Kommunikationsfähigkeit fördern. Das Reklamationsgespräch im Einzelhandel


Bachelorarbeit, 2017

67 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

1 Problemstellung und Motivation

2 Theoretische Grundlagen zum Reklamationsgespräch

2.1 Die Wahrnehmung einer Kundenreklamation als Chance

2.1.1 Rechtliche Ansprüche bei Mangelhaftigkeit einer Ware

2.1.2 Die Garantie als Erweiterung der Gewährleistungsrechte

2.1.3 Orientierung des Verhaltens an Kundentypen

2.1.4 Wünschenswerte Verhaltensweisen bei der Durchführung einer Reklamation

2.1.5 Checkliste für das Reklamationsgespräch

2.1.6 Kompetenzorientierte Einordung der Fähigkeiten von Einzelhandelskaufleuten

2.2 Eingrenzung der Möglichkeiten von handlungsorientiertem Unterricht

2.2.1 Die Fallstudie

2.2.2 Das Rollenspiel

2.2.3 Das Partnerpuzzle

2.2.4 Die Leittextmethode

2.2.5 Tonbandaufnahmen und Videoaufzeichnungen

2.3 Verknüpfung von Inhalt und Methoden – Geeignete Auswahl für den Beispielunterricht

3 Entwurf eines beispielhaften Unterrichts

3.1 Themen und Kompetenzen planen

3.1.1 Sachanalyse

3.1.2 Intentionalität – Die Lernziele als Leistungskontrolle

3.2 Bedingungen analysieren

3.3 Strukturskizze

3.4 Verlaufsplanung

4 Der Erfolg eines Kommunikationstrainings

5 Glossar

6.Literaturverzeichnis

7 Anhang


Abbildungsverzeichnis

 

Abbildung 1: Kundentypen nach Verhaltensmustern (Kellner 2008, S. 62 f.)

Abbildung 2: Das Partnerpuzzle (Mattes 2011, S. 59)

Abbildung 3: Die Sitzordnung für bis zu 24 Auszubildende

Tabelle 1: Das Kompetenzmodell der KMK (Bader und Müller 2002, S. 176–182; vgl. KMK 2011, S. 15 f.)

Tabelle 2: Übersicht über handlungsorientierte Unterrichtsmethoden (In Anlehnung an Euler und Hahn 2007, S. 293; Mathes 2007, S. 183–188; Toman 2013, S. 35–52)

Tabelle 3: Die Lernziele für die Lernsituation „Reklamationen sach- und kundengerecht bearbeiten“

Tabelle 4: Die Strukturskizze für ein 90-minütiges Kommunikationstraining

Tabelle 5: Die Verlaufsplanung für die Unterrichtssequenz

 

„Jede Kommunikation ist eine intellektuelle Herausforderung“

 

Manuela Michael

 

„Die Kommunikation mit dem Körper ist immer noch die ehrlichste“

 

Andrea W

 

1 Problemstellung und Motivation

 

Die Schulen sollen laut Artikel 131 Abs. 1 der bayerischen Verfassung „nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden“. Dem zweiten Halbsatz, der Charakterbildung, versucht sich diese Arbeit anzunähern. Die Charakterbildung beinhaltet die Kommunikationsfähigkeit, welche durch entsprechende Praxisübungen erlernt werden kann. Solche Trainings können im Elternhaus, in der Arbeitswelt, in Vereinen oder in der Schule stattfinden.

 

Besonders die Schulen tragen mit der verfassungsrechtlichen Festsetzung die Verantwortung und die Pflicht, qualitativ hochwertige Konzepte zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit vorzulegen. Die Berufsschule soll in besonderem Maße auf die berufliche Arbeitswelt vorbereiten, weswegen berufliche Kompetenztrainings im Vordergrund stehen. Situationen, auf welche die Berufsschule vorbereiten sollte, können beispielsweise das Verkaufsgespräch, Verhandlungen, Small Talk oder Reklamationen sein. Das Reklamationsgespräch stellt eine besondere Konfliktsituation in der Arbeitswelt dar, bei der es besonderes Feingefühl bedarf. Gerade im Einzelhandel, bei dem der richtige Umgang mit Kundenreklamationen immer wichtiger wird, übernimmt die Berufsschule einen wichtigen Part in der Entwicklung der Auszubildenden.

