Der systemische Ansatz in der Sozialen Arbeit. Vor- und Nachteile der systemischen Sozialarbeit


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

Einleitung

1. Das Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit
1.1 Definition der Sozialen Arbeit
1.2 Aufgaben und Ziele der Sozialen Arbeit

2. Definition des systemischen Ansatzes
2.1 Geschichte des systemischen Ansatzes
2.2 Was ist ein System?
2.3 Merkmale der Systemtheorie

3. Merkmale Systemischer Sozialarbeit
3.1 Die Besonderheiten des systemischen Denkens
3.2 Vorzüge und Erfolge des systemischen Denkens
3.3 Praxisherausforderungen durch systemisches Handeln

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Innerhalb der Sozialen Arbeit existieren diverse systemische Theorien, welche sich binnen der letzten Jahrzehnte einen festen Platz in selbiger erobert haben. Unter anderem die wissenschaftliche Reflexion sowie die Theorieentwicklung orientieren sich an der Systemtheorie (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.18ff.). Laut Lüssi hat die systemische Denkweise das lineare Denken, welches einst das wissenschaftliche Denken weitestgehend bestimmt hat, bereits überholt. Er betont, dass das lineare Denken zwar fortwährend valide ist, es allerdings stets systemisch überprüft werden sollte und folgert hieraus, dass das Systemdenken heute gegenüber dem einst ausschließlich linearen Denken dominiert (vgl. Lüssi 2008, S.57f.). Das folgende Zitat von Lüssi weist auf die Relevanz des systemischen Ansatzes innerhalb der Sozialen Arbeit hin: „Das Soziale ist ein Lebensphänomen und somit etwas, was in der Zeit abläuft, sich ständig bewegt und verändert – entsprechend dem Wesen der menschlichen Existenz, ihrer Zeitlichkeit, Dynamik und Variabilität“ (ebd. 2008, S.135). Es lässt sich festhalten, dass sich die Systemtheorie bereits in einigen komplexen Bereichen der Sozialen Arbeit beweisen konnte (vgl. Hosemann 2006, S.7). Dennoch bleibt die Frage offen, wo ihre Grenzen und Schwächen liegen. Die zentrale Fragestellung, die dieser Hausarbeit zugrunde liegt, lautet demnach: Welche Vor- und Nachteile birgt der systemische Ansatz in der Sozialen Arbeit?

Um diese Frage möglichst umfassend zu beantworten, geht es im Folgenden zunächst allgemein um das Berufsfeld der Sozialen Arbeit. Einleitend wird eine kurze, aber möglichst allumfassende Definition der Sozialen Arbeit gegeben. Darüber hinaus werden ihre Aufgaben und Ziele genauer beleuchtet, da es notwendig ist, diese zu kennen, um abschließend prüfen zu können, ob und inwiefern der systemische Ansatz diesen gerecht wird. So ist es möglich, ein aussagekräftiges Fazit über die Relevanz des systemischen Ansatzes für die Soziale Arbeit zu ziehen. Diesbezüglich wird im Anschluss auch der systemische Ansatz als solcher vorgestellt. Hierzu beschäftigt sich die Hausarbeit vorab mit der Geschichte der Systemtheorie, da diese bereits auf einen Wandel des Denkens innerhalb der Sozialen Arbeit hinweist. Angeknüpft wird mit einer Definierung des Begriffs System, sowie einer möglichst breitgefächerten Erklärung der Systemtheorie. Im Weiteren geht es nun speziell um die Merkmale der systemischen Sozialarbeit. Diesbezüglich befasst sich die Arbeit mit den Besonderheiten des systemischen Denkens und beleuchtet im Anschluss, die sich daraus ergebenden Vorzüge als auch eventuelle Praxisherausforderungen des systemischen Denkens. Abschließend werden in einem Fazit die zuvor betrachteten Aussagen und Argumente noch einmal resümiert und miteinander in Verbindung gesetzt. Daraufhin folgt eine eingehende Analyse und abschließende Beantwortung der Fragestellung, mit dem Ziel die Vorteile sowie Nachteile des systemischen Ansatzes in der Sozialen Arbeit zu verdeutlichen und einen Ausblick seiner Bedeutsamkeit zu geben. Abschließend sei angemerkt, dass aus Gründen der besseren Lesbarkeit in der Hausarbeit die männliche Sprachform gewählt wurde. Dennoch gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichermaßen für beide Geschlechter.

