Das "Herzmäre" von Konrad von Würzburg im Kontext des "Tristan" von Gottfried von Straßburg


Hausarbeit, 2016

16 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Vorwort
1.1 Thema und Intention „Herzmäre“
1.2 Thema und Intention „Tristan“

2. Hauptteil
2.1 Unterschiedliche Gattungen
2.1 Hören von Liebesgeschichten
2.2 Religiöse Dimension im „Tristan“ vs. im „Herzmäre“
2.3 Der Ehemann im „Herzmäre“ vs. Marke im „Tristan“
2.4 „herze“ - Leitwort im „Herzmäre“, neue Fassung der Gottfriedschen Verse?
2.5 Epilog „Herzmäre“ vs. Minnebußpredigt „Tristan“
2.6 Schlussvers im „Herzmäre“ - Gottfriedsche Wendung?

3. Fazit

Literaturverzeichnis:

1. Vorwort

Diese Hausarbeit analysiert den Vergleich von dem „Herzmäre“ Konrads von Würzburg und dem „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg.

Die Themenwahl resultiert daher, dass in dem „Herzmäre“ eine deutliche Umgestaltung der typischen Minne der Märendichtung zu finden ist. Diese Umdeutung kann auf den „Tristan- Stoff“ beruhen, was daher einen genaueren Blick lohnend macht. Es wird ein neues Thema der unbedingten Liebe entworfen, welches Konrad von Würzburg stark von anderen Autoren seiner Zeit differenziert1.

Aus diesem Grund bin ich zu der Fragestellung gekommen: „Wie wird der „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg im „Herzmäre“ Konrads von Würzburg rezipiert?“

Es sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Mären herausgearbeitet werden, welche zeigen, ob Gottfried von Straßburg ein stilistisches Vorbild für Konrad von Würzburg war2. Zudem werden verschiedene Textstellen mit einander verglichen und interpretiert. Zuvor aber noch einige Bemerkungen zum Thema und Intention der beiden Mären.

1.1 Thema und Intention „Herzmäre“

Das „Herzmäre“ handelt von einem Ritter und einer edlen Dame die in inniger Liebe miteinander verbunden waren. In den 28 einleitenden Versen stellt Konrad von Würzburg sein Thema und seine Intention dar. Das Märe soll von vollkommender und unverletzter Liebe handeln von ganzer liebe seit (V.7). Sie soll zur Belehrung und inneren Stärkung für ein ganz bestimmtes Publikum, als exemplarische Geschichte für Liebende dienen (an disem mære schouwen V. 6). Dafür werden zwei Gründe genannt. Die Reine Liebe ist auf dieser Welt selten geworden und so erhofft sich Konrad durch seine Märe ein Vorbild für reine Liebe darzustellen.

Ich prüeve in mîme sinne Daz lûterlîchiu minne Der werlte ist worden wilde. (Herzmäre V.1-3) Zudem beruft er sich auf die Weisheit, dass das Anhören von Liebesgeschichten die eigene Fähigkeit der Liebenden steigert.

swer ûf der wâren minne trit will eben setzen sînen fuoz, daz er benamen hœren muoz sagen unde singen von herzeclichen dingen, diu ê wâren den geschehen die sich dâ hæten undersehen mit minneclichen ougen. (Herzmäre V. 10-17)

Diese Wahrheit lässt er durch die Autorität von Gottfried von Straßburg unterstreichen.

des bringet uns gewisheit von Strâzburc meister Gotfrit. (Herzmäre V.9-10) Sein Werk steht demnach im Dienste der Liebe und die Erfüllung seiner Absichten ist ausdrücklich davon abhängig, wie er das Märe gestaltet3.