 

Ziel der Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Lehrplan für Einzelhandelskaufleute aus dem Jahr 2004 und einer damit verbundenen Ausrichtung an handlungsorientierten Unterrichtsmethoden. Gleichzeitig beschreibt diese Arbeit einen Lösungsansatz für die Problematik des Wissenstransfers zwischen Berufsschulen und ausbildenden Betrieben. Der Anspruch an Auszubildende, sich kommunikativ und fachlich ausdrücken zu können, wird an die Berufsschulen herangetragen. War die Berufsschule früher im dualen Ausbildungssystem ein Ort der theoretischen Wissensvermittlung das Pendant zur betrieblich-praktischen Ausbildung, so kann sie heute zunehmend als Partner der Ausbildungsbetriebe verstanden werden. Im Hinblick auf kommunikative Fähigkeiten fordern sowohl Unternehmen, als auch die neuen Lehrpläne eine Wissensvermittlung im Sinne eines praktischen Kompetenzerwerbs. Aus diesem Grund verbindet die Arbeit Wissen und Kompetenzen. Wissen als theoretischer Grundbaustein zur Lösung betrieblich-praktischer Situationen, welche in Kapitel 2.1 erläutert werden, ergänzt die Kompetenzen im Sinne der praktischen Handlungskompetenz, welche in der berufsschulischen Praxis zunehmend Einzug finden und in Kapitel 5.2 auszugsweise beschrieben werden. Konkret bedeutet das eine Vermittlung von beruflicher Handlungskompetenz mit Hilfe möglichst praxisnaher Methoden im Unterricht. Eine Zusammenführung und Veranschaulichung findet in Kapitel 6 durch den Entwurf eines konkreten Unterrichts statt. Ziel ist es, die Auszubildenden auf die anspruchsvolle Situationsbewältigung vorzubereiten, um sowohl der praktischen Realität, als auch dem modernen Verständnis von Wissensvermittlung gerecht zu werden.

 

Die zentrale Forschungsfrage wird aus diesem Verständnis heraus legitimiert:

 

Wie kann die Kommunikations- und Konfliktfähigkeit von Schülerinnen und Schülern in der Berufsschule effektiv gefördert werden, insbesondere vor dem Hintergrund des Konzepts des handlungsorientierten Unterrichts?

 

Aus dieser Frage ergeben sich drei Teilfragen:

 

Welche Inhalte und Kompetenzen sollen den Schülerinnen und Schülern idealerweise vermittelt werden, um sie in dem richtigen Maße zu fordern und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern?

 

Welche in der Literatur anerkannten Methoden gibt es bereits für die Durchführung von Kommunikationstrainings an beruflichen Schulen?

 

Wie könnte ein auf dem aktuellen Stand der Forschung aufbauender Unterrichtsentwurf aussehen?

 

2 Theoretische Grundlagen zum Reklamationsgespräch

 

Der Abschnitt 2.1 beschäftigt sich mit den Grundlagen der Reklamationsbearbeitung. Beginnend mit einer Bewusstwerdung der Reklamation als Chance werden im Anschluss die rechtlichen Grundlagen anhand des Bürgerlichen Gesetzbuches erläutert. Daran anschließend werden verschiedene Kundentypen und ein idealtypischer Ablauf vorgestellt. Darauf aufbauend wird eine Checkliste in Form von Fragen generiert. Der Abschluss der Theorie bildet die Kompetenzeinordnung von Einzelhandelskaufleuten. Im zweiten Teil des Kapitels in 2.2 werden einige Methoden für ein Kommunikationstraining vorgestellt. Die Liste der aufgeführten Methoden erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gibt Anreize für die eigene Unterrichtsplanung.

 

2.1 Die Wahrnehmung einer Kundenreklamation als Chance

 

Eine Reklamation sollte vom Unternehmen immer als Chance wahrgenommen werden. Durch eine Beschwerde wird zwar Unmut und Ärger ausgedrückt, es wird jedoch auch die Möglichkeit gegeben, einen Fehler zu beheben und die Geschäftsbeziehung fortzuführen. Problematischer sind unzufriedene Kundinnen und Kunden, welche ihre negativen Erfahrungen dem Bekannten- und Geschäftskreis mitteilen und „schweigend abwandern“ (Handelswissen 2014). Ein professioneller Umgang mit Kundenbeschwerden kann zu langfristiger Zufriedenheit und Loyalität führen. Das hierdurch gewonnene Vertrauen der Menschen führt zu positiver Mund-zu-Mund-Propaganda und einer Verbesserung des Image (Handelswissen 2014; Preuß 2012, S. 82)

