Großfriedrichsburg und die Kolonisation ohne Kolonie

Eine Untersuchung des kolonialen Charakters der brandenburgisch-preußischen Überseegeschichte in Westafrika in der frühen Neuzeit (1681-1717)


Hausarbeit, 2017

20 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


2
Inhalt
I- Einleitung ... 3
II- Die
brandenburgisch-preußische
Expansion
und
die
Entstehung
Großfriedrichsburgs ... 4
III-
Brandenburg-Preußen in Westafrika: eine Kolonisation? ... 9
1. (Forschungs-)Meinungen zur Stellung der brandenburgisch-preußischen Expansion
als Kolonisation und Großfriedrichsburg als Kolonie ... 9
2. Exkurs: Begriffsdefinitionen ... 11
3. Brandenburg-Preußen in Westafrika ­ Expansion welcher Art? ... 12
IV-
Schluss ... 17
Quellen- und Literaturverzeichnis ... 19

3
I- Einnleitung
Zu den europäischen Regimenten, die in der frühen Neuzeit an dem transatlantischen
Handel beteiligt waren, zählt auch Brandenburg-Preußen
1
. Im Jahre 1682 wurde
nämlich die ,,Brandenburgisch-Afrikanische-Companie" (BAC) in Brandenburg
gegründet. Die Gesellschaft betrieb den transatlantischen Handel in Afrika, in Amerika
und in der Karibik bis 1717. Als Handelsstützpunkte wurden Festungen an der
westafrikanischen Küste gegründet. Großfriedrichsburg im heutigen Ghana war die
erste und die wichtigste von diesen Festungen. Dieses Geschehen wird nach wie vor in
den Medien, in der Literatur und auch in der Forschung als erste deutsche
Kolonialerfahrung wahrgenommen und die Festung Großfriedrichsburg als erste
deutsche Kolonie.
2
Eine Google-Suche mit dem Schlagwort ,,Großfriedrichsburg"
erzielt unzählige Vorschläge, die das Wort ,,Kolonie" mitenthalten. Die vorliegende
Arbeit untersucht daher die Geschichte der brandenburgisch-preußischen Expansion an
der westafrikanischen Küste unter dem Gesichtspunkt ihrer Zuordenbarkeit zur
Kolonialgeschichte. Mit den Fragen, ob diese Geschichte eine Kolonisation war und die
an der westafrikanischen Küste errichtete Festung eine Kolonie war, beschäftigten sich
außer dem Historiker Roberto Zaugg nicht sehr viele, obwohl dieser Teil der Geschichte
an sich in der Forschung nicht geringe Beachtung fand. Die meisten Arbeiten dazu
waren einhelliger Meinung, es handele sich hierbei um eine Kolonisation. Nun wird es
in dieser Arbeit, auf der Basis von Roberto Zauggs Artikel Grossfriedrichsburg, the
First German Colony in Africa?
3
, darum gehen, zu hinterfragen, in welcher Art
Expansion die brandenburgisch-preußische Präsenz an der westafrikanischen Küste
1
,Brandenburg-Preußen` bezeichnet die gesamten Herrschaftsgebiete der hohenzollerischen Dynastie von
1618 bis zur Krönung Friedrich I. zum ersten König von Preußen (1701). Der Begriff wird in der
Geschichtsschreibung aber auch für die Zeit danach verwendet.
2
Einige Bücher, worin diese Geschichte so wahrgenommen wird, sind: Paul Oettinger (Hrsg.): Unter
kurbrandenburgischer Flagge. Deutsche Kolonialerfahrungen vor zweihundert Jahren, nach dem
Tagebuch des Chirurgen Johann Peter Oettinger, Berlin 1886; Emil Steurisch: Johann Kuny, der erste
brandenburgisch-preußische Negerfürst. Eine Erzählung aus den Kolonien des Großen Kurfürsten,
München 1900; Ulrich Van der Heyden: Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische
Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika, 1. Auflage, Berlin 1993.
3
Roberto Zaugg: Grossfriedrichsburg, the First German Colony in Africa? Brandenburg-Prussia, Atlantic
entanglements and national memory, in: John K. Osei-Tutu / Victoria E. Smith (Hrsg.): Shadows of
Empire in West Africa. New Perspectives on European Fortifications, New York [Im Druck]. Die in dieser
Arbeit zitierten Seiten sind nach der ­ ,dem Autor zufolge, ­ endgültigen Version des Artikels, die der
Autor auf dem wissenschaftlichen Netzwerk ,,Academia Edu" veröffentlicht hat;
Url:
http://www.academia.edu/9265556/Grossfriedrichsburg_the_first_German_colony_in_Africa_Brande
nburg-Prussia_Atlantic_entanglements_and_national_memory
[abgerufen am 15.02.2017].

4
anzusehen ist und inwiefern sie als ,,Kolonisation ohne Kolonien" betrachtet werden
könnte.
Im Rahmen der deutschen Besetzung Afrikas Ende 19. Jahrhunderts, fand diese
Expansionsgeschichte eine große Resonanz, wobei die Befürworter des deutschen
Kolonialismus sie als erste gelungene Kolonialerfahrung erwähnten. Aber was ist genau
unter brandenburgisch-preußische Expansionsgeschichte in Westafrika zu verstehen und
wie ist sie verlaufen? Welche waren die Motivationen und Folgen dieses Abenteuers?
Wie sollte sie in Bezug auf Kolonialismus betrachtet werden? Auf diese Fragen wird in
der vorliegenden Arbeit eingegangen.
Die Arbeit wird in zwei Teile gegliedert, wovon der erste als eine Hinführung zum
zweiten, dem Hauptteil, dient. Im ersten Kapitel werden Informationen über den
Entstehungsprozess des überseeischen Handels von Brandenburg-Preußens an der Küste
Westafrikas ausführlich zum Verständnis dieser Geschichte gegeben. Das zweite Kapitel
gliedert sich in drei Teile. Im ersten wird zunächst der Forschungsstand zur Frage, ob
die brandenburgisch-preußische Expansion als eine Kolonisation betrachtet werden
könnte, vorgestellt; dabei werden Begriffe rund um das Wort ,Kolonie` und ,Expansion`
auf der Grundlage von Jürgen Osterhammels Arbeiten
4
definiert und schließlich wird
auf der Grundlage dieser Definitionen die Frage diskutiert, in welche der von
Osterhammel vorgeschlagenen Kategorien sich die überseeische Expansion von 1681-
1717 einordnen lässt.
II- Die
brandenburgisch-preußische
Expansion
und
die
Entstehung
Großfriedrichsburgs
Mit der Gründung der BAC und deren Einsatz in Afrika, Amerika und in der Karibik
trat Brandenburg-Preußen offiziell als letzte europäische Großmacht in den
überseeischen Handel bei. Dieser Entschluss bedeutete die Überwindung einer Reihe
von Ereignissen.
4
Jürgen Osterhammel: Kolonialismus. Geschichte-Folgen-Formen, München 1995.