Dar umbe will ich flîzec wesen daz ich diz schœne mære mit rede alsô bewære daz man dar ane kiese müge ein bild das der minne tüge, diu lûter unde reine sol sîn vor allem meine. (Herzmäre V. 22-28)

Mit der Aussage diz schœne mære weist Konrad auf eine vorgegebene Geschichte hin, die er in angemessener Weise gestaltet hat. Zudem beruft er sich auf seine Eigenleistung auf die es ankommt in der Redewendung mit rede alsô bewære, denn durch die Art der vorgetragenen Worte kann sein Märe erst als wahr erkennbar werden. Dies zeigt nun, dass der Prolog nicht nur eine konventionelle und funktionslose Rolle spielt, sondern eine innere Beziehung zu der eigentlichen nachfolgenden Geschichte besitzt.

1.2 Thema und Intention „Tristan“

In dem „Tristan“ handelt es sich um eine unendliche Liebe zwischen Tristan und Isolde. Auch in den 244 Versen des „Tristan“-Prolog Gottfrieds von Straßburg, wird seine Intention verdeutlicht. Auch er betont die Wirkung von Liebeserzählungen auf sein Publikum. Seine Geschichte soll zur Besänftigung für Liebesschmerzen dienen und von edelen senedæren (V. 126) berichten.

wan swer des iht vor ougen hât,dâ mite der muot z'unmuoze gât, daz entsorget sorgehaften muot,daz ist ze herzesorgen guot. (Tristan V. 77-80)

ein senelîchez mære daz trîbe ein senedære mit herzen und mit munde und senfte sô die stunde. (Tristan V. 96-100)

ich wil in wol bemæren von edelen senedæren, die reiner sene wol tâten schîn. (Tristan V. 125-127) Gottfried spielt auf das topische Argument an, dass seine Liebesgeschichte die Qual sehnsüchtig Liebender nur noch vermehrt. Er setzt die These dagegen, dass das richtige Verständnis seines Märes diejenigen, die sich genauso der Minne wie Tristan und Isolde verschrieben haben, zu ihrer wahren Identität bringt4.

Konrad zitiert in seinem Prolog diese Gottfried-These und steigert so seinen Anspruch der literarischen Verbindlichkeit seines Märes. Der „Tristan“ bietet sich für Konrad als Bezugspunkt an, da sie beide das Thema von der Minne als lebensbestimmende Macht umfassen. Der Weg, auf dem die Identitätsfindung der unbedingten Liebe stattfinden soll, ist jedoch im Herzmäre ein anderer als im Tristan. Konrad möchte mit seinem Mären ein bilde kiesen (V.25/26) der lûterlîchiu minne (V.2). Das Märe soll wie schon heraus gearbeitet als ein Vorbild für sein Publikum dienen.

2. Hauptteil

2.1 Unterschiedliche Gattungen

Es muss beachtet werden, dass die beiden Werke nicht direkt vergleichend nebeneinander gestellt werden dürfen und dass der „Tristan“ nicht zum Wertmaßstab für den künstlerischen Rang des „Herzmäre“ erhoben werden darf.

Das „Herzmäre“ gehört der Gattung einer epischen Kleinform an, ist ein Grundtyp der höfisch-gelanten Märe und kann den elften Themenkreis der treuen Minne zugeordnet werden5. Es besteht nur aus knapp 600 Versen.

Konrad bringt mit seinem Märe ein ganz neues, bis dahin noch nicht erörtertes Thema in die höfische Dichtung der Kurzerzählung ein, das der unbedingten Liebe. Sein Schema passt nicht in die Ordo-Exempel der Stricker-Tradition weder in die erotischen Divertimenti der Fabliau. Grade im Vergleich mit der Stricker-Tradition wird die Differenz deutlich: Die Beteuerung unbedingter Liebe durch den Mann wird nicht nur als selbstzerstörerisch und todbringende Torheit vorgeführt, sondern es zeigt den Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung. In der Fabliau erscheint die unbedingte Liebe als unbeherrschbare Sexualität, die jeden Ordnungsverstoß legimitiert. Konrad hingegen ist für den emphatischen Akzent auf der realisierten Erfüllung der Liebe im Tod das erste Zeugnis. In den anderen Fassungen basiert der Sinn auf der Rache des Ehemanns, der den Liebhaber töten lässt. Konrads Umdeutung in dieser Form muss also auf eine andere Art entstanden sein.

