Phytoremediation von verunreinigten und kontaminierten Böden mit Hilfe von ausdauernden Pflanzen

Wie wird mit kontaminierten Brachflächen im urbanen und suburbanen Bereich umgegangen?


Bachelorarbeit, 2015

50 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Phytoremediation
2.1 Phytoextraktion
2.2 Phytodegradation/Rhizodegradation
2.3 Phytovolatilisierung/Phytoverflüchtigung
2.4 Rhizofiltration
2.5 Phytotransformation
2.6 Phytostabilisierung/Phytoexclusion

3. Natürliche Abbau- und Rückhalteprozesse (Natural Attenuation)
3.1 Enhanced Natural Attenuation - ENA
3.2 Monitored Natural Attenuation -MNA

4. Altlastenrelevante Schadstoffe

5. Beispiele
5.1 Projekt: Klärschlammdeponie in Podelwitz
5.1.1 Standortbeschreibung
5.1.2 Sanierung
5.1.3 Gestaltung
5.2 Feldversuch auf Kontaminierten Auenböden im Elbauegebiet
5.2.1 Standortbeschreibung
5.2.2 Durchführung
5.3 Landschaftspark Duisburg Nord
5.3.1 Geschichte
5.3.2 Standortbeschreibung
5.3.3 Sanierung und Umnutzung
5.3.4 Gestaltung der Außenanlage
5.3.4.1 Gartenanlagen
5.3.4.2 Wasserpark

6. Pflanzendatenbank

7. Einsatzmöglichkeiten
7.1 Pflanzen zum Abbau von Schadstoffemissionen aus dem Verkehr

8. Fazit

9. Zusammenfassung

10. Abstract

11. Quellenverzeichnis
11.1 Literaturquellen
11.2 Internetquellen

12. Abkürzungsverzeichnis

13. Tabellenverzeichnis

14. Abbildungsverzeichnis

Anhang: Pflanzenliste – Ausdauernde Pflanzen zum Schadstoffabbau

Aufgabenstellung

Derzeit existieren, laut Umweltbundesamt in Deutschland (Stand 31.07.2013) etwa 314.704 Altlastenverdächtige Flächen, 96.894 Altablagerungen (AA) und 218.830 Altstandorte (AS).

Davon liegen etwa 150.000 ha Flächen im Siedlungszusammenhang.

Diese urbanen und suburbanen Brachflächen werden meist für temporäre Nutzungen, wie

Sommertheater, Konzerte, Ausstellungen oder sogar als Interimsflächen für experimentelles Wohnen von Städten freigegeben. Aber der Realisierung von längerfristigen Nutzungskonzepten stand und steht in vielen Fällen die Kontaminierung und die damit verbundenen Unsicherheiten mit den wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten einer Sanierung im Wege.

Aber warum ist eine Sanierung von leicht bis mäßig kontaminierten Böden nicht Hand in Hand mit einer Nutzung denkbar?

Etablierte Verfahren zur Bodensanierung (z.B. Bodenwäsche, Verbrennung, Extraktionsverfahren) sind technisch und energetisch sehr aufwendig und teuer, sie zerstören das noch minimal vorhandene natürliche System komplett und beziehen Anwohner oder regionalen Akteure nicht mit ein.

Phytoremediation ist eine der vergleichsweise kostengünstigen Alternativen, die im Gegensatz zu den technisch und wirtschaftlich aufwändigen Methoden natürliche Selbstreinigungspotentials von Pflanzen nutzen. Viele Pflanzen weisen eine hohe Aufnahmekapazität für anorganische Stoffe und Stoffverbindungen auf. Organische Schadstoffe werden im Vergleich dazu von Pflanzen in geringeren Maß aufgenommen. Pflanzen die dafür in Frage kommen, werden auch als Metallophyten, Schwermetallzeiger-Pflanzen oder als ausdauernde Hyperakkumulatoren bezeichnet. Sie speichern die Schadstoffe meist in ihren oberirdischen Organen und können so problemlos durch Mahd abgeerntet und entsorgt werden (z.B. Umwandlung in Vergaseranlage zu Energie). Die direkte Reinigung der Pflanze findet nur in dem mit Feinwurzeln durchzogenen Boden statt, so dass nur oberflächennahe Schadstoffe erfasst werden. Durch den Pflanzenbewuchs werden die Bedingungen für den mikrobiologischen Abbau, im Boden, von organischen Schadstoffen stark verbessert.

