Gewalt gegen Frauen - Ein gesellschaftliches Problem


Hausarbeit, 2000

22 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Gewaltbegriff
2.1 Gewalt gegen Frauen – Versuch einer Definition
2.2 Definition der strukturellen Gewalt

3. Asymmetrisches Geschlechterverhältnis – männliches Gewaltmonopol
3.1 Patriarchale Gesellschaftsstrukturen
3.2 Geschlechtsspezifische Sozialisation
3.3 Zentrale Desintegration und emotionale Abhängigkeit
3.4 Fazit

4. Formen von Gewalt gegen Frauen

5. Gegen Männergewalt handeln - Interventionsmöglichkeiten der Sozialarbeit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Laufe der historischen Entwicklung der Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind zwar Veränderungen in den Arten der Gewaltverhältnisse festzustellen, jedoch gestattet dies nicht die Schlussfolgerung eines qualitativen Gewaltabbaus. Aus diesem Grunde ist das Problem „Gewalt gegen Frauen“ in den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit dem Internationalen Jahr der Frau 1975, zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten.

Doch trotz einiger durchgreifender Veränderungen im Geschlechterverhältnis werden die Augen gerne noch vor der Tatsache verschlossen, dass Gewalt gegen Frauen kein abweichendes Verhalten, also Handeln, das von gesamtgesellschaftlich anerkannten Normen abweicht, darstellt, sondern gesellschaftliches Alltagsverhalten ist. Wilhelm Heitmeyer geht sogar soweit, „Gewalt als normales Handlungsmuster“[1] darzustellen. Hiermit bringt er zum Ausdruck, dass wir uns sowohl an die latenten als auch an die offenen Formen von Gewalt zwischen den Geschlechtern gewöhnt haben, sie als weitestgehend normal und natürlich empfinden und sie so oft gar nicht als Gewalt erkennen.

Männlichsein geht mit Gewalt einher, so die verbreitete Meinung, und tatsächlich werden knapp 90% aller Gewalttaten von Männern verübt.

In vorliegender Arbeit soll es nun darum gehen, die gesellschaftlichen und strukturellen Hintergründe der Gewalt gegen Frauen aufzudecken. Hierzu muss zuerst einmal der Gewaltbegriff im Sinne des gewählten Themas definiert werden, woraufhin im Hauptteil die Darstellung des asymmetrischen Geschlechterverhältnisses sowie des männlichen Gewaltmonopols folgt. Vor diesem Hintergrund werden dann die verschiedenen Formen der Gewalt gegen das weibliche Geschlecht beschrieben und abschließend versucht, Lösungsansätze sowie Interventionsmöglichkeiten der Sozialarbeit aufzuzeigen.

2. Gewaltbegriff

2.1 Gewalt gegen Frauen – Versuch einer Definition

Bei dem Begriff der zwischenmenschlichen Gewalt denken wir meist zuerst an physische Auseinandersetzungen, wie beispielsweise Schlägereien, Schießereien, Messerstechereien u.ä.. Dementsprechend kommen uns bei dem Begriff Gewalt gegen Frauen hauptsächlich die handgreiflichen Angriffe wie das Schlagen von Frauen sowie Vergewaltigungen, sexuelle Nötigung und Verstümmelung in den Sinn.

Gemäß dem Deutschen Wörterbuch von Honos steckt der Gewaltbegriff jedoch einen viel größeren Bereich ab. Hier heißt es nämlich unter dem Stichwort Gewalt: „1. Macht, Recht, Befugnis, über etw. od. jn. zu herrschen, zu bestimmen –Der Mann hatte Gewalt über seine Familie- 2. a) sehr starke körperliche Kraft b) unrechtmäßiges, brutales Vorgehen..."

Der Begriff Gewalt gegen Frauen geht allerdings gemäß der im Jahre 1995 auf der vierten Weltfrauenkonferenz in Beijing aufgestellten Definition auch darüber hinaus und beschreibt so jede Handlung geschlechtsbezogener Gewalt, die der Frau sowohl körperlichen als auch psychischen Schaden zufügt, dies beabsichtigt oder in Kauf nimmt. Auch die versuchte, nicht ausgeführte Handlung bedeutet Gewalt. Demnach ist Gewalt durch zwei Merkmale gekennzeichnet: „Durch eine deutliche Machtdifferenz (...) und durch die Schädigungsabsicht.“[2]

2.2 Definition der strukturellen Gewalt

Man könnte nun annehmen, dass dort, wo Formen dieser interpersonalen Machtdifferenz fehlen, auch keine Gewalt vorliegt. Dem ist allerdings nicht so.

Um mit den Worten des Soziologen und Friedensforschers Johan Galtung zu sprechen: „Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung.“[3]

Geht die Beeinflussung aber nicht ausschließlich von einem handelnden Subjekt, in unserem Falle dem Mann, aus, gibt es also keinen auszumachenden Akteur, sondern ist sie im gesellschaftlichen System eingebaut, so spricht man von struktureller Gewalt. Solche Gewalt kommt zum Ausdruck in ungleichen Machtverhältnissen und daraus resultierend in ungleichen Lebenschancen. Damit zählen also nicht nur personale Gewaltakte zu den Aspekten des Gewaltgeschehens, sondern darüber hinaus auch Deprivation wie beispielsweise Armut, Unterdrückung und Entfremdung.

Wendet man diesen Begriff auf unsere Thematik an, so liegt strukturelle Gewalt zum einen dann vor, wenn die individuelle Gewaltanwendung des Mannes innerhalb der Gesellschaft toleriert oder nicht sanktioniert wird, zum anderen manifestiert sie sich in der immer noch alltäglichen, gesellschaftlich bedingten Benachteiligung von Frauen. Gewalt gegen Frauen kommt also „auch in Form von Rollenzwängen, emotionaler Ausbeutung, Verfügbarkeit, in Form von intellektuellem Verleugnen, Umdefinieren, Entmündigung, Entmachtung“[4] zum Ausdruck.

Im Rahmen dieser Hausarbeit werde ich mich zu einem großen Teil mit den strukturellen Bedingungen von Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen.

3. Asymmetrisches Geschlechterverhältnis – männliches Gewaltmonopol

Strukturelle Gewalt ist fest in den Werten und Normen unserer Kultur verankert und findet ihren Ausdruck in den verschiedenen Institutionen und Organisationen sowie vor allem in den traditionellen, von Männern definierten Rollenklischees. Hierbei muss allerdings betont werden, dass diese nicht nur deswegen auch heute noch existieren, weil Männer ihre lieb gewonnenen Privilegien nicht aufgeben möchten, sondern auch, weil sie ihre Anerkennung bzw. Akzeptanz durch einen Großteil der Frauen finden.

Im Folgenden werde ich nun einige mögliche Ursachen der Gewalt gegen Frauen darstellen, wobei ich mich auf diejenigen Theorien beschränke, die diese Ursachen in der gesellschaftlichen Struktur suchen. Darüber hinaus existieren natürlich noch zahlreiche andere Theorien aus den verschiedensten Wissenschaftsgebieten, die zum Teil aber sehr stark voneinander abweichen und sich oft sogar widersprechen. Triebtheoretische, genetische, hormonelle u.ä. Ansätze lasse ich deswegen weitgehend außer acht, da diese den Aufbau dieser Arbeit in eine andere Richtung lenken und von den gesamt-gesellschaftlichen Problematiken ablenken würde.

3.1 Patriarchale Gesellschaftsstrukturen

Schon seit Jahrhunderten wird in den meisten Teilen der Welt ein männerzentriertes gesellschaftliches System praktiziert welches die Vorherrschaft der Männer garantiert und die Frauen zur Unterordnung zwingt (Patriarchat). Seit einigen Jahrzehnten allerdings beginnt diese fast uneingeschränkte Macht zu bröckeln:

Nach Art. 3 (2) GG, welcher im Jahre 1949 angenommen wurde, sind heutzutage in Deutschland Männer und Frauen gesetzlich gleichberechtigt und Art. 3 (3) bekräftigt: „Niemand darf wegen seines Geschlechts (…) benachteiligt oder bevorzugt werden.“[5] Nach dieser formalen Festschreibung der Gleichberechtigung wurde die Rechtslage der Frau in den folgenden 40 Jahren weiterhin Stück für Stück verbessert. So trat beispielsweise 1957 das erste Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, welches der Frau bei ökonomischen Entscheidungen die gleichen Rechte zugestand, wie dem Mann. Ein weiterer wichtiger Schritt war das im Jahre 1980 erlassene Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz, sowie 1986 die Einführung von Erziehungsgeld und –urlaub. Vor noch nicht allzu langer Zeit, nämlich Ende 1994, trat dann das zweite Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, in welchem sich der Staat gesetzlich verpflichtet, auf die Beseitigung der für Frauen bestehenden Nachteile hinzuarbeiten.

Den Ansprüchen der genannten Gesetze entspricht die gesellschaftliche Realität aber noch lange nicht in allen Einzelheiten, da in den meisten Köpfen noch das jahrhundertealte patriarchale Denken vorherrscht. Hierzu ein paar Ergebnisse, die im Jahre 1998 eine im Rahmen eines Geschichtsreferats zum Thema Gleichberechtigung von einer Mitschülerin und mir durchgeführte Umfrage in meiner Heimatstadt Varel ergab. Ihre Ergebnisse spiegeln m.E. die bundesweite gesellschaftliche Situation gut wieder:

- Von den Eltern, die Erziehungsurlaub nehmen sind nur etwa 8% Männer.
- Bei einer Heirat wird zu 80 % der Nachname des Mannes gewählt.
- Frauen werden nicht so leicht eingestellt wie Männer (dafür aber schneller entlassen), werden nur halb so oft befördert und bekommen im Durchschnitt niedrigere Löhne und somit auch eine geringere Rente.
- 76 % der Frauen verrichten die tägliche Hausarbeit, dagegen spielen nur etwa 20 % der Männer den Hausmann.
- Das Beschäftigungsverhältnis besteht bei fast 95 % der Männer in einer Vollzeitarbeit, bei den Frauen trifft dies nur bei 47 % zu. Bei der Teilzeitarbeit dagegen überragen die Frauen die Männer mit 48 % um gut 43 % und bei den 640-DM-Jobs sind die Männer kaum noch vertreten.
- 10 % der befragten Frauen wurden an ihrem Arbeitsplatz schon einmal diskriminierend behandelt
- Fast jede dritte Frau erfährt in physischer, psychischer oder sexualisierter Form Gewalt durch ihren Partner.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass es trotz rechtlicher Grundlage der Gleichberechtigung in vielen Teilen unserer Gesellschaft immer noch das männliche Geschlecht ist, welches dominiert und bestimmt. Besonders auffällig sind die Unterschiede im Berufsleben. Hier hat sich die seit Jahrhunderten geltende Arbeitsteilung kaum verändert, immer noch ist es meist der Mann, welcher als „Familienoberhaupt“ einer außerhäuslichen Berufstätigkeit nachgeht, während die Frau sich primär auf Haushalt und Kindererziehung beschränkt. Diese einseitige Aufgabenverteilung führt dazu, dass die Frauen nach einer Eheschließung häufig finanziell von dem Mann abhängig sind, während dieser oft die Möglichkeit der ökonomischen Unabhängigkeit sowie der daraus resultierenden finanziellen Entscheidungskompetenz innerhalb der Familie besitzt. Darüber hinaus findet oft nur derjenige gesellschaftliche Anerkennung, der für seine Arbeit finanziell entlohnt wird; der Status von Familien- und Hausarbeit wird somit auf diffamierende Weise herabgesetzt. Hier in Deutschland wie auch in anderen westlichen Industrieländern sind die Wirtschaftsstrukturen bis auf wenige Ausnahmen so beschaffen, dass die Arbeit der Frauen entweder unterbezahlt ist, oder wie die Hausarbeit gratis abgeleistet werden muss.[6] Wie bereits oben erwähnt, ist die Frau oft finanziell abhängig vom Mann, wodurch ihr suggeriert wird, eine separate Existenz sei unmöglich. Die Folge hiervon kann wiederum eine seelische Unterwerfung sein, wodurch die Abhängigkeit vom Mann komplettiert wird. In diesem ökonomischen Verhältnis der Geschlechter kommen die strukturellen Aspekte der Gewalt besonders offensichtlich zum Tragen: Denn betrachtet man noch einmal die anfangs aufgeführte Definition der strukturellen Gewalt, so zeigt sich deutlich, dass diese Form hier vorliegt, da die Frauen durch die zuvor genannte Rollenzuschreibung an der Entfaltung ihrer potentiellen Fähigkeiten nachhaltig gehindert werden, sie also strukturell abhängig vom Mann sind.

[...]


[1] Heitmeyer, 1992

[2] Rauchfleisch, 1992

[3] Galtung, 1975

[4] Pittner, 1983

[5] GG in Stascheit, 1999

[6] Persönliche Erfahrung habe ich hiermit gemacht, als ich für einige Wochen in einer Keksfabrik jobbte und für die gleiche Arbeit wesentlich weniger Geld bekam, als die dort beschäftigten Männer.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Gewalt gegen Frauen - Ein gesellschaftliches Problem
Hochschule
Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Wolfenbüttel  (Standort Braunschweig)
Veranstaltung
Abweichendes Verhalten als soziales Problem
Note
2
Autor
Jahr
2000
Seiten
22
Katalognummer
V38443
ISBN (eBook)
9783638375030
Dateigröße
566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewalt, Frauen, Problem, Abweichendes, Verhalten, Problem
Arbeit zitieren
Julja Hufeisen (Autor:in), 2000, Gewalt gegen Frauen - Ein gesellschaftliches Problem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38443

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