Edmund Husserl und die phänomenologische Betrachtung von Grundthemen der Philosophie. Seele und Außenwelt


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Seele und Aussenwelt

Einleitung

Die Welt und Ich

Natürliche Einstellung

Leib-Seele Problem
Die Seele in verschiedenen Kontexten
Altertum
Judentum
Christentum
Hinduismus
Buddhismus
Kant
Dualistische Betrachtungsweisen
Occasionalismus
Monismus
Materialismus
Einwand Qualia
Einwand Intentionalität

Ich und die Welt

Wahrnehmung

Evidenz

Epochë

Horizonte

Horizonthaftigkeit der Erfahrungen.

Verweisungen

Intentionalität
Reduktion

Selbstentfremdung

Ausblick

Anhang
Husserls Leben und Werk

Literatur:

Seele und Aussenwelt

Einleitung

Das eigentliche Kernproblem der Philosophie besteht in der Frage wie sich die mentalen Zustände (Geist, Bewußtsein, Seele, Psyche) zu den physischen Zuständen (Kör­per, Gehirn, Leib) verhalten. Handelt es sich um zwei verschiedene Substanzen, oder sind sie letztlich eins und jeder Versuch einer Antwort wirft neue Fragen auf, etwa „Sind wir in unserem Denken und Wollen frei?“, „kann der Geist auch ohne Körper existieren?“, „können Computer auch einen Geist haben?“. Es gibt viele Ansätze zu dem Problem, aber im folgenden will ich mich mit dem Thema aus der Sicht der Phänomenologie nach Husserl auseinandersetzen.

Die Welt und Ich

Natürliche Einstellung

Normalerweise sind wir mit unserer natürlichen Einstellung ausgelastet. Sie ist uns von Natur aus gegeben - die philosophische muß erst erarbeitet werden. Die objektivierende, Natur­wissen­schaft aber, erklärt die Welt der mathematisierten Gegenstände allein zur wahren Welt. Durch Schule und Ausbildung wird dieses Weltbild abgesichert und die na­tür­liche Einstellung verändert. Diese hat aber keinen Bezug mehr zur subjektiv anschau­lichen Lebenswelt, sie macht eine neutralisierte Welt zum Thema. Durch Experimente werden die Gegenstände systematisch befragt und die Erfahrung aus ihnen herausge­nommen, der Spezialisierung ist Tür und Tor geöffnet. Ein Beispiel dafür sind in der Psycho­logie die Befragungen mit Fragebogen, wobei darin die Meinung des Untersuchers schon impliziert ist, oder „Intelli­genz­tests“. Wobei sich die Psychologen auch nicht ganz schlüssig sind was eigentlich Intelligenz ist.

Die natürliche Einstellung stellt sich heute gegen die Philosophie. Die Einzelwissenschaf­ten haben sich emanzipiert, was das Resultat der Geschichte ist, die von den Wissenschaf­ten geprägt wurde. Die Methodik der Einzelwissenschaft ist es die Erfahrung zu isolieren, die Theorie wird methodisiert, was aber nicht heißt, daß schon alles erforscht ist. Die Methodi­sierung bedeutet eine radikale Ablösung von allen Lebenssituationen. Husserl warnt davor, daß das böse Erwachen noch kommen wird, wenn die Nutzbarmachung der technischen Errungenschaften unheimliche Wirkung zeigt. Mit der Moderne verlieren die Wissenschaften so ihre Lebensbedeutsamkeit und dies führt zur Sinnkrise der Moderne.

In einem Vortrag 1935 vor dem Wiener Kulturbund setze Husserl den Grundstein der modernen Phänomenologie. Darin sagt er über die Krise der Modernen Wissenschaften: „Damit fällt auch der Glaube an eine ‚absolute’ Vernunft, aus der die Welt ihren Sinn hat, der Glaube an den Sinn der Geschichte, den Sinn des Menschentums, an seine Freiheit näm­­lich als Vermöglichkeit des Menschen, seinem individuellen und allgemeinen mensch­lichen Dasein vernünftigen Sinn zu verschaffen.“ (1, S. 12)

Dies ist nicht nur Selbstmitleid der Philosophen sondern es betrifft alle Menschlichkeit in der Wissenschaft in der die Lebenswelt vergessen wird. Philosophie muß sich immer der Ortsbestimmung stellen und nach endgültiger Erkenntnis dessen streben was das Seiende ist. Begründen wollen, heißt sich verantwortlich zu fühlen und nichts gelten zu lassen was man nicht vollkommen erklären kann, aber da wir keine Wahrheit - bestenfalls Wahr­schein­lichkeit - besitzen, sollten wir uns eines Urteils enthalten.