 

2.1.1 Rechtliche Ansprüche bei Mangelhaftigkeit einer Ware

 

Eine Interpretation der aktuellen Gesetzeslage zu den Gewährleistungsrechten von Kundinnen und Kunden liefert die IHK Frankfurt a.M. (2016):

 

Gem. § 433 I BGB muss die verkaufende Person der Käuferin bzw. dem Käufer bei Abschluss eines Kaufvertrages eine mangelfreie Sache übergeben. Die Mangelhaftigkeit einer Sache ist in § 434 BGB definiert. Absatz 1 konkretisiert die Mangelhaftigkeit als Abweichung zwischen Ist- und vereinbartem Soll-Zustand bei Gefahrübergang. Der Gefahrübergang von der verkaufenden auf die kaufende Person, also das Risiko des zufälligen Untergangs oder Verschlechterung der Sache, erfolgt in der Regel bei Übergabe der Sache. Die Sache muss also bei der Übergabe mangelfrei sein. Dem steht es nicht entgegen, wenn der Mangel erst später erkannt wird, beispielsweise bei einer nicht fachgerecht angeklebten Schuhsohle, die nach einiger Zeit abreißt (IHK Frankfurt a.M. 2016). Bei Verbraucherinnen und Verbrauchern greift zudem die so genannte Beweislastumkehr gem. § 476 BGB. Tritt ein Sachmangel innerhalb sechs Monate nach Übergabe auf, wird grundsätzlich von einer Mangelhaftigkeit bei Übergabe ausgegangen; es sei denn, die Verkäuferin oder der Verkäufer beweist das Gegenteil. Haben die Parteien keine Vereinbarung getroffen, so gilt zuerst die vertragliche Verwendung als Bemessungsgrundlage und danach die gewöhnliche Verwendung, welche mit einer Beschaffenheit einhergeht, die bei Sachen der gleichen Art üblich sind. Zu dieser Beschaffenheit zählen auch öffentliche Werbeaussagen, auf die sich Kundinnen und Kunden verlassen können. „Wird also eine Jacke als extrem wettertauglich angepriesen, so muss sie tatsächlich eine besonders hohe Wetterfestigkeit aufweisen […]“ (IHK Frankfurt a.M. 2016). Gem. § 434 II BGB steht es einem Sachmangel gleich, wenn die vereinbarte Montage, beispielsweise einer Einbauküche, unsachgemäß durchgeführt worden ist oder die Montageanleitung fehlerhaft ist. Absatz 3 schließt die Falschlieferung oder Lieferung einer zu geringen Menge in die Mangelhaftigkeit mit ein.

 

Reklamieren Kaufende bei einer ermittelten Mangelhaftigkeit, handelt es sich um eine so genannte berechtigte Reklamation (Kauenberg et al. 2004, S. 270). Den Kaufenden stehen dann folgende Gewährleistungsrechte zu:

 

 Zunächst haben Kaufende gem. § 437 Nr. 1 BGB i.V.m. § 439 BGB Anspruch auf Nacherfüllung. Das bedeutet, dass sie nach ihrer Wahl Nachbesserung oder Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache verlangen können. Scheitert die Nacherfüllung der Verkäuferin bzw. des Verkäufers aufgrund erfolglos gesetzter Frist oder Unmöglichkeit, bestehen weitere Ansprüche gem. § 437 Nr. 2 und 3 BGB:

 

 Nr. 2 i.V.m. § 441 BGB bzw. § 323 BGB berechtigt Kaufende nach ihrer Wahl zur Kaufpreisminderung bzw. dem Rücktritt vom Kaufvertrag, vorausgesetzt, die Nacherfüllung ist gescheitert. Bei der Minderung ist auf den tatsächlichen Wert der mangelhaften Ware zum Kaufzeitpunkt abzustellen. Beim Rücktritt werden die gegenseitig erbrachten Leistungen, also die Sache und das Geld, zurückgegeben.

