Welche Funktion hat die Anthropologie in der Systematischen Theologie?
In meinem Essay soll nicht die Anthropologie als eigenständiger Fachbereich abgehandelt werden. Vielmehr geht es darum kurz und knapp zu erläutern, wie sich die theologische Anthropologie als Teilbereich der Systematischen Theologie dem Menschen widmet und auf welche Weise diese eine wichtige Funktion darstellt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Fragestellung
2. Das Menschenbild aus theologischer und philosophischer Sicht
3. Religionskritiker Ludwig Feuerbach über die theologische Anthropologie
4. Theologische Anthropologie in Bezug auf die Bibel
5. Fazit
Ergänzung zum Essay
Literaturverzeichnis
Essay: Welche Funktion hat die Anthropologie in der Systematischen Theologie?
1. Einleitung
Bevor ich die Funktion der Anthropologie in der Systematischen Theologie erkläre, macht es zunächst Sinn die Anthropologie anhand einer allgemeinen Begriffserklärung zu definieren. Dem Wort nach ist die Anthropologie zusammengesetzt aus dem altgriechischen anthropos "Mensch" und logos "Rede, Wissen, Lehre". Ganz allgemein formuliert, geht es also um das Wissen über Menschen in all seinen Formen. Entsprechend vielfältig und facettenreich sind die Forschungsfelder, die die Anthropologie umfasst. Die vier wichtigsten Forschungsfelder sind die Biologie, die Pädagogik, die Philosophie und die Theologie.[1] Das Forschungsspektrum reicht von der menschlichen Evolution bis zur Thematisierung unterschiedlicher Menschenbilder in verschiedenen Textgattungen mit künstlerischem sowie wissenschaftlichem Bezug.[2]
1.1 Fragestellung
In meinem Essay soll nicht die Anthropologie als eigenständiger Fachbereich abgehandelt werden. Vielmehr geht es darum kurz und knapp zu erläutern, wie sich die theologische Anthropologie als Teilbereich der Systematischen Theologie dem Menschen widmet und auf welche Weise diese eine wichtige Funktion darstellt.
2. Das Menschenbild aus theologischer und philosophischer Sicht
Ein Kennzeichen der Systematischen Theologie sowie der Philosophie im 20. Jahrhundert ist die "Wende zum Menschen". Die Frage nach dem Menschen ist als philosophische Frage nicht zu trennen von der Frage nach der Bedeutung des Seins.[3] Die Systematische Theologie verfolgt das Ziel, den Glauben zu reflektieren. In diesem theologischen Teilbereich besitzt die theologische Anthropologie die Funktion, die Definition des Menschen als eines durch Gottes Wort gerechtfertigten Wesens auf einen problematischen Sachverhalt im sprachlichen Wesen des Menschen hinzuweisen. Zwei Grundzüge den Menschen als Sprachwesen. Der Mensch ist sowohl ein angesprochenes als auch aussagendes Wesen. Er ist beides zugleich. Die theologische Anthropologie wird dieses Zugleich im sprachlichen Wesen des Menschen ontologisch differenzieren.[4] Darüber hinaus ist ein bedeutungsvoller Aspekt der theologischen Anthropologie die Annahme, dass die Bibel die Gedanken und das Verhalten der Menschen widerspiegelt und man daher auf der Grundlage der Bibel allgemein gültige Aussagen über die Menschen ableiten kann. Bei dieser Ableitung spielen alttestamentliche Begriffe eine elementare Rolle. Ganz besonders elementar sind hierbei Begriffe wie: basar, nefesch, leb und ruach; Leib, Seele und Geist sowie Person. In Hinblick auf die theologische Anthropologie sagt Jürgen Moltmann: "Christliche Anthropologie macht die biologische und kulturelle Anthropologie nicht überflüssig, aber sie lässt sich auch nicht auf jene reduzieren. Dass zwischen den Spiegeln und Masken, in denen Menschen sich begegnen, die harte Wirklichkeit des Gekreuzigten repräsentiert wird, das ist das Besondere an der christlichen Lehre vom Menschen".