Die Phytoremediation benötigt sehr viel Zeit, schätzungsweise dauert eine Reinigung über die

Pflanzenaufnahme von Schadstoffen mehrere Jahrzehnte. Nutzungsmöglichkeiten für diese

Flächen während des Sanierungsprozesses liegen bei einer neuen Form von „Industrienaturbiotop“. Eine Nutzung als Naturerlebnisort und Erholungsort, experimentelle Wohnfläche, Anbaufläche, selbstverwaltete Aktionsfläche etc. ist denkbar.

Derzeitige Einsatzbereiche und Kenntnisse zur Phytoremediation resultieren aus Projekten kontaminierte Wässer, Böden und Schlämme zu behandeln. Dabei handelt es sich vor allem um landwirtschaftliche genutzte Böden, die mit Schwermetallen kontaminiert sind. Die Reinigung dieser Böden findet mit Energiepflanzen in Monokultur (z.B. Tabak, Sonnenblume) statt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Biomasseproduktion. Die erzeugte Biomasse dient einerseits zur Energiegewinnung. Andererseits wird versucht seltene Metalle/Schwermetalle wiederzugewinnen (Phytomining).

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit folgenden Fragen:

Wie wird derzeit mit kontaminierten Brachflächen im urbanen und suburbanen Bereich umgegangen? Gibt es Bepflanzungsversuche?

Welche ausdauernden Pflanzen sind im Hinblick auf eine mögliche Nutzung, ästhetische Wahrnehmung, Aspekte des Naturschutzes/Erhöhung der Biodiversität, minimale Kosten für die Pflege und ausreichende Reinigungswirkung besonders geeignet?

1. Einleitung

Im Siedlungsbereich gibt es immer mehr Brachflächen, deren Böden leicht bis mäßig mit Schadstoffen kontaminiert sind. Diese Flächen sind für Wiederbebauungen zwar sehr interessant, aber ihre Sanierungskosten sind zu hoch im Gegensatz zur Neuversieglung. Schadstoffe wie Cadmium, Quecksilber, Arsen, Blei, Mineralölkohlenwasserstoffe, Phenole und viele mehr müssten vor einer künftigen Nutzung minimiert werden. Die zuständigen Bodenschutzbehörden der Länder müssen bei Überschreitung der in der BBodSchV aufgeführten Prüf- und Maßnahmenwerte prüfen, welche Nutzungsauflagen sie erteilen. Grundsätzlich wird geprüft, ob eine Sanierung (Dekontamination, Sicherung) oder Schutz des noch nicht beeinträchtigten, angrenzenden Mediums und Beschränkungsmaßnahmen wie Umwidmung/Nutzungsänderung, Nutzungsanpassung einzuleiten ist. Derzeitige Sanierungsmethoden, wie Bodenaustausch sind sehr aufwendig und bedeuten einen kompletten Aushub des Bodens. Eine Alternative dazu ist es, die Fläche mit Pflanzen zu reinigen. Dies würde bedeuten, dass die Fläche als Freifläche erhalten bliebe und der Boden erhalten bleibt. Denn: „Es wird oft übersehen, das Boden leicht zerstörbar, nicht vermehrbar und so gut wie nicht erneuerbar ist.“ (Dr. Monika Herrchen, Dr. Werner Kördel 1999, S.5) Frei- und Grünflächen verbessern Wohnumfeldqualität. Neben Ihrer regulierenden Wirkung auf das Stadtklima tragen sie mit ihrem Nutzen für Freizeit und Erholung wesentlich zur Stadtnatur bei.

Phytoremediation, die Methode der Bodensanierung mit Pflanzen, versucht einerseits, die Schadstoffe durch die Pflanze aus den Boden zu extrahieren, andererseits die Schadstoffe durch die Bodenverbesserung und Anreicherung mikrobieller Organismen, Schadstoffe in unschädliche Stoffe (Sauerstoff, Kohlendioxid und Mineralsalze) umzuwandeln. Diese Arbeit soll aufzeigen, was Phytoremediation überhaupt ist, was Natural Attenuation ist und wie versucht wird, die Sanierungsverfahren in der Praxis umzusetzen. Dabei werden drei Projekte vorgestellt, die Pflanzen zu Reinigungszwecken einsetzen. Zum einen handelt es sich um die Sanierung einer Klärschlammdeponie in der Nähe von Leipzig, welche heute ein Feuchtbiotop ist. Das zweite Projekt ist ein Feldversuch in der Elbaue bei Schöneberg, wo mit einer Gehölz-Phytoremediation Schwermetalle extrahiert werden. Das dritte vorgestellte Projekt der Landschaftspark Duisburg-Nord, weist über die Sanierung hinaus einen Weg zu künftiger Landschaftsgestaltung und siedlungsnaher Erholungsnutzung.

