vor dem Hintergrund einer möglichen Patentrechtsverletzung zu erklären. Es wird vermutet, dass es zum einen für ein etabliertes Unternehmen vorteilhaft ist eine Monopolstellung zu behaupten bzw. anzustreben. Zum anderen kann aus gesamtökonomischer Sicht die Monopolstellung negative Auswirkungen auf die Effizienz und die Wohlstandsverteilung innerhalb einer Ökonomie haben. Dies ist jedoch aus mikroökonomischer Gewinnmaximierungsabsicht von geringer Bedeutung. Die Frage im Zuge dessen ist inwiefern und mit welchen Mitteln ein Patentee sich gegenüber potentielle Konkurrenten behaupten kann.

Die folgenden strategischen Überlegungen basieren auf dem noch nicht veröffentlichten Modell nach AXEL HAUS, welcher zugleich diese Masterarbeit betreut, und JOCHEN CHRISTIAN WERTH. Beide genannten Personen sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Industrieökonomie von Prof. Dr. Uwe Walz an der Goethe Universität Frankfurt am Main. Als mögliche Motive im strategischen Wettbewerb vor dem Hintergrund eines Patentrechtstreits wurden im Zuge dieser Masterarbeit drei Strategien herausgearbeitet. Auf der einen Seite kann die Absicht eines Patentee die Erhöhung der Stückkosten auf Seiten des Infringer sein, die zu Reduzierung der Marktanteile und im erweiterten Extremfall zur Marktverdrängung führen kann. Auf der anderen Seite können rein finanzielle Motive der Auslöser einer Patentrechtsklage mit anschließender Lizenzierung sein. Alle drei Strategien werden im Folgenden, beginnend mit den beiden genannten strategischen Motiven, erörtert.

3.1 Raising Rivals Cost

Unternehmen können zahlreiche Strategien anwenden um sich gegenüber Rivalen einen strategischen Vorteil zu verschaffen. In diesem Kapitel werden Abschreckungsstrategien analysiert. Diese können verschiedene Ansätze verfolgen. Für Unternehmen besteht die Möglichkeit, durch sogenannte Raising Rivals Cost Strategien, kurz RRC, die Kosten des Konkurrenten zu erhöhen. Auch können Preise durch sogenanntes Predatory Pricing[19] verwässert werden. Die Unterschiede zwischen Predatory Pricing und RRC sind folgende. Bei Predatory Pricing versucht der der Angreifer, kurz Predator20, die Umsätze des Konkurrenten durch Mengenausweitungen mit anschließender Preisreduzierung soweit zu drücken bis der Gewinn des Konkurrenten negativ wird und er den Markt verlässt. Auf kurzer Sicht kommt es daher auf beiden Seiten zu Profiten die unterhalb des Gewinnoptimums liegen. Im Gegensatz dazu ist bei RRC nur eine asymmetrische Erhöhung der Stückkosten vorgesehen, was zur Reduzierung der Menge auf Seiten des Angegriffenen führt aber keine Veränderungen auf Seiten des Predator und zudem keinen zerstörerischen Preiskampt zur Folge hat.(Vgl. Scheffman 1992, 187-196)

SALOP und SCHEFFMAN (1987) kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass diese Strategie der Kostenerhöhung verschiedene Vorteile gegenüber Predatory Pricing besitzt. Die Anwendung ist glaubwürdig, potentielle Konkurrenten müssen nicht notwendigerweise aus dem Markt vollständig verdrängt werden und die Marktmachtverteilung muss nicht dem klassischen Modell entsprechen. Natürlich ist es in diesem Zusammenhang von strategischem Vorteil gegen Konkurrenten mit hohen Kosten in den Wettbewerb zu treten als mit Unternehmen die ohnehin schon geringe Stückkosten aufweisen (Salop und Scheffman 1987, 1). Zudem ist eine kurzfristige Reduzierung der eigenen Profite nicht notwendig, indessen bewirkt die Strategie eine Erhöhung der eigenen Profite im gesamten Zeitverlauf und kann darüberhinaus schnell rückgängig gemacht werden.(Vgl. Salop und Scheffman 1983, 423f.)

Können die Kosten des Konkurrenten erfolgreich erhöht werden, so reduziert dieser in der Folge die Produktionsmenge und ermöglicht dem Angreifer den Preis zu erhöhen und die Marktanteile auszuweiten. Darüberhinaus ist eine „Deep pocket“, wie sie in klassischen Predatory Pricing Strategien überlebenswichtig ist, nicht[20] notwendig. Im Vergleich zur Preisstrategie, die auf höhere Verluste seitens des Angegriffene führen sollen, aber bei beiden Unternehmen zu kurzfristigen Verlusten führen, kann eine Kostenstrategie relativ kostengünstig von einem dominanten Unternehmen durchgeführt werden. Die gennanten Elemente führen dazu, dass Kostenstrategien im Gegensatz zu Preisstrategien glaubhaft sind.(Vgl. Salop und Scheffman 1983, 423f.)