Konrad experimentiert in den Kurzerzählungen am Rande und jenseits des traditionellen Gattungsspektrums. „Sind Konrads „Mären“ also keine Mären?“

Nach der Definition Fischers schon: in paarweise gereimten Viertaktern versifizierte, selbstständige und eigenzweckliche Erzählungen mittleren Umfangs.

Im Folgenden wird aus diesen Unklarheiten der Vergleich mit dem „Tristan“ Roman Gottfrieds von Straßburg herangezogen um dort Antwort auf Konrads Umdeutung zu finden6.

„Tristan“ ist ein umfangreicher Roman mit zahlreichen Exkursen und umfasst ca. 20000 Verse. Ein Roman ist eine literarische Gattung der erzählenden Prosa. Sie handeln typischerweise vom fiktionalen Schicksal einer Person, welches ausschweifend geschildert wird. Der Roman stellt im Gegensatz zum Märe eine bekannte, namentlich benannte Person in den Mittelpunkt des Geschehens. Im Weiteren wird noch genauer auf die Typisierung von Personen in Mären eingegangen.

Zudem sind die verschiedenen Entstehungszeiten, „Tristan“ 1210 und das „Herzmäre“ in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu berücksichtigen. Auf die gewandelten gesellschaftlichen Grundlagen und damit zusammenhängend das andersartige Publikum sollte geachtet werde.

Wenn man die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Werke kenntlich machen möchte, müssen die Feststellungen in Relation zu der jeweiligen Gattung gebracht werden.

2.1 Hören von Liebesgeschichten

Im „Herzmäre“ ist alles Konkrete, alles Einmalige bewusst getilgt, die Personen sind alle typisiert und damit zu exemplarischen Figuren geworden, es geht um einen ritter unde ein frouwe gout (V.29). Die totale Typisierung der Personen entspricht der Minnekonzeption, an der sich Konrad von Würzburg bei der Bearbeitung seines Stoffes orientiert7. Im Gegensatz zu der Ehebruchsminne zwischen Tristan und Isolde, auf die der Prolog durch den Bezug auf Gottfried von Straßburg anspielt, handelt es sich hier um die hohe Minne8. Denn die Minne als Macht hat die beiden Liebenden gleichermaßen erfasst9. Im „Herzmäre“ ist eine Minimalkonstellation des „klassischen Dreieck“ erkennbar, unter Verzicht auf Namen, Ort und situative Details, Vorgeschichten oder Nebenhandlungen sowie unter Konzentration auf das spektakuläre Moment des gegessenen und des gebrochenen Herzens der Damen10.

Wie schon herausgestellt, beruft sich Konrad im Prolog zum „Herzmäre“ auf Gottfried von Straßburg (V. 9). An einer Stelle des „Tristan“ ist der Gedanke, dass das Hören von Liebesgeschichten für Liebenden von Nutzen sei, in erzählte Wirklichkeit umgesetzt11. Tristan und Isolde erzählen sich in der Waldeinsamkeit Geschichten über andere Liebende.

da sazen si zein ander an diu getriuwen senedære und triben ir senemære von den, die vor ir jaren von sene verdorben waren. (Tristan V. 17182-17186)

Tristan und Isolde nehmen in dem Roman sogar bis zur Identifizierung an den ins Gedächtnis gerufenen Personen Anteil:

si beredeten unde besageten si betrureten unde beclageten. (Tristan V. 17187/17188) Die Geschichten die Tristan und Isolde betrachten, sind tragisch endende Geschichten, was eine weitere Übereinstimmung zwischen Konrad und Gottfried darstellt. Das Abbild vollkommender Liebe kann nach ihren Auffassungen nur eine Geschichte mit tragischen Ausgang sein, da sich die Liebe erst in Schmerz und Tod wirklich bewährt.