 

 Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 oder 283 BGB berechtigt zusätzlich zu Schadensersatz statt der Leistung. Dies gilt für Mangelschäden, z.B. unmittelbare Reparaturkosten und Mangelfolgeschäden, z.B. eine durch Brand zerstörte Einrichtung eines Sonnenstudios aufgrund defekter Sonnenbank. In dem von Rubner und Dötsch ((2004, S. 798–803)) subsumierten Fall erwirbt die M, Inhaberin eines Sonnenstudios, von der H eine Sonnenbank. Durch einen Defekt am Thermostat der Sonnenbank wird ein Brand ausgelöst, welcher die gesamte Einrichtung zerstört. Es handelt sich dabei um einen Mangelfolgeschaden, welcher geltend gemacht werden kann.

 

Unabhängig von der tatsächlichen juristischen Berechtigung der Kaufenden bezüglich der erläuterten Gewährleistungsrechte werden Reklamationen zunehmend zugunsten der Kaufenden entgegengenommen. So genannte unberechtigte Reklamationen können durch Nichtgefallen am Produkt, fehlenden Kaufnachweis oder einen Sachmangel durch offensichtlichen Fehlgebrauch durch die Person entstehen (Kauenberg et al. 2004, S. 271). Durch die steigende Konkurrenz im Einzelhandel, insbesondere durch den Onlinehandel, wird inzwischen eine kundenfreundliche Reklamationsmöglichkeit erwartet und die Erwartungshaltung auf sämtliche andere Einzelhandelsbetriebe ausgeweitet. Eine Nichtannahme einer, wenn auch zu Unrecht reklamierten Ware führt demnach schnell zu Unzufriedenheit und demzufolge zur Abwanderung (Handelswissen 2014).

 

2.1.2 Die Garantie als Erweiterung der Gewährleistungsrechte

 

Die Garantie stellt eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmen oder Hersteller dar, welche meist über die gesetzlichen Gewährleistungspflichten hinausgeht. Bei unverschuldetem Mangelauftritt innerhalb eines bestimmten Zeitraumes übernehmen die Garantiegebenden je nach Vereinbarung z.B. kostenfreie Reparaturen oder Ersatzleistungen. Da die Garantie eine freiwillige Leistung ist, können die Garantiegebenden nach eigenem Belieben die inhaltlichen Ausgestaltungen und somit auch Beschränkungen festlegen. Die gesetzlichen Gewährleistungsrechte der Kaufenden gegenüber den Unternehmen bleiben in jedem Fall erhalten und können unabhängig von einer Garantie der Hersteller bei den Unternehmen in Anspruch genommen werden (IHK Frankfurt a.M. 2016).

 

2.1.3 Orientierung des Verhaltens an Kundentypen

 

Kundinnen und Kunden nach Typologie zu charakterisieren ist für die verkaufende Person hilfreich, um schnell die Persönlichkeit einzuschätzen und entsprechend darauf reagieren zu können. Denn jeder Mensch tritt aufgrund seines Temperaments anders auf und möchte auch anders behandelt werden. Abbildung 1 zeigt zwei konträre Paare an Verhaltensweisen bei Kaufenden. Es gibt sachliche Menschen, die nur an Fakten interessiert sind und die Angestellten lediglich als Informationsbeschaffer betrachten. Im Gegensatz dazu legen emotionale Menschen Wert auf die Persönlichkeit des Angestellten und achten stark auf persönliche Ansprache und eine positive Ausstrahlung. In dem Modell von Kellner (2008, S. 62) ist das zweite Gegensatzpaar der dominante und der ruhige Typ. Dominante Menschen führen gerne selbst das Gespräch durch viele Fragen, Geschichten oder Aufforderungen. Ruhige, zurückhaltende Menschen bekommen gerne Input in Form von Informationen oder Aufmerksamkeit. Die Verwertung des Inputs erfolgt durch positive oder negative Reaktionen, z.B. Kauf, Nicht-Kauf oder Wiederkauf eines Produkts.

 

 

Abbildung 1: Kundentypen nach Verhaltensmustern (Kellner 2008, S. 62 f.)

 

Der Umgang mit Menschen im Reklamationsgespräch kann nach Kellner (2008, S. 61–71) an vier Grundcharakteristika ausgerichtet werden:

 

Der Analytiker oder Tüftler ist ein ruhiger und sachlicher Typ. Er trifft wohlüberlegte Entscheidungen und handelt ungern spontan. Genauso verhält er sich auch bei einer Reklamation. Bevor er sich beschwert, rekapituliert er den Sachverhalt und informiert sich über seine Reklamationsmöglichkeiten. Durch seine zynische Art und Weise kann er sehr verletzend sein, ohne dabei direkt laut zu werden. Als Angestellte/r begibt man sich am besten auf eine sachliche Ebene und beginnt sofort mit der korrekten Reklamationsbearbeitung. Die zynischen Worte sollten nicht zu ernst oder gar persönlich genommen werden.