Auch Werbemaßnahmen und Ausgaben für Forschung und Entwicklung können eine RRC Strategie sein. Sofern der effizienteste Werber im Markt seine Aktivitäten erhöht so muss auch der Konkurrent seine Aktivitäten steigern um im Bereich Werbung wettbewerbsfähig zu bleiben.(Vgl. Salop und Scheffman 1983, 423f.; Vgl. Brennan 1988, 95-99)

Bei RRC muss der Predator nicht die Kosten der Strategie tragen wie es bei Predatory Pricing der Fall ist, wo beide Konkurrenten durch die erhöhte Menge einen niedrigeren Preis hinnehmen müssen. Auch sind die Folgen des RRC unmittelbar und nicht von der Reaktion des Konkurrenten und zukünftigen Abschreckungseffekten abhängig. Zudem sind diese Art von Strategie profitabel wenn noch gar kein Konkurrent existiert, denn die Angebotskurve wird in Folge der Kostenerhöhung graphisch nach links verschoben und der Preis bei gegebener Menge reduziert.(Vgl. Brennan 1988, 95-99)

Die Größe des Predator spielt dahingehend eine Rolle, dass die aufgewendeten Kosten in zukünftigen Perioden über den Absatz des Produktes wieder vereinnahmt werden müssen und daher ein gewisses Absatzvolumen erreicht werden muss. Um erfolgreich die Kosten eines Konkurrenten zu erhöhen, müssen dessen Inputpreise erhöht werden. Normalerweise können Inputpreise nicht ohne eine gewisse Marktmacht über die Preise dieser Faktoren erhöhen. Wenn Marktmacht existiert, dann hat das dominierende Unternehmen eine Monopolstellung im spezifischen Inputmarkt. In vielen Fällen kann dies zu Antitrust21 Verletzungen führen. Allerdings kommt in diesem Zusammenhang die Frage auf, warum das Unternehmen diese Position nicht schon früher ausgenutzt hat und potentielle Konkurrenten in den Markt hat eintreten lassen. Durch die Verwendung von Patenten als legale Eigentumsrechte[21] werden keine Regeln oder Wettbewerbsbestimmungen verletzt und die Frage nach der zeitlichen Anwendung geklärt.(Vgl. Brennan 1988, 95-99)

Da diese Art der Strategie als eine Form der Predatory Strategie bezeichnet wird aber nicht notwendigerweise das klassische Predatory Pricing voraussetzt, wird diese Strategie oft als „Non Price Predation“ bezeichnet.(Vgl. Salop und Scheffman 1987, 19-33)

Voraussetzungen für die erfolgreiche Implementierung einer Raising Rivals Cost Strategie sind die folgenden drei Voraussetzungen:

1. Der Predator hat die Möglichkeit die variablen Stückkosten eines Konkurrenten zu erhöhen.
2. Eine ausreichend unelastische Marktnachfrage nach dem produzierten Gut
3. Die Kosten des Predators dürfen in der Folge der Strategie nicht übermäßig ansteigen.

Bedingung eins und zwei sind notwendig um den Marktpreis erhöhen zu können. Die dritte Bedingung führt zur Glaubwürdigkeit der Strategie, die daher für den Predator keinen negativen Nettobarwert aufweist sofern der Kostenanstieg geringer als der Barwert zukünftiger Zahlungsströme aus der implementierten Strategie ist. Bedingung zwei ist notwendig, da sofern die Marktnachfrage sehr elastisch ist, auch bei erhöhten Grenzkosten in der Industrie, die Preise nicht steigen würden.(Vgl. Scheffman 1992, 187-196)

Einer Klage auf Patentrechtsverletzung muss ein glaubhafter Beweis zugrunde gelegt werden, dass ein anderes Unternehmen die geschützten Rechte mutwillig verletzt. Der Markteintritt ist ein offensichtlicher Beweis, und daher die Voraussetzung für die Klage. Somit werden im Folgenden nur Strategien nach Markteintritt des Konkurrenten analysiert. Die Basis der spieltheoretischen Überlegungen bildet das Modell nach COURNOT von 1838. Das Cournot Modell betrachtet einen duopolistischen Wettbewerb mit folgenden Annahmen:

- beide Unternehmen produzieren ein homogenes Gut
- beide Unternehmen treffen ihre Entscheidung zum gleichen Zeitpunkt
- jedes Unternehmen setzt sein Produktionsniveau unter Berücksichtigung der möglichen Reaktion des Konkurrenten fest

- die Konkurrenten sind vollständig informiert
- der Marktpreis hängt von der gesamten Produktionsmenge beider Unternehmen ab
- das Produktionsniveau des Konkurrenten wird als gegeben angesehen und demnach entscheidet das Unternehmen wie viel es selbst produziert

COURNOT stellt die Wettbewerbssituation in seinem Modell vereinfachend dar. Zwei Unternehmen agieren in einem Markt und sind direkte Konkurrenten. Jedes Unternehmen wählt die Produktionsmenge @¿ in Abhängigkeit der

