In diesem Aufsatz wird der Frage nachgegangen, inwiefern die neue Arbeitswelt die Karrierewege von im deutschen Sprachraum operierenden Manager/innen und Führungskräften beeinflusst. Vor allem das mittlere und das obere Management stehen dabei im Fokus.
Der Begriff "neue Arbeitswelt" meint nicht nur Veränderungen aufgrund des technologischen Fortschritts, welcher neue Produktionsformen und Formen der Arbeitsausführung und -organisation mit sich brachte, sondern auch "Social Changes", die sich in den Beziehungen zwischen den Ausführenden der Arbeit selbst niederschlugen aber auch innerbetriebliche Strukturen, strategische Entscheidungen und Aspekte der Lebens- und Arbeitssituation von Vorgesetzten und ihren Untergebenen maßgeblich berührten.
Bereits die dritte industrielle Revolution, ein durch Computerisierung, Automatisierung und neuen Kommunikationsformen ausgelöster Umbruch, hat die Arbeitsrealitäten von und Arbeitsanforderungen an Manager/innen und Führungskräfte massiv verändert, was sich auch in deren Karriereverläufen niederschlug.
Es ist davon auszugehen, dass der momentan stattfindende Wandel Richtung Industrie 4.0 die Rolle des Managements in Unternehmen weiter herausfordern und die Entwicklung neuer Managementansätze, Arbeitsformen und Arbeitsbeziehungen notwendig werden lässt. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob traditionelle Karrierewege, Rekrutierungs- und Ausbildungspfade von Manager/-innen und Führungskräften an Bedeutung verlieren werden und eine Anpassung an die veränderten Anforderungen stattfindet.
Abstract
Im vorliegenden Aufsatz wird der Frage nachgegangen, inwiefern die neue Arbeitswelt die Karrierewege von im deutschen Sprachraum operierenden Manager/innen und Führungskräften beeinflusst. Vor allem das mittlere und das obere Management stehen dabei im Fokus. Der Begriff „neue Arbeitswelt“ meint nicht nur Veränderungen aufgrund des technologischen Fortschritts, welcher neue Produktionsformen und Formen der Arbeitsausführung und -organisation mit sich brachte, sondern auch „Social Changes“, die sich in den Beziehungen zwischen den Ausführenden der Arbeit selbst niederschlugen aber auch innerbetriebliche Strukturen, strategische Entscheidungen und Aspekte der Lebens- und Arbeitssituation von Vorgesetzten und ihren Untergebenen maßgeblich berührten.
Bereits die dritte industrielle Revolution, ein durch Computerisierung, Automatisierung und neuen Kommunikationsformen ausgelöster Umbruch, hat die Arbeitsrealitäten von und Arbeitsanforderungen an Manager/innen und Führungskräfte massiv verändert, was sich auch in deren Karriereverläufen niederschlug. Es ist davon auszugehen, dass der momentan stattfindende Wandel Richtung Industrie 4.0 die Rolle des Managements in Unternehmen weiter herausfordern und die Entwicklung neuer Managementansätze, Arbeitsformen und Arbeitsbeziehungen notwendig werden lässt. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, ob traditionelle Karrierewege, Rekrutierungs- und Ausbildungspfade von Manager/-innen und Führungskräften an Bedeutung verlieren werden und eine Anpassung an die veränderten Anforderungen stattfindet.
Der Wandel der Karrieremuster von Manager/innen seit den 1990er Jahren
Insbesondere seit den 1990er Jahren zeichnet sich ein Wandel in den Ausbildungs- und Karrierewegen von Manager/innen und Führungskräften ab. Ganz allgemein ist festzustellen, dass sich die Karrieremuster von Manager/innen im deutschsprachigen Raum stärker an aus dem angelsächsischen Raum bekannten Karriereverläufen orientieren und ein neues Unternehmensverständnis Verbreitung findet (vgl. Freye 2009, 12). Höpner und Streeck bringen dieses Phänomen mit der wirtschaftlichen Funktionslogik in Verbindung. Die Liberalisierungstendenzen im Wirtschaftssystem der mitteleuropäischen Länder hatten demnach auch Einfluss auf die Managementkarrieren (vgl. Höpner 2003a/Streeck 1996/Streeck & Höpner 2003). So waren die 1970er und 1980er Jahre in Deutschland gekennzeichnet durch ein Kapitalismusmodell, welches als „nichtliberal“ (Streeck 2001, 5) bzw. als „rheinischen Kapitalismus“ (Albert 1993, 100) bezeichnet wird. Österreich hob sich mit dem Sonderweg des Austrokeynesianismus zwar in wesentlichen Punkten vom deutschen Modell ab, die Rekrutierungs-, Ausbildungs- und Karrieremuster von Führungskräften waren aber ident. Dies hat wohl damit zu tun, dass bis in die 1980er Jahre in beiden Ländern das Akkumulationsregime des Fordismus als Regler der ökonomischen Gegebenheiten vorherrschend war. Zentrale Merkmale waren dabei die meist lebenslange Anstellung im gleichen Betrieb, welche Haus- und Kaminkarrieren förderte („vertikale Karrieremobilität“), technikfokussierte Ausbildungswege und ein technokratisches Management mit einer starken Produktionsorientierung (vgl. Gergs/Schmidt 2002, in: Minssen 2006, 188). So konnten auch mit der typischen Facharbeiterkarriere durchaus mittlere Managementpositionen realisiert werden (vgl. Faust 2002, 72).