[5] Außerdem sieht die theologische Anthropologie den Anfang der Menschen bei der Offenbarung Gottes. Somit muss man sich an diesem Punkt fragen, welches Bild die in der Tradition reflektierte Offenbarung Gottes vom Menschen zeichnet.[6] Eng verwandt mit der theologischen Anthropologie ist diesbezüglich die philosophische Anthropologie. Diese beschäftigt sich ähnlich wie die theologische Anthropologie mit dem Handeln und dessen Interpretation der Menschen. Laut Kant (er gilt als einer der ersten Philosophen, die sich mit Anthropologie als philosophische Disziplin befassten) ist der Menschen ein Wesen, das nach Wissen strebt, das hoffen und glauben kann, und das zwischen Gut und Böse unterscheidet und sich demnach moralisch verhalten kann. Weiterhin unterschied Kant physiologische und pragmatische Anthropologie. Die physiologische Anthropologie untersucht was die Natur aus dem Menschen macht. Dagegen untersucht die pragmatische Anthropologie was der Mensch als freihandelndes Wesen aus sich selber macht und machen kann und soll. Michael Landmann (er war ein Schweizer Philosoph, sein Hauptinteresse galt der philosophischen Anthropologie) formuliert es so: Jeglichem Tun und Lassen des Menschen liegt ein Bild zugrunde, das der Mensch sich von sich selbst macht, auch wenn ihm dies nicht bewusst ist. Der Anthropos schließt stets den Anthropologen ein.[7]
3. Religionskritiker Ludwig Feuerbach über die theologische Anthropologie
"Die anthropologische Wende hin zur seins- und erkenntnisbegründenden Sinnlichkeit des Menschen rückt notwendig die Natur in den Blick, zunächst im Wesen der Religion reflektiert in der Frage nach der natürlichen Herkunft der Religion (...)". Für Ludwig Feuerbach (1804-1872) stammt der Mensch allein aus der Natur, die er "im Ausgang vom naiven Bewusstsein" als "eine eigenstrukturierte, subjektunabhängige Wirklichkeit" auffasst. Diese Stellungnahme Feuerbachs stammt aus dem Text "Ludwig Feuerbach-zur Einführung".[8] Feuerbach entwickelte die Projektionsthese: Religion ist vom Menschen selbst geschaffen worden und der Mensch projiziert "sein eigenes Wesen in einen anderen". Für den Religionskritiker steht fest, dass Gott lediglich eine "Fantasiegestalt" auf der Suche nach Liebe, Mitgefühl und Humanität des Menschen darstellt. Seiner Ansicht nach ist Gott als eigenständiges Wesen nicht existent, sondern die oben erwähnten harmonischen Eigenschaften in reiner Form verkörpert. Deshalb geht Feuerbach in der sogenannten Religionsphilosophie allein vom Menschen aus, er ist der alleinige Maßstab und nicht irgendein fiktives göttliches Wesen. Denn letztlich sind alle Tugenden menschlichen und nicht göttlichen Ursprungs. Daher sollte man laut Feuerbach weniger auf himmlische Rechtschaffenheit als auf irdische Gerechtigkeit achten, das heißt auf die Menschen in diesem Leben und auf dieser Erde, auf ihr Glück, das nur als sinnliches wirklich sein kann. Der Mensch ist reine Biologie, er ist nicht mehr als Natur . Der Mensch ist -radikal betrachtet- nichts anderes als ein physiologischer Prozess, der Mensch ist ein "trickreiches Tier". Ludwig Feuerbach sagt, dass der "wahre Sinn der Theologie die Anthropologie" ist. Er entwickelte konträr zur theologischen Anthropologie die philosophische Anthropologie.[9]
4. Theologische Anthropologie in Bezug auf die Bibel