Produktionsmenge des Konkurrenten. Der Preis für das homogene Gut wird durch folgende Gleichung bestimmt(Vgl. Pindyck 2009, 348):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Jedes Unternehmen betrachtet die Mengenwahl des Konkurrenten als gegeben. Demnach sehen die Gewinnfunktionen unter Berücksichtigung von fixen und variablen Kosten wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

c( Q¡) variable Kosten in Abhängigkeit der produzierten Menge K fixe Kosten

Die profitmaximierende Mengenentscheidung für das einzelne Unternehmen wird durch Ableitung der Gewinnfunktion nach der eigenen produzierten Menge hergeleitet und ist im Folgenden exemplarisch für Unternehmen eins mit den daraus abgeleiteten Reaktionsfunktionen für beide Unternehmen dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im symmetrischen Duopol mit zwei Marktakteuren, welche die gleiche Kostenstruktur bzw. Grenzkosten aufweisen sind beide Reaktionsfunktionen identisch. In diesem Fall ergibt sich die folgende graphische Darstellung spieltheoretischer Reaktionen:

Abbildung 3 Graphische Darstellung der Reaktionsfunktionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Pindyck (2009)

Aufgrund der Symmetrie ist unter der Annahme rationaler Akteure die produzierte Menge beider Unternehmen gleich groß und das Nash-Gleichgewicht durch Qx = Q2 gegeben. Anreize zur Abweichung vom Optimum bestehen für beide Unternehmen nicht, da jede Wahl abweichend vom Nash-Gleichgewicht den Profit des abweichenden Unternehmens reduziert. Negativ ausgedrückt wird dadurch eine Abweichung bestraft und das Mengenoptimum ist dadurch stabil.

Im Falle von niedrigeren variablen Kosten auf der Seite des ersten Unternehmens wird die Reaktionsfunktion des ersten Unternehmens graphisch betrachtet nach Oben verschoben. Dieser Effekt des Kostenvorteils führt zu einem Anstieg der Gleichgewichtsmenge von Unternehmen eins. Gleichzeitig sinkt die Gleichgewichtsmenge von Unternehmen zwei. Daraus ergibt sich ein neues Nash- Gleichgewicht mit zwei unterschiedlichen Produktionsmengen bzw. Q! Ψ Q2.

Das Cournot-Modell selbst ist nicht effizient. Auch eine pareto Effizienz wird nicht erreicht, denn beide Unternehmen können eine bessere Mengenentscheidung durch beispielsweise Kollusion treffen. Das Optimum dieser modellhaften Ökonomie liegt daher oberhalb der optimalen Gesamtmenge und beide Unternehmen wählen eine zu hohe Menge. Diese Ineffizienz im Nash-Gleichgewicht ist typisch für die Wettbewerbssituation auf Oligopol Märkten. Intuitiv dargestellt erhöht Unternehmen eins die Menge und senkt dadurch den Marktpreis und damit den Ertrag von Unternehmen zwei. In diesem Zusammenhang spricht man von „Revenue Destruction“[22]. Dieser Effekt wird bei der Mengenentscheidung von Unternehmen eins nicht berücksichtigt. Aus Effizienzsicht handelt Unternehmen eins zu aggressiv. Da aber beide Unternehme so handeln, ist der Menge im Vergleich zum Branchenoptimum zu hoch und der daraus resultierende Marktpreis zu niedrig. Zu beachten ist, dass sich in diesem Kontext die Effizienz rein auf die beiden gewinnmaximierenden Unternehmen bezieht und andere Parteien wie zum Beispiel Konsumenten oder Wohlfahrtseffekte außer Acht gelassen werden.

3.1.1 Duopol mit Netzwerkeffekt

Das dargestellte Cournot Modell wird als Ausgangsbasis genutzt um den strategischen Wettbewerb im Zuge eines Patentrechtstreits darzustellen. Da sich die zu betrachtenden High-Tech-Branchen in den USA aufgrund ihrer Netzwerkeigenschaft wie in Kapitel 2.1. beschrieben durch hohe Forschungskosten aber auch durch vernachlässigbare Grenzkosten auszeichnet, wird im Folgenden von der Annahme konstanter Grenzkosten, die gleich Null sind, ausgegangen. Ebenso spielen Kapazitätsbeschränkungen auf Unternehmensebene keine signifikante Rolle, da Absatzerweiterungen beispielsweise gerade in Softwarebereich problemlos möglich und an keine Kapazitäsrestriktion gebunden sind. Im Datensatz stammen ca. 56% der untersuchten Unternehmen aus dieser Branche, somit liegt der Vergleich mit der Branche nahe. Die fixen Kosten werden aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt, da diese in der Optimierungsentscheidung keine Berücksichtigung finden und daher als versunkene Kosten angesehen werden können.

