Politikverdrossenheit der Deutschen gegenüber dem Europäischen Parlament?


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition des Begriffs Politikverdrossenheit

3. Das Europäische Parlament
3.1. Die Parteien des Europäischen Parlamentes
3.2. Das Wahlsystem mit der Auswahl der Europäischen Elite
3.3. Gründe für die Nichtwahl

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Politikverdrossenheit, im Jahre 1992 von der Gesellschaft für Deutsche Sprache[1] zum sog. ‚Wort des Jahres’[2] deklariert, ist auch heute wieder ein aktuelles und brisantes Thema. Merkmale der Politikverdrossenheit in Deutschland sind ein Rückgang der Mitgliederzahlen in politischen Organisationen, vor allem Parteien und Gewerkschaften, sowie sinkende Wahlbeteiligungen bei Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen. Die Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl 2002 hat um 3,1 % gegenüber der Wahl von 1998 an Stimmen verloren. Vergleicht man diese Zahlen allerdings mit der Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl, stellt man fest, dass die Deutschen im Gegensatz zu vielen anderen Europäern alles andere als verdrossen gegenüber Wahlen sind, auch wenn die Wahlbeteiligung hier eindeutig zurückgeht. 2004 lag die Wahlbeteiligung europaweit bei 45,7%, insgesamt also 4,1 % weniger als im Wahljahr 1999.[3] Erklärungen wie ‚wir konnten unsere Stammwähler nicht mobilisieren’ oder ‚die Opposition hat eindeutig von der niedrigen Wahlbeteiligung profitiert’ sind häufig genannte Gründe von Parteien für ihr schlechtes Abschneiden bei den Wahlen. Um diesen Verdruss bzw. den Missmut gegenüber der Politik zu verringern, muss nach Ursachen und Maßnahmen geforscht werden, gegen dieselben vorzugehen.

Ziel dieser vorliegenden Arbeit ist die Frage nach einer möglichen Politikverdrossenheit der deutschen Bevölkerung am Europäischen Parlament. Es soll zunächst der Begriff der Politikverdrossenheit erläutert werden. Der Hauptteil meiner Arbeit befasst sich mit dem Europäischen Parlament; in Kapitel drei beschreibe ich einleitend die Funktionen, Aufgaben und Kompetenzen des Europäischen Parlamentes, bevor ich mich mit den europäischen Parteien, dem Wahlsystem mit der Auswahl der europäischen Elite befasse. Weiter untersuche ich anhand mehrerer Kriterien (wie z.B. Wahlbeteiligung, Interesse etc.) die Vermittlung zwischen den Bürgern und dem Staat und mache mich damit auf die Suche nach Gründen für die Nichtwahl bzw. die geringe Wahlbeteiligung bei der letzten Europawahl. Zum Schluss dieser Arbeit versuche ich die Frage zu beantworten, ob man bereits von einer Politikverdrossenheit sprechen kann und welche Verbesserungsvorschläge ich unterbreiten würde, dieser zu entfliehen.

Es sei erwähnt, dass es sich hierbei um eine vergröberte Darstellung des Sachverhalts handelt, die lediglich einen Einstieg in die Thematik bieten möchte und für sich nicht den Anspruch einer umfassenden Erklärung erhebt.

2. Definition des Begriffs Politikverdrossenheit

Der Begriff Politikverdrossenheit wurde erst in den Achtziger Jahren geprägt und wird häufig synonym mit Schlagworten wie Parteien- und Politikerverdrossenheit in Verbindung gebracht; sogar die Gedankenverknüpfung mit dem Begriff Demokratieverdrossenheit wäre angebracht.[4] Es ist ein Leitwort aus der öffentlichen Diskussion, das auch in den Medien stets sehr kontrovers diskutiert wird. Das Problem der Politikverdrossenheit beschäftigt sich in erster Linie mit der zunehmenden Neigung der Bürger, sich von Wahlen fernzuhalten. Weiterhin ist es ein Ausdruck für ein allgemeines Unbehagen gegenüber den Parteien, die sich oft nicht genug um die Belange der Gesellschaft zu kümmern scheinen; oft hört man den Vorwurf, die Parlamentarier täten nichts für ihr Geld. Damit scheinen auch die Nichtwähler, als größte Gruppe der Wahlberechtigten in Deutschland, Recht zu behalten, indem sie Unterstützung durch die Massenmedien Rundfunk und Zeitung bekommen. Viele Bundesbürger, die wahlberechtigt sind, gehen nicht an die Wahlurnen und dies stellt ohne Zweifel eins der schwerwiegendsten Probleme dar.

