Die Konsolidierung der spanischen Demokratie und der Caso GAL


Diplomarbeit, 1999

95 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.Hauptteil
1.1. Problemszenario
1.2. Terrorismusbekämpfung jenseits rechtsstaatlicher Grenzen 1983-87: Die GAL
1.3. Spanien - eine konsolidierte Demokratie mit dem Wahlsieg der Sozialisten 1982 ?

2. Exekutive
2.1. Die Subordinierung der Armee unter zivile Kontrolle
2.2. Der Antiterrorismus der sozialistischen Regierung 1982-1987
2.3. Die fondos reservados und die Geheimnisse des Staates
2.4. Die versagte Reform der Polizeikräfte
2.5. Zwischenergebnis

3. Legislative
3.1. Parlament und Parteien im Konsolidierungsprozeß
3.2. Das Parlament unter der Regierung des PSOE
3.3. Die Kontrolle des Regierungshandelns als zentrale Funktion des Parlaments
3.4. Die Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Parlaments im Caso GAL
3.5. Zwischenergebnis

4. Zivilgesellschaft und Bevölkerungseinstellungen
4.1. Zivilgesellschaft und Konsolidierung
4.1.1. Legitimität und Effizienz
4.2. Die zivilgesellschaftliche Reaktion auf den Caso GAL
4.2.1. Nichtregierungsorganisationen
4.2.2. Medien
4.3. Bevölkerungseinstellungen
4.4. Zwischenergebnis

5. Justiz
5.1. Die juristische Kontrolle und der Rechtsstaatsbegriff in der Konsolidierung
5.2. Die spanische Justiz in der Transitions- und Konsolidierungsphase
5.3. Die Justiz und der Caso GAL
5.4. Zwischenergebnis

6. Schlußteil

Bibliographie

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Die Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL) töteten 1983-1987 insgesamt 28 Personen, die Mitglieder ETAs waren oder diesem Umfeld irrtümlicherweise zugerechnet wurden. ETA-Terror sollte mit gleichen Mitteln beantwortet werden, wobei vorrangig Etarras, die sich nach Südfrankreich abgesetzt hatten, ins Visier gerieten. Als Täter wurden in Frankreich sowohl spanische Polizeibeamte als auch Auftragsmörder verhaftet. In einem Mordfall war bald die Verwicklung eines hohen Mitarbeiters des Innenministeriums, der die dortigen schwarzen Kassen führte, evident. In einem Entführungsfall konnte die Beteiligung des damaligen Innenministers, Barrionuevo, sowie seines Staatssekretärs nachgewiesen werden. Neben dem Innenministerium und der regulären Polizei waren der spanische Geheimdienst CESID, das Verteidigungsministerium, die Guardia Civil sowie die französischen Geheimdienste maßgeblich an den Aktionen, die unter dem Begriff GAL subsumiert werden, beteiligt.

Die juristische Aufarbeitung in Spanien begann 1987 und steht bis heute erst an ihrem Anfang. Sie wird den Spanischen Staat und Gesellschaft also noch lange beschäftigen.

Ausgangspunkt für die Wahl des Themas, „Die Konsolidierung der spanischen Demokratie und der Caso GAL“, ist die Relevanz des gewählten Themas. In Spanien nahm, zusammen mit Portugal und Griechenland, die dritte große Demokratisierungswelle ihren Anfang (vgl. Huntington 1991). Aufgrund des schnellen und günstigen Verlaufs ihres Systemwechsels sind sie zu den wichtigsten Referenzpunkten in der Demokratisierungsforschung geworden.

Der Caso GAL hat im Zuge seiner Aufdeckung lange Zeit die politische Tagesordnung Spaniens beherrscht. Zusammen mit verschiedenen Korruptionsskandalen der sozialistischen Regierung trug er entscheidend zur Abwahl der Regierung 1996 bei.

Der Caso GAL und der sich anschließende Aufklärungsprozeß werfen ein Schlaglicht auf Defizite der jungen spanischen Demokratie: Sie stehen in diesem Zusammenhang für das Antworten auf einen großen, vielleicht systemgefährdenden Problemdruck (von Seiten ETA) mit Methoden jenseits rechtsstaatlicher Legalität. Dies offenbarte ein geringes Maß an demokratischer Durchdringung von Teilen der Polizei, des Geheimdienstes, des Innenministeriums und z.T. der sozialistischen Regierung (PSOE).

Die Kontrolle der Sicherheitskräfte - die als reserve domains des alten Regimes gelten können - durch demokratisch legitimierte Institutionen war Anspruch der reformerischen sozialistischen Partei. Auf eindringliche Weise enthüllte der Caso GAL, wie dieses wichtige Projekt in den ersten Jahren ihrer Regierung verfehlt wurde, in denen sie sich auf die alten Kräfte angewiesen fühlte und ihre Dienste gern in Anspruch nahm.

So kann man den Caso GAL als eine Art Testfall für die junge spanische Demokratie begreifen, der Defizite in Bezug auf rechtsstaatliches Handeln von Teilen der Regierung und des Sicherheitsapparats sowie der Gewaltenkontrolle[1] im Sinne einer Überprüfung und gegebenenfalls Sanktionierung des Regierungshandelns offenbart. Hier wird vor allem auf die parlamentarische Kontrolle einzugehen sein. Die starke Einflußnahme der Exekutive auf die de jure unabhängige Judikative (die ihrerseits stark politisiert ist) erweist sich für einen Konsolidierungsfortschritt ebenfalls als bedenklich. Die Reaktion zivilgesellschaftlicher Akteure wie Menschenrechtsorganisationen und Presse sowie die Einstellung der Bevölkerung gegenüber den illegalen Methoden der Terrorismusbekämpfung werden ebenfalls Erkenntnisse zum Konsolidierungsstand in diesen Bereichen liefern.