 

Der Typ des Machers oder Dynamikers gibt sich als temperamentvoll, spontan und schlagfertig zu erkennen. Seine Meinung bringt er deutlich, teilweise forsch und ungeduldig zum Ausdruck. Bei einer Beschwerde wird der Typ Macher schnell laut und pauschalierend, teilweise sogar beleidigend oder ordinär. Hier ist es als Verkäuferin bzw. als Verkäufer wichtig, Ruhe zu bewahren und die Beleidigungen nicht persönlich zu nehmen. Ein Versuch, den Menschen während eines Wutanfalls zu beruhigen, wird voraussichtlich scheitern. Hat sich die Person abreagiert und nimmt man ihr ihre Worte nicht übel, ist sie danach für eine gemeinsame Lösungserarbeitung bereit.

 

Verbindliche oder nette Menschen sind sympathisch und höflich auftretend und betreiben gerne Small Talk mit den Angestellten. Bereitwillig lässt sich dieser Typ von der oder dem Angestellten seines Vertrauens durch das Gespräch führen und von einem Angebot begeistern. Ist er mit den Leistungen des Unternehmens und dem Service zufrieden, ist er ein treuer Stammgast. Kommt es allerdings zu einem Reklamationsgrund, z.B. dem Verkauf einer mangelhaften Ware, sieht sich dieser Typus in seinem Vertrauen getäuscht. Er sucht sich kommentarlos einen neuen Anbieter, ohne sich zu beschweren. Es kommt, wie in 2.1 angedeutet, zur so genannten „stillen Abwanderung“. Als Angestellte/r ist deshalb schon im Vorfeld besonders sensibel auf Anzeichen der Unzufriedenheit zu achten. Der bzw. die Verbindliche ist zwar auf den ersten Blick leicht zu begeistern und an das Geschäft zu binden, um die bzw. den sich jedoch stets bemüht werden sollte, um Unzufriedenheit zu vermeiden.

 

Dem Star oder Selbstdarsteller ist Small Talk sehr wichtig. Dabei erzählt er gerne von sich in lebhaften Ausführungen und möchte dabei Bewunderung von seinen Zuhörern erfahren. Kommt es zu einer Reklamation, kann der Star laut werden. Er verkündet sein aus seiner Sicht dramatisches Problem, welches mit der mangelhaften Sache entstanden sei. In diesem Fall sollte volles Mitgefühl ausgedrückt werden und Verständnis gezeigt werden. Mit dem Star lässt sich anschließend gut eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

 

Eine Einordnung nach dem Schema aus Abb. 1 ist nicht pauschal anwendbar, sondern bietet lediglich eine Hilfestellung beim Umgang mit verschiedenen Menschentypen. Zwischen den dargestellten vier Grundtypen gibt es zahlreiche Mischformen. Kaum ein Mensch lässt sich zu 100% einem der vier Typen zuordnen. Zudem können sich Kunden bestimmte Verhaltensweisen antrainiert haben, sich sozusagen eine „Maske“ zugelegt haben. Ein nüchterner, ruhiger Mensch vom Typ Analytiker kann z.B. feststellen, dass er mit Small Talk und einer gewissen liebenswürdigen Art besser mit seinem sozialen Umfeld zurechtkommt und verhält sich dementsprechend anders, auch im Reklamationsgespräch. Das bedeutet, dass sich Menschen nicht per se aufgrund ihres Verhaltens einordnen lassen und die Existenz von Mischtypen berücksichtigt werden sollte. Für die Auszubildenden ist deshalb Feingefühl und Menschenkenntnis von Nöten, um den Charakter der Menschen möglichst gut einschätzen zu können (Kellner 2008, S. 68 f.; Preuß 2012Anhang 2)

 

2.1.4 Wünschenswerte Verhaltensweisen bei der Durchführung einer Reklamation

 

Eine gute und vollständige Beschwerdebearbeitung reicht von der Vorbereitung über die Durchführung bis hin zur Nachbereitung und weiterführenden Betreuung des Falls.