5
Der Initiator der preußischen Überseepolitik und eben einer der wichtigsten Akteure in
dieser Geschichte war Benjamin Raule
5
. Der aus Zeeland stammende Kaufmann und
Reeder versuchte den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg
6
mehrfach davon
zu überzeugen, eine ostindische Handelskompanie zu gründen. Aus finanziellen
Gründen konnte die Gesellschaft aber nie ins Leben gerufen werden. Zur Finanzierung
des Unternehmens schlug Raule dem Kurfürsten vor, einen Kaperkrieg gegen China zu
führen, was dieser ablehnte. Eine solche Entscheidung zu treffen, fiel dem Kurfürsten
schwer, der die Idee dieser ostindischen Handelsgesellschaft nur interessant fand,
solange das Unternehmen total fremd finanziert werden konnte.
7
Auch weitere
Überzeugungsversuche von Raule, wurden aus den gleichen Gründen abgelehnt.
8
Nachdem sein Traum von einer ostindischen Kompanie nicht in Erfüllung ging, brachte
Raule neue Optionen hervor. In einer Denkschrift mit dem Titel ,,Vorstellungen einer
neu aufzurichtenden guineischen Kompanie an Seiner Churfürstlichen [sic] Durchlaucht
zu Brandenburg Landen" bot er 1679 dem Kurfürsten an, auf eigene Kosten eine
Handelskompanie zu gründen und den Handel nach Guinea aufzunehmen. Auf dieses
Angebot ging der Kurfürst aber nicht ein. Für den Kurfürsten gab es nicht genügend
wagemutige Kaufleute in Brandenburg-Preußen, die bereit gewesen wären, solch ein
Abenteuer zu finanzieren.
9
Im Juli 1680 konnte Raule den Kurfürsten Friedrich Wilhelm endlich überzeugen.
Dieser genehmigte ihm eine Reise nach Guinea unter dem Schutz Brandenburg-
Preußens aber auf eigenes finanzielles Risiko.
10
Die Reise fand zwischen September
1680 und Anfang 1681 statt. An der Expedition waren zwei Fregatten beteiligt: die
,,Wappen von Brandenburg" unter dem Kommando von dem vom Kurfürsten Gesandten
Kapitän Joris Bartelsen und Raules Fregatte ,,Morian" unter dem Kommando von
Kapitän Philipp Pieterson Blonck. Den gesandten wurden angewiesen, den Handel an
5
Zu Leben und Wirkung Benjamin Raules in der preußischen Expansionsgeschichte, siehe Günter
Schmidt: Benjamin Raule. Ein Leben für Brandenburg, Bad Kleinen 2014.
6
Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) auch ,,Große Kurfürst" genannt, war Markgraf von
Brandenburg und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen. Er darf nicht
verwechselt werden mit seinem Enkel Friedrich Wilhelm I. (1688-1640), König von Preußen von 1713
bis 1740.
7
Vgl. Malte Stamm: Das koloniale Experiment. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im
transatlantischen Raum 1680-1718, Diss., Universität Düsseldorf, 2011, URL:
http://d-
nb.info/1036727564/34
, S. 98, [abgerufen am 01.03.2017].
8
Vgl. Heyden: Rote Adler, S. 11.
9
Vgl. ebd., S. 12.
10
Vgl. ebd., S. 14.

6
Guineas Küste möglichst lukrativ zu betreiben, aber die Plätze zu meiden, wo sich die
französischen, holländischen und englischen Handelsstützpunkte befanden. Notfalls
durften sie sich dennoch mit Waffengewalt verteidigen.
11
Als die ,Abenteurer` an der westafrikanischen Küste ankamen, unterzeichnete Kapitän
Blonck, einen Vertrag mit drei Chefs
12
von der Ortschaft Apany, worin Brandenburg-
Preußen sich verpflichtete innerhalb von acht bis zehn Monaten zurückzukehren und
eine Festung zu errichten. Im Gegenzug erklärten sich die Chefs bereit, dabei behilflich
zu sein und mit den Schiffen mit brandenburgischer Flagge Handel zu betreiben. Dieser
Vertrag war für Brandenburg-Preußen der Grundstein zur Niederlassung an der
westafrikanischen Küste. Der Kurfürst von Brandenburg bestätigte den Vertrag, ohne im
Geringsten zu zögern. Nach dieser ersten gelungenen Expedition stimmte Friedrich
Wilhelm endlich Raules Vorschlag von Mai 1681 zu, eine Handelskompanie zu gründen
und an der westafrikanischen Küste einen Handelsstützpunkt zu errichten. Die größten
Aktionäre dabei waren Raule mit einem finanziellen Beitrag in Höhe von 24.000
Reichstalern, der Kurfürst mit 8000 Reichstalern und private Unternehmer mit
insgesamt 6000 Reichstalern
13
. Zu seinem finanziellen Beitrag zur Gründung der
Kompanie versprach der Kurfürst die Bereitstellung der dazu nötigen Truppen auf den
Schiffen und auf der zu errichtenden Festung. Gehandelte Produkte an der Küste sollten
Gewürze, Pfeffer, Elfenbein, Gold und Sklaven sein. Die BAC wurde somit am 17.
März 1682 gegründet; die offizielle Gründung durch den Erlass einer juristischen
Grundlage wird aber mit dem 18. November 1682 datiert.
14
Die erste Expedition der BAC fand im Mai 1682 mit zwei Schiffen (dem ,,Morian" und
dem ,,Kurprinz von Brandenburg") statt. Den militärischen Oberbefehl übernahm Otto
Friedrich von der Gröben, ein nach einer achtjährigen Reise in Italien, Malta, Ägypten
und Palästina zurückgekehrter Adeliger. Der Kurfürst verlangte von ihm, den vom
11
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 111.
12
In manchen wissenschaftlichen Arbeiten wird der Begriff ,Häuptling` statt ,Chef` verwendet. Dieser
erster ist aber abwertend und kolonialideologisch geprägt. Aus diesem Grund verwende ich lieber ,Chef`
in dieser Arbeit. Zur rassistisch-verbundenen Bedeutung vom Wort ,Häuptling`, siehe die Arbeiten von
Susan Arndt: Afrikafantasien, Wörter und Wörterbücher. Tradierte Schauplätze von ,Rassen'theorien, in:
Ingo H. Warnke (Hrsg.): Deutsche Sprache und Kolonialismus. Aspekte der nationalen Kommunikation
1884-1919, Berlin/New York 2009 und dies.: Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische
Betrachtungen
der
deutschen
Afrikaterminologie,
in:
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische-diaspora/59407/afrikaterminologie?p=all,
[abgerufen am 15.06.2016].
13
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 117.
14
Vgl. ebd., S. 116.