Der empirische Befund des Caso GAL hinsichtlich der Konsolidierung der Demokratie in Spanien kann dabei über diesen konkreten Fall hinausweisen und sowohl Fortschritte als auch Defizite benennen, die strukturellen Charakter haben.

Hinzu kommt, daß im Gegensatz zur großen Aufmerksamkeit von Seiten der Massenmedien das Thema bislang in wissenschaftlichen Untersuchungen nahezu ignoriert wurde.[2]

Die leitende Frage soll sein, welchen Einfluß der Caso GAL und sein Aufklärungsprozeß auf die Konsolidierung der spanischen Demokratie hatte.

Dies soll in der Weise verstanden werden, daß der Caso GAL, also das verbrecherische Handeln bestimmter Teile des Regierungsapparates, Aussagen über das Verhalten von Teilen der politischen Elite und deren demokratische Durchdringung zuläßt. Weit mehr Raum wird in dieser Arbeit der sich anschließende Aufklärungsprozeß, also die Reaktion verschiedener gesellschaftlicher und staatlicher Akteure gegenüber den erlebten rechtsstaatlichen Defiziten einnehmen. Anzunehmen ist, daß der Caso GAL strukturelle Konsolidierungsdefizite und -fortschritte offenlegt, die auch für andere Politikfelder relevant sind.

In einer bereichsspezifischen Untersuchung werden die relevanten Schlüsselarenen daraufhin befragt, wie ihre Rolle im Caso GAL hinsichtlich zuvor formulierter Konsolidierungsindikatoren zu bewerten ist.

Zur Beantwortung der Fragestellung ist es also sinnvoll, nicht sämtliche der Bereiche zu untersuchen, die für eine gesamtgesellschaftliche Konsolidierung Bedeutung haben. Entscheidend ist eine bereichsspezifische Einschränkung des Untersuchungsbereichs auf diejenigen Teilbereiche, die im Zusammenhang mit dem Caso GAL stehen. Im Sinne einer „gezielten Selektion“ (Kromrey 1998: 51) müssen die zu untersuchenden Merkmale des Gegenstands reduziert werden. Dies ist Voraussetzung für die folgende systematische und theoriegeleitete Untersuchung.

Die zentrale Hypothese ist, daß der Aufklärungsprozeß des Caso GAL zwar Defizite in der Konsolidierung der spanischen Demokratie offenlegt, jedoch der sich anschließende Aufklärungsprozeß zur weiteren Konsolidierung des politischen Systems beigetragen hat. Daß die staatsterroristischen Aktionen überhaupt aufgedeckt wurden, ist für sich genommen bereits ein Erfolg. Entscheidend war hier die Rolle verschiedener Zeitungen sowie einzelner engagierter Persönlichkeiten der Justiz und Politik. Daß es zudem zur Verurteilung des ehemaligen Innenministers sowie hoher Beamter seines Ministeriums und der Polizei kam, kann als Ausnahme selbst in demokratischen Rechtsstaaten gelten.

Schnell stößt man jedoch auf Widersprüchlichkeiten: Das Interesse von politischen Parteien, der Justiz, der Presse, von Nichtregierungsorganisationen und der Bevölkerung an der Aufklärung der staatsterroristischen Aktionen war zunächst beschränkt, setzte verspätet ein und sah sich hartnäckigen Blockaden ausgesetzt. Von einem konsentierten Willen zur Aufdeckung der Geschehnisse kann keinesfalls gesprochen werden. So hatte die konservative Partei, PP, nur in einer kurzen Wahlkampfphase Interesse an der Aufdeckung des Caso GAL gezeigt; die PSOE-Opposition reagierte auf die Richtersprüche, indem er die Legitimität einer zentralen Institution des Verfassungsstaates anzweifelte; auch sind die prominentesten Verurteilten nach wenigen Monaten Haft bereits wieder in Freiheit. Die Berichterstattung in wichtigen Zeitungen orientierte sich oft mehr an der Auflagensteigerung und dem Wunsch, die Regierung zu destabilisieren, als zur wahrheitsgemäßen Aufklärung des Falls beizutragen.

Das politische und gesellschaftliche Gefüge, in dem sich der Caso GAL sowie sein Aufklärungsprozeß bewegt, soll als komplexes, dynamisches System begriffen werden und muß daher prozesshaft interpretiert werden.

In dieser Arbeit sollen diese Prozesse in einzelnen Bereichen des politischen und sozialen Systems nachvollzogen und hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Konsolidierungsprozeß interpretiert werden.