Der in Kapitel 2.1. angesprochene Netzwerkeffekt ist industriebezogen und beeinflusst die Nachfrage der beiden Unternehmen daher symmetrisch, da per Annahme beide Unternehmen in der gleichen Branche tätig sind und der Netzwerkeffekt exogen gegeben ist. Somit ist per Definition n1 = n2 = n. Die

Gewinnfunktionen der Unternehmen werden angepasst und sehen demnach wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit

n Netzwerkeffekt

Durch den Netzwerkeffekt fällt die jeweilige Nachfrage nicht linear sondern wird durch eine abgesetzte Menge, gegeben n^ 0, leicht erweitert. Zu beachten ist, dass das Unternehmen nur durch den Absatz des eigenen Produktes vom Netzwerkeffekt profitieren kann obwohl im Produktwettbewerb von perfekten Substituten ausgegangen wird und greift damit den Ansatz des Standardsettingverfahren aus Kapitel 2.1 wieder auf. Zur Optimierung der beiden Produktionsmengen werden beide Gewinnfunktionen nach der jeweiligen Produktionsmenge abgeleitet und gleich null gesetzt. Die Reaktionsfunktionen werden durch die Auflösung der Gleichungen nach den Menge Q! und Q2 hergeleitet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aufgrund der symmetrischen Annahmen bezüglich Grenzkosten und Netzwerkeffekt sind auch die jeweiligen Reaktionsfunktionen identisch. Aus der Bedingung zweiter Ordnung ergibt sich, dass zur Erreichung eines Maximums der Netzwerkeffekt die Bedingung n < 1 erfüllt sein muss. Per Definition ist eine Netzwerkindustrie durch positive Externalitäten charakterisiert, und somit ist der Netzwerkeffekt stets positiv. Folglich liegt der Definitionsbereich des Netzwerkeffektes aufgrund des Optimierungskalküls zwischen 0 < n < 1.

Da beide Unternehmen per Annahme vollständig informiert sind ist die Reaktionsfunktion des jeweiligen Konkurrenten bekannt. Zur Ermittlung des Nash- Gleichgewichts für Unternehmen eins wird die zweite Reaktionsfunktion in die erste Reaktionsfunktion eingesetzt. Für das zweite Unternehmen wird dieser Schritt umgekehrt durchgeführt. Als Ergebnis kann der Schnittpunkt bzw. das Nash- Gleichgewicht in dieser spieltheoretischen Betrachtung ermittelt werden. Das Gleichgewicht sieht unter Berücksichtigung des Netzwerkeffekts wie folgt aus:

Die optimalen Mengenentscheidungen für n = 0 sind mit den Entscheidungen ohne Netzwerkeffekt identisch. Steigt der Netzwerkeffekt so reduziert sich der Nenner beider Gleichungen. Da A exogen gegeben und konstant ist, erhöht sich die Menge beider Unternehmen mit steigendem Netzwerkeffekt symmetrisch. Liegt demnach eine Industrie mit einem starken Netzwerkeffekt vor so generiert jede abgesetzte Einheit einen Multiplikatoreffekt für das jeweilige Unternehmen.

Zur Überprüfung der Stabilität des Nash-Gleichgewichts muss die Bedingung nach DIXIT (1986) erfüllt sein, damit das Entscheidungskalkül der Reaktionsfunktionen so ausgerichtet ist, dass das Nash-Gleichgewicht stabil und gegeben einer Abweichung durch ein Unternehmen der Anreiz zur Erreichung des Nash- Gleichgewichts vorhanden ist. Diese Bedingung lautet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

durch den Definitionsbereich ausgeschlossen wurde (Vgl. Dixit 1986). Eine detaillierte Herleitung der gewinnoptimalen Mengen und des Nash-Gleichgewichts ist im Anhang Tabelle 11 hinterlegt. Deutlich wird, dass bei symmetrischen Unternehmen auch in Fällen von Netzwerkindustrien das optimale Ergebnis des Mengenwettbewerbs eine symmetrische Aufteilung des Marktes zwischen den Unternehmen ist. Der Grund ist wie schon erwähnt die Industriebezogenheit des N etzwerkeffekts.

Zur Modellierung von Wettbewerbssituationen in Netzwerkindustrien unter Beachtung von strategischen Patentrechtstreiten wird das Basismodell nun um die Möglichkeit einer Lizenzierungsvereinbarung in Folge eines Rechtstreits zwischen beiden Unternehmen erweitert. Der Patentee hat per Annahme den direkten Konkurrenten zuvor in einen Patentrechtstreit verwickelt. Gegeben dass das Gericht zu Gunsten des Patentee entscheidet, die Gültigkeit des Patents anerkennt und dem Infringer die Verwendung des Patents verbietet, kann der Patentee dem Konkurrenten eine Lizenzierung des Patents offerieren. Eine Einigung über eine Lizenzierungsvereinbarung kann zudem auch, wie in Kapitel 2.2 erläutert, ohne richterliche Anordnung Klärung des Falles geschehen. Einigen sich die involvierten Parteien außergerichtlich so kann der Prozess frühzeitig abgebrochen werden und teure Prozesskosten auf beiden Seiten vermieden werden, was im Datensatz in nur 5,94 % der Fälle nicht zu beobachten war.

Die Lizenzierung von Patenten ist wie schon in Kapitel 2.2 erwähnt, in allen Branchen gängige Praxis und liefert für den Innovator oder Patentee eine zusätzliche Möglichkeit Zahlugsströme durch den Wissenstransfer zu generieren. In der Literatur werden zwei Arten von Patentees behandelt. Der Outsider[23] und der Insider Patentee[24].(Vgl. Poddar und Sinha 2010, 384ff.)