Die Pflanzendatenbank, enthält eine Liste mit ausdauernde Pflanzen mit Reinigungswirkungen die in Versuchen auf ihren Einsatz in der Phytoremediation getestet wurden. Daraus ergeben sich auch Einsatzmöglichkeiten in der Landschaftsarchitektur und im Naturschutz.

2. Phytoremediation

Phytoremediation zählt zu den biologischen in-situ-Verfahren, welche zur Sanierung von Bodenverunreinigungen und Wasserverunreinigungen eingesetzt werden. Ihre Funktionsweise beruht auf den Stoffwechselaktivitäten von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren und nutzt die natürlichen Abbauprozesse, um Schadstoffe z.B. im Boden zu minimieren. „Unter Einsatz bestimmter Pflanzen kann eine Entgiftung (Dekontamination) belasteter Flächen erreicht werden (Böden und Gewässer).“(U. KUTSCHERA 2002, S.251) Hauptmerkmal ist, dass der verunreinigte Boden in seinem natürlichen Lagerungsverhältnissen verbleibt.

Die Verfahren eignen sich für oberflächennahe Bodenverunreinigungen, da nur der durchwurzelte Bereich erfasst wird. In der vorliegenden Arbeit werden nur die Verfahren vorgestellt, in denen Pflanzen eine bedeutende Rolle bei der Bodensanierung zukommt. Die zentrale Rolle der Pflanze bei der Phytoremediation ergibt sich aus ihrer Funktionsweise und wird durch folgende Punkte beschrieben:

- Förderung des mikrobiellen Abbaus von Schadstoffen in der Rhizosphäre.
- Schadstoffaufnahme in die Pflanze.
- Konzentrierung der Schadstoffe durch die Evaporation von Wasser.
- Festlegung von Schadstoffen in der Bodenmatrix (Verringerung der Bioverfügbarkeit).

Anzustreben ist die Akkumulation von Schwermetallen (Anreicherung in den Pflanzenorganen) und/oder die Mineralisierung organischer Schadstoffe (vollständiger Abbau zu den anorganischen Endprodukten Kohlendioxid, Wasser und evtl. Mineralsalzen).

Die Phytoremediation befindet sich derzeit noch in der Entwicklungsphase. Es werden derzeit verschiedene Verfahren entwickelt (siehe Tabelle 1).

Tab.1: Verfahren der Phytoremediation unterteilt nach Abbau/Anreicherung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die einzelnen Verfahren der Phytoremediation können kombiniert stattfinden. Sie können aber auch mit anderen biologischen in-situ Verfahren sowie anderen Reinigungstechnologien kombiniert werden. Sofern keine unmittelbare Gefahr von der Verunreinigung, für die menschliche Gesundheit, sowie für die Umwelt ausgeht, stellen sie alternative Sicherungs- und Sanierungsalternativen dar. Durch die ästhetische Einbindung in die Umgebung, haben sie eine hohe Akzeptanz.

2.1 Phytoextraktion

Bei der Phytoextraktion werden schadstoffakkumulierende Pflanzen eingesetzt, die Schadstoffe aus den Boden herausziehen (extrahieren) und in ihren Organen anreichern. „Sanierungsmittel im Falle der Phytoextraktion sind höhere terrestrische Pflanzen sowie deren assoziierte Mikroorganismenflora. Schadstoffe werden bei Phytoextraktionsverfahren dem Schutzgut Boden entzogen. Neben dem Entzug von Schadstoffen führt Pflanzenbewuchs zu Sickerwasserminimierung und damit zu einer Reduktion des Schadstoffauswaschungs-risikos aufgrund der Evapotranspirationsleistung der Pflanzen. Zusätzlich erfolgt durch die Vegetationsdecke eine mechanische Stabilisierung des kontaminierten Bodens, die Wind- und Wassererosion vermindert (Teildisziplin Phytostabilisierung).“ (UNTERBRUNNEN, WIESHAMMER, PU-SCHENREITER, WENZEL 2006, S.6) Man unterscheidet zwischen der induzierten und der kontinuierlichen Phytoextraktion. Bei der induzierten Phytoextraktion wird die Schwermetallmobilität künstlich durch Chelatoren, wie z.B. EDTA ( Ethylendiamintetraessigsäure ) erhöht. Der Einsatz von Chelatoren zur Bodenbehandlung ist in Europa und vielen anderen Ländern verboten, in den USA allerdings nicht.