Schlussendlich müssen sich verbindliche Aussagen zur christlichen Anthropologie stets aus dem Alten und Neuen Testament der Bibel beziehen. Denn die Bibel ist die grundlegende Offenbarung-Urkunde des christlichen Glaubens. Bereits zu Beginn des Alten Testaments wird sich intensiv mit dem Menschen beschäftigt. Die Kapitel Gen. 1ff. thematisieren ausführlich ein allgemeines Grundmuster vom Menschen (in seiner Beziehung zu Gott, zur Welt, zu seinen Mitmenschen und zu sich selbst). An dieser Stelle beschreibt dieses Kapitel der Bibel das allgemeine menschliche Grundmuster so: "Der Mensch bleibt für Gott kostbar und wertvoll, ist aber empirisch keineswegs "vollkommen oder einfach gut". Ein gesamtbiblisches Menschenbild bekommt man durch die Begutachtung des biblischen Kanons des Alten und Neuen Testaments. Damit kann man die biblischen Aussagen über das Welt- und Selbstverständnis als Ganzes zu interpretieren. Allerdings ist bei der Interpretation sehr wichtig, dass man zwischen Texten mit normativer Lehr-Bedeutung und Texten mit historischen Einzelüberlieferungen unterscheidet. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bibel für die theologische Anthropologie eine zentrale Rolle spielt. Schließlich liefert die Bibel wissenschaftlich vielfältige Schriften, die wichtige Grundmuster über den Menschen skizzieren (vgl. Gen. 3ff.). Jedoch muss man beachten, dass viele biblische Aussagen leicht zu willkürlichen sowie widersprüchlichen Auslegungsversuchen führen können. Dies geschieht besonders, wenn biblische Aussagen mit einer vorgefassten Meinung einhergehen oder -noch gravierender- mit persönlichen (Vor)-Urteilen behaftet sind. Des Weitern passiert es auch nicht selten, dass das formkritische Methode für ein sachgemäßes Textverständnis biblischer Aussagen nicht angewandt wird.[10]
5. Fazit
Nach der Herausarbeitung verschiedener Erklärungen hinsichtlich der zentralen Fragestellung: "Welche Funktion hat die theologische Anthropologie in der Systematischen Religion?" fällt es schwer, eine eindeutige Funktion zu definieren. Letztlich bin ich der Ansicht, dass sowohl der Religionskritiker Ludwig Feuerbach (siehe 3. Kapitel) als auch die Bibel (siehe 4. Kapitel) eine wichtige Funktion bei der Erklärung der theologischen Anthropologie darstellen. Zwar herrschen inhaltliche Diskrepanzen zwischen diesen Ansätzen, die sich aber meiner Auffassung nach nicht völlig voneinander ausschließen. Es gibt nicht einzig richtige Definition von theologischer Anthropologie, sondern es gibt mehrere Forschungsansätze. Feuerbach und die Bibel sind nicht unbedingt ein Widerspruch, sondern sie ergänzen sich.
[...]
[1] http://www.philolex.de/anthropologie (abgerufen am 27.11.2015).
[2] https://www.master-anthropologie.uni-freiburg.de (abgerufen am 28.11.2015).
[3] https://www.thf-paderborn.de (abgerufen am 29.11.2015).
[4] Jüngel, Eberhard: Entsprechungen: Gott-Wahrheit-Mensch: Theologische Erörterungen 2 (2002), S. 310.
[5] Moltmann, Jürgen: Mensch. Christliche Anthropologie in den Konflikten der Gegenwart, Gütersloh 1979, S. 37.
[6] Rahner, Karl: Theologie, in: Sacramentum Mundi , hrsg. von Rahner, Karl u.a., Freiburg/Br. 1969, S. 861f.
[7] http://www.philolex.de/anthropologie (abgerufen am 29.11.2015).
[8] http://ludwig-feuerbach.de/index.html/weckwerth.htm (abgerufen am 01.12.2015).
[9] Das Philosophie-Buch, München 2011, S. 189.
[10] http://www.nbc-pfalz.de/pdf/.../thieke-christlicher-anthropologie (abgerufen am 06.12.2015).
- Quote paper
- Julia Engels (Author), 2016, Welche Funktion hat die Anthropologie in der Systematischen Theologie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385061
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