Sofern der Patentee eine unabhängige Forschungs- und Entwicklungseinrichtung ist, wie beispielsweise eine Universität, und kein Wettbewerb im Produktmarkt ist, dann ist es ein Outsider Patentee. Im Gegensatz dazu spricht man von einem Insider Patentee wenn der Lizenzierungsnehmer mit dem Lizenzierungsgeber im direkten Produktwettbewerb steht. Man kann im Wettbewerb von zwei möglichen Konstellationen ausgehen. Zum einen können die Wettbewerber symmetrische Strukturen vor allem bezogen auf die Kosten aufweisen. Auf der anderen Seite kann der Lizenzierungsnehmer gegenüber dem Lizenzierungsgeber entweder einen Kostenvorteil im Sinne eines Second-Mover-Advantages haben oder eben einen Kostennachteil. In den folgenden Modelle wird von symmetrischen Unternehmen vor dem Abschluss der Lizenzierungsvereinbarung ausgegangen.(Vgl. Poddar und Sinha 2010, 384ff.)

PODDAR und SINHA (2010) kommen zu dem Schluss, dass die optimale Lizenzierungsstratgie unter der Annahme vollständiger Informationen eine fixe Lizenzierungsgebühr bei Outsider Patentees ist, wohingegen eine variable und mengenbezogene Lizenzierungsgebühr bei Insider Patentees optimal ist (Vgl. Poddar und Sinha 2010, 384ff.). Da in der folgenden Betrachtung von einem Mengenwettbewerb zwischen den involvierten Parteien ausgegangen wird und per Definition Insider Patentees vorliegen, werden im Modell mengenbezogene Lizenzierungsgebühren verwendet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit s Lizenzierungsgebühr

Diese Modellerweiterung mit variablen Lizenzierungsgebühren im duopolisti sehen Mengenwettbewerb wird ebenfalls durch die Ergebnisse von WANG (1998) unterstützt. Demnach sind im Cournot Duopol aus strategischer Sieht variable Lizenzierungsgebühren gegenüber fixen Gebühren überlegen. Der Grund ist, dass der Patentee durch die Lizenzierung einen Kostenvorteil gegenüber dem Infringer erzeugt während die fixen Gebühren einen einmaligen Effekt darstellen und die Symmetrie der Unternehmen nicht verändert bzw. der Wettbewerb unvermindert bestehen bleibt. Durch diesen Ansatz wird im Modell die RRC Strategie implementiert.(Vgl. Wang 1998) Das daraus resultierende Nash-Gleichgewicht wird durch das im vorherigen Kapitel genannte Optimierungskalkül, siehe auch Tabelle 11 im Anhang, hergeleitet. Das Nash-Gleichgewicht sieht wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Stabilitätsbedingung nach DIXIT (1986) ist auch bei dieser Erweiterung zu überprüfen. Da die Lizenzierungsgebühr für s > 0 die konstanten Grenzkosten erhöht und die Nachfrage dadurch nicht beeinflusst wird, hat die im vorherigen Modell errechnete Bedingung weiterhin Bestand.

Aus Sicht des Patentee sind nun die Auswirkungen einer solchen Lizenzierungsvereinbarung entscheidend um strategische Effektivität zu analysieren. Ob durch die Lizenzierung die angestrebte Reduzierung der Marktanteile des Konkurrenten Erfolg hat und inwiefern dies Auswirkungen auf die produzierten Mengen hat, wird anhand folgender Formel gezeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die absoluten Veränderungen zwischen den Produktionsmengen der beiden Unternehmen ergeben sich aus der Differenz zwischen den Mengen vor dem Rechtstreit und den Mengen nach dem Rechtstreit mit Implementierung einer Lizenzierungsvereinbarung, die eine variable Vergütung „s“ der Patentnutzung pro hergestellter Einheit von Unternehmen zwei an das Unternehmen eins vorsieht.

Aufgrund der Stabilitätsbedingung reduzieren sich beide Mengen. Allerdings reduziert sich die Menge des zweiten Unternehmens stärker und unterstützt damit die strategische Hypothese zur Wirkungsweise eines Patentrechtstreits. Durch die asymmetrische Reduzierung der Mengen steigt der relative Marktanteil des ersten Unternehmens, was gerade vor dem Hintergrund einer Netzwerkindustrie zur Erreichung einer kritischen Masse essentiell ist.

Unterstützt werden diese theoretischen Überlegungen durch die wissenschaftlichen Ergebnisse von GALE und BRANCH (1982). Nach ihren Ergebnissen sind relative Marktanteile aufgrund ihrer Skaleneffekte gegenüber einer oligopolistischen Marktkonzentration überlegen und für den Erfolg eines Unternehmens ausschlaggebend.(Vgl. Gale und Branch 1982, 83f.)

3.1.2 Duopol mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt

Das Modell aus dem vorherigen Kapitel wird um einen Parameter ergänzt, sodass sich die Markteilnehmer gegenüber dem Konkurrenten durch ein differenziertes Produkt abheben können und den direkten Produktwettbewerb bzw. Wettbewerbsintensität zwischen beiden Unternehmen verändern können.