Dabei werden keine schadstoffakkumulierenden Pflanzen eingesetzt, sondern meist einjährige Pflanzen (Mais, Raps, Sonnenblumen) mit hoher Biomasseproduktion. Die Pflanzen werden angebaut und kurz vor der Ernte werden dem Boden chelatierende Substanzen zugesetzt. Das führt dazu dass die Pflanzen nun die chelatierten Metallionen vermehrt aufnehmen, speichern und sehr schnell absterben. Allerdings besteht große Gefahr, dass die giftigen Chelatoren ins Grundwasser geraden.

Bei der kontinuierlichen Phytoextraktion von Schwermetallen werden Pflanzen verwendet, die natürlicherweise Metalle akkumulieren. Bei dieser Methode müssen keine zusätzlichen Chemikalien eingesetzt werden, da die Pflanzen von sich aus die Metalle aus dem Boden extrahieren. Ein weiterer Vorteil liegt dabei in der Tatsache, dass die Aufnahme der Metalle über die gesamte Wachstumsperiode erfolgt.

Nach der Vegetationsperiode können die Pflanzen abgeerntet werden (z. B. Mahd) und evtl. verwertet werden. „Verwertungswege sind beispielsweise die Nutzung der Biomasse als interessanten chemischen Rohstoff (Öl-Nutzung, Methan-Gewinnung durch Vergärung) oder als Energieträger. Einige Varianten werden aktuell geprüft, wie zum Beispiel die feuchte oder trockene Entsorgung/Verwertung. Bei Verbrennung können die Elemente aus der Asche zurückgewonnen werden, während die verbleibende Asche auf der Fläche zur Bodenverbes-serung ausgebracht werden.“ (DR. M. HERRCHEN, DR. W. KÖRDEL 1999, S. 27) Das Verfahren eignet sich besonders für anorganische Schadstoffe, besonders für Schwermetalle (Co, Cr, Ni, Pb, Zn, Au, Hg, Mo, Ag, Cd) und auch für Radionuklide (Sr, Cs, U).

Wichtig dabei ist, dass die Schadstoffe pflanzenverfürgbar vorliegen oder umgewandelt werden. Die Pflanzen müssen im Hinblick auf die Standortbedingungen, Verträglichkeit und Konkurrenz geeignet sein.

2.2 Phytodegradation/Rhizodegradation

Bei der Phytodegradation nehmen die Pflanzen, die Schadstoffe nicht auf, sondern schaffen in der Rhizosphäre ein spezielles Umfeld für Mikroorganismen. Der Schadstoffabbau wird über zwei Arten gefördert. Zum einen durch verbesserte Sauerstoffversorgung entlang der Wurzel-kanäle im Boden, Regulation des Wasserhaushaltes und durch Abgabe von organischen Substanzen wie Zucker und Aminosäuren über die Pflanzenwurzeln (Wurzelexudate) in den Boden. Zum anderen wird die Bioverfügbarkeit von Schadstoffen durch Abgabe von Biodetergenzien über die Wurzeln erhöht.

Eine klassische Anwendung sind Pflanzenkläranlagen. Diese wurden für die Reinigung von kommunalen Abwässern entwickelt. Es ist geeignet für MKW, PCB, MTBE, BTEX, chlorierte Lösungsmittel.

2.3 Phytovolatilisierung/Phytoverflüchtigung

Unter dem Begriff Phytovotilisation/Phytoverflüchtigung wird die theoretische Möglichkeit verstanden, das Pflanzen durch Produktion flüchtiger Komponenten (z.B. Selen, Arsen, Bildung von Methylquecksilber, flüchtige organische Verbindungen) den Boden entgiften. Im Falle von Quecksilber geschieht dies durch Methylierung des Quecksilbers (durch sulfatreduzierende Bakterien) zu dem Methylquecksilber durch die Pflanze. Methylquecksilber ist flüchtig und kann daher von der Pflanze in die Luft abgegeben werden. Die organischen, organometallischen oder anorganischen Schadstoffe gelangen in die Pflanze und werden über Transpirationsprozesse in die Atmosphäre abgegeben. Allerdings werden die Schadstoffe nicht beseitigt, sondern nur in ein anderes Medium (hier Luft) übertragen.

2.4 Rhizofiltration

Rhizofiltration bedeutet die Filterung von Schadstoffen aus Oberflächengewässern, aber auch aus Feuchtgebiete, Klärschlammdeponien und Abwässern. Durch Adsorption an Pflanzenwurzeln oder Absorption durch Pflanzenwurzeln. Dabei werden Landpflanzen eingesetzt, die zum Beispiel auf Flößen oder Kokosmatten schwimmen und deren Wurzeln ins Wasser reichen. Diese Methode wird für anorganische Schadstoffe (z.B. Radionuklide, Schwermetalle), aber auch für organische Schadstoffe schon erfolgreich eingesetzt.