Die Gründe zu finden, warum viele der Wahlbeteiligten an der Europawahl im Jahr 2004 nicht teilnahmen, ist sehr schwer. Als wichtigste Ursache wird von Forschern jede Form von Korruption der Politik gesehen - egal ob es sich um geheime Spenden handelt, die im Wahlkampf von verschiedenen Organisationen oder Verbänden auf die Konten der Parteien fließen oder ob Geheimnisse von Politikern durch die Presse in die öffentliche Debatte gelangen. Vergleiche hierzu die aktuelle Debatte zu Nebenverdiensten der Parlamentarier oder die Visa- Affäre. Dementsprechend wird auch die Wählerschaft zur Politik-, Parteien-, und Politikerverdrossenheit tendieren - zumal es auch viele sogenannte ‚Stammwähler’ gibt, die ihr Leben lang einer bestimmten Partei ihre Stimme geben und keiner anderen Organisation vertrauen, auch bei Europawahlen. Weiterhin entsteht Politikverdrossenheit, wenn Parteien ihren Programmen, die sie im Wahlkampf der Öffentlichkeit präsentierten, nicht folgen oder sehr stark von ihren Vorhaben abweichen. Zusätzlich ist auch die Meinung vertretbar, das Desinteresse gegenüber der Politik entstehe dadurch, dass sich das Lebensverhältnis (Einkommen, Steuern oder Vergünstigungen) ändert. Wie oben schon angesprochen versuchen die Medien ihren Teil zur Politikverdrossenheit beizutragen. Sie versuchen durch Artikel gegen Parteien und Politiker ein Unwohlsein zwischen Bürgern und Politik herzustellen, indem sie jede Spendenaffäre und jede unschöne Aktion von Parteien sowie von Politikern versuchen, zu einem gesellschaftlichen Höhepunkt im negativen Sinne zu erheben. Sie stellen dann Politiker als ‚schwarze Schafe der Gesellschaft’ hin, wobei mit Sicherheit hinzugefügt werden sollte, dass die Politiker als Volksvertreter stets darauf bedacht sein sollten, eine möglichst ‚weiße Weste’ zu besitzen, zumal sie vom Volk gewählt werden und jenes als Gruppe repräsentieren, im Inland sowie im Ausland.

3. Das Europäische Parlament

Die Bürger der Europäischen Union wählen ihre Volksvertreter direkt für eine Amtszeit von fünf Jahren in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen. Die Allgemeinheit der Wahl besagt, dass alle Staatsbürger unabhängig von Geschlecht, Rasse, Einkommen oder Besitz, Stand, Bildung oder Religionszugehörigkeit ein Stimmrecht haben; die Unmittelbarkeit bedeutet Direktwahl der Abgeordneten, das heißt zwischen Wählern und Gewählten gibt es keine Wahldelegierten, die erst ihrerseits die eigentliche Wahl vornehmen. Freie Wahl findet vor allem dann statt, wenn der Wähler sein Wahlrecht ohne Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussung von außen ausüben kann. Durch die Wahlfreiheit soll eine freie, umfassende Wahlbetätigung vor, bei und nach der Wahl geschützt werden. Dieser Grundsatz fordert aber nicht nur, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, sondern ebenso sehr, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien, offenen Meindungsbildungsprozess gewinnen und fällen können. Die Wahlgleichheit bedeutet das Verbot, das Stimmengewicht der Wahlberechtigten nach Bildung, Religion, Vermögen, Rasse, Geschlecht oder politischer Einstellung zu differenzieren. Der Grundsatz der gleichen Wahl besagt außerdem, dass jedermann sein Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können soll. Der Grundsatz der geheimen Wahl verlangt, dass durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass nicht festgestellt werden kann, wie der Einzelne gewählt hat, die Stimme also unbeeinflusst abgegeben werden kann. Für den Einzelnen muss es ohne weiteres möglich sein, seine Wahlentscheidung geheim zuhalten. Bei der Briefwahl muss vom Wähler eine Erklärung an Eides statt, dass die Stimmabgabe geheim erfolgt, abgegeben werden. Auf diese Weise wird auch hier der Geheimhaltungsgrundsatz gewährleistet.[5]

Neben Kommission, (Minister-) Rat, Europäischem Gerichtshof und Europäischem Rechnungshof ist das Europäische Parlament das fünfte Organ der Europäischen Union. Während die anderen Organe indirekt, also ohne direkte Wahl der Völker der Mitgliedstaaten, legitimiert werden, erhält das Europäische Parlament als einziges Organ eine direkte Legitimation durch die Wahl. Die Funktionen des Europäischen Parlamentes sind mit denen von nationalen Parlamenten nicht vergleichbar, da es keine europäische Regierung gibt, die durch das Parlament eingesetzt und kontrolliert werden könnte. Die Befugnisse des Europäischen Parlamentes lassen sich einteilen in Gesetzgebungsrechte, Haushaltsrechte, Kontrollrechte und Rechte in den Außenbeziehungen. Daneben nimmt das Europäische Parlament Einfluss auf die Politikformulierung, die Ausgestaltung der Europäischen Union und versteht sich als Sprachrohr der Wählerinnen und Wähler. Seit der ersten Direktwahl im Jahr 1979 hat das Europäische Parlament seine Kompetenzen Zug um Zug ausgebaut. Zusammen mit dem Ministerrat beschließt das Europäische Parlament Gesetze, die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gültig sind. Heute sind 455 Millionen Europäer aus 25 Ländern durch ihre 732 Volksvertreter am europäischen Aufbau beteiligt. Wie viele Abgeordnete aus den einzelnen EU-Staaten kommen, ist vertraglich vereinbart worden. So kommen aus Deutschland 99 Abgeordnete. Die kleineren Länder sind aber gegenüber den großen in Bezug auf ihre Bevölkerungszahl deutlich überrepräsentiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Das Europäische Parlament – Sitzverteilung/ Anzahl der Abgeordneten.