Die Unterhaltung der Beiden in der Waldeinsamkeit ist ihrerseits als Exemplifizierung von Gedanken zu sehen, die Gottfried schon in seinem Prolog vorträgt: der edle senedare der minnet senediu mære. (Tristan V. 121/122) Gottfried begründet die Affinität von Tristan und Isolde zu derartigen Geschichten durch das Wesen der Liebe, nämlich durch die Polarität von liep und leit, die in den beiden Liebenden dauernd gegenwärtig ist. Gottfrieds Liebesgeschichte, vermag die schmerzliche Sehnsucht der Beiden zu erregen und zu besänftigen (V.77 ff.)12.

2.2 Religiöse Dimension im „Tristan“ vs. im „Herzmäre“

Zudem erhebt Gottfried sein Märe in eine religiöse Dimension, indem er Bergriffe aus dem Sprachbereich der Eucharistie benutzt und auf die Gemeinde der edlen herzen anwendet: wan swa man noch hœret lesen ir triuwe, ir triuwen reinekeit, ir herzeliep, ir herzeleit, deist aller edlen herzen brot. (Tristan V. 230-233)

Diese religiöse Dimension lässt sich im Prolog bei Konrad im „Herzmäre“ nicht wieder finden. Am Ende des Prologs im „Tristan“ wird diese religiöse Dimension außerdem wiederholt deutlich:

sus lebet ir leben, sus lebet ir tot. sus lebet si noch und sint doch tot und ist ir der lebenden brot. (Tristan V. 238-240)

[...]


1 K. Grubmüller 2006, S.154-155.

2 K. Grubmüller 1996, S. 1128.

3 U. Schulze 1971, S. 462.

4 K. Grubmüller 1988, S. 98.

5 Typisierung nach Hanns Fischer; K. Grubmüller 1988, S. 89-90.

6 K. Grubmüller, 2006, S. 154-156.

7 Orientierte sich an moralischen Erzählungen des 13./14. Jahrhunderts, an Mären novellistischer Prägung, wie an schwankhaften. U. Schulze 1971, S.460.

8 Die Minne im „Herzmäre“ besitzt nicht mehr die begriffliche Komplexität der höfischen Zeit und entspricht nicht ganz der Bedeutung im Minnesang und der in Gottfrieds „Tristan“. Aus diesem Grund kann der Ausdruck der hohen Minne nicht mit dem literaturgeschichtlichen eingebürgerten Begriff „hohe Minne“ identisch sein. Die „hohe Minne“ als ein geistiges Streben nach Vervollkommnung besitzt das Adjektiv „hoch“ für die begriffliche Erfassung der Minnedichtung eine distinktive Funktion. Diese Funktion hat die Wendung der Minne im „Herzmäre“ nicht. Konrad benutzt den Begriff lediglich zur auszeichnenden Hervorhebung: stark, groß. Nach dieser Ausführung, muss die Aussage über das „Herzmäre“, als Exempel der „hohen Minne“ kritisch gesehen werden. U. Schulze 1971, S. 481.

9 K. Grubmüller 1988, S.98.

10 M. Braun 2007, S. 185.

11 Diese These wird in beiden Mären im Prolog der Autoren aufgestellt. U. Schulze 1971, S. 462. 7

12 U. Schulze 1971, S. 470-472.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das "Herzmäre" von Konrad von Würzburg im Kontext des "Tristan" von Gottfried von Straßburg
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V386275
ISBN (eBook)
9783668607200
ISBN (Buch)
9783668607217
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
herzmäre, konrads, würzburg, kontext, gottfrieds, straßburgs, tristan
Arbeit zitieren
Ronja Bastian (Autor:in), 2016, Das "Herzmäre" von Konrad von Würzburg im Kontext des "Tristan" von Gottfried von Straßburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/386275

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