Auf der Grundlage der theoretischen Annahmen von ECO über die Anwendbarkeit der Semiotik als Kulturtheorie, untersuche ich das urbane Zeichensystem Moskau, wie es von SCHLÖGEL im Buch Moskau lesen1 beschrieben wird. Nach der Revolution waren die Sowjets bemüht, die neue Ideologie im Stadtbild Moskaus zu verankern. Insbesondere soll hier die Frage behandelt werden, wie die neue Semiotik der Stadt Moskau mit Hilfe von architektonischen Mitteln geschaffen werden sollte. Architektur wird im vorliegendem Text verstanden als Kommunikationsmittel zwischen dem Architekten und den Betrachtern, ferner der Architekt als Kommunikationsmittel der Politiker. Grundvoraussetzung für eine solche semiotische Analyse einer sowjetischen Stadt ist selbstverständlich, dass sie sich frei macht von der marxistischen Vorstellung, dass Wahrheit, Wirklichkeit und Sinn eine Einheit ergeben und somit Grundidee der Semiotik widerspräche. Aber es ist durchaus praktikabel, da alleine eine ideologische Freisprechung sinngenerierender Prozesse nicht bedeutet, dass diese nicht vorhanden sind.
Eine solche Untersuchung kann nur fragmentartig sein, da eine umfangreiche Analyse eines solch riesigen Signifikationssystems wie einer Stadt zwangsläufig, unabhängig von der zur Verfügung stehenden Seitenzahl, an ihre epistemologischen Grenzen stoßen muss. Insofern beachte ich nur grundlegende Aspekte und erschließe daran deduktiv zwei Mechanismen, wie die Politik versuchte, die Ideologie in der Stadt zu manifestieren. Die letzte Frage, die noch zu beantworten wäre, ist, inwieweit Schlüsse auf der Grundlage der Subjektivität eines essayistischen Buches möglich sind. Den Anhaltspunkt, dass seine subjektiven Eindrücke aus Moskau zu einer solchen Untersuchung herangezogen werden können, macht Schlögel selbst. Er kritisiert die Berichterstattung der Korrespondenten in Hinblick auf die nicht gewährte Pressefreiheit in der Sowjetunion „eine Sprache [benutzen sollten], die es riskiert, an den Dingen und ihren Veränderungen selbst die Veränderungen der politischen Szene abzulesen.“ (Schlögel, S.292). Dem aufmerksamen Leser erschließt sich, dass Schlögel genau dies praktiziert.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- In Richtung einer Theorie der Kultur (Eco)
- Moskau lesen (SCHLÖGEL)
- Hochhäuser
- Der Palast der Sowjets als Zentrum der Stadt und der Ideologie
- Der Schatten eines imaginären Turms, oder: Die Aussage ungebauter Bauten
- Alles andere ist Leere
- Samoskoworetschje: Die Tram zeigt das „rote Moskau”
- Die Metro – blind, wie ein Maulwurf
- Metro - gesellschaftsschaffend
- Hochhäuser
- Synthese
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text untersucht das urbane Zeichensystem Moskaus, wie es von SCHLÖGEL im Buch „Moskau lesen“ beschrieben wird, und analysiert, wie die Sowjets die neue Ideologie im Stadtbild Moskaus mit Hilfe von architektonischen Mitteln verankern wollten. Der Fokus liegt dabei auf der Semiotik der Stadt, insbesondere auf der Frage, wie Architektur als Kommunikationsmittel zwischen Architekten, Betrachtern und Politikern fungiert.
- Die Semiotik der Stadt Moskau unter dem Einfluss sowjetischer Ideologie
- Die Rolle der Architektur als Kommunikationsmittel
- Die Inszenierung von symbolischen Zeichen im Stadtbild durch Hochhäuser
- Die Bedeutung der Metro als gesellschaftsschaffendes Element
- Die Untersuchung der Kultur der sowjetischen Ideologie durch semiotische Analyse
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die theoretischen Grundlagen der Untersuchung dar und erläutert die Anwendbarkeit der Semiotik als Kulturtheorie nach Eco. Sie führt den Fokus der Analyse auf die Frage nach der Verbindung von Architektur und Ideologie in der sowjetischen Stadtplanung. Das Kapitel „In Richtung einer Theorie der Kultur (Eco)“ beleuchtet Ecos Semiotik-Theorie und ihre Relevanz für die Kulturtheorie.
Das Kapitel „Moskau lesen (SCHLÖGEL)“ analysiert Moskaus Stadtbild als semiotisches Zeichensystem. Es werden zwei Aspekte herausgegriffen: die Inszenierung von symbolischen Zeichen durch Hochhäuser und die Bedeutung der Metro als gesellschaftsschaffendes Element. Das Unterkapitel „Hochhäuser“ beschreibt die stalinistischen Hochhäuser und ihre Bedeutung im Moskauer Stadtbild. Dabei wird untersucht, wie diese Gebäude als Kommunikationsmittel der Politik eingesetzt wurden. Das Unterkapitel „Der Palast der Sowjets als Zentrum der Stadt und der Ideologie“ beleuchtet die Geschichte des Palastes und seine Bedeutung als zentrales Element der sowjetischen Ideologie.
Das Unterkapitel „Samoskoworetschje: Die Tram zeigt das „rote Moskau”“ beleuchtet die Bedeutung der Tram als Medium der sowjetischen Propaganda. Das Unterkapitel „Die Metro – blind, wie ein Maulwurf“ analysiert die Metro als ein neu geschaffenes Signifikationssystem mit gesellschaftsschaffender Funktion.
Schlüsselwörter
Semiotik, Kulturtheorie, Stadtbild, Architektur, Ideologie, Sowjetunion, Moskau, Hochhäuser, Palast der Sowjets, Metro, Tram, Kommunikation, Signifikation, Signifikant, Signifikat.
- Quote paper
- BA Michael Kempmann (Author), 2004, Moskau lesen - Annäherung an eine unter dem Einfluss der sowjetischen Ideologie stehende Stadt. Mechanismen zur semiotischen Umdeutung urbaner Signifikationssysteme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38809