7
Kapitän Blonck unterzeichneten Vertrag zu erneuern, was dieser auch tat, als er im
Januar 1683 an der westafrikanischen Küste eintraf. Am 5. Januar unterzeichnete er im
Namen des Kurfürsten von Brandenburg einen ,,Schutzvertrag" mit 14 Chefs. Die
Afrikaner verpflichteten sich dazu, die zu errichtende Festung zu schützen, Hilfe beim
Bau sowie weitere Dienste für den Kommandanten der Garnison zu leisten, Handel nur
mit brandenburgischen Schiffen bzw. Kaufleuten zu betreiben und das Ansiedeln von
Nichtbrandenburgern zu verhindern. Im Gegenzug wurde ihnen militärischer Schutz
gegenüber ihren Feinden ­ einheimischen wie fremden ­ gewährt
15
. Die Festung wurde
Anfang 1683 in der Nähe des Dorfes Poqueso mit dem Namen ,Großfriedrichsburg´ zu
Ehren des großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm eingeweiht.
16
Mit der Errichtung der
Festung beteiligte sich Preußen-Brandenburg auch am Sklavenhandel. Die an der
westafrikanischen Küste gekauften Sklaven wurden in der Karibik und in den
spanischen Kolonien in Mittelamerika verkauft.
Außer Großfriedrichsburg, dem wichtigsten Handelsstützpunkt besaß die BAC weitere
Festungen und Handelszonen an der afrikanischen Küste, nämlich an den Ortschaften
Accada, Taccarary (im heutigen Ghana) und Arguin (im heutigen Mauritanien). Es habe
auch wahrscheinlich weitere Handelsstützpunkte in Popo und in Ouidah (im heutigen
Benin) gegeben, so Stamm
17
Im Jahre 1688 verstarb der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und sein Sohn
Friedrich III./I. (1657-1713)
18
wurde zum Kurfürsten von Brandenburg. Friedrich I.
strukturierte die BAC um: die Etats der Marine und die der BAC, die bis dahin
zusammen verwaltet wurden, wurden ab Oktober 1688 voneinander getrennt; 1691
wurden die Strukturen der Kompanie reorganisiert und die Wirkungsgebiete ausgedehnt.
Dazu wurde die Gesellschaft ein Jahr später zum ,,Brandenburg-Afrikanisch-
Amerikanische-Companie" (BAAC) umbenannt.
19
Aufgrund der Korruption und der
Untreue der Mitarbeiter und aus Mangel an Investoren wurde die Kompanie immer
weniger rentabel, sodass der König und Kurfürst Friedrich Wilhelm I., der Nachfolger
von Friedrich I., nachdem dieser 1713 verstarb, sich 1717 entschied, der holländischen
15
Vgl. Heyden: Rote Adler, S. 28.
16
Vgl. ebd., S. 8.
17
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 186.
18
Friedrich III. von Brandenburg wurde 1701 als Friedrich I. zum ersten König von Preußen gekrönt. In
der vorliegenden Arbeit wird von nun an Friedrich I. verwendet.
19
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 132. In dieser Arbeit wird von nun an die BAAC für diese
Gesellschaft verwendet, auch für die Zeit, wo sie noch BAC hieß.

8
Handelsgesellschaft ,West Indien Company´ die BAAC mit den gesamten
brandenburgischen Festungen im Übersee über 7200 Dukaten zu verkaufen.
20
Ab 1713 kontrollierte der afrikanische Makler und wahrscheinlich auch Chef Jan
Conny
21
die Festung Großfriedrichsburg. Über seine Persönlichkeit und die Umstände
unter denen er zur Macht erlangte, gibt es Unklarheiten, aber viele wissenschaftliche
Arbeiten übereinstimmen damit, dass er in der Spätphase der brandenburgisch-
preußischen Überseegeschichte zum mächtigsten Mann an der Festung
Großfriedrichsburg wurde
22
. Dies brachte ihm sogar Prädikate wie zum Beispiel
,,schwarzer Preuße", ,,preußischer Negerfürst" oder ,,deutscher Negerkönig" ein.
23
Als
die Niederländer 1720 mit dem Kaufvertrag die Festung besetzen wollten, weigerte sich
Jan Conny, die Festung zu verlassen, leistete Widerstand und konnte sie somit
zurückdrängen. Nach mehreren Versuchen konnten die Niederländer 1724 über Jan
Conny siegen. Laut dem Gedicht Die Preußenflagge von Großfriedrichsburg von dem
Dichter und Militärschriftsteller Fedor von Köppen, sei er ,,unter Mitnahme der
brandenburgischen Flagge im Urwald untergetaucht ­ ein Treuebeweis eines
Eingeborenen, der ein interessantes Licht auf die Art wirft, wie die Deutsche [sic] schon
vor Jahrhunderten zu kolonisieren verstanden".
24
Bis heute ist Großfriedrichsburg und die Geschichte der BAC ein fester Bestandteil der
Erinnerungskultur in Ghana und insbesondere in der heutigen Stadt Prince's Town. Die
Überreste der Festung wurden im Jahr 1979 restauriert und sie ist bis heute UNESCO
Weltkulturerbe.
20
Stamm (Das Koloniale Experiment, S.156) berichtet über 8.000 Dukaten während Heyden (Rote Adler,
S. 80) von insgesamt 7200 Dukaten mit zuzüglich 12 Sklaven spricht.
21
Auch John Conny, Johann Cunny, Jan Conny, Jean Cunny, Jan Conny, Jan Kuny geschrieben und
ausgesprochen (Vgl. Heyden: Rote Adler S.83). Jan Conny ist ein Spitzname. Sein richtiger ­
afrikanischer ­ Name ist ,,Kone Kple" und er wurde von den Holländern ,,Dikke Jan" (der dicke Jan)
genannt (Vgl. Pierluigi Valsecchi: Power and state formation in West Africa. Appolonia from the sixteenth
to the eighteenth century, New York 2011, S. 141).
22
Über die Daten und die Geschichte über Jan Conny sind sich die Aussagen nicht einig. Während es in
wissenschaftlichen Arbeiten versucht wird, eine glaubwürdige Biographie von ihm zu schreiben (z.B.
Heyden: Rote Adler, S. 83-85), wird er in der Literatur Märchenhaft dargestellt (z.B. Streurich: Johann
Kuny); bei meiner Besichtigung der Festung Großfriedrichsburg am 6. Oktober 2015 erzählte Mr. Joh, der
Führer der Festung eher von einem afrikanischen König, der die Festung von den Brandenburgern gekauft
hätte, sich vor holländischen Angriffen verteidigt hätte und nach seiner Niederlage von den Holländern
nach Indien deportiert worden wäre.
23
Vgl. Heyden: Rote Adler, S. 83.
24
Zitiert nach ebd., S. 87f.