Im Kanon der alten Wissenschaften spiegelten sich alle Lebensbereiche wieder. Die Phäno­menologie teilt die Grundhaltung der antiken Theoria, nämlich die Dinge zu sehen wie sie sind – vorurteilslos und zweckfrei – nicht danach was wir im Leben damit anfan­gen können. Das gelungene Leben (griech.: eudaimonia) ist eine dauerhafte zufrieden stellende Einstellung deren Grundlagen der Mensch mit seiner Lebensform selber in der Hand hat. Das gelingende Leben braucht Beständigkeit - jeder ist auf der Suche nach dem Guten, was bei Aristoteles noch nicht im moralischen Sinn wie heute verwendet wurde. Durch die Lebensführung ist Eudaimonia (Glück) gegeben. Gelingen setzt voraus, daß das Leben als Ganzes betrachtet wird und den Charakter eines Zieles hat - das Leben als zielgerichtetes Tun verstanden wird. Ein Tun, das auf ein Ziel, einen Zweck ausgerichtet ist. Ziel ist die Hervorbringung eines Werkes (Poesis –Hervorbringung, Herstellung), sei es ein Gebrauchs­­gegenstand, Kunstwerk oder eine gesellschaftliche Struktur in wünsch­ens­werter Vollkommenheit. Das Werk besteht außerhalb des Tuns und es bleibt auch über den Tod des Vollbringers hinaus erhalten und deshalb ist es gelungen.

Leib-Seele Problem

[1]

Die Seele in verschiedenen Kontexten

Altertum

Platon unterteilt die Seele in drei Teile

Vernunftseele (logistikon) – Denken, Erkenntnis, Vernunft Affektseele (thmoeides) – Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Angst, Hass, Neid Triebseele (epithymetikon) – Nahrungssuche, Sexualität, Schlafbedürfnis Für Aristoteles ist die Seele eine Funktionsweise des Körpers, die so organisiert ist, daß sie Träger vitaler Funktionen sein kann. Form und Stoff sind bei endlichen Wesen immer eine Einheit. Die Attribute des Lebendigen sind für ihn Ernährungs- und Fortpflanzungsvermögen (incl. Pflanzen und Tiere), Wahrnehmungsvermögen, Denkfähigkeit (incl. Ein noch ehrwürdigeres Wesen) Körper und Seele verhalten sich wie Materie und Form. Im Gegensatz zu Platon ist bei Aristoteles die Seele vergänglich. Aufgrund der Funktionsweise der Seele werden die moralischen und intellektuellen Seiten der Menschheit entwickelt. Bei ihm ist mensch­liches Denken nicht auf einen bloßen mechanisch-physischen Vorgang reduziert. Mensch­liches Wissen stützt sich auf die Beziehung zwischen dem menschlichen Verständnis und der Sinnerfahrung, entsprechend der späteren empirischen Auffassung. Er hat klar darge­legt, daß nichts im Denken existiert, was nicht schon vorher in den Sinnen existierte.

Judentum

Im Judentum ist die Seele entstanden, nachdem Gott in den Körper, der aus Erdreich ge­formt war, Lebensodem (Geist) eingehaucht hat. Die Seele ist also die Empfindung, die erst durch die Verbindung eines organischen Körpers mit Odem oder Geist (Lebenskraft) entsteht. Nach dem Tod ist die Seele nicht mehr vorhanden, da der Geist zu Gott zurück­kehrt und der Körper zurück ins Erdreich. Keine Empfindung ist mehr möglich.

Christentum

Im Christentum ist die Vorstellung einer unsterblichen Seele in den biblischen Texten direkt ableitbar (Matthäusevangelium 10,28). Was den Menschen belebt ist der „Geist“, wörtlich der „Windhauch“, der von außen kommt und dem Menschen eingeblasen wird. So spricht Paulus im Neuen Testament davon, daß wir jetzt einen „irdischen, natürlichen Leib“ haben, in der Auferstehung aber einen „himmlischen, geistigen Leib“ erhalten werden.

Erst durch die Rezeption des Platonismus, zunächst durch das hellenistische Judentum, dann im Christentum kommt die Idee einer unsterblichen Seele als Identitätsträger nach dem Tod auf. Sie wurde im orthodoxen und katholischen Christentum weiter entfaltet. Im zeitgenössischen Protestantismus wurde sie zum Teil aufgegeben zugunsten einer Ganztod-Hypothese.