In der noch nicht ratifizierten Europäischen Verfassung werden die Kompetenzen des Europäischen Parlaments konsequent ausgebaut und klar umrissen. Die Kernbestimmung lautet: Das Europäische Parlament wird gemeinsam mit dem Ministerrat als Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushaltsbefugnisse aus; es erfüllt ferner Aufgaben der politischen Kontrolle und Beratungsfunktionen nach Maßgabe der Verfassung. Es wählt den Präsidenten der Europäischen Kommission.[6]

Regelfall der europäischen Gesetzgebung ist die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments. Bei Themen wie Binnenmarkt, Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsfreiheit, Transeuropäische Netze (sie umfassen grenzüberschreitende Infrastrukturen in den Bereichen Verkehr, Energie, Telekommunikation und Umwelt), Forschung, Gesundheitswesen, Bildung und Kultur arbeiten Rat und Europäisches Parlament zusammen. Danach kommen Gesetze nach einem mehrstufigen Verfahren zwischen Rat der Europäischen Union und dem Europäischem Parlament zustande. Besteht zwischen den Auffassungen beider Organe nach der zweiten Lesung des Europäischen Parlamentes Uneinigkeit, kann der Rat einen paritätisch besetzten Vermittlungsausschuss einberufen. Kommt auch hier keine Einigung zustande, kann gegen den Willen des Europäischen Parlamentes kein Rechtsakt erlassen werden. Ein europäisches Gesetz kommt im Regelfall zustande, wenn sich in beiden Kammern eine Mehrheit findet.

Das Europäische Parlament übt zusammen mit dem Rat die Entscheidungsbefugnis über den Haushalt aus. Dem Rat steht das ‚letzte Wort’ bei den sogenannten obligatorischen Ausgaben zu. Das Europäische Parlament hat das ‚letzte Wort’ bei den ‚nichtobligatorischen Ausgaben’, also den übrigen Ausgaben der Union.[7] Durch den Präsidenten des Europäischen Parlamentes wird der Haushalt festgestellt, das heißt, er lässt ihn als Gesetz in Kraft treten. Zur Kontrollfunktion im Haushaltsbereich gehört auch die Entlastung der Kommission, wofür das Europäische Parlament seit 1975 allein zuständig ist. Der Misstrauensantrag gegen die Kommission kann aber nur die gesamte Kommissionsspitze zum Rücktritt zwingen, es können nicht einzelne Kommissare abgelehnt werden. Auch der Ministerrat unterliegt der demokratischen Kontrolle. Der Vorsitzende des Ministerrates erläutert zu Beginn der Ratspräsidentschaft sein Arbeitsprogramm vor dem Parlament und gibt am Ende einen Rechenschaftsbericht ab, der im Parlament diskutiert wird. Gemeinsam mit dem Rat der Finanzminister bildet das Europäische Parlament die sogenannte Haushaltsbehörde, die alle Ausgaben der Europäischen Union bewilligt und einen mehrjährigen Finanzrahmen festlegt.

[...]


[1] Die Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden vergibt seit 1972 ein ‚Wort bzw. Unwort des Jahres’. Ausgewählt werden Wörter und Ausdrücke, die die öffentliche Diskussion des betreffenden Jahres besonders bestimmt haben, die für wichtige Themen stehen oder sonst als charakteristisch erscheinen.

[2] Vgl. hierzu : http://www.gfds.de/woerter.html

[3] Vgl. Tabelle 2, S. 13

[4] Vgl. hierzu das Heidelberger Online Lexikon der Politik. http://www.politikwissen.de/lexikon/parteienverdrossenheit.html

[5] Vgl. hierzu § 1 EuWG (Europawahlgesetz: In der Bundesrepublik Deutschland gilt für die Wahl zum Europäischen Parlament das Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. März 1994) http://www.bundeswahlleiter.de/wahlen/europawahl2004/downloads/abceuropawahl04.pdf

[6] http://www.europarl.de/index.php?rei=8&dok=389&vers=norm&giveid=388

[7] Vgl. hierzu Informationen zur politischen Bildung. Europäische Union. Nr. 213. Bonn 200. S. 16f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Politikverdrossenheit der Deutschen gegenüber dem Europäischen Parlament?
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Die Krise der Parteiendemokratie im internationalen Vergleich
Note
2
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V38592
ISBN (eBook)
9783638376037
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politikverdrossenheit, Deutschen, Europäischen, Parlament, Krise, Parteiendemokratie, Vergleich
Arbeit zitieren
Agnes Szuszkiewicz (Autor:in), 2005, Politikverdrossenheit der Deutschen gegenüber dem Europäischen Parlament?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38592

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