Bei der Einteilung der zu untersuchenden Akteursblöcke orientiere ich mich an Lauths „dreigestuftes Akteursprinzip der Kontrolle“ der Regierung (Lauth 1999). Die erste Stufe bilden Bürger, Zivilgesellschaft, Verbände, Parteien, Öffentlichkeit und Medien. Ich habe die Parteien aus dieser ersten Stufe ausgegliedert und der zweiten Stufe, nämlich dem Parlament und öffentlich-rechtliche Institutionen zugeschlagen. Dies ergibt sich daraus, daß im Fall der GAL das Parlament der zentrale Rahmen der Auseinandersetzung zwischen den Parteien war. Neben der dritten Stufe, der Justiz, habe ich eine vierte eingeführt, die sich auf die Regierung selbst bezieht, also das eigentliche Kontrollobjekt, der ich die Verantwortung für eine interne Kontrolle zuweise. Wenn Teile der Regierung und ihrer Administration Todesschwadrone initiieren, halte ich die Forderung für berechtigt, wenn nicht sogar für geboten, daß andere Teile derselben Institutionen dies nicht tolerieren und auf diese Weise eine Selbstkontrolle ausüben.

Die einzelnen Blöcke sind in der Dynamik des Aufklärungsprozesses unterschiedlichen Veränderungen unterworfen worden, die sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Konsolidierung der einzelnen Bereiche bewerten lassen, und die zusammengenommen ein Urteil über das politische Gesamtsystem zulassen.

Bevor verschiedene Konsolidierungskonzepte diskutiert werden, müssen beide aufeinander bezogenen Bestandteile des Begriffspaares, Konsolidierung von Demokratie, hinsichtlich ihrer Bedeutungsvielfalt und begrifflichen Reichweite charakterisiert werden. Wann man von einem demokratischen System sprechen kann, ist dabei unter den Demokratisierungsforschern, nicht unter den Demokratietheoretikern, wenig umstritten, auch wenn man sicher nicht von einem paradigmatischen Konsens sprechen kann (Merkel 1995: 32f.).

a) Demokratie: In annähernd allen Beiträgen zur Konsolidierungsforschung wird Bezug auf die Minima genommen, die Dahl (1989: 233) in dem Demokratiekonzept der Polyarchie entwirft.[3] Eine Anzahl von Verfahren und Institutionen bilden den Rahmen, der die beiden zentralen Elemente, pluralistischer Wettbewerb sowie politische Partizipation, zur Wirkung bringen. Beide Grunderfordernisse einer Demokratie werden in sieben Kriterien konkretisiert: gewählte Amtsträger; freie und faire Wahlen; universelles Wahlrecht; freier Zugang zu öffentlichen Ämtern; Meinungsfreiheit; Zugang zu pluralistischen Informationen; Vereinigungsfreiheit.

Einzelne Autoren wie O´Donnell (1996) ergänzen diese Kriterien um einzelne weitere: So müssen die gewählten Vertreter die Möglichkeit haben, ihre Amtszeit turnusgemäß zu beenden und zusätzlich muß gewährleistet sein, daß die geltenden Freiheiten dauerhaft sind. So auch Schmitter und Karl ( zit. in Morlino 1989), die fordern, daß die gewählten Vertreter frei von Zwängen durch de facto- oder ausländische Mächte regieren können.

Linz (1996), DiPalma (1990) und Przeworski (1995) fassen den identischen Grundgehalt etwas komprimierter.[4] Allen liegt ein funktionales Verständnis von Demokratie zugrunde, der explizit keinen normativen Gehalt hat.

Als Arbeitsdefinition soll der von O´Donnell erweiterte Dahl´sche Demokratiebegriff gelten.

b) Konsolidierung: Aufgabe dieses Abschnitts ist es, aus der Vielzahl verschiedener Definitionen von Konsolidierung die Entscheidung für dasjenige Konzept zu treffen, das einerseits allgemein am überzeugendsten einen Konsolidierungsprozeß abzubilden vermag und andererseits für die Beantwortung der konkreten Fragestellung den größten analytischen Ertrag hat. Da die Fragestellung nicht auf die Analyse des Konsolidierungsprozesses in seiner Gesamtheit zielt, muß also vorrangig ein eingegrenzter theoretischer Rahmen aus den vorliegenden Theorieansätzen zur Konsolidierung entwickelt werden: Weniger bedeutende Teilaspekte der Konsolidierungsdiskussion sollen benannt und deren Vernachlässigung in der Arbeit begründet werden. Andere Teilaspekte, die bedeutend erscheinen, werden akzentuiert und zu einem Raster verdichtet, das über den empirischen Fall, den Caso GAL, gelegt werden kann.[5]

Die Konsolidierungsforschung orientiert sich „...an einer als Prozeß und Resultat verstandenen „Festigung“ und „Sicherung“ demokratischer Regime durch Routinisierung, Institutionalisierung und Strukturierung, die Wandel nicht ausschließt“ (Liebert 1995: 76).

Eine sequentielle Dreiteilung, die die Abfolge eines Regimewechsels beschreibt, ist als Idealtyp in der Demokratisierungsforschung zu einem breit akzeptierten Konsens geworden: Krise des autoritären Regimes, Transition, Konsolidierung (ebd.: 76).[6]

In der Empirie jedoch muß von Inkonsistenzen in dieser Prozeßabfolge ausgegangen werden: „...the incipient democratic legality must coexist with important elements of the authoritarian legality which contradict it“ (Maravall/ Santamaría 1986: 89). „...la consolidación abarca todos los procesos por los que el nuevo régimen elimina, reduce a un mínimo o reabsorbe sus iniciales inconsistencias...“ (Maravall/ Santamaría 1989: 186). Dieser Verweis zielt also auf Ungleichzeitigkeiten, die nicht nur den Transitions, sondern auch den Konsolidierungsprozeß kennzeichnen.[7] Pauschal von der Konsolidierung „insgesamt“ zu einem bestimmten Zeitpunkt zu sprechen, wird damit problematisch.[8] Ersetzt könnte dies durch eine differenziertere Urteilsform werden, die die Konsolidierungsniveaus der jeweiligen Teilregime benennt und in Beziehung zu der Stabilität des Gesamtsystems setzt“ (Merkel 1995: 54).