1. Das Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit

1.1 Definition der Sozialen Arbeit

Die Soziale Arbeit kann sowohl als Wissenschaft, als auch aus Profession verstanden werden (vgl. Ritscher 2007, S.13). Sie gilt als unklar definiertes Berufsfeld, welches sich durch die Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten und Aufgabenbereiche auszeichnet (vgl. Lüssi 2008, S.48). Aufgrund ihrer beruflichen Identitätsproblematik, welche unter anderem aus der gesellschaftlich bedingten Berufssituation sowie der Berufstheorie resultiert, ist es schwierig eine allgemeine Definition der Sozialen Arbeit zu formulieren (vgl. ebd. 2008, S.23ff.). Die International Federation of Social Workers hat im Juli 2014 eine Neuverfassung der Definition der Sozialen Arbeit beschlossen. Aber auch sie betont, dass die Definition sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene noch weiter ausgeführt werden kann (vgl. Schmocker 2014): „Soziale Arbeit fördert als Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen und Entwicklungen, den sozialen Zusammenhalt und die Ermächtigung und Befreiung von Menschen. Dabei sind die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte, der gemeinschaftlichen Verantwortung und der Anerkennung der Verschiedenheit richtungweisend. Soziale Arbeit wirkt auf Sozialstrukturen und befähigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens angehen und Wohlbefinden erreichen können. Dabei stützt sie sich auf Theorien der eigenen Disziplin, der Human-und Sozialwissenschaften sowie auf das Erfahrungswissen des beruflichen Kontextes“ (ebd. 2014). Ergänzend lässt sich festhalten, dass Soziale Arbeit als gesellschaftliche Kontrollinstanz fungiert (vgl. Ritscher 2007, S.65) und in der Regel im Auftrag von mehreren Institutionen agiert (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.150). Sozialarbeiter handeln im Zuge einer bestimmten Interessenvertretung und auf Grundlage sozialarbeiterischer Methoden. Gleichzeitig müssen sie sich an der Wissenschaftlichkeit Sozialer Arbeit orientieren (vgl. Lüssi 2008, S.23ff.).

1.2 Aufgaben und Ziele der Sozialen Arbeit

Man geht in der Sozialen Arbeit von drei etwa gleichbedeutenden Bereichen aus, der sogenannten Trinität der klassischen Methoden der Sozialen Arbeit, welche sich aus der sozialen Einzelfallhilfe, der sozialen Gruppenarbeit und der Gemeinwesenarbeit zusammensetzt (vgl. Lüssi 2008, S.52). Ritscher nennt darüber hinaus noch zwei weitere Handlungsbereiche, nämlich die Formen der Qualitätssicherung, wie zum Beispiel Evaluation und Supervision sowie das Sozialmanagement (vgl. Ritscher 2007, S.59). „Die allgemeine gesellschaftliche Funktion der Sozialarbeit besteht darin, unter der Leitidee der sozialen Gerechtigkeit an der Erhaltung und Verbesserung der Gesellschaft mitzuwirken“ (Lüssi 2008, S.127). In diesem Kontext sieht Lüssi die soziale Problemlösung als zentrale Aufgabe der Sozialen Arbeit (vgl. ebd. 2008, S.51). Die Soziale Arbeit strebt unter anderem danach Menschen zur eigenständigen Lebensführung zu befähigen und sie in das soziale und gesellschaftliche Leben zu reintegrieren. Häufig muss sie zunächst noch verdeckte Ressourcen aufdecken oder beschaffen, damit eine Reintegration ihrer Klienten möglich ist (vgl. Ritscher 2007, S.24ff.). Sie fungiert folglich als eine unterstützende Hilfe zur Selbstständigkeit (vgl. Lüssi 2008, S.267f.). Zudem entscheidet sie mit darüber, wem Hilfeleistungen wie, wann und wo zu Gute kommen (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.25). Sie agiert des Weiteren nicht nur, wenn sich bereits eine Problemsituation äußert, sondern in bestimmten Gegebenheiten auch kompensatorisch und protektiv, um bereits im Vorhinein eine mögliche Problemsituation zu umgehen (vgl. Lüssi 2008, S.120f.). Ihr essentielles Ziel liegt darin, eine stets individuelle Problemlösung zu erreichen, welche einen relativ positiven Zustand darstellt. Absolut positive Ergebnisse sind meist sehr schwierig zu erreichen, weshalb es vielmehr darum geht ein mögliches Optimum an Verbesserung zu erreichen (vgl. ebd. 2008, S.139f.). Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Soziale Arbeit bestrebt ist, den Handlungsraum ihrer Klienten zu erweitern sowie die von ihr gesellschaftlich geforderten Aufgaben zu erfüllen und gleichzeitig an der Entwicklung der gesamten Gesellschaft, in Form von Innovationen, Konflikten und Gesetzen, teilzuhaben (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.24).