Der Produktwettbewerb wird mittels des Parameters b modelliert. Ein Wettbewerbsmodell, das als einzigen Parameter nur den Produktwettbewerbsparameter b berücksichtigt ist wird im Anhang in Tabelle 12 dargestellt. Hier wird deutlich, dass mit fallender Wettbewerbsintensität, die Mengen der beiden Unternehmen steigen. Im Extremfall für b = 0 ergibt sich, dass kein Produktwettbewerb zwischen den Unternehmen herrscht. Die beiden Unternehmen agieren in diesem Fall auf zwei unterschiedlichen Märkten und besitzen auf diesen ein Monopol (Vgl. Singh und Vives 1984). Beide Unternehmen nutzen in solchen Situationen die Monopolmacht und setzen die Monopolmenge sodass P = GK gilt. Die Wohlfahrt wird entsprechend durch die Ausnutzung der Marktmacht auf beiden Märkten reduziert.

Betrachtet man das Modell mit beiden Effekten, mit Netzwerk- und Wettbewerbseffekt, so sieht das Modell wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit

b Wettbewerbseffekt

Das Standard Cournot-Modell aus Kapitel 3.2 geht gemäß Annahmen von einem Wettbewerbseffekt mit b = 1 aus. In diesem Modell wird diese Variable allerdings zur Produktdifferenzierung genutzt um approximativ die Wettbewerbsintensität zwischen den beiden Unternehmen zu variieren. Der Definitionsbereich liegt zwischen 0 < b < 1. Werden die extremen Fälle betrachtet, so ergibt sich für b = 0, sodass die Mengenentscheidung von Unternehmen zwei keinen Einfluss auf die Mengenentscheidung und somit den Preis für das Produkt des Unternehmens eins hat. Umgekehrt hat die Mengenentscheidung eins keinen Einfluss auf den Preis des Produktes des Unternehmens zwei. In diesem Fall agieren die beiden Unternehmen mit ihren Produkten auf zwei unterschiedlichen Märkten. Eine Wettbewerbsdynamik zwischen beiden Unternehmen entsteht nicht. Die Mengenentscheidung der einzelnen Akteure ist daher einzig vom bestehenden Netzwerkeffekt und der gegebenen Nachfrage bzw. Zahlungsbereitschaft der Kunden abhängig. Für b = 1 sind beide Produkte perfekte Substitute und die Unternehmen stehen im direkten Produktwettbewerb zueinander. Liegt b zwischen den Werten 0 und 1 so nimmt die Wettbewerbsintensität von 0 nach 1 stetig zu, da damit die substitutiven Eigenschaften der Produkte zunehmen. Das zu beobachtende Nash-Gleichgewicht sieht wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es wird deutlich, dass die Mengenentscheidungen mit steigendem Netzwerkeffekt größer werden. Ein gegenläufiger Effekt wird durch den Wettbewerbseffekt erzeugt. Wie auch im Basismodell wird unter Annahme identischer Unternehmen der Markt zwischen den beiden Marktakteuren geteilt. Wiederum ist die Stabilitätsbedingung nach DIXIT (1986) zu überprüfen. Nach Ableiten und Einsetzen erhalten wir folgende Bedingung (Vgl. Dixit 1986):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Auflösung der Gleichung nach n und Berücksichtigung, dass der Netzwerkeffekt aufgrund positiver Externalitäten ausschließlich positiv ist, gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Daher liegt der Definitionsbereich zwischen 0 < n < (Vgl. Dixit 1986). Der

Definitionsbereich des Netzwerkeffekts ist hier von der Wahl des

Wettbewerbseffekts abhängig. Sinkt der Wettbewerb so kann der Netzwerkeffekt entsprechend steigen ohne die Stabilitätsbedingung zu verletzten.

Wie schon im voherigen Kapitel wird das Modell um eine Lizenzierungsvereinbarung in Folge eines erfolgreichen Patentrechtstreits erweitert. Für das Modell wird angenommen, dass diese Lizenzvereinbarung dazu führt, dass Unternehmen zwei als Lizenznehmer für jede verkaufte Einheit Q2 eine Gebühr in Höhe von „s“ an Unternehmen eins den Lizenzgeber zahlen muss. Dies stellt wie schon erwähnt eine Erhöhung der variablen Kosten auf Seiten des Infringer und eine zusätzlichen Zahlungsstrom für den Patentee in Folge einer RRC Strategie dar. Das Modell sieht unter den gertroffenen Annahmen wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Optimierung und Herleitung der Reaktionsfunktionen kann durch Einsetzten das Nash-Gleichgewicht ermittelt werden. Die Mengenentscheidungen im Optimum sind wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie auch in der Erweiterung des Basismodells um den Patentrechtstreit hat s > 0 keine Auswirkungen auf die Stabilitätsbedingung, da wiederum nur die Grenzkosten durch diese Variable verändert werden.