Mit dem gravierenden Umbruch des deutschen wie österreichischen Wirtschaftsmodells in Richtung eines finanzmarktorientierten Kapitalismus mit freien deregulierten Märkten sowie dem Wandel des Akkumulationsregimes vom Fordismus zum Postfordismus Anfang der 1990er Jahre brachen die für Manager/innen typischen und verfestigten hierarchieproduzierenden und -stabilisierenden Laufbahnstrukturen auf. Mit der marktgesteuerten Dezentralisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt veränderten sich auch die Mobilitätsanforderungen an Führungskräfte, verfestigte Werte, Normen und Grundannahmen erodierten und an Stelle von hoch fachbezogen ausgebildeten Führungskräften traten vermehrt Generalistenkarrieren mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt, um einerseits den erhöhten Anforderungen des Kapitalmarktes gerecht werden zu können, andererseits aber auch um betriebliche Modernisierungs- und Reorganisationsprozesse zu managen. Change-Management gewinnt angesichts wachsender Unsicherheiten und ständig wechselnder Rahmenbedingungen zunehmend an Bedeutung. Führungskräfte werden immer mehr zu Change-Agents, welche Anpassungsstrategien entwickeln und Veränderungsprozesse anstoßen, damit Unternehmen auf globalisierten Märkten bestehen können (vgl. Minssen 2006, 186ff). Durch diese Veränderung in den Führungsrollen entstehen neue Konfliktlinien, deren Auftreten und Verlauf nicht nur die berufliche, sondern ebenfalls die private Sphäre betreffen.
Während auch Manager/innen Karriereunsicherheiten in Kauf nehmen müssen, steigen parallel dazu die Arbeitsanforderungen. Gefragt ist der Arbeitskraftunternehmer, der unternehmerisch denkende und handelnde Angestellte, welcher zugleich als Führungskraft agiert und sich in seiner Fähigkeit zur Veränderung durch Anpassung an Märkte und ökonomische Vorgaben auszeichnet (vgl. Minssen 2006, 191/Kronauer 2007, 9). Managementkarrieren von heute verlangen Flexibilität, hinsichtlich der Bereitschaft zur räumlichen Mobilität, wechselnden Arbeitszeiten, Einkommensverzicht und lebenslangem Lernen zum Zweck der Aufrechterhaltung des „Humankapitals“. Zugleich fordern Führungskräfte diese ihnen abverlangte Flexibilität von ihren Untergebenen, welche mit höheren Leistungsanforderungen, einem höheren Ausmaß an Eigenverantwortung und Entscheidungsbefugnissen konfrontiert werden (vgl. Kronauer 2007, 9). Gleichzeitig sind Manager/innen und Führungskräfte infolge des Wandels der Arbeitsorganisation einem erhöhten Aufgabenspektrum ausgesetzt. Damit steigt der zeitliche Druck, aber auch der Stress durch die hohen Leistungs- und Verhaltensanforderungen. Zudem kollidieren die langen Arbeitszeiten und der ausufernde Anspruch auf Verfügbarkeit häufig mit familiären Verpflichtungen (vgl. Minssen 2006, 190ff).
Führungskräfte und Manager/innen sind also einem permanenten Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf ausgesetzt, müssen aber auch den permanenten Konflikt zwischen Aufgaben- und Beitragsorientierung bewältigen: Führungskräfte sind meist hoch intrinsisch motiviert, haben hohe Ansprüche an ihre Arbeit, sie bevorzugen herausfordernde und inhaltlich befriedigende Tätigkeiten, die zur Selbstverwirklichung beitragen sollen. Daneben existiert eine auf Verwirklichung organisationstypischer Ziele und Unternehmenserfolg ausgerichtete Orientierung. Meist entwickelt sich eine Arbeitsidentität, die ganz klar firmenbezogen ist. Individualisierte Managementtätigkeiten mit großen Handlungsspielräumen gibt es also nur unter der Inkaufnahme von oben angeführten persönlichen und familialen Konsequenzen (vgl. Minssen 2006, 189ff).
Zudem ersetzen oder relativieren das Streben nach Flexibilität und Eigenverantwortung andere Normen wie die der Loyalität, der Verlässlichkeit und der Solidarität (vgl. Kronauer 2007, 9). Karrierezugänge, welche auf einem „ungeschriebenen psychologischen Vertrag“ zwischen potentiellem Manager und Unternehmen beruhen und in welchem ein faires und gerechtes Geben und Nehmen festgelegt ist, verschließen sich zunehmend. Unternehmensbindung und Karriere stehen in keinem Reziprozitätsverhältnis mehr, was zu Anerkennungsverlusten unter jenen Mitarbeiter/innen führen kann, die schon lange im Unternehmen tätig sind und sich aufgrund dessen einen Aufstieg erhoffen. Damit verbunden ist eine Erosion des sozialen Konstrukts der „Mannschaft“ (Kotthoff 1997, in: Minssen 2006, 187). Die Bedeutungszunahme von Generalistenkarrieren geht in vielen Fällen mit einem Verlust der emotionalen Verbundenheit mit dem Unternehmen einher. Kotthoff fasst zusammen: „sie [die Generalisten – Anm. M.G.] sitzen nicht mehr ‚mit im Boot‘ und haben kein Verständnis für die Notwendigkeit eines sozialen Zusammenhalts, sie informieren nicht ausreichend über ihre Konzepte, Pläne und Strategien, sie haben weniger ‚Persönlichkeit‘, weniger Autorität und Führungsstärke als die ausgeschiedenen ‚Alten‘, und das wiederum verhindert eine konsequente Lösung der anstehenden arbeits- und betriebsorganisatorischen Folgeprobleme eines übersteigerten Bürokratismus.“
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- Quote paper
- Maria Grashäftl (Author), 2017, Wie verändern sich die Karrierewege von Managern und Managerinnen in einer neuen Arbeitswelt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383754