Hinduismus

Nach hinduistischer Auffassung bestehen alle Lebewesen aus 3 unterschiedlichen Wirklichkeiten:

Der sterblichen, physischen Hülle, dem stofflichen Körper

Dem Atman, das Selbst, die ewige, unzerstörbare, innere Gestalt jedes Wesens

Dem feinstofflichen Körper mit den folgenden Aspekten

- Ahankara – sich als eine Person als Einheit fühlen und erleben
- Citta – das rezeptive, passive Bewußtsein und Unterbewußtsein
- Buddhi – Intelligenz, Vernunft
- Manas – Denken, Fühlen, Wollen – Geist, Verstand

Buddhismus

Der Buddhismus kennt im Gegensatz zur hinduistischen Anschauung keinen unwandel­baren, unsterblichen und überpersonalen Wesenskern. Ausdrücklich im Kontrast zum hinduistischen Atman, gibt es dort den Begriff des Anatman, des „Nicht-Selbst“. Die Vor­stellung daß es ein Ich gibt ist demnach schon eine grundlegende Täuschung über das Wesen der Wirklichkeit. Was Menschen als ihr „Selbst“ bezeichnen ist vielmehr ein ständig im Wandel begriffenes Zusammenspiel der fünf Daseinsgruppen:

Materieller Körper mit seinen Sinnesorganen

Empfindungen

Wahrnehmung der Welt

Geistesformationen (Interessen, Willensregungen, Sehnsüchte und Tatabsichten)

Bewußtsein

Wie ein Wagen eine zusammengesetzte Wirklichkeit, bestehend aus seinen Einzelteilen ist, entsteht die Vorstellung eines Selbst aus dem Zusammenwirken dieser Daseinsgruppen.

Der Kreislauf der Geburten wird aufrechterhalten wie eine Flamme die an einer anderen entzündet wird. Das neue Wesen ist keine völlig andere Person als die ihr vorangegangene, weil jede Existenzform von ihrer voraufgehenden geprägt ist. Trotz des Fehlens einer Substanz zwischen den Existenzformen einer Widergeburtskette gilt es als möglich, sich der vielen Existenzen zu erinnern, die der derzeitigen vorausgingen.

Kant

Bei Kant ist die Existenz und Unsterblichkeit der Seele durch die Vernunft nicht beweis­bar, sondern wie jede Frage nach dem Absoluten eine Glaubensfrage. Konsequentes mora­li­sches Handeln ist laut Kant jedoch ohne einen Glauben an Gott und die Unsterblichkeit nicht möglich.

Dualistische Betrachtungsweisen

Die Sicherung von Erkenntniswahrheit hängt von dem Verfahren ab wie ich die Erkennt­nis­bedingungen ansetze. Die Methode ist akzeptabel wenn sie effektiv ist und zum Erfolg führt, wenn sie den Gegenstand veranlaßt mehr von sich zu zeigen als er das von sich aus täte.

Den Weg den Descartes zum Nachweis von Körper und Geist in seinen Meditationen beschreitet sieht so aus:

Ich kann mir klar und deutlich vorstellen, daß Geist ohne Materie existiert.

Was ich mir klar und deutlich vorstellen kann, ist zumindest prinzipiell möglich.

Es ist also prinzipiell möglich, daß Geist und Materie existiert

Das heißt also daß Körper und Geist unabhängig voneinander in ihrem Wesen begriffen werden können. Mit der Möglichkeit der separaten Existenz von Geist und Körper sind die philosophischen Voraussetzungen für die Unsterblichkeit der Seele gegeben. „Damit hat Descartes faktisch eine Unterscheidung eingeführt, die für die Folgezeit von Wichtigkeit sein wird. Das Wesen des Ich besteht darin, ….Geist zu sein. Als Mensch hingegen bin ich eine aus Geist und Körper zusammengesetzte Einheit.“ (3, S. 58).

„Die radikale Entgegensetzung von Materie und Geist macht es für die nachfolgende Philo­sophie zu einem fundamentalen Problem, deren Einheit zu verstehen, die ja zumin­dest im Menschen offensichtlich da ist.“ (3, S. 64).