Die verschiedenen Konsolidierungskonzepte lassen sich in Hinblick auf die Reichweite ihrer Forderungen an eine konsolidierte Demokratie in minimalistische sowie maximalistische Positionen einteilen. Die minimalistische Position fokusiert dabei den Konsolidierungsprozeß aus einer strategischen Sicht, die vorrangig die Wahrscheinlichkeit des dauerhaften Erhalts des bisher erreichten demokratischen Bestandes ermitteln will. Die maximalistische Position nimmt eine weitergehende, normative Sicht ein, die eine tiefgreifende Demokratisierung der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Sphäre als Ziel der Konsolidierung nennt. Die zwei Pole, zwischen denen sich die verschiendenen Perspektiven bewegen, benennt Schedler als „preventing democratic breakdown“ vs. „deepening democracy“ (Schedler 1997: 1).

Zusätzliche Uneinigkeit herrscht in der zentralen Frage, welche politischen, sozialen und ökonomischen Institutionen konsolidiert sein müssen, damit das demokratische System als krisenresistent gelten kann (Merkel 1995: 35) sowie über den Zeitpunkt der erreichten Konsolidierung.[9] Allgemein wird jedoch angenommen, daß die Phase der Konsolidierung länger dauert als die Transition, da sie eine sehr viel umfassendere und tiefergreifendere Entwicklungsphase darstellt (Pridham 1990b: 108).

Drei Konzepte sollen schwerpunktartig vorgestellt werden. Ihre Auswahl ergibt sich daraus, daß sie beispielhaft für verschiedene Perpektiven stehen und daher einen zentralen Platz in der Literatur einnehmen.[10]

1.) Einleitend wird Schmitters (1993) Definition genannt, die Konsolidierung als Prozeß der Strukturierung - der Überführung der zufälligen oder gar chaotischen Arrangements der Transitionsphase in eine Form von Teilregimen begreift. Aus einer ungewissen Transitions-Konstellation mit nicht voraussagbaren Entscheidungen entwickeln sich in der Konsolidierungsphase erwartbare Ergebnisse und strukturell bestimmbare Verhaltensweisen und Orientierungen. Routinisierung, Institutionalisierung und Stabilisierung erreichen, daß aus sozialen Beziehungen soziale Strukturen werden, und aus zufälligen Interaktionen geordnete Interaktionsmuster - die partiellen Regime.[11]

2.) In einer minimalistischen Pespektive definieren Linz und Stepan (1996: 15f.) Konsolidierung als „...political regime in which democracy as a complex system of institutions, rules, and patterned incentives and disincentives has become, in a phrase, „the only game in town“. ...with consolidation, democracy becomes routinized and deeply internalized in social, institutional, and even psychological life, as well as in political calculations for achieving success.“

Zunächst existiert eine vielleicht trivial anmutende Grundvoraussetzungen, ohne die sich keine moderne Demokratie konsolidieren kann: Die Existenz eines Staates - stateness (ebd.: 14f.). Durch die Sezessionswünsche einer starken Minderheit im Baskenland muß dieser Punkt im Verlauf der Arbeit noch problematisiert werden.

Linz und Stepan entwerfen ein komplexes System von drei Ebenen, in denen sich die Konsolidierung vollzieht. Dieses Mehrebenenmodell soll kurz vorgestellt werden und davon abgeleitet soll die in dieser Arbeit bereichsspezifische Konsolidierung entworfen werden.

- In der Verhaltensdimension darf kein bedeutender Akteur versuchen, die demokratische Ordnung zu beseitigen oder gewalttätig danach streben, einen Teil des Territoriums abzuspalten.
- In der Einstellungsdimension wird erwartet, daß auch angesichts schwerer politischer oder ökonomischer Krisen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung daran festhält, daß mit demokratischen Regeln das Zusammenleben am besten organisiert wird, und es entsprechend keine starken Anti-System-Kräfte gibt.
-In der institutionellen Dimension wird erwartet, daß alle politischen Akteure des staatlichen Bereichs sich bei der Lösung von Konflikten an die verfassungsmäßigen Normen halten und erkennen, daß Verletzungen derselben ineffektiv und kostspielig sein werden. Sogenannte reserve domains des alten Regimes, die der demokratischen Kontrolle entzogen sind, müssen eleminiert werden, ebenso wie traditionelle poderes fácticos wie Armee, Kirche, etc.

Alle drei Ebenen sollen nicht isoliert betrachtet werden, sondern bedingen einander und beeinflussen sich auf vielfache Weise.

Weiter unterscheiden beide Autoren fünf Arenen, die notwendige Bedingungen für eine Konsolidierung darstellen: Das Vorhandensein von Zivilgesellschaft, Rechtsstaat, politischer Gesellschaft, staatlicher Bürokratie und ökonomischer Gesellschaft. Für die Untersuchung des Caso GAL sind vor allem die Bereiche Rechtsstaat und Zivilgesellschaft relevant.

Der genaue Zusammenhang zwischen den drei Ebenen sowie die Konsistenz der Auswahl der Arenen wird jedoch von den Autoren nur mangelhaft erläutert.[12] Genauer zu fragen bleibt, welche konkreten Charakteristika die einzelnen Arenen besitzen müssen, um als konsolidiert gelten zu können.