2.5 Phytotransformation

Bei der Phytotransformation werden organische Schadstoffe (z.B. aromatische und chlorierte Aliphaten, chlorierte Lösungsmittel, Sprengstoffe, MKWs wie Alkane, Alkene, Indane, Alkylbenzole) von den Pflanzen (Wurzeln oder Spross) aufgenommen und anschließend im Pflanzengewebe durch Enzyme zu nicht mehr phytotoxischen Substanzen metabolisiert.

2.6 Phytostabilisierung/Phytoexclusion

Der Begriff Phytostabilisierung beschreibt den Einsatz von Pflanzen zur Verminderung der Bioverfügbarkeit von Schadstoffen (Metalle, organische Verbindungen) im Erdreich (z.B. durch Komplexierung oder Ausfällung). Der Schadstofftransports wird durch geringere Erosion und geringere Sickerwasserbildung minimiert. Das Verfahren ist kein Sanierungsverfahren, es dient nur der Sicherung des Bodens.

3. Natürliche Abbau- und Rückhalteprozesse (Natural Attenuation)

Natürliche Abbau- und Rückhalteprozesse (Natural Attenuation - NA) bezeichnet natürlich ablaufende Vorgänge im Boden (alle biologischen, physikalischen und chemischen Prozesse), die zu einer Verringerung von Masse, Toxizität, Mobilität, Volumen oder Konzentration von Schadstoffen führen oder die Ausbreitung verlangsamen, bis sie schließlich im Boden mineralisiert oder immobilisiert sind. Zu diesen schadstoffmindernden Prozessen zählen der biologische Abbau, chemische Transformation, Sorption, hydrodynamische Dispersion, Verdünnung und Volatilisation der Stoffe, die zur Festlegung, Zerstörung, Transformation von Schadstoffen führen.

Die NA kann bei der Bodensanierung mit eingesetzt werden. Wenn sich dies auf ein kurzzeitiges Eingreifen ohne andauernden betrieblichen Aufwand beschränkt, wird dieser Prozess als Enhanced Natural Attenuation (ENA) bezeichnet. Dagegen werden aktive Maßnahmen mit einem langfristigen betrieblichen Aufwand den biologischen „in-situ Verfahren“ zugeordnet. Langfristige Beobachtungen bereits laufender Prozesse werden als Monitored Natural Attenuation (MNA) bezeichnet.

3.1 Enhanced Natural Attenuation - ENA

Unter dem Begriff ENA werden alle Verfahren zusammengefasst die zu einer Stimulierung von Selbstreinigungsprozessen führen. Die Optimierung bzw. Beschleunigung von natürlichen Abbauprozessen wird über verschiedene biologische und technische Verfahren erreicht, welche die physikalischen oder chemischen Eigenschaften des kontaminierten Bodens verändern. „Dies erfolgt zum Beispiel durch Zugabe von Elektronenakzeptoren (Sauerstoff, Nitrat, Sulfat) für die biologische Oxidation oder Elektronendonatoren für die reduktive Dehalogenierung.“ (LABO 2009, S.8) ENA wird als in-situ-Sanierungsverfahren angesehen.

3.2 Monitored Natural Attenuation -MNA

Werden natürliche Schadstoffminderungsprozesse dauerhaft überwacht und im Hinblick auf ihre prognostizierte Wirksamkeit überprüft, spricht man von „Monitored Natural Attenuation“ (MNA), der „überwachten natürlichen Schadstoffminderung“. MNA impliziert keinerlei Eingriff in das ablaufende Prozessgeschehen.

4. Altlastenrelevante Schadstoffe

Nach §2 Abs.6 BBodSchV werden Schadstoffe so definiert:

„Stoffe und Zubereitungen, die auf Grund ihrer Gesundheitsschädlichkeit, ihrer Langlebigkeit oder Bioverfügbarkeit im Boden oder auf Grund anderer Eigenschaften und ihrer Konzentration geeignet sind, den Boden in seinen Funktionen zu schädigen oder sonstige Gefahren hervorzurufen.“

Die Stoffdatenbank STARS stellt Daten zu bodenschutz- und umweltrelevanten Stoffen für die Medien Boden, Wasser, Luft bereit. Sie enthält ca. 1100 Stoffe, darunter auch die Hintergrundwerte für anorganische und organische Stoffe in Böden. Weiterhin finden in der STARS die Grenzwerte aus der BBodSchV Berücksichtigung. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Schadstoffe, die auf Altstandorten und Altablagerungen am Häufigsten anzutreffen sind.