Occasionalismus

Descartes hat eine Interaktion zwischen Geist und Körper behauptet, aber nicht wirklich erklären können. Das Problem des Zusammenwirkens von Leib und Seele versuchen die Occasionalisten (Johann Clauberg, Louis de la Forge, Nicolas Malebranche, Arnold Geu­lincx) durch die Annahme zu lösen, daß Gott anläßlich (einer occasion) eines Bewußtseins­aktes die entsprechende körperliche Bewegung hervorruft und umgekehrt. Bei einigen Okka­­sio­nalisten findet man konsequenterweise auch die These, daß man beim Naturge­sche­hen keine Kausalität, sondern lediglich ein Nacheinander feststellen kann. Gott ist die einzige Ursache von allem was geschieht. Es gibt keinerlei Wirken von einem Geist auf einen Körper oder umgekehrt. Alle Wirkungen der Schöpfung verweisen auf Gott als ihre einzige Ursache, wobei er dem Prinzip der einfachen Wege folgt. (vgl. 3, S.66)

Monismus

Der Monismus behauptet, im Gegensatz zum Dualismus, daß es nur eine Substanz gibt. Men­tales und physisches wären demnach Eigenschaften dieser einen Substanz. Eine solche Position wurde von Baruch Spinoza vertreten. Spinoza geht davon aus, daß das Wahre das Ganze ist. Mit Descartes teilt er die Grundeinteilung der Wirklichkeit in die Kategorien Substanz, was in sich ist und durch sich begriffen wird Attribute, was der Verstand an der Substanz erkennt Modi, Affektion der Substanz, was in einem anderen ist durch das es begriffen wird Substanz und Attribute, der hervorbringenden Natur (natura naturans) machen die Wirk­lich­keit Gottes aus, während die Modi die Erscheinung, Ausprägung und Entfaltung der hervorgebrachten Natur (natura naturata) sind. Waren die denkende und die ausgedehnte Substanz für Descartes voneinander verschiedene Substanzen der geschaffenen Wirklich­keit, so gilt für Spinoza, daß Gott sowohl res cogitans als auch zugleich res extensa ist, da ihm beide Attribute gleichermaßen zukommen. (vgl. 5, S. 80)

Materialismus

Die These besagt, daß der Geist etwas Materielles sei. Diese Position hat aber das grund­sätz­liche Problem, daß der Geist Eigenschaften hat, die kein materieller Gegenstand besitzt. Der Materialismus kann folgende Einwände nicht erklären

Einwand Qualia

Viele mentale Zustände (Schmerz, Freude, Wut) haben die Eigenschaft, in bestimmter Weise erlebt zu werden. Das Wesentliche des mentalen Zustandes Schmerz z.B. ist ganz offensichtlich, daß es weh tut. Im neuronalen Ablauf deutet nichts auf Schmerzerleben hin. Die Vorgänge im Gehirn können nicht verständlich machen, warum sie mit entsprechen­dem Erlebnisgehalt ablaufen. Die Prozesse geschehen einfach ohne daß das Bewußtsein dabei eine Rolle spielt.

Einwand Intentionalität

Intentionalität heißt, daß mentale Zustände auf etwas gerichtet sind. Das kann sich als richtig oder falsch erweisen. Wenn jetzt Gedanken auf Naturprozesse reduziert werden sollen, so stellt sich die Frage nach richtig oder falsch des Prozesses. Das wäre sinnlos, denn Naturprozesse geschehen einfach.

Ich und die Welt

Wahrnehmung

Mit mehr oder weniger wachen Sinnen sammle ich Impulse der mich umgebenden Welt und stelle sie normalerweise nicht in Frage, genausowenig wie meinen Körper solange er gesund ist. Als Wahrnehmungsorgan fungiert mein ganzer Leib. Wahrnehmung ist ein Prozeß, bei dem alle Sinneseindrücke, die auf mich einwirken zu einem Gesamtbild zu­sammen­gefaßt werden. Ich habe meine Sinne: Mit dem Auge sehe ich; mit der Nase rieche ich; mit den Ohren höre ich. Ich reagiere auf Farben. Es ist mir bewußt, daß ich in einer Zeit lebe. Ich nehme meine Umgebung in der räumlichen Dimension wahr. Wo ich stehe bzw. mich befinde, bestimmt die Perspektive. Ich kann mir zwar eine andere Perspektive vorstellen, aber die nehme ich nicht wahr. Es gibt noch Raum der sich meiner Wahrnehm­­ung entzieht. Mein Leib wird selbst nicht wahrgenommen wenn ich nicht meine Auf­merksamkeit auf ihn richte. Wenn ich etwas genauer wahrnehmen will muß ich mich auf die Dinge konzentrieren.

Die Wahrnehmung liefert uns den stofflichen Inhalt unseres Wissens, aber Erkenntnis wird sie erst, wenn sie mit Erinnertem verbunden wird. Mit Kant (KdrV) kann man sagen

Gedanken ohne Inhalt sind leer

Anschauungen ohne Begriffe sind blind

Ich habe Meinungen, Stimmungen und Emotionen über das, was ich mit meinen Sinnen wahrnehme und was es für mich bedeutet. Ich nehme dabei insbesondere meine eigene Person wahr. Wenn ich in Gesellschaft komme, bemerke ich die Stimmung und welchen Einfluß mein Erscheinen darauf hat.