Trotz der genannten Kritik hat das Mehrebenenmodell von Linz und Stepan für die Erarbeitung eines für diese Arbeit analytischen Rasters besonderen Wert: Trotz der normativ begrenzten Reichweite dieses minimalistischen Ansatzes, werden die zentralen Dimensionen benannt, mit dem Anspruch, den Systemwechselprozeß in seiner Gesamtheit zu beleuchten. Der geringe Konkretisierungsgrad hinsichtlich der Konsolidierungsindikatoren in verschiedenen Arenen kann in einen Vorteil verwandelt werden: Gemäß der Position DiPalmas (1990), die es aufgrund der sehr unterschiedlichen Pfade zu einer demokratischen Konsolidierung für unseriös hält, generalisierte Referenzpunkte für diese Entwicklung festzulegen, werden hier für den Fall Spanien und die GAL spezifische Indikatoren ermittelt. Dies geht mit der Hypothese einher, daß sich die Konsolidierungsentwicklung in den einzelnen Bereichen in unterschiedlichem Tempo vollzieht.

Beim Aufbau der Arbeit wird versucht, den Dimensionen des Mehrebenenmodells in den in Akteursblöcken aufgeteilten Kapiteln gerecht zu werden: Es werden jeweils die institutionellen Arrangements untersucht, das Akteursverhalten und, dies sinnvollerweise nur im Bereich der Zivilgesellschaft, die Einstellungsdimension.

3.) Pointiert benennt Whitehead (1996) seine maximalistische Forderungen an eine konsolidierte Demokratie, die in Hinblick auf ihre normative Reichweite maßstabsetzend für diese Arbeit sein sollen: Zunächst geht auch er davon aus, daß in der Konsolidierungsphase ungewisse Strukturen und Verfahren der Transition institutionalisiert sowie demokratische Einstellungen internalisiert werden müssen. Dieser schwierige Prozeß wird selten weniger als eine Generation dauern.[13] Als einen erweiterten Konsolidierungsbegriff führt Whitehead den Status der „full consolidation“ ein, der „...a widening of the range of political actors who assume democratic conduct on the part of their adversaries; a deepening of the commitment of most actors to the mutually negotiated democratic framework...all participants in the democratic game withdraw some of the barriers to enhanced trust and cooperation with their rivals...“ meint (Whitehead zit. nach Pridham 1990: 9f.). Demokratische Konsolidierung soll dabei prozesshaft verstanden werden und nicht als starres Resultat vorangegangener Ereignisse (Morlino 1995: 315). Da auch der zu untersuchende empirische Fall einen dynamischen Charakter aufweist, scheint diese Arbeitsdefinition von besonderem Wert zu sein. Desweiteren ist die hier genannte wirkliche Internalisierung demokratischer Werte ein wichtiges Erfordernis für eine dauerhafte Konsolidierung eines politischen Systems, das mehr als eine „Schönwetterdemokratie“ sein soll.

4.) Schließlich soll der pragmatische „two-turnover test“ Huntingtons (1991) hinsichtlich seiner Tauglichkeit für diese Arbeit geprüft werden. Eine Demokratie gilt als konsolidiert, wenn zweimal ein demokratischer Machtwechsel erfolgt ist. Der Test soll zeigen, daß die politisch relevanten Eliten demokratisch ausreichend gereift sind, die Macht abzugeben, wenn dies der Ausgang der Wahlen verlangt. Entscheidend für den Fortbestand des demokratischen Systems ist weniger der konkrete Problemdruck als vielmehr, „...the way in which political leaders respond to their inability to solve the problems confronting the country“ (ebd.: 259).[14] Die politischen Eliten dürfen die Probleme nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen und das neue System verantwortlich machen. Nur so kann die zentrale Trennung von Regierung und Regierungsform stattfinden, die die Stabilität der Demokratie ausmachen wird: Bei Unzufriedenheit wählt man die Regierung ab, wechselt aber nicht das politische System.[15]

Neben der Verhaltensdimension fragt Huntington auch nach der Einstellungsdimension. Er geht über die funktionalistische Sichtweise von Linz und Stepan (1996) hinaus, wenn er nach der Internalisierung demokratischer Regeln - nicht bloß ihrer Befolgung fragt.

O´Donnell (1996) kritisiert hier wie auch bei anderen Autoren die teleologische Ausrichtung des Konzepts. Von einer linearen Entwicklung in Richtung einer mehr und mehr konsolidierten Demokratie auszugehen, hält er empirisch für widerlegt. Viele Beispiele zeigten Diskontinuitäten auf, mitunter Rückschritte oder einen Systemwechsel zurück zu autoritären Strukturen. Vor allem aber sieht er eine Gefahr in den verschiedenen Formen negativer Typologisierung derjenigen Demokratien, die das „Endziel“ Konsolidierung noch nicht erreicht haben. Defekte rücken ins Zentrum, statt nach dem bislang Erreichten zu fragen, was analytisch einen höheren Wert hätte.[16]

Bei der Verwendung eines maximalistischen Konsolidierungsbegriffs wird deutlich, daß es nicht angemessen wäre, von einer Konsolidierung in Spanien zu einem frühen Zeitpunkt (1982) zu sprechen.[17] Nur mit diesem Hinweis ist es möglich, den Konsolidierungsbegriff als Folie über den Caso GAL und seinen Aufklärungsprozeß zu legen, der sich bis mindestens 1998 hinzog.