Tab. 2: Altlastenrelevante Schadstoffe und ihre Fundorte

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Am meisten und in zu hohen Konzentrationen sind Bodenverunreinigungen mit MKWs anzutreffen. MKWs sind Produkte der Rohöl-Verarbeitung (OTTO- bzw. DIESEL-Kraftstoff, leichtes und schweres Heizöl, Motorenöle). „Böden mit einer reichen Mikroflora verfügen über ein gewisses Selbstreinigungspotential für MKWs, wobei am raschesten die Alkane mit mittlerer Kettenlänge abgebaut werden.“(JANKE 2008, S.417)

Am schwierigsten und längsten sind PAKs zu behandeln. „Sie werden großtechnisch aus Steinkohleteer (durch Destillation und Kristallisation) gewonnen und zur Synthese von Farbstoffen, Kunst- und Heilmitteln verwendet.“(JANKE 2008, S.417) PAKs sind krebsauslösend oder sie verstärken die Wirkung von krebsauslösenden Stoffen.

Durch die Nahrung, sind Menschen und Tiere, ständig Schwermetallen ausgesetzt. „Als Schwermetalle werden die metallischen Elemente mit einer Dichte ab 5 g/cm³ bezeichnet.“ ( E.-D.SCHULZE, E.BECK, K.MÜLLER-HOHENSTEIN 2002, S.201) Sie können nicht zu ungefährlichen Verbindungen im Boden abgebaut werden. Dabei besteht die Gruppe der Schwermetalle größtenteils aus essentiellen Spurenelementen wie Eisen, Mangan, Zink, Kupfer, Nickel, Molybdän und Kobalt. In höheren Konzentrationen sind auch diese Stoffe toxisch für unseren Körper. Problematisch sind aber die nicht essentiellen Schwermetalle Quecksilber, Blei, Cadmium, Chromium und Arsen. Diese Stoffe können bei Menschen und Tieren Schädigungen (v.a. der Nieren, der Leber und des Nerven- u. Blutge-fäßsystems) durch erhöhte Konzentrationen auftreten.

5. Beispiele

Weltweit wird in verschiedenen Projekten getestet, ob die Phytoremediation sich zur Sanierung von kontaminierten Umweltmedien eignet. Meist sind nicht nur die Böden kontaminiert, in vielen Fällen besteht die Gefahr, dass auch das Grundwasser kontaminiert wird. Ein Beispiel dafür ist die Mineralöl-Raffinerie PCK in Schwedt. Dort ist sowohl der Boden als auch das Grundwasser mit BTEX und MKW belastet. Auf diesen Flächen wird das (Enhanced) Natural Attention getestet, mit den Hintergrund: ...“welche Bedingungen für den Selbstreinigungsprozess besonders förderlich sind und konzipieren eine Sanierungsstrategie.“

(http://www.cleaner-production.de/projekte-publikationen/projekte/bodensanierung/enhanc-ednatural-attention-als-sanierungsstrategie-fuer-die-minerakoelraffinerie-schwedt.html, 18.12.2014).

Eine erfolgreiche Phytosanierung stellt die Klärschlammdeponie Podelwitz bei Leipzig dar, auf der die Pflanzenauswahl mit sehr aufwändigen Voruntersuchungen stattfand.

An der Elbaue bei Schönberg in Sachsen-Anhalt gibt es einige Versuchsfelder mit Gehölzen, die nicht nur der Sanierung dienen, sondern auch prophylaktisch dem erneuten Eintrag mit Schadstoffen entgegen wirken sollen.

Ein weiteres Beispiel ist die Umnutzung einer großflächigen Eisenhütte im Ruhrgebiet, wo nicht die Minimierung der Schadstoffe im Vordergrund stand sondern die Umnutzung.

5.1 Projekt: Klärschlammdeponie in Podelwitz

Die ehemalige Klärschlammentwässerungsanlage Podelwitz bei Leipzig hat sich seit 1991 zum Feuchtbiotop Schladitz entwickelt. Mit der Phytoremediation wurden die Schadstoffkonzentrationen großflächig reduziert und gleichzeitig ein Biotop gestaltet. Es handelt sich hierbei um ein betriebseigenes, eingezäuntes und verschlossenes Feuchtbiotop, der Kommunalen Wasserwerke Leipzig.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abb. 1 Feuchtbiotop Schladitz, April 2017, Cynthia Deutschmann

5.1.1 Standortbeschreibung

Bei der ehemaligen Klärschlammdeponie handelt es sich um eine 65 Hektar große Fläche, an der nördlichen Stadtgrenze von Leipzig, im Ortsteil Podelwitz der Gemeinde Rackwitz. „In der Anlage lagerten, verteilt auf drei Becken, etwa 300.000 Kubikmeter Klärschlamm mit einem Wassergehalt von 40-50%.“ (A.GERTH, W.GROSSER, A.KUHNE, A.BÖHLER 1999, S. 166)