 

Beschwerdevorbereitung

 

Eine Vorbereitung auf ein Reklamationsgespräch ist nur möglich, wenn man eine Beschwerde erhält und eine Bedenkzeit eingeräumt ist, z.B. bei schriftlicher Mitteilung über den Verkauf einer mangelhaften Ware. Unter der Voraussetzung einer möglichen Vorbereitung ist es für die Generierung einer gelungenen Reklamation von Vorteil, einige Dinge im Voraus zu klären. Erichsen (2015) gibt für diese Phase folgende Tipps:

 

 Bereiten Sie sich mental auf das Gespräch vor. Versetzen Sie sich in die Lage der reklamierenden Person und versuchen Sie, ihren Ärger nachzuvollziehen.

 

 Stellen Sie sicher, dass Sie alle wichtigen Informationen über den Sachverhalt vorliegen haben. Nutzen Sie dafür z.B. ein Beschwerdebuch oder ein Gespräch mit der oder dem betroffenen Angestellten

 

 Werden Sie sich Ihres Handlungsspielraumes bewusst. Überlegen Sie sich, inwiefern Umtausch, Rückerstattung, Garantieansprüche, Vergünstigungen oder Geschenke möglich und gewollt sind. Dabei ist auch die Corporate Identity, also das Unternehmensleitbild bzw. unternehmensinterne Regeln zu berücksichtigen.

 

 Ein persönliches Gespräch sollte an einem ruhigen, ungestörten Ort im Geschäft stattfinden. Bei einer telefonischen Bearbeitung sollten Sie nicht gestört werden. Vergewissern Sie sich auch bei den Angerufenen, dass sie Zeit haben und sich an einem ruhigen Ort aufhalten.

 

Beschwerdebearbeitung

 

Bestimmte grundlegende Verhaltensregeln tragen zu einem erfolgreichen und konstruktiven Reklamationsgespräch bei. In Anlehnung an Schüller (2010), Expertin für Loyalitätsmarketing, gibt es folgende Grundregeln zu berücksichtigen:

 

 Bleiben Sie immer ruhig, freundlich und sachlich.

 

 Führen Sie das Reklamationsgespräch separat an einem ruhigen Ort, um Andere nicht abzulenken oder gar vom Kauf abzuhalten.

 

 Hören Sie Ihrem Gegenüber aktiv zu. Zeigen Sie Verständnis und Mitgefühl durch zustimmende Gesten und Worte. Er merkt dadurch, dass Sie die Reklamation ernst nehmen und sich persönlich kümmern.

 

 Vermeiden Sie in dem Gespräch die Reizwörter „Reklamation“ und „Beschwerde“.

 

 Nehmen Sie Angriffe nicht persönlich, auch wenn sich die reklamierende Person im Tonfall vergreift. Eine Beschwerde bezieht sich immer auf die Sache, auch wenn sie persönlich wird. Dies betrifft v.a. die Kundentypen Macher und Analytiker. Erichsen (2015) differenziert hier diese Auffassung von persönlichen Angriffen. Er stellt ausdrücklich klar, dass Kundinnen und Kunden auf ihr beleidigendes Verhalten aufmerksam gemacht werden sollen. Dadurch besteht zwar das Risiko eines Kundenverlustes, es sei aber fraglich, ob sich mit solch unangenehmen Menschen „eine gute Geschäftsbeziehung aufbauen lässt“ (Erichsen 2015).

 

 Entschuldigen Sie sich immer für den Anlass der Reklamation. Weichen Sie dabei nicht aus und vermeiden Sie Schuldzuweisungen an ihren Gegenüber selbst, Kolleginnen und Kollegen oder andere Abteilungen.

 

 Bitten Sie um notwendige Informationen und notieren Sie sich die bemängelten Fakten. Das drückt aus, dass sie das Anliegen ernst nehmen.

 

 Teilen Sie mit, was Sie umgehend unternehmen werden.

 

 Verhalten Sie sich kulant. Durch großzügiges Verhalten kann der subjektiv empfundene emotionale Schaden gut beigelegt werden und ein Imageverlust vermieden werden. Zufriedene Kunden sind die günstigste und beste Werbung.

 

 Vergewissern Sie sich, dass die Reklamationsbearbeitung wohlwollend und zufriedenstellend aufgenommen wurde und das Anliegen des Gesprächs beigelegt wurde.