Es erscheint sinnvoll, sich einem weiten Konsolidierungsbegriff zu nähern, der weniger Toleranz gegenüber Widersprüchlichkeiten in puncto demokratischer Performanz aufweist als minimalistische Konsolidierungskonzepte - also strengere Kriterien für eine konsolidierte Demokratie anlegt. Nur so können Phänomene wie der Caso GAL hinreichend problematisiert werden.

Die in dieser Arbeit vertretene Sicht, daß der Caso GAL nicht bloß als „Unfall“ in einem ansonsten vollständig demokratisch konsolidierten System betrachtet werden kann, wird von Liebert (1995: 91f.) gestützt: Systemtheoretisch gesprochen stellt sich der Caso GAL als Störung dar, da der politische Code, also die spezifische Form der demokratischen Konfliktbewältigung, in dieser konkreten Situation abgelehnt wurde. Eine Demokratie kann in dem Maße konsolidiert sein, in dem derartige Störungen eleminiert oder institutionell verarbeitet werden.

Zusammenfassend soll diese Arbeit also analytisch von dem als offen verstandenen Mehrebenenmodell Linz´ und Stepans (1996) geleitet werden. Die nicht nur wünschenswerte[18], sondern notwendige Reichweite einer erfolgreichen Konsolidierung orientiert sich an der maximalistischen Perspektive Whiteheads (1996), die die Verwurzelung demokratischer Normen in Eliten und Bevölkerung fordert.

Das Thema soll in Form einer Einzelfallstudie erarbeitet werden. Um angesprochene Teilthemen sinnvoll bearbeiten zu können, wird ein Mix aus verschiedenen Methoden verwendet.

Als problematisch erweist sich, daß wir mit dem Untersuchungsgegenstand einem dynamischen Prozeß begegnen, der kaum konstante Bedingungen aufweist. Um den sich verändernden Kontexten, Bedeutungen sowie Rollen der Akteure oder, um mit O´Donnell u.a. (1986) zu sprechen, der „uncertainty“ Rechnung zu tragen, ist eine methodische Flexibilität nötig:

Mindestens zwei Formen der Primärerhebung werden mit der Auswertung von Zeitungen und anderen Dokumenten sowie der Befragung mehrerer Experten eingesetzt.

Die Zeitungsanalyse wird bei der Rekonstruktion der Ereignisse von besonderem Wert sein.[19] Insbesondere der quellenkritische Aspekt wird interessante Ergebnisse liefern. Bei der Einordnung wichtiger Akteure des Caso GAL können Zeitungen auch als Grundlage für eine Diskursanalyse dienen, wenn politisches Handeln in der Rhetorik entscheidender Personen seine Entsprechung findet.

Ein Beamter des Spanischen Innenministeriums in verantwortlicher Position, der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Madrid sowie ein Mitarbeiter des staatlichen Rundfunks standen für Interviews zur Verfügung, die zwar nicht in der vorbereiteten Form teilstrukturierter Befragungen realisiert werden konnten, aber dennoch als ertragreich bezeichnet werden können.

Der theoretische Ansatz der Arbeit stützt sich auf grundlegende Texte der Konsolidierungsforschung. Arbeiten von Linz, Stepan, O´Donnell, Schmitter, Whitehead, DiPalma, Maravall, Cotarelo werden im Mittelpunkt stehen.

Einzelne Teilaspekte, beispielsweise das Parlament in seiner Funktion als Kontrollorgan, können mit einem Mix aus Quellen und Sekundäruntersuchungen erarbeitet werden. Dieses Vorgehen kann als Vergleichsprozedur die Verläßlichkeit der Ergebnisse steigern.

Ein quantitatives Vorgehen erscheint dagegen in weiten Bereichen der Arbeit als wenig ertragreich: Methodisch stellt sich oft das Validitätsproblem. Abstrakte Kategorien wie etwa Kohäsion und Autonomie als Charakteristika für die parlamentarische Volksvertretung einer konsolidierten Demokratie lassen sich schwer operationalisieren (DiPalma 1990).[20]

Da mit dieser Arbeit kein direkter Vergleich verschiedener Staaten angestrebt wird, kann in der Weise verfahren werden, daß man den Zustand des jeweiligen Untersuchungsobjekts ermittelt und Entwicklungen feststellt, die ein Urteil qualitativer Art im Zeitvergleich zulassen. Die Fruchtbarkeit qualitativer Analysen im Bereich Konsolidierungsforschung wird hinlänglich durch Beiträge wie von Liebert und Cotta (1990) sowie Hamann (1998) belegt.

Dennoch wird, wenn es darum geht, Einstellungen der Bevölkerung, etwa zur Regimeloyalität bzw. Demokratiezufriedenheit, zu ermitteln, nötig sein, auf Umfragedaten zurückzugreifen. Amtliche Jahrbücher sowie Kompendien soziologischer Forschungseinrichtungen liefern hier Daten.

Mit Hilfe dieses pluralistischen Zugangs soll in folgender Weise die zentralen Akteure untersucht werden.

Am Anfang soll eine geraffte Darstellung stehen, was waren die GAL, im Sinne einer Rekonstruktion, „wie war es wirklich, warum hat es sich ereignet ?“ Seriöse Sekundärliteratur liegt bislang kaum zu dem Thema vor. So muß mit Rückgriff auf verschiedene Zeitungen das erarbeitet werden, was der Ausgangspunkt dieser Arbeit ist.