1952, als die Anlage in Betrieb genommen wurde, wurden ein 9 km lange Druckleitung und 4 Trockenbeete errichtet. Danach erfolgte erst der Bau eines Beckens, zur Zwischenlagerung von Klärschlamm. Diese reichten allerdings nicht aus, so das 1983 bis 1984 zwei weitere Becken gebaut wurden. Das gesamte Beckenvolumen betrug 330000 Kubikmeter. In den Jahren von 1952 bis 1990 wurden mehr als 400.000 Kubikmeter Klärschlamm aus dem Klärwerk Rosenthal in Leipzig zur Trocknung nach Podelwitz transportiert. 1990 wurde die Klärschlammdeponie stillgelegt. Die in der Deponie enthaltenen Schwermetalle (vor allem Blei, Cadmium, Chrom, Zink), Stickstoff, Phosphor, Phenolen und Kohlenwasserstoffe lagerten sich im Erdreich ab. Es bestand ein erhebliches Risikopotential für die Gefährdung des Grundwassers.

5.1.2 Sanierung

Um einen kostenintensiven Abtransports des Schlamms zu vermeiden, entschieden sich die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL), Anfang der 1990ziger für eine Phytoremediation. Die Sanierungsstrategie wurde von BioPlanta GmbH in Leipzig entwickelt. Die Strategie verwendet die Methode der Phytostabilisierung verbunden mit einer in-situ-Phytodekonta-mination. Dabei wird die Schlammdeponie abgedeckt (Living cap) und biologisch stabilisiert, um einen kontinuierlichen Schadstoffentzug durch Pflanzen zu erreichen.

„Die Phytostabilisierung beruht auf der Einschränkung der Bioverfügbarkeit von Schadstoffen und auf der Unterstützung der Festlegung der Schadstoffe im Boden, Lignifizierung und Humifizierung. Durch Phytodekontamination wurden Schadstoffe durch Pflanzen und/oder den mit ihr assoziierten autochthonen Mikroorganismen dem Boden entzogen. Die Phyto-dekontamination geschieht durch Phytoextraktion, Phytovolitalisierung, Phytodegradation und Rhizosphärendegradation.“(A.GERTH, W.GROSSER, A.KUHNE, A.BÖHLER 1999, S. 166)

Von 1991 bis 1994 fanden umfangreiche Altlastenerkundungen statt. Die Sicherung und Sanierung des Standortes begann 1994 und wurde 2011 abgeschlossen. In dieser Zeit fanden bei BioPlanta GmbH umfangreiche Untersuchungen über die Aufnahme der am Standort vorkommenden Schwermetalle Blei, Cadmium, Chrom, Nickel und Zink durch verschiedene ebenfalls am Standort vorkommende Repositionspflanzen statt. Es gab in-vitro-Untersuchungen und Gefäßversuche zur Schadstoffverträglichkeit der Pflanzen, Toxizitätstest in Zellkulturen. Des weiterem wurden Untersuchungen zur Abschätzung des Gesamtflächenentzugs von Schadstoffen durch die Pflanzen durchgeführt. Bei den Untersuchungen wurden die vor Ort gefundenen Pflanzen der Gattung Phragmites australis, Carex disticha und Typha latifolia mit einbezogen. Hinzu kam noch Miscanthus sinesis. “Die im in-vitro-Test erreichten höchsten Schwermetallakkumulationsleistungen wurden bei den untersuchten Pflanzen bei Zink festgestellt. Bei den Elementen Blei, Cadmium, Chrom und Kupfer lagen die Akkumulationsleistungen eine Zehnerpotenz unter der von Zink. Nickel wurde von den Pflanzen nur in sehr geringen Mengen akkumuliert.“ (A.GERTH, W.GROSSER, A.KUHNE, A.BÖHLER 1999, S. 168) Die Gefäßversuche fanden mit Miscanthus und Carex statt, dabei zeigten sich ähnliche Akkumulationsleistungen. Die gezüchteten Schilfpflanzen wurden auf Kokosmatten vorkultiviert und auf die Schlammbecken ausgebracht. Verschieden robuste und schnellwachsende Pflanzen wie Raps, Sonnenblumen und Pappeln wurden angebaut, die den Boden zur Selbstreinigung verhelfen. Dadurch entstand eine geschlossene Pflanzendecke, durch die das Auswaschen von Schadstoffen durch Niederschlag und ein Austrag durch Bodenerosion verhindert wurde. Die oberirdischen Pflanzenteile wurden nach Abschluss der Vegetationsperiode abgeerntet und thermisch verwertet. Dieses Biotop wird allerdings niemals ganz eigenständig funktionieren, die für die Bewässerung des Bodens benötigte Energie wird aus Wind- und Photovoltaik-anlagen gewonnen.