9
III-
Brandenburg-Preußen in Westafrika: eine Kolonisation?
1.
(F
ORSCHUNGS
-)M
EINUNGEN ZUR
S
TELLUNG DER BRANDENBURGISCH
-
PREUßISCHEN
E
XPANSION ALS
K
OLONISATION UND
G
ROßFRIEDRICHS-
BURG ALS
K
OLONIE
Die Erfahrung Brandenburg-Preußens mit dem Handelsstützpunkt Großfriedrichsburg
wurde sowohl im Kaiserreich, als auch im Nationalsozialismus als erste deutsche
Kolonialerfahrung betrachtet. Allerdings
erhielt das Projekt in dieser Zeit die größte
Beachtung eher aus einer unkritischen Perspektive. Sie wurde als koloniale Tradition
betrachtet, worauf man voller Stolz verweisen konnte.
25
Der Historiker Peter Feddersen
Stuhr stellte Brandenburg-Preußen als Kolonialmacht dar und seine überseeische
Handelsgeschichte als koloniales Experiment. Er lobte die Ambitionen des Kurfürsten
Friedrich Wilhelm von Brandenburg.
26
Ähnliches machte der Kulturhistoriker und
Schriftsteller Edward Heyck in seinem Aufsatz von 1887.
27
Er legte darin nahe, dass der
Kurfürst schon vor Raules Vorschlag koloniale Bestrebungen hatte. Eine ähnliche
Meinung vertrat auch Richard Schück, der diese Geschichte auch für Kolonialpolitik
hielt
28
.
Neuere Forschungen zu diesem Thema beziehen sich eher kritisch auf diese
Expansionsgeschichte; jedoch stimmen die meisten von ihnen mit alten, eher
unkritischen Arbeiten in dem Punkt überein, dass es eine Kolonisation war und halten
die brandenburgisch-preußischen Festungen für Kolonien. In seinem Artikel Das
Kolonialexperiment des Großen Kurfürsten in der Geschichtsschreibung des 19. und 20.
Jahrhunderts
29
befasste sich Klaus Jürgen Matz kritisch mit den wichtigsten Texten
über die preußische Überseegeschichte. Sein Urteil dazu lautete, diese ,,Kolonialzeit" in
der Geschichtsschreibung sei verkleidet worden. Ulrich Van der Heydens Rote Adler an
Afrikas Küste ist eine andere derartige Arbeit. Van der Heyden beurteilt, dass Friedrich
25
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 14.
26
Peter F. Stuhr: Die Geschichte der See- und Colonialmacht des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm
von Brandenburg in der Ostsee, auf der Küste von Guinea und auf der Insel Arguin und St. Thomas aus
archivalischen Quellen dargestellt, Berlin 1839.
27
Eduard Heyck: Brandenburgisch-Deutsche Kolonialpläne. Aus den Papieren des Markgrafen Hermann
von Baden-Baden, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 41 (1887), S. 129-200.
28
Richard Schück: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten und seinen
Nachfolgern (1647- 1721), Leipzig 1889.
29
Klaus J. Matz: Das Kolonialexperiment des Großen Kurfürsten in der Geschichtsschreibung des 19.
und 20. Jahrhunderts, in: Heinrich Gerd (Hrsg.): Ein sonderbares Licht in Teutschland. Beiträge zur
Geschichte des Großen Kurfürsten von Brandenburg 1640-1688, 1. Auflage, Berlin 1990, S. 191-202.

10
Wilhelms Vorgehensweise nicht mit der deutschen spätimperialistischen Kolonialpolitik
zu vergleichen sei. Er hält diese Geschichte jedoch für eine koloniale Erfahrung und
Großfriedrichsburg für eine Kolonie
30
. In seiner Dissertation Das Koloniale Experiment.
Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im transatlantischen Raum 1680-1718, stellt
auch Malte Stamm die preußische überseeische Geschichte grob als ,,koloniales
Experiment" dar
31
.
Diese Darstellungsweisen finden ihre Kritik in einer der neuesten Überlegungen zu
diesem Thema und zwar der von Roberto Zaugg. Sein Artikel Großfriedrichsburg, the
first German colony in Africa? stellt die Ausnahme dar, was die Beurteilung
Großfriedrichburgs als Kolonie anbelangt. Großfriedrichsburg als erste deutsche
Kolonie in Afrika zu betrachten ist laut Zaugg ,,anachronistisch"
32
. Denn das sei, ihm
zufolge, keine staatliche sondern eine private Initiative gewesen. Ohne den
Sklavenhandel und deren negative Folgen zu leugnen, verweist er auf die kooperative
Zusammenarbeit zwischen Brandenburgern und Afrikanern. Großfriedrichsburg sei
keine Kolonie gewesen, sondern ein Handelsstützpunkt, wo die wirtschaftliche
Zusammenarbeit zwischen Brandenburgern und Afrikanern ihre Basis gehabt habe
33
.
Dass die brandenburgisch-preußische Überseeexpansion in der frühen Neuzeit eine
Kolonisation und brandenburgische Festungen Kolonien waren, steht in den meisten
Arbeiten außer Frage. Zaugg ist der einzige, der erklärt, warum er Großfriedrichsburg
für keine Kolonie hält. Seiner Definition von Kolonien scheint die Vorstellung von im
,Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis` unterlegene kulturelle bzw. politische
Räume zugrunde zu liegen. Eine Differenzierung von ,Kolonien` und ,Kolonisation`
nimmt er in diesem Zusammenhang nicht vor.
Um die brandenburgisch-preußische Expansion an der westafrikanischen Küste in die
Expansionsgeschichte verorten zu können und die Form der Expansion zu differenzie-
ren, lohnt es sich, eine mögliche Definition von den Begriffen heranzuziehen.
30
Vgl. z.B. Heyden : Rote Adler, S. 81.
31
Vgl. Stamm : Das koloniale Experiment, S. 12-19.
32
Ebd., S. 8.
33
Vgl., ebd., S. 9.

11
2.
E
XKURS
:
B
EGRIFFSDEFINITIONEN
Was ist eine Kolonie? Was ist Kolonisation? Was ist Kolonialismus? Soll man
zwangsläufig an (offiziellen) Kolonien denken, wenn von Kolonialismus die Rede ist?
Um die Stellung der preußischen Expansion in Afrika in der frühen Neuzeit zu
definieren, ist die Beantwortung dieser Fragen wichtig.
Dank seiner grundlegenden Arbeiten in diesem Bereich gilt Jürgen Osterhammel als
einer der meistzitierten Wissenschaftler, wenn es um theoretische Fragen des
Kolonialismus geht. In seinem Werk Kolonialismus: Geschichte ­ Folgen - Formen
beschäftigt er sich mit der Frage nach der Definition des Kolonialismus und formuliert
Unterschiede zwischen Kolonie, Kolonialismus, Kolonisation. Diese unterschiedlichen
Definitionen helfen bei dem oft vermischten Gebrauch von diesen Begriffen.
Nach Osterhammels Definition ist eine ,Kolonie` ein gesellschaftspolitischer
Personenverband, wobei die Herrschaftsträger exklusive ,,,Besitz`-Ansprüche auf die
Kolonie erheb[en]"
34
Er unterscheidet zwischen drei Typen von Kolonien:
,Beherrschungskolonien` als Resultate militärischer Eroberungen, ,Siedlungskolonien`
als ein von anderen kolonisiertes Gebiet, in dem Siedler billiges Land und billige
Arbeitskraft nutzen und ,Stützpunktkolonien` als Gebiete die durch eine
,,Kanonenpolitik" erobert werden, wobei das Hinterland indirekt kommerziell
erschlossen wird.
35
,Kolonisation` sei ein Prozess der Landnahme und Aneignung von fremden
Territorien.
36
,Kolonialismus` sei ein Herrschaftsverhältnis, wobei der Kolonisierende von seiner
eigenen kulturellen Überlegenheit überzeugt sei.
37
Es gehe hierbei nicht um ein
beliebiges Verhältnis zwischen Herren und Knechten, sondern einer gesamten
Gesellschaft würde ihrer historischen Eigenentwicklung beraubt, fremdgesteuert und
auf die Bedürfnisse und Interessen der Kolonialherren hin manipuliert.
38
34
Vgl. Osterhammel: Kolonialismus, S. 16.
35
Vgl. ebd., S. 17-18.
36
Vgl. ebd., S. 8.
37
Vgl. ebd., S.19.
38
Vgl. Osterhammel: Kolonialismus, S.8-15.

12
Das Fundament aller drei Begriffe sei die ,Expansion`, das heißt die Ausdehnung der
Macht und Herrschaft über andere Territorien. Osterhammel unterscheidet zwischen
sechs Expansionsformen.
39
Die erste Form, die er formuliert, ist die ,,Totalmigration"
ganzer Völker. Es entstehen in diesem Fall keine Kolonien, da kein lenkendes
Expansionszentrum daraus zurückbleibe. Die zweite Form sei die massenhafte
,,Individualmigration": Hierbei emigrieren einzelne Menschen aus wirtschaftlichen
Gründen in ein anderes Land. Auch hier schafften die Emigranten keine Kolonien,
sondern sie würden in unterschiedlichen Weisen multiethnische Gesellschaften
eingegliedert; hierzu gehören auch Zwangsmigrationen. Die dritte Form sei die
,,Grenzkolonisation". Es gehe dabei um die extensive Erschließung von Land und
Arbeitskraft eines Gebiets für die menschliche Nutzung. Als vierte Form könne die
überseeische Siedlungskolonisation angesehen werden. Dies ist eine Sonderform der
Grenzkolonisation. Dabei würde Gegenwehr gewaltsam zurückgedrängt, soziale
Lebensräume von Siedlern und Einheimischen würden getrennt und die Rechte der
Siedler den der Einheimischen übergeordnet. Die Siedler seien von den Einheimischen
wirtschaftlich abhängig oder Arbeitskräfte würden von dort mobilisiert. Die fünfte Form
verkörperten die ,,reichsbildenden Eroberungskriege", wobei bestehende staatliche und
gesellschaftliche Institutionen untergeordnet würden. Es sei eine Kolonialherrschaft
ohne Koloniebildung. Die letzte Form bilde die ,,Stützpunktvernetzung". Es gehe hier
um die Sicherung einer Handelshegemonie. Ein Beispiel dafür dienen die militärisch
gestützten Handelsfaktoreien.
Im Folgenden werden mithilfe der oben definierten Begriffe die Machtverhältnisse an
den Niederlassungen der BAC in Westafrika in der frühen Neuzeit analysiert und die
Frage beantwortet, wie die Expansion der BAAC in Westafrika in der frühen Neuzeit
betrachtet werden sollte.
3.
B
RANDENBURG
-P
REUßEN IN
W
ESTAFRIKA
­
E
XPANSION WELCHER
A
RT
?
Als der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg endlich in den Eintritt
Brandenburg-Preußens in den Überseehandel einwilligte, verfolgte er damit bestimmte
Ziele. Vor allem war die Verbesserung der seit dem Dreißigjährigen Krieg schwach
39
Vgl. ebd.

13
gewordenen Marine und des Handels eine große Motivation. Er sagte darüber aus:
,,Seefahrt und Handlung sind die fürsnehmsten [sic] Säulen eines Estats [sic] (Staates ­
d. V), wodurch die Untertanen beides zu Wasser als auch durch die Manufakturen zu
Lande ihre Nahrung und Unterhalt erlangen"
40
. Unter diesem Satz lässt sich die
Tatsache verstehen, dass die Wirtschaft der Hauptgrund der preußischen Expansion in
Übersee war. Dies war aber nur ein nebensächlicher Grund. Juristisch gesehen, sah die
BAAC aus wie eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft. Von ihren inneren Strukturen her,
war sie aber eine nach privatrechtlichen Grundsätzen organisierte Aktiengesellschaft.
41
Jeder, der dazu bereit war, durfte in die BAAC investieren.
42
Mit dieser Vorgehensweise
wollte sich der Kurfürst einen Platz als großer Herrscher europaweit verschaffen. Das
staatlich finanzielle Risiko war gering, aber unter kurbrandenburgischer Flagge
unternommen, sollte die Expansion den Anschein erwecken, dass der Kurfürst der
Initiator dessen war. In seiner Masterarbeit kommt Torsten Maywald zu Recht zum
Schluss: ,,Aussicht auf eigene Geldmittel, das ,Dazugehören` wollen, sich durchsetzen
und die Mehrung seines eigenen Ruhms sowie Ansehens waren die Gründe für das
Kolonialabenteuer Friedrich Wilhelms."
43
Die Intentionen des Kurfürsten waren auch
mehr oder weniger kolonialistisch, obwohl dies zuerst keine staatliche Initiative war.
Die Inbesitznahme von Territorien in Übersee sollte aus dem überseeischen Handel
resultieren. Diese Idee betonte er 1684 wie folgt: ,,Der gewisseste Reichthumb [sic] und
das Aufnehmen eines Landes käme aus dem Commercium [sic] her [...]".
44
Die Machtverhältnisse zwischen den Mitarbeitern der BAAC sowie zwischen ihnen und
den Afrikanern an der Festung zeigen, dass es sich im Falle der brandenburgischen
Expansion in Westafrika um gleichberechtigte Beziehungen handelte. Der Schutzvertrag
verpflichtete die Einheimischen dazu,
,,beim Bau der Festung Hilfe zu leisten, mit keinen anderen Schiffen außer den
brandenburgischen Handel zu treiben und zu verhindern, dass sich andere
40
Zitiert nach Heyden: Rote Adler, S. 13.
41
Vgl. Stamm: Das Koloniale Experiment, S. 117.
42
Vgl. ebd., S. 391.
43
Torsten Maywald: Preußische Seefahrt. Intentionen und Hintergründe, Masterarbeit, Universität Zürich
2011,
URL :
http://www.ostfriesischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/BIBLIOTHEK/Dokumente/Maywald_Preus
sische_Seefahrt_1605-1772.pdf
, S. 36f. [abgerufen am 01.03.2017].
44
Torsten Maywald: Preußische Seefahrt. Intentionen und Hintergründe, Masterarbeit, Universität Zürich
2011,
URL :
http://www.ostfriesischelandschaft.de/fileadmin/user_upload/BIBLIOTHEK/Dokumente/Maywald_Preus
sische_Seefahrt_1605-1772.pdf
[abgerufen am 01.03.2017]

14
Handelskompanien in der Nähe niederlassen würden. Im Gegenzug wurden ihnen
militärischer Schutz gegenüber ihren Feinden, einheimischen wie fremden, gewährt."
45
Die Vertragsunterzeichnung fand ohne Proteste statt. Es ging also dabei um eine
wirtschaftliche ,Win-Win`-Situation; der Vertrag wurde von den Chefs ohne Druck
unterzeichnet. Es war kein Vertrag zur politischen Kontrolle. Es kam auch während der
ganzen brandenburgischen Zeit an der Küste sehr selten zu Aufständen; wenn doch,
dann meistens von Gemeinschaften oder kleinen Gruppen, die von den Holländern zur
Gewalt angestachelt worden wären.
46
Die Mitarbeiter der BAAC wurden auch kontrolliert, damit sie keine Ausschreitungen
begehen konnten. Ihnen wurde verboten, privaten Handel in Übersee zu tätigen.
47
Missbräuche wurden an der Festung von den BAAC-Behörden getadelt. Als 1686 der
Generaldirektor von Großfriedrichsburg Johann Brouw einen Afrikaner erschießen ließ,
weil dieser, der als Diener in der Küche angestellt war, vermutlich Kleider gestohlen
hätte, verursachte es Aufstände an der Küste bei Großfriedrichsburg. Brouw wurde
dafür von den BAAC-Behörden in Brandenburg-Preußen getadelt. Der Vorfall wurde
durch Entschuldigungen und Geldentschädigung von der BAAC an der einheimischen
Bevölkerung ausgelöst.
48
Stamm skizziert eine Maßnahme, die gegen derartige
Missbräuche ergriffen wurde folgendermaßen:
,,Ein Vertrag von 1712, den der Generaldirektor Dubois von Großfriedrichsburg mit
den Häuptlingen von Porquesoe geschlossen hatte, regelte die Strafe bei Vergehen, die
wahrscheinlich am häufigsten vorgekommen sein dürften, wobei es sich
interessanterweise überwiegend um Geldstrafen handelte. So war der Diebstahl eines
Schafs mit 2-4 Engels und Straßenraub mit bis zu 6 Engels geahndet, Mord aber nur
mit einer arbiträren Geldstrafe. Die Geldstrafe fiel zu gleichen Teilen an den
Generaldirektor, die Häuptlinge und die betroffene Gemeinde bzw. den Stamm."
49
Rassismus scheint auch kein Alltagsthema in der brandenburgischen Zeit in Westafrika
gewesen zu sein. Die afrikanischen Mitarbeiter an der Festung hatten keine sehr hohe
Stellung. Aber betrachtet man die Art und Weise, wie sie behandelt wurden, kann man
behaupten, dass sie nicht rassistisch diskriminiert wurden. Die Afrikaner im Personal
von Großfriedrichsburg konnten die gleichen Lohnvorteile genießen wie die Europäer.
50
45
Stamm: Das koloniale Experiment , S. 181.
46
Vgl. Heyden: Rote Adler, S. 64.
47
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 118.
48
Vgl. Zaugg: Grossfriedrichsburg, S. 9-11.
49
Stamm: Das koloniale Experiment, S. 188.
50
Vgl. Zaugg: Grossfriedrichsburg, S. 7.

15
Es gab auch intime Beziehungen zwischen weißen Männern und schwarzen Frauen,
woraus eine nennenswerte Zahl an Kindern entstand.
51
Der Handel zwischen Einheimischen und Brandenburgern war frei. Die Brandenburger
hatten keinen Zugang zu Bodenschätzen. Ein niederländischer Beamter berichtete: ,,Als
ich im Jahre 1694 die Brandenburger besuchte, klagten sie darüber, dass sie mitunter
monatlich keine Zwei Mark Goldes einnahmen. In unseren Niederlassungen war es
damals ebenso, der Handel war an allen Plätzen gleich Null."
52
Die Situation in Großfriedrichsburg und den anderen brandenburgischen Festungen an
der westafrikanischen Küste entspricht der in keiner der drei von Osterhammel
erwähnten Typen von Kolonien vollständig. Sie waren keine Beherrschungskolonien,
weil die Präsenz der Brandenburger an der Küste nicht nach einer militärischen
Eroberung erfolgte, sondern sie fand nach Verhandlungen statt. Sie waren auch keine
Siedlungskolonien: auch wenn die Afrikaner auf der Festung gedient hatten, war es
zuerst eine Arbeit, durch die sie Geld verdienten. Das Land für den Bau der Festungen
wurde gegen eine langzeitige Dienstleistung (Schutz gegen feinde Gemeinschaften)
erworben, was in einer Epoche, wo viele afrikanische Gemeinschaften ständig in
Konflikt geraten konnten, keine billige Aufgabe war. Die Festungen der BAAC an der
westafrikanischen Küste könnten theoretisch als Stützpunktkolonien betrachtet werden,
weil Handelsstützpunkte gebaut wurden und Schiffe davor standen. Die kommerzielle
Erschließung war aber sehr eingeschränkt und Brandenburger hatten keinen Zugriff auf
das Hinterland. Die kommerziellen Beziehungen hingen hauptsächlich von den
Afrikanern ab. Diese konnten nur so viel Tauschwaren liefern, wie sie hatten und die
Brandenburger kauften nur, was ihnen zur Verfügung gestellt wurde; sie konnten nicht
mehr verlangen.
Im Hinblick auf diese Situation und die Machtverhältnisse vor Ort kann man Zauggs
These zustimmen, dass Großfriedrichsburg und die anderen brandenburgischen
Handelsstützpunkte keine Kolonien waren und bis zum Abgang der BAAC keine
Kolonien wurden. Dieses Unternehmen an der westafrikanischen Küste ist allerdings als
Kolonisation zu betrachten. Kolonisation ist ein Prozess der Landnahme und Aneignung
von fremden Territorien und der Einsatz der BAAC in Westafrika hätte zur Landnahme
51
Vgl. Stamm: Das koloniale Experiment, S. 191.
52
Zitiert nach Heyden: Rote Adler, S. 64.

16
führen können, wenn sie nicht abgebrochen worden wäre. Zum Verständnis ist auch
wichtig, das Zitat des Kurfürsten zu erwähnen, wenn er erklärte: ,,Der gewisseste
Reichthumb [sic] und das Aufnehmen eines Landes käme aus dem Commercium her".
53
Man müsste also den Handel schützen. Es geht hier prinzipiell um den Überseehandel.
Das macht nämlich Friedrich Wilhelm mit der Errichtung der Festungen. Daher sind
seine Bestrebungen mit dem späteren deutschen Kolonialverfahren im Kaiserreich zu
vergleichen. Schück verglich beide Politiken bereits im Jahr 1887 ­ als die deutsche
Kolonialpolitik in den Anfängen war ­ indem er schrieb:
,,Wie bei der heutigen Kolonialpolitik handelt es sich für den großen Kurfürst nicht um
den Erwerb von Ländern als Selbstzweck [...]. Wie die neuen deutschen Schutzgebiete
in erster Linie nicht bestimmt sind, für deutsche als Auswanderungsgebiete zu dienen,
so fasste auch der große Kurfürst nur Handelskolonien ins Auge, Stützpunkte, von wo
aus mit den Eingeborenen Tauschhandel getrieben werden sollte."
54
Seine Idee vom ,Handel` und von der ,Seefahrt` waren der Anfang des
Schutzgebietsprinzips. Im Gegensatz zu den anderen Kolonialmächten wurde in der
Kolonialzeit bei den deutschen Herrschaftsgebieten im Übersee (1884-1914) meistens
von ,Schutzgebieten` gesprochen. Dies gibt zu verstehen, dass der Staat nur zum Schutz
des Handels in diesen Gebieten herrschte. Diese Rechtfertigung des Kolonialprozesses
mit dem Schutz des Handels wurde auch ab 1884 von Bismarck angewendet, der
behauptete: ,,Dem Handel folgt die Flagge".
55
Aber doch wurden diese vermeintlich
,Schutzgebiete` zu Kolonien, wo Brutalität über einheimische Bevölkerungen ausgeübt
wurden. Daher ist der Eintritt Brandenburg-Preußens in den Überseehandel nicht als
reine Handelsbeziehung zu betrachten, sondern als der Anfang eines Prozesses.
Die preußische Expansion in Westafrika in der frühen Neuzeit entspricht auch keiner der
sieben von Osterhammel erwähnten Formen von Expansion vollständig. Es geht hier um
eine Sonderform der Stützpunktkolonisation, eine Kolonialexpansion ­ von den
Motivationen, der Errichtung von Festungen, der militärischen Präsens und von den
Folgen her, die daraus hätten resultieren können ­ dennoch ohne kolonialen Strukturen:
eine Kolonisation ohne Kolonien. Der Handel an der westafrikanischen Küste und die
Errichtung der Festungen waren ein Prozess, der zur Landnahme hätte führen können,
wenn die Gesellschaft nicht verkauft worden wäre. Dass der Kurfürst die BAAC als
53
Maywald : Preußische Seefahrt, S. 35.
54
Schück: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik, Band 1, S. XI.
55
Zitiert nach Adjaï P. Oloukpona-Yinnon: ,,... notre place au soleil" ou l'Afrique des pangermanistes,
1878-1918, Paris 1985, S. 36.

17
brandenburgische ,Besitz` an der westafrikanischen Küste verkaufte, ist ein Beweis, dass
er diese als sein Eigentum betrachtete. Es war ein Kolonialprojekt, der aus Mangel an
Willen seines Enkels nicht verwirklicht werden konnte, ein Prozess zur Landnahme, der
in seiner Zeit keine konkreten Formen einnehmen konnte: eine Kolonisation ohne
Kolonien.
IV-
Schluss
Nach langem Zögern ließ der Kurfürst Friedrich Wilhelm endlich Brandenburg-Preußen
im Jahre 1681 ins überseeische Abenteuer stürzen. Der Bahnbrecher der preußischen
Überseepolitik war der kühne Kaufmann und Reeder Benjamin Raule, der den
Kurfürsten überzeugen konnte, ihn bei seiner Reise nach Afrika den staatlichen Schutz
zu gewährleisten. Mit der Unterzeichnung eines Schutzvertrags mit drei Chefs in Afrika
schaffte diese Expedition die Voraussetzung einer preußischen Niederlassung an der
westafrikanischen Küste. Dazu wurde die BAAC gegründet. Die erste Expedition der
BAAC nach Afrika wurde vom Hauptmann Otto Friedrich von der Gröben geführt.
Dieser bekam von dem Kurfürsten den Befehl, einen Handelsstützpunkt an der
afrikanischen Küste zu errichten. Die Festung hieß Großfriedrichsburg und wurde von
weiteren Festungen an der westafrikanischen Küste gefolgt.
In der vorliegenden Arbeit wurde gezeigt, dass die brandenburgisch-preußische Präsenz
in Westafrika eine ,,Kolonisation ohne Kolonien" war. Die Herrschaftsverhältnisse an
den Festungen der BAAC weisen darauf hin, dass es nicht um Kolonien ging. Die
gesellschaftlichen Strukturen wurden nicht umgestaltet, nur die Einheimischen hatten
Zugriff auf Bodenschätze und durften Waren tauschen, nur so viel sie hatten und
wollten. Daher behauptet Zaugg zu Recht, dass es falsch ist, Großfriedrichsburg als
Kolonie zu betrachten. Aber dass es sich nicht um Kolonien in diesem Fall ging, heißt
nicht, dass es keine Kolonisation gab. Es gibt nämlich Kolonien ohne Kolonisation und
umgekehrt. Die preußische Expansion in Westafrika war eine Kolonisation ohne
Kolonien. Kolonisation ist ein Prozess und das Ziel, Kolonien zu erwerben, wollte der
Kurfürst von Brandenburg langfristig erreichen. Der Prozess wurde abgebrochen und
dieser Traum konnte von seinen Nachfolgern nicht verwirklicht werden.

18
Später, am Anfang des deutschen Spätkolonialismus, wurde diese Zeit erwähnt und der
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg wurde gelobt, das erste deutsche
Kolonialprojekt in Afrika angefangen zu haben. Ob der deutsche Kolonialismus in
Westafrika und zwar in Togo zwischen 1884-1914 eine Folge dieses Prozesses ist, ist ein
anderer Punkt, den es zu bedenken gilt.

19
Quellen- und Literaturverzeichnis
Arndt, Susan: ,,Afrikafantasien, Wörter und Wörterbücher. Tradierte Schauplätze von
,Rassen'theorien", in: Warnke, Ingo H. (Hrsg.): Deutsche Sprache und Kolonialismus.
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Oettinger, Paul (Hrsg.): Unter kurbrandenburgischer Flagge. Deutsche Kolonialerfah-
rungen vor zweihundert Jahren. Nach dem
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Oloukpona-Yinnon, Adjaï P.: ,,... notre place au soleil" ou l'Afrique des pangermnistes,
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Osterhammel, Jürgen : Kolonialismus. Geschichte-Folgen-Formen, München 1995.

20
Schmidt, Günter: Benjamin Raule. Ein Leben für Brandenburg, Bad Kleinen 2014.
Schück, Richard: Brandenburg-Preußens Kolonialpolitik unter dem Großen Kurfürsten
und seinen Nachfolgern (1647-1721), Band 1 und Band 2, Leipzig 1889.
Stamm, Malte : Das koloniale Experiment. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens
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http://d-nb.info/1036727564/34
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Steurisch, Emil: Johann Kuny, der erste brandenburgisch-preußische Negerfürst. Eine
Erzählung aus den Kolonien des Großen Kurfürsten, München 1900.
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[abgeru-
fen am 15.02.2017].
Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Großfriedrichsburg und die Kolonisation ohne Kolonie
Untertitel
Eine Untersuchung des kolonialen Charakters der brandenburgisch-preußischen Überseegeschichte in Westafrika in der frühen Neuzeit (1681-1717)
Hochschule
Universität Siegen  (Internationale Kulturhistorische Studien)
Veranstaltung
Europäische Expansion im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Note
1.7
Autor
Jahr
2017
Seiten
20
Katalognummer
V385943
ISBN (eBook)
9783668613478
ISBN (Buch)
9783668613485
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Großfriedrichsburg, Rote Adler an Afrikas Küste, Kolonisation, Kolonialismus, Kolonie, Expansion, Brandenburg-Preußen, Imperialismus, Westafrika, Deutschland
Arbeit zitieren
Mèhèza Kalibani (Autor:in), 2017, Großfriedrichsburg und die Kolonisation ohne Kolonie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385943

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