Das Ziel eines Patentee im Wettbewerb ist die Verteidigung der eigenen Marktposition und Reduzierung der Menge des Konkurrenten. Hierzu werden wiederum die zwei Zustände in dieser vereinfachten Ökonomie betrachtet und die absolute Veränderung zwischen der Produktionsentscheidung ex ante Rechtstreit und der Produktionsentscheidung ex post betrachtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die entscheidende Variable ist die Veränderung der Produktionsmenge des zweiten Unternehmens. Der Zähler wird per Definition des Netzwerkeffekts über alle n und s negativ, da n < 1 zur Erfüllung des Maximierungskalküls gelten muss. Um die Menge des zweiten Unternehmens durch eine Klage und die darauf folgende Lizenzierungsvereinbarung zu reduzieren, muss die Gleichung b2 — 4 + 8n — 4n2 < 0 sein, sodass die absolute Differenz ex ante abzüglich ex post positiv ist und

Unternehmen zwei Marktanteile an der erste Unternehmen verliert. Unter Beachtung

2—b

der Stabilitätsbedingung von DIXIT (1986), mit 0 < n , ist diese Bedingung für ein stabiles Nash-Gleichgewicht erfüllt (Vgl. Dixit 1986).

Die Mengenänderung der zweiten Unternehmen ist mit dem Wettbewerbseffekt positiv korreliert. Mit steigendem Wettbewerb innerhalb einer Branche steigt der „Mengenverlust“ durch eine Lizenzierungsvereinbarung. Für den Kläger und Lizenzgeber sind ebenfalls die Wettbewerbsintensität und die Profitabilität einer Lizenzierungsvereinbarung stark positiv korreliert. Aus dieser Beobachtung heraus wird die Hypothese abgeleitet, dass „Startups, die in einem Patentrechtstreit verwickelt sind und in Märkten mit stärkerem Wettbewerb agieren, schlechter performenDie empirsche Überprüfung der ersten Hypothese wird in Kapitel 4.4 durchgeführt.

In der Praxis stehen sich nicht immer zwei gleiche Unternehmen im Wettbewerb gegenüber. Oft verklagt ein etabliertes und großes Unternehmen ein junges Startup Unternehmen. Um diesen Umstand im Modell, siehe Tabelle 14 im Anhang, aufzugreifen werden im dritten Modell die Parameter aus dem zweiten Modell angepasst. Die Annahme, dass der Wettbewerbseffekt für beide Unternehmen gleiche Auswirkungen mit bx = b2 = b wird verändert. Die Preisveränderung für das Produkt des ersten Unternehmens in Abhängigkeit der Mengenänderung des zweiten Unternehmens wird vergleichsweise geringer. Per Annahme ist somit b1 < b2. Bei einem b1 < b2 mit b2 = 1 ist aus Sicht des zweiten Unternehmens das Produkt des ersten Unternehmens ein perfektes Substitut mit direktem Wettbewerb zwischen beiden Konkurrenten. Aus Sicht des ersten Unternehmens hat eine Mengenänderung des Konkurrenten eine geringere Auswirkung auf den eigenen Preis, sodass die beiden Produkte keine perfekten Substitute sind. Der Wettbewerb reduziert sich für das erste Unternehmen. Im Modell stellt sich dies wie folgt dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit b1 < b2

Die Annahme, dass bx < b2 leitet sich aus einer Wettbewerbssituation mit asymmetrischen Unternehmen ab. In diesem Zusammenhang kann man auch von einem Marktmachteffekt sprechen. Der Incumbent, das erste Unternehmen, ist im Vergleich zum Entrant, das zweite Unternehmen, besser positioniert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Lock-in-Effekt: Durch Änderungen der gegenwärtigen Lage entstehen dem Kunden Wechselkosten, die den Wechselprozess unwirtschaftlich machen können. Dieser Effekt wird von Unternehmen zur Kundenbindung verwendet und kann damit zu Wohlfahrtsverlusten führen.

[2] Entrant: Ein Entrant definiert ein Unternehmen welches als neuer Akteur auf einen spezifischen Markt eintritt was häufig auf junge Startups zutrifft. Den Gegenspieler im theoretischen Modell bildet der Incumbent.

[3] Incumbent: Gegenspieler des Entrant und stellt ein im Markt etabliertes Unternehmen mit eigenen Marktanteilen dar

[4] Spillover-Effekte: Positive Externalitäten in Bezug auf den Mengenabsatz, obwohl eine direkte Beteiligung des Unternehmens nicht vorliegt.

[5] Antitrust: Situation auf Märkten in denen der freie Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen nicht gegeben ist und zu Nachteilen auf Seiten der Konsumenten führt.

[6] Defensive Patening: Eine Strategie Patente zu kaufen oder zu erhalten, um potentielle Konkurrenten von der Nutzung dieser Patente auszuschließen und die eigene Position im Markt abzusichern.

[7] Infringer: Der Infringer ist eine Partei, die möglicherweise eine Patenrechtsverletzung begangen hat, die Gegenpartei zum Patenthalter ist und ein entsprechendes Patent nicht besitzt.

[8] Deep Pockets: Extensiver finanzieller Wohlstand oder Reserven, die einen strategischen und vor allem zeitlichen Vorteil gegenüber Konkurrenten mit geringeren Reserven generieren.