 

 Fassen Sie die Ergebnisse am Ende des Gesprächs noch einmal zusammen. Nennen Sie verbindliche Termine, an welchen konkrete Maßnahmen zu erwarten sind.

 

 Bedanken Sie sich. Eine reklamierende Person hilft Ihnen, sich zu verbessern und zukünftigen Reklamationen vorzubeugen (Erichsen 2015; Preuß 2012, S. 82; Schüller 2010)

 

Beschwerdeauswertung

 

Eine Nachbereitung des Gesprächs ist wichtig, um zugesagte Termine einzuhalten und zukünftige Fehler zu vermeiden. Dazu eignet sich nach Erichsen (2015) ein Beschwerdebuch, in welches der Name der Mitarbeitenden, Gesprächsverlauf und Termine festgehalten werden. Hier werden auch Verbesserungsvorschläge der Kundin bzw. des Kunden auf Realisierbarkeit überprüft und ggf. im Geschäft umgesetzt. Screenshots mit Erläuterungen zu einer anschaulichen Datei zur Beschwerdebearbeitung befinden sich im Anhang 1 – 3.

 

2.1.5 Checkliste für das Reklamationsgespräch

 

Zur besseren Selbsteinschätzung zu den eigenen Fähigkeiten kann ein Fragebogen beitragen. Je mehr Fragen von der Verkäuferin bzw. dem Verkäufer mit „ja“ beantwortet werden, desto qualitativ hochwertiger ist ein Reklamationsgespräch.

 

(1) Beschwerdeannahme

 

 Wurde die Kundin bzw. der Kunde angemessen und freundlich begrüßt?

 

 Wurden für das Gespräch ruhige, freundliche Räumlichkeiten gewählt?

 

 Konnte das Anliegen ohne Unterbrechung vorgebracht werden?

 

 Wurden alle wichtigen Informationen von der Kundin bzw. dem Kunden erfragt und ggf. schriftlich festgehalten?

 

 Hat sich die Verkäuferin bzw. der Verkäufer für den Anlass der Reklamation entschuldigt?

 

(2) Beschwerdebearbeitung

 

 Wurde über das weitere Vorgehen informiert?

 

 Wurde die Beschwerde zügig bearbeitet?

 

 Wurden die Corporate Identity bzw. unternehmensinterne Regeln berücksichtigt?

 

 Wurden der Kundin bzw. dem Kunden Verbindlichkeiten und Termine zugesagt?

 

(3) Verhalten

 

 War die verkaufende Person freundlich und sachlich?

 

 Wurde der Umgang an den Charakter der Kundin bzw. des Kunden angepasst?

 

(4) Reklamationsgrund

 

 Wurde der Grund der Reklamation erfasst?

 

 Wurde entsprechend des Grundes nach einer Lösung gesucht?

 

 Wurde eine zufriedenstellende Lösung gefunden?

 

(5) Sprache

 

 Wurde aktiv zugehört und Verständnis für das Anliegen des Gesprächs gezeigt?

 

 Wurde eine angemessene Wortwahl verwendet? Wurden Fachbegriffe in einem geringstmöglichen, aber höchstnötigen Umfang verwendet?

 

(6) Verabschiedung

 

 Wurde sichergestellt, dass die Lösung zufriedenstellend ist?

 

 Wurden die wichtigsten Punkte noch einmal zusammengefasst, um Missverständnisse zu vermeiden?

 

 Hat sich die Verkäuferin bzw. der Verkäufer für die Reklamation bedankt?

 

2.1.6 Kompetenzorientierte Einordung der Fähigkeiten von Einzelhandelskaufleuten

 

„Kompetenz ist eine Disposition, die dem Individuum ermöglicht, variable Situationen selbständig, erfolgreich und verantwortungsvoll zu gestalten.“ (Wilbers 2012a, S. 56)

 