In folgenden Akteursblöcken wird die Rolle im Caso GAL ermittelt und entlang spezifischer Konsolidierungskriterien bewertet:

- Exekutive

Die Regierung steht hier als die letztlich verantwortliche Instanz für die Aktionen der GAL, z.T. durch direkte organisatorische und finanzielle Unterstützung (strafrechtliche Verantwortung) oder durch Deckung dieser Taten - respektive Unwissen, was im eigenen Haus vorgeht (politische Verantwortung).

Das Innenministerium, die ihr unterstellte Polizei sowie die Geheimdienste erscheinen als Institutionen, in denen sich verstärkt Inseln des Vorgängerregimes festgesetzt haben, und die willig illegale Aktionen gegen ETA organisierten und durchführten. Transparenz und demokratische Durchdringung dieser Bereiche wurde erst spät, in den 90er Jahren, erreicht. Die besondere Rolle der Geheimfonds des Innenministeriums sowie die Antiterrorismusgesetzgebung werden genauer betrachtet. Defizite in der demokratischen Kontrolle dieser Bereiche werden zentrale Punkte sein.

Die Armee hat eine besondere Rolle als poder fáctico, der bis 1981, dem Putschversuch, sogar als direkt intervenierende Variable wahrgenommen werden muß.

- Legislative

Das Parlament ist ein wichtiges Forum der politischen Auseinandersetzung über den Caso GAL. Unter der absoluten Mehrheit des PSOE im Parlament waren die Kontrollmöglichkeiten der Opposition begrenzt, die vorhandenen wurden jedoch intensiv genutzt - zumindest von den kleinen Oppositionsparteien, die ein Interesse daran hatten, die Kontrollaufgabe des Parlaments wahrzunehmen. Interessanter Weise hatte die konservative Opposition, der PP, kaum die Absicht, das Regierungshandeln im Fall der illegalen Terrorismusbekämpfung zu bremsen. Erst mit dem Wahlkampf 1996 wurde das Thematisieren des Caso GAL die erfolgreichen Strategie des PP zur Ablösung des PSOE von der Regierungsverantwortung.

- Zivilgesellschaft und Bevölkerungseinstellungen

Vor allem eine kritische Tagespresse trug entscheidend zur Enthüllung des Caso GAL bei. Dennoch blieb sie stark politisch ausgerichtet und bezog in Wahlkampfzeiten sehr eindeutig Stellung. Insgesamt hat sich die Presse aber im Windschatten des Caso GAL pluralisiert, was in jedem Fall als Fortschritt gesehen werden muß.

Vor allem baskische Menschenrechtsorganisationen und Angehörigenverbände haben sich für die Aufdeckung der GAL-Aktivitäten engagiert. Unterstützung fanden sie bei der baskischen Regionalregierung. Aber auch Rechtsanwaltsverbände traten couragiert gegen die Einschränkung von Grundrechten durch die Antiterrorismusgesetze auf.

Die Einstellung der Bevölkerung zu den illegalen Formen der Terrrorismusbekämpfung ist von großer Bedeutung, für den Konsolidierungsgrad der Gesellschaft. Erstaunlicher Weise zeigen die Umfragen eine große Ablehnung von illegalen Formen der Terrorismusbekämpfung, sowohl während des Höhepunkts des ETA-Terrors als auch heute.

- Judikative

Die Justiz spielt eine ambivalente Rolle in diesem Prozeß. Auf der einen Seite wurden Schuldige durch progressive Elemente der Judikative ermittelt und verurteilt. Auf der anderen Seite verweigerten reaktionäre Teile der Justiz lange die Zusammenarbeit mit Frankreich, um die GAL-Morde aufzuklären. Verdächtige wurden nicht ausgeliefert, Akten jahrelang nicht bearbeitet. Die Prägung der Justiz durch Personal der Franco-Ära war offensichtlich. Besondere Bedeutung wird hier die Verquickung von Justiz und Politik erhalten.

Die Untersuchung der vorgestellten Blöcke darf nicht in Form einer isolierten Betrachtung der einzelnen Teile als geschlossene Systeme vollzogen werden. Die Dynamik des komplexen Prozesses erschließt sich gerade im Erkennen ihrer wechselseitigen Abhängigkeiten.

Abschließend sollen die Zwischenergebnisse der einzelnen Blöcke zusammengefaßt werden und in eine letzte Diskussion eingebunden werden.

1. Hauptteil

1.1. Problemszenario

Linz und Stepan (1996b: 23) beschreiben ethnische Konflikte in multinationalen Staaten als eine der größten Hürden auf dem Weg zur demokratischen Konsolidierung. Augenfällig ist dies im Fall des Baskenlandes, wo eine militante nationalistische Minderheit den Konsolidierungsprozeß des gesamten Staates mit terroristischen Aktionen auf die Probe stellt (vgl. Peréz-Díaz 1996). Ganz andere Verlaufsformen der Konfliktlösung sind möglich, denkt man an die beiden anderen „historischen Regionen“, Katalonien und Galizien.

Ein stateness -Problem wird definiert als grundlegende Differenz darüber, „...which demos...should be members of that political community“ (Linz/ Stepan 1996: 16). Daß dieses Problem mit der Transformation des unitaristischen Spaniens in den Estado de las Autonomías als gelöst betrachtet werden kann, wäre kurzsichtig. Zwar gelang es, einen weitgehenden Konsens über die Zugehörigkeit des Baskenlandes zu Spanien zu erreichen, welche einflußreiche Rolle jedoch der baskische Nationalismus noch immer spielt, zeigen sowohl ETA als auch die GAL. So muß der hohe ethnisch-linguistische Fragmentierungsgrad in Spanien als ein die politische Agenda bestimmender Faktor gelten.