Das Ergebnis ist aber ein hochentwickeltes Feuchtbiotop mit einer sehr vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt. Laut der KWL, hat sich die Sanierung mittels Phytoremediation auch finanziell gelohnt, da sie nur ein Zehntel der sonst angefallenen Kosten tragen musste. Seit 2012 wird das Gelände offiziell als saniert geführt und zur Umweltbildung und Naturbeobachtung genutzt. Ein begehen ist allerdings nur nach vorheriger Anmeldung möglich.

5.1.3 Gestaltung

Bei der Gestaltung war das Hauptanliegen die Eingliederung in die Landschaft. In der Handskizze in Abbildung 2 ist zu sehen, das Streuobstwiesen, verschiedenen Aussichtsplattformen mit interaktiven Bildungs-, Erlebnis- und Naturbeobachtungsstationen, ein Windrad zur autarken Versorgung der Pumpen, Wiesen und Hecken sowie ein Leitwegsystem entstanden. Die Wege sind von Sträuchern und kleinen Bäumen bekleidet. Die Wasserfläche im Becken 1, ist mit Entengrütze bedeckt. Das Becken 2 ist vor allem das neue Zuhause von der Bekassine geworden. Die Wasserfläche I ist ein neu entstandener Landschafsteich, der früher mit der Kiesgrube auf der Fläche II den Schlammlagerplatz bildeten. Auf der Fläche 3, befanden sich früher die Trockenbeete, heute sind es blütenreiche Wiesen. Das Becken 4 dient als Wasserreserve mit eigenen Schwimminseln, die eine Lachmöwen-Brutkolonie bewohnt. Die Wasserflächen sind vom Röhricht umgeben, es gibt aber auch einige offene Böschungen am Wasser. Es ist ein Feuchtbiotop mit einer vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt entstanden. Es haben sich Brandgänse, Lachmöwen, Schwarzhalstaucher, Nachtigall, Großer Brachvogel, Löffelente, Krickente, Kiebietz, Knäkente, Alpenstrandläufer, Austernfischer, Uferschnepfe, Odinshühnchen, Flussregenpfeifer und die Bekassine angesiedelt. Die Bekassine ist auch das Logo des Biotops Schladitz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Handskizze vom Biotop Schladitz, 2015, Cynthia Deutschmann

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Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Phytoremediation von verunreinigten und kontaminierten Böden mit Hilfe von ausdauernden Pflanzen
Untertitel
Wie wird mit kontaminierten Brachflächen im urbanen und suburbanen Bereich umgegangen?
Hochschule
Fachhochschule Weihenstephan; Abteilung Triesdorf  (Landschaftsarchitektur)
Note
1,8
Autor
Jahr
2015
Seiten
50
Katalognummer
V383831
ISBN (eBook)
9783668591301
ISBN (Buch)
9783668591318
Dateigröße
2460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Podelwitz, Feuchtbiotop Schladitz, Feuchtbiotop, Schladitz, Biotop, Phragmites australis, Carex disticha, Typha latifolia, Miscanthus sinesis, Elbe, Elbaue, Salix caprea, Salix fragilis, Salix smithiana, Populus tremula, Landschaftspark, Landschaftspark Duisburg-Nord, Sanierung, Wasserpark, Pflanzendatenbank, Deponien, Halden, Straßenbegleitgrün, Pflanzen, Bodensanierung, Reinigung, Bachelor, Lanfschaftsarchitektur, Phytoremediation, Phytoextraktion, Phytostabilisierung, Phytoexclusion, Rhizofiltration, Phytotransformation, Phytovolatilisierung, Phytoverflüchtigung, Phytodegradation, Rhizodegradation, Straßenrand, Quecksilber, Sonnenblume, Schadstoffe, Aue, Natürliche Abbau- und Rückhalteprozesse (Natural Attenuation - NA), Enhanced Natural Attenuation - ENA, Altlasten, Bodenschutz, Umwelt, Mineralölkohlenwasserstoffe, MKW, Phenole, Alkane, Alkene, PAK, Klärschlammdeponie, Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, CKW, Chlorkohlenwasserstoffe, Nitroaromaten, Schwermetalle
Arbeit zitieren
Cynthia Deutschmann (Autor:in), 2015, Phytoremediation von verunreinigten und kontaminierten Böden mit Hilfe von ausdauernden Pflanzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383831

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