Die Wahrnehmung, die wir momentan haben, ist uns direkt gegeben. Wir brauchen kein Wissen über die Theorien der Wahrnehmung um wahrzunehmen. Wir merken nichts von den Voraussetzungen die durch Erfahrung, Erziehung und Umwelt schon da sind. Unser Bewußtsein hat den Kontakt zur Umwelt über die Erscheinung. Wir können uns nur eine Vorstellung von den Dingen machen. Es ist die Erinnerung an die Tätigkeit des Abtastens mit unseren Sinnen die uns die Dinge bewußt werden läßt. Jeder Gegenstand den wir sehen, tasten, riechen, hören können weist auf eine unmittelbare Beziehung zu unserem Leib hin. Trotz der Selbstverständlichkeit von Wahrnehmung ist es nicht eindeutig was wir wahrnehmen. Die Relation zwischen Empfindung und Gegenstand bleibt unklar und wir sprechen immer von Erinnerung an eine Wahrnehmung. Die Empfindung ist da, aber ihr Verhältnis zum Gegenstand bleibt vage.

Zum Zustandekommen einer Wahrnehmung gehört

daß ein wirkliches Objekt vorhanden ist,

daß dieses einen Reiz auf unsere Sinnesorgane ausübt,

daß aus diesem Reiz eine Empfindung erwächst,

daß die Empfindung in bestimmter Form (Raum und Zeit) zum Bewußtsein kommt.

Im Naturwissenschaftlichen Modell wird der Gegenstand über das Auge wahrgenommen. Das Bild wird über den Sehnerv zum Gehirn transportiert und aus der gerade erlebten Perspektive mit einer Erinnerung an früher Wahrgenommenes „verrechnet“. Dann kann man das Objekt benennen.

Bei dieser Vorstellung kommt der Name „Modell“ ins Spiel, was besagt, daß es sich wieder um eine Theorie handelt. Es ist eine menschliche Konstruktion, eine Repräsentation der Beschreibung von Wahrnehmung, aber nicht die Wahrnehmung selbst. Es bedeutet, daß der Prozess, als Modell gezeichnet, gar nichts mit mir zu tun hat. Es wird nichts gesagt was ich erlebe während ich wahrnehme. Ich vollziehe die Leistung meines Körpers nicht wie das im naturwissenschaftlichen Modell dargestellt wird. Die Wahrnehmung meiner Wahrnehmung ist so eingeschränkt, daß ich das Modell an mir nicht finden kann. Es wird lediglich etwas über die physiologischen Vorgänge ausgesagt, das was der Wahrnehmung vorausgeht. Die Phänomenologie lehnt solche externen Erklärungen und Theorien der Wahrnehmung ab. Unbestritten ist aber, daß ein Objekt vorhanden sein muß.

Wenn man das Wesen der äußeren Wahrnehmung betrachtet stellt man eine Differenz zwischen dem, was aktual wahrgenommen wird (Aktualität) und dem, was gerade noch und gleich schon wahrgenommen sein wird (Potentialität) fest. Der Zusammenhang beider Momente ist nicht willkürlich. Das Anschauliche ist bloß eine Möglichkeit meines Erlebens. Diese Möglichkeit muß ich mir nicht über einen kognitiven Schluß oder einen expliziten Denkakt vergegenwärtigen, sondern sie ist meiner Wahrnehmung bewußt mitgegeben.

Die Trennung zwischen Aktualität (erfüllt) und Potentialität (leer) ist keine Trennung, die durch die Gegenstände hervorgerufen oder sonstwie erst per Schluß gefunden werden müßte. Sie ist eine Differenz meines bewußten Erlebens selbst. Der Wahrnehmungsprozeß bewegt sich immer in dieser Differenz. Es ist ein Prozeß von Fülle und Leere.

[...]


[1] Vgl. 4 aus wikipedia

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Edmund Husserl und die phänomenologische Betrachtung von Grundthemen der Philosophie. Seele und Außenwelt
Hochschule
Hochschule für Philosophie München
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V385133
ISBN (eBook)
9783668599031
ISBN (Buch)
9783668599048
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phänomenologie, Wahrnehmung, Horizont, Verweisung, Evidenz, Epochae
Arbeit zitieren
Roland Wegscheider (Autor:in), 2007, Edmund Husserl und die phänomenologische Betrachtung von Grundthemen der Philosophie. Seele und Außenwelt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385133

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