Linz und Stepan (1996: 28) sprechen davon, daß die Frage, wer zum Staatsvolk gehört, nie ein Thema für den spanischen Staat wurde und benennen damit ein grundlegendes Problem: Der spanische Staat weigerte sich, viele Forderungen der baskischen Nationalisten zu diskutieren und brachte sich damit um eine politische Lösung des Problems.

ETA[21] begann seinen Kampf 1959 zunächst als Antwort auf die Repression des Franco-Regimes, das jede Form des baskischen Regionalismus drastisch unterdrückte. Die unverhältnismäßige Reaktion des Regimes auf die zunehmend gewaltsame Form des baskischen Protests mit Massenverhaftungen, Folterungen und Schauprozessen beschleunigten die legitimatorische Erosion der Diktatur. Auch die Ermordung des designierten Franco-Nachfolgers, Carrero Blanco, durch ETA im Jahr 1973 trug zum Ende des Systems bei.

Nach dem Ende der Diktatur, in der Phase der Verhandlungen über die Verfassung sowie die Ausgestaltung der Autonomie des Baskenlandes, intensivierte sich der ETA-Terror gegen Angehörige der Sicherheitskräfte[22], die von ETA als Verkörperung einer Unterdrückung durch den spanischen Staat wahrgenommen wurden. Der Terror richtete sich in zunehmender Weise gegen Unbeteiligte und erreichte schließlich 1980 seinen Höhepunkt, womit er zu einer der bedrohlichsten Herausforderungen für die Demokratie wurde (Shabad/ Llera Ramo 1995: 445).[23] In den Jahren 1978-1983, also bis zum Beginn der GAL-Aktionen, verübte ETA 1.422 Anschläge, die 359 Menschenleben forderten. Eine ineffiziente polizeiliche Terrorismusbekämpfung konnte dieser Entwicklung nichts entgegensetzen.

Ziel der Terrororganisation war es, das entstehende demokratische System solange zu destabilisieren und eine Konsolidierung zu verhindern, bis ETA als Verhandlungspartner in politischen Fragen anerkannt würde und an einen Waffenstillstand Forderungen knüpfen könnte (Domínguez Iribarren 1998: 218, 227). Seit der Verabschiedung der spanischen Verfassung und des Autonomiestatuts für das Baskenland (1978/79) richtet sich das Ziel von ETA auf eine Revision der Verfassung in Richtung eines breiteren Selbstbestimmungsrechts der Basken, die Möglichkeit der Integration weiterer Provinzen ins Baskenland und den Abzug aller spanischen Sicherheitskräfte.[24]

Liebert (1995: 123) faßt die Entwicklung 1979-81 als „Katastrophendynamik“ zusammen: In einer Eskalation von Störfaktoren gewannen Anti-Systemkräfte an Unterstützung, die politische Gewalt nahm stark zu, Protestaktivitäten manifestierten sich öffentlich, das Militär politisierte sich erneut. Die Gewaltspirale erreichte in dem Putschversuch vom 23.2.1981 durch Zivilgardisten ihren Höhepunkt. Zu dieser Zeit stellten zwei Tatsachen unmißverständlich die Weichen auf den Konsolidierungskurs: die Loyalität des Königs zur demokratischen Verfassung während des Putsches sowie die Wahl des PSOE im folgenden Jahr durch eine große Mehrheit an Wählern.[25]

Mit der Ermordung General Ramons machte ETA jedoch unmißverständlich deutlich, daß sich für sie mit dem Wahlsieg des PSOE prinzipiell nichts änderte. Allerdings ging der Terror seit 1981 sukzessiv zurück; zum einen aufgrund des Gewaltverzichts eines Arms von ETA, ETA político-militar, aber auch aufgrund der neuen Regierungszusammensetzung in Vitoria und Madrid (Shabad/ Llera Ramo 1995: 456).

Die Terrorismusbekämpfung wurde gravierend durch die fehlende Unterstützung von Seiten Frankreichs beeinträchtigt, schließlich galt der baskische Teil Südfrankreichs als sicheres Rückzugsgebiet für Hunderte Etarras, die in Spanien operierten. Diese Praxis ergab sich zum einen aus einer liberalen Rechtstradition Frankreichs, die auch Gewalttätern, so sie politisch motiviert handelten, unter bestimmten Umständen Asyl gewährt sowie aus einem Handel mit ETA, der den Frieden im französischen Teil des Baskenlandes mit der Duldung der Etarras erkaufte. Eine radikale Abkehr von dieser Praxis erfolgte ab Juni 1984, als Frankreich selbst zunehmend Schauplatz terroristischer Aktivitäten verschiedenster Organisationen wurde und es der spanischen Regierung in bilateralen Verhandlungen gelang, auf Frankreich einzuwirken.

Zunächst wurden einige Etarras aus dem Süden in den Norden Frankreichs umgesiedelt, andere nach Panama ausgewiesen. Später wurden den ersten spanischen Auslieferungsersuchen stattgegeben. Mitte 1986 begann die neue französische Regierung unter Premierminister Chirac mit der verstärkten Ausweisung von Etarras nach Spanien