Berufliche Kompetenzen lassen sich ganz allgemein untergliedern. Die Untergliederungen finden ihren Ausdruck in Kompetenzmodellen verschiedener Autoren. So teilt beispielsweise Wolfgang Beyen die berufliche Handlungskompetenz von Einzelhandelskaufleuten in die Selbst-, die Fach-, die Kooperations- und die sozial-kommunikative Kompetenz (Beyen 2007, S. 54) ein. Diese Einteilung weist große Ähnlichkeiten zum Kompetenzmodell von Heinrich Roth, einem populären Pädagogen, auf. Sein Kompetenzbegriff basiert auf dem Mündigkeitsbegriff, also der allgemeinen Handlungsfähigkeit in Bezug auf bestimmte Bereiche. Dabei unterscheidet er zwischen der Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz (Roth 1971, S. 180). In der vorliegenden Arbeit wird das offizielle Kompetenzmodell der Kultusministerkonferenz zugrunde gelegt. Dieses geht von dem Ziel der Berufsschule aus, Handlungskompetenz in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen zu vermitteln (KMK 2011, S. 15). Die folgende Zusammenfassung verdeutlicht die Verzahnung zwischen den Dimensionen von Kompetenz und den fachübergreifenden Kompetenzen:

 

 

Tabelle 1: Das Kompetenzmodell der KMK (Bader und Müller 2002, S. 176–182; vgl. KMK 2011, S. 15 f.)

 

Aus dieser zusammengetragenen Tabelle lassen sich Hinweise auf die benötigten Kompetenzen von Einzelhandelskaufleuten herauslesen. Prinzipiell sind sämtliche Kompetenzen in der Berufsschule zu vermitteln. Für das Reklamationsgespräch, auf welches sich die vorliegende Arbeit begrenzt, sind einige Fähigkeiten von besonderer Bedeutung. Da ein Kommunikationstraining nicht auf alle Fähigkeiten gleich stark eingehen kann, wird sich die Argumentation im späteren Verlauf auf die wichtigsten Kernkompetenzen beschränken (siehe hierzu 3.1Themen und Kompetenzen planen). Die berufliche Handlungskompetenz im Reklamationsgespräch fächert sich wie folgt auf:

 

Fachkompetenz:

 

 Fachliche Richtigkeit: Fähigkeit, die fachliche Komponente des Beschwerdeprozesses im Reklamationsgespräch anzuwenden. Dazu gehört u.a. die Durchführung des richtigen Ablaufs, von der Beschwerdeannahme über die Bearbeitung zur anschließenden Auswertung.

 

 Kommunikative Ausdrucksweise: Fähigkeit, Fachsprache bedarfsgerecht und angemessen einzusetzen und Probleme des Kunden zielgerichtet und methodenorientiert zu lösen.

 

 Selbstständigkeit: Fähigkeit, Probleme eigenverantwortlich und konstruktiv unter Zuhilfenahme der gegebenen Mittel zu lösen. Die Mittel werden sämtlichen Kompetenzbereichen entnommen und lösungsorientiert eingesetzt.

 

 Problemlösungskompetenz: Fähigkeit, Probleme systematisch zu analysieren und eigenes Wissen und Erfahrungen zur Problemlösung einzusetzen.

 

Selbstkompetenz

 

 Selbstreflexion: Fähigkeit, das Reklamationsgespräch im Hinblick auf das eigene Verhalten zu reflektieren, um die Entwicklung zum Professional voranzubringen.

 

 Serviceorientierung: Fähigkeit, sich auf die Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse des Kunden zu fokussieren und davon ausgehend seine Bedürfnisse mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen.

 

 

Sozialkompetenz

 

 Empathie: Fähigkeit, die Gefühle und Emotionen des Gegenübers wahrzunehmen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Dazu zählen auch aktives Zuhören, Einsatz von Fragetechniken und das Zeigen von Mitgefühl.

 

 Förderung der Konsensbildung: Fähigkeit, seinen Standpunkt zu vertreten, aber dennoch Kompromisse einzugehen, um zu einem gemeinsamen einvernehmlichen Ergebnis zu gelangen.

 

 Verhaltenskompetenz: Fähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen durch Aufmerksamkeit, Geduld, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Motivation in eine positive Ausrichtung zu bringen (Beyen 2007, S. 52).

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Kommunikationsfähigkeit fördern. Das Reklamationsgespräch im Einzelhandel
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
67
Katalognummer
V387470
ISBN (eBook)
9783668619913
ISBN (Buch)
9783668619920
Dateigröße
967 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikationsfähigkei, Reklamation, Einzelhandel, Unterricht, Workshop
Arbeit zitieren
Franziska Wöhler (Autor:in), 2017, Kommunikationsfähigkeit fördern. Das Reklamationsgespräch im Einzelhandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/387470

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