[9] Intellectual property rights: Englischer Begriff für verbriefte Rechte um geistiges Eigentum

exklusive zu nutzen. Durch Gesetze werden diese immateriellen Vermögenswerte, wie zum Beispiel Kopierschutz, Handelsmarken oder Patente, geschützt.

[10] Agency-Probleme: Interessenskonflikt in jeglicher Beziehung zwischen zwei Parteien, in denen eine Person vom Handeln einer anderen abhängig ist. Die handelnde Person, kurz Agent, trifft die Entscheidungen und der Principal beauftrag den Agent in seinem Auftrag zu handeln. Dadurch entsteht ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis auf Seiten des Principal. Beide Parteien haben unterschiedliche Anreize und der Agent handelt in der Regel nicht im Interesse des Principals. Zur Lösung des Problems müssen entsprechende Anreizverträge geschlossen werden um die Interessen beider Parteien gleich auszurichten.

[11] Entrepreneur: Entrepreneurship ist der Prozess ein neues Geschäftsmodell zu starten. Der Entrepreneur ist die handelnde Person in diesem Prozess und entwickelt die Geschäftsidee, startet die Unternehmung und akquiriert Mitarbeiter bzw. weitere Produktionsfaktoren.

[12] Shareholder-Value-Maximierung: Managementansatz in Unternehmen der rein auf die Wertmaximierung der Unternehmensanteile abzielt und anhand dessen der Erfolg des Managements bewertet wird.

[13] Lemons-Problem: Das Problem behandelt Informationsasymmetrien zwischen Verkäufer

und Käufer von Unternehmen bzw. Unternehmensanteilen. Der Verkäufer ist im Zeitpunkt der Transaktion besser informiert als der Käufer.

[14] Tradesale: Ist eine Exit-Form und meint den Verkauf von Unternehmensteilen, einzelnen Vermögensgegenständen oder das gesamte Unternehmen an einen Investor bzw. produzierende Unternehmen. Ist der Käufer ein produzierendes Unternehmen so liegen oft strategische Gründe für den Kauf vor, wie zum Beispiel Expansion, Markterweiterung oder Übernahme eines Konkurrent. Ist der Käufer hingehen ein Finanzinvestor so liegen die Gründe für den Kauf in der Erzielung einer möglichst hohen Rendite auf den gezahlten Kaufpreis.

[15] Secondary: Verkauf eines Venture Capital finanzierten Unternehmens an eine anded Capital Gesellschaft. Diese kann zu Verhandlungsproblemen führen, da beide Parteien rein finanzielle Interessen verfolgen.

[16] Living-Deads: Ausdruck für schlechte Venture Capital Investitionen die weder insolvent noch relativ einfach zu liquidieren sind. In der Regel sind diese Projekte als Fehlinvestitionen zu werten.

[17] Zombies: Synonym für Living Deads.

[18] Patentee: Der Patentee ist mit dem Patenthalter gleichzusetzten und wurde aus Vereinfachungsgründen aus der englischen Sprache übernommen.

[19] Predatory Pricing: Eine Preisstrategie im strategischen Wettbewerb. Durch Reduzierung des Preises für ein Produkt oder Dienstleistung sollen Konkurrenten aus dem Markt verdrängt werden bzw. Markteintrittsbarrieren für potenziell neue Konkurrenten aufgebaut werden. Sofern der Wettbewerber diese Strategie aufgrund der gegebenen Kostenstruktur nicht ebenfalls durchführen kann wird dieser aus dem Markt verdrängt bzw. neue Konkurrenten vom Markteintritt abgeschreckt. Ziel des sogenannten Predators ist eine monopolistische Marktposition.

[20] Predator: Aktive Partei in einer Predatory Pricing Strategie, die strategische Aktivitäten gegen einen Konkurrenten vornimmt.

[21] Antitrust: Gesetz in den USA, welches die Durchführung und Organisation von Unternehmen reguliert, um einen fairen Wettbewerb zum Wohle der Konsumenten zu erreichen.

[22] Revenue Destruction: Durch eine Ausweitung des Angebots kann der Umsatz erhöht werden, allerdings fällt unter der Annahme einer stetig fallenden Nachfrage der Preis für das produzierte Gut. Der Deckungsbeitrag sinkt daher durch die abgesetzte Menge.

[23] Outsider Patentee: Patentee ist eine unabhängige dritte Person und steht mit dem Infringer nicht im Wettbewerb.

[24] Insider Patentee: Patentee steht mit dem Infringer im direkten Wettbewerb.

Ende der Leseprobe aus 126 Seiten

Details

Titel
Strategische Gründe für Patentrechtsstreite und Auswirkungen auf den Venture Capital Zyklus
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
126
Katalognummer
V383737
ISBN (eBook)
9783668597655
ISBN (Buch)
9783668597662
Dateigröße
38900 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Patent, Rechtsstreit, Cournot, Startups, predation, npe, patenttroll, Venture Capital Zyklus
Arbeit zitieren
Martin Geissler (Autor:in), 2014, Strategische Gründe für Patentrechtsstreite und Auswirkungen auf den Venture Capital Zyklus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383737

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