2. Definition des systemischen Ansatzes

2.1 Geschichte des systemischen Ansatzes

Der Konstruktivismus gilt als Grundlage für das systemische Denken (vgl. Simon 2007, S.12). Er bezeichnet philosophische und erkenntnistheoretische Perspektiven, welche klarstellen, dass die Dinge und Sachverhalte, die der Mensch wahrnimmt und beschreibt, abhängig von einer vorausgehenden Erkenntnisleistung sind. (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.19). In den 40er- und 50er Jahren hat sich hauptsächlich in der Soziologie, größtenteils in den Vereinigten Staaten, die Systemtheorie entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich die sozialen Umstände normalisierten, gab es diverse Überlegungen einer Modernisierung (vgl. Luhmann 2009, S.12ff.). Simon spricht hier von einer wissenschaftlichen Revolution und betont einen markanten Perspektivwechsel: „Es wird eine radikal andere Art von Erklärungen für die beobachteten Phänomene konstruiert, d.h., Kausalität wird neu konzipiert“ (Simon 2007, S.12). Die Theorie unterlag damals einiger Kritik, da sie für die Soziologie unzureichend definiert und nicht klar einzuordnen war. Aus diesem Grund, aber auch aufgrund dessen, dass man davon ausging, dass die Theorie keine hinreichende Kritik der modernen Gesellschaft darstellen würde, lehnte man sie zunächst ab. In den 50ern versuchte man eine allgemeine Definition der Systemtheorie aufzustellen. Vorherrschend war die Idee verschiedene Gedanken und Theorien zu vereinen (vgl. Luhmann 2009, S.41f.). Allerdings stellte keine aufgestellte Theorie, eine angemessene Definition dar, welche der Komplexität des systemischen Denkens gerecht wurde (vgl. Simon 2007, S.17). Die 60er und 70er Jahre zeigten, dass trotz der Offenheit der Forschung, insbesondere bezüglich des politischen Systems, es nicht realisierbar schien, soziologisches sowie kritisches Wissen in die Praxis umzusetzen (vgl. Luhmann 2009, S.16f.) In vielen wissenschaftlichen Disziplinen hat sich die Systemtheorie dennoch binnen weniger Jahrzehnte zu einer heute wegweisenden wissenschaftstheoretischen Denkweise entwickelt und damit das sogenannte lineare Paradigma, welches zuvor das wissenschaftliche Denken weitestgehend bestimmt hat, eingeholt, beziehungsweise in einigen Bereichen sogar überholt (vgl. Lüssi 2008, S.57f.).

2.2 Was ist ein System?

„Der Begriff System basiert auf dem Grundgedanken, dass sich Wirklichkeit über die Beobachtung und Beschreibung bestimmter Ordnungsmuster erfassen lässt“ (Hosemann u.a. 2013, S.14). Grundsätzlich lässt sich zwischen lebenden und technischen beziehungsweise physikalischen Systemen differenzieren (vgl. ebd. u.a. 2013, S.52). Systeme sind funktionell und existieren, weil sie einen bestimmten Sinn innehaben. Ein System, das nicht seinem Zweck entsprechend funktioniert, gilt als dysfunktionales System (vgl. Lüssi 2008, S.70). Die individuelle Identität eines Systems kann nur im System selber und nicht durch einen außenstehenden Beobachter geklärt werden. Es handelt sich somit um eine Selbstdefinierung des Systems (vgl. Luhmann 2009, S.15). Seine Identität resultiert aus dem gemeinsamen Ziel und der gemeinsamen Abgrenzung des Systems zu anderen Systemen (vgl. Ritscher 2007, S.31). Systeme zeichnen sich durch eine hohe Komplexität aus, da sie sich unter anderem aus sich selbst heraus erzeugen und autonom sind. So sind sie in der Lage ihr Gleichgewicht selbstständig wiederherzustellen und zu stabilisieren. Um diese Aufrechterhaltung ihrer Strukturen zu garantieren, greifen sie auf eigene Ressourcen zurück, aus denen sie ihre Informationen beziehen (vgl. Luhmann 2009, S.110ff.). Ein weiteres wichtiges Charakteristikum ist, dass ein System als Ganzes seine einzelnen Angehörigen beeinflusst (vgl. Lüssi 2008, S.68). Gleichzeitig stehen alle Teile des Systems in einer wechselseitigen Abhängigkeit zueinander. In diesem Kontext spricht man auch von einer zirkulären Eigendynamik von Systemen (vgl. Ritscher 2007, S.41f.). Die Existenz von Paradoxien und Ambivalenzen in Systemen ist üblich (vgl. Simon 2007, S.116). Ein bedeutender Einflussfaktor von Systemen ist die Zeit, welche sich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gliedert. Systeme können verschiedene Zeitvorstellungen haben und Zeit individuell wahrnehmen (vgl. Luhmann 2009, S.195ff.). Systeme sind allerdings nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich definiert (vgl. Ritscher 2007, S.31). Zudem stehen sie in ständiger Wechselwirkung mit ihrer Umwelt (vgl. Lüssi 2008, S.66f.). Mithilfe von systeminternen Operationen grenzen sie sich von ihrer Umwelt ab, wobei diese Grenzen flexibel sind und sich durch interne Prozesse verschieben können (vgl. Gensner 2006, S.71).

2.3 Merkmale der Systemtheorie

Die Systemtheorie untersucht, inwiefern sich Systeme mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und wie die Systeme selbst strukturiert und organisiert sind (vgl. Lüssi 2008, S.57). Sie bezieht sich auf Relationen, Rückwirkungen und zeitliche Prozesse. Das bedeutet, dass sie sich an Beziehungen, Zirkularität, Stabilität sowie Veränderungen orientiert (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.10ff). Der Mensch ist aus systemischer Perspektive immer als biologisches und als soziales Wesen zu betrachten. Der systemische Ansatz betrachtet aus diesem Grund sowohl die dynamische Wechselwirkung zwischen biologischen und psychischen Merkmalen als auch soziale Gegebenheiten (vgl. Rotthaus 2016). Zudem gehört der Mensch verschiedenen sozialen Systemen, wie beispielsweise dem Familiensystem oder dem System seiner Arbeit an. Folglich ist jeder Mensch ein Systemangehöriger, der mit anderen Systemangehörigen in einer bestimmten Rolle agiert (vgl. Lüssi 2008, S.71f.). Die Systemtheorie geht von einem zirkulären Prozess aus, da Operationen von Systemen Strukturen voraussetzen und je vielfältiger diese Strukturen sind, umso breitgefächerter und stärker ist das System als solches und dementsprechend stärker sind auch seine Operationen. Luhmann führt diesbezüglich den Begriff der Autopoiesis ein, welcher die Gegebenheit erklärt, dass das, was die Strukturen darstellen, gleichzeitig für die Operationen gilt (vgl. Luhmann 2009, S.108f.). Zudem sieht er Komplexität als eine Nebenwirkung der Autopoiesis an (vgl. ebd. 2009, S.133). Besonders die Umwelt der Systeme ist in der Systemtheorie, aufgrund der genannten Erkenntnis, dass Systeme auf dynamischen Beziehungen zwischen System und Umwelt aufbauen, von großer Relevanz. Es lässt sich festhalten, dass ein System nicht ohne Umwelt existieren kann und es gleichzeitig eine Differenz zwischen System und Umwelt gibt (vgl. ebd. 2009, S.66). Als grundlegendes Instrument für das Erkennen von Wirklichkeit gilt die Beobachtung, wobei Beobachtungen immer von ihrem Beobachter abhängig sind (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.37ff.). Ritscher spricht hier von subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen, was bedeutet, dass es keine beobachterunabhängige und folglich keine objektive Wirklichkeit gibt (vgl. Ritscher 2007, S.36f.). Des Weiteren erzeugt Beobachtung unsichtbare und gegebenenfalls auch sichtbare Reaktionen im System (vgl. Luhmann 2009, S.146). Man unterscheidet zwischen Selbstbeobachtung und Fremdbeobachtung, wobei Selbstbeobachtung im System stattfindet und Fremdbeobachtung von außen auf das System einwirkt (vgl. ebd. 2009, S.50f.). Simon legt dar, dass die Systemtheorie durch die Involvierung des Beobachters zur Epistemologie, also zur Erkenntniswissenschaft wird (vgl. Simon 2007, S.42).

3. Merkmale Systemischer Sozialarbeit

3.1 Die Besonderheiten des systemischen Denkens

Systemtheorien offerieren keine klaren Vorgaben für richtiges Handeln, sondern lassen Platz für Interpretationsspielräume. Nur durch die Selbstreflektion der jeweiligen Theorie im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit wird die Systemtheorie bedeutsam. Folglich dient die Systemtheorie eher als Instrument der Sozialen Arbeit. Die komplexe und teils abstrakte Definition der Systemtheorie befähigt zur einheitlichen Beschreibung von komplexen Zusammenhängen, wie unter anderem biologischen, psychischen und gesellschaftlichen Relationen. Die Leistungen der Sozialen Arbeit liegen in der Reflexion von Personen und sozialen Systemen, um so neue Möglichkeiten und Sichtweisen zu eröffnen. Die Systemische Sozialarbeit setzt nicht direkt bei den Problemen ihrer Klienten, sondern an der Beobachtung der eigenen Konzepte und ihres eigenen Handelns an (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.10f.). Darüber hinaus orientiert sie sich vielmehr an vorhandenen beziehungsweise noch nicht offengelegten Ressourcen und Potenzialen, ehe sie sich mit den Defiziten und Problemen ihrer Klienten befasst (vgl. ebd. u.a. 2013, S.30). Folglich lässt sich festhalten, dass systemisches Handeln ressourcen- und prozessorientiert ist (vgl. ebd. u.a. 2013, S.166f.). Zu den Ressourcen zählen hier psychische, materielle und sozialkommunikative Möglichkeiten, die bei der Bewältigung von sozialen Problemen hilfreich sein können (vgl. Ritscher 2007, S.27). Die Beschreibung von Ausgangsbedingungen und Zielen ist sehr bedeutsam. Mithilfe von Problem- und Lösungsmodellierungen soll die Komplexität verringert werden. Die Systemische Sozialarbeit sieht soziale Probleme vorrangig im Kontext der Dysfunktionalität von Systemen (vgl. Lüssi 2008, S.71). So betrachtet sie jedes mögliche Sozialsystem und soziale Zusammenhänge, dem ein Klient angehört, um einen allumfassenden Eindruck zu bekommen (vgl. ebd. 2008, S.91). Aus systemischer Perspektive ist ein soziales Problem erst dann optimal gelöst, wenn das Wohl aller Problembeteiligten sichergestellt ist (vgl. ebd. 2008, S.245f.). Zudem ist sie bestrebt sensibel mit Kontexten, also den Zusammenhängen von Personen und Systemen zu ihren Entscheidungen, umzugehen, da sich so neue Möglichkeiten der Veränderungen eröffnen. Aus diesem Grund beruht der systemische Ansatz auf der Wertschätzung, Unvoreingenommenheit und dem Respekt gegenüber allen Beteiligten, wobei die Wertschätzung keine Akzeptanz von gegebenen Umständen oder gezeigtem Verhalten bedeutet, sondern als Grundlage für Veränderungen fungiert (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.30ff.). Des Weiteren basiert die systemische Praxis auf der Kooperation zwischen Hilfesuchendem und Helfer (vgl. Rotthaus 2016) und greift auf das Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe zurück, welches ohnehin in der Sozialen Arbeit zentral ist (vgl. Ritscher 2007, S.65). Veränderungen können somit nicht durch Interventionen von außen bewirkt werden, vielmehr müssen interne Prozesse innerhalb eines Systems angeregt werden. Sozialarbeiter müssen folglich selber in eine zirkuläre Kommunikation mit ihren Klienten treten und gleichzeitig die ablaufenden Prozesse beobachten (vgl. Ritscher 2007, S.42ff.). Handlungen der Sozialen Arbeit setzen immer in der Systemgegenwart an, da in der Vergangenheit sowie in der Zukunft kein Handeln möglich ist. Zudem brauchen Systeme ausreichend Zeit, beziehungsweise einen gewissen zeitlichen Freiraum, um auf die Komplexität von Umweltanforderungen zu reagieren (vgl. Käs 2006, S.89ff.).

3.2 Vorzüge und Erfolge des systemischen Denkens

Besonders durch Erfolge in der Beratungsarbeit sind systemische Ansätze in der Sozialen Arbeit sehr angesehen (vgl. Hosemann u.a. 2006, S.27). Aber auch die soziale Familienarbeit beziehungsweise die Familientherapie denkt und handelt durchweg systemisch und erzielt für sich sprechende Erfolge (vgl. Lüssi 2008, S.63). Da die Soziale Arbeit interdisziplinär agiert und sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Interessen und Perspektiven befasst, benötigt sie auch eine Theorie, die diesen umfassenden Blick berücksichtigt und gleichzeitig verantwortliches Handeln fördert. Zum Beispiel ist nicht immer deutlich, wer eigentlich der Auftraggeber ist oder wie momentane und längerfristige Ziele zusammengehören. Gerade bei derartigen Ausgangssituationen helfen systemtheoretische Überlegungen dabei Orientierung zu erlangen sowie den Interessen der Adressaten gerecht zu werden. Eines der Hauptziele der Systemtheorie besteht nämlich darin, Klarheit bezüglich eigener Zuständigkeiten zu schaffen als auch darin, Sicherheit im professionellen Umgang in Situationen des Sozialarbeitsalltags zu garantieren. Um professionell und reflektierend sozialarbeiterisch zu handeln, ist es unabdingbar seine eigenen Möglichkeiten und Grenzen der Wirksamkeit zu kennen und mit selbigen umzugehen. Und genau an dieser Verantwortung knüpft die Systemtheorie an (vgl. Hosemann u.a. 2013, S.9f.). Durch die Beobachtung als zentrale Methode ergeben sich kritische Reflexionen der Grenzen von Systemen und ihrer Veränderbarkeit sowie der Wirklichkeitskonstruktionen der einzelnen Systemangehörigen, wodurch sich neue Handlungsmöglichkeiten und Lösungsansätze erschließen (vgl. Geiling 2006, S.203). Die Systemtheorie ermöglicht die Beobachtung und Reflexion eigener und fremder Wirklichkeiten und sensibilisiert für bestehende Differenzen. Zudem befähigt sie dazu, verschiedene Kontexte und Relationen zu analysieren sowie Erwartungen, Aufgaben und Ziele zu klären und so angemessen in sozialen Situationen zu agieren (vgl. Hosemann 2006, S.7). Durch die Anlehnung an problematischen Punkten eines Systems kann sie eine Veränderung im Gesamtsystem anregen (vgl. Ritscher 2007, S.91). Zudem können Handlungen bezüglich ihrer Folgen sozial und sachlich, als auch räumlich und zeitlich beschrieben werden. Auch biologische, psychische und soziale Zusammenhänge können miteinander in Verbindung gesetzt werden, was es vereinfacht sozialarbeiterische Aufgaben und Ziele zu erfüllen (vgl. Hosemann u.a. 2006, S.22ff.). Hosemann fasst dies, wie folgt zusammen: „Die Systemtheorie kann die Komplexität sozialarbeiterischer Praxis berücksichtigen und zur Reduktion von Komplexität beitragen, damit sie bearbeitbarer wird“ (ebd. u.a. 2006, S.24).

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der systemische Ansatz in der Sozialen Arbeit. Vor- und Nachteile der systemischen Sozialarbeit
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Bildungswissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in die Dimensionen und Methoden der Sozialen Arbeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V384517
ISBN (eBook)
9783668594845
ISBN (Buch)
9783668594852
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale Arbeit, Systemtheorie, System, Systemisch, sozial, Methoden, Dimensionen, Ansatz, Sozialarbeit, Luhmann
Arbeit zitieren
Kim Liss (Autor:in), 2016, Der systemische Ansatz in der Sozialen Arbeit. Vor- und Nachteile der systemischen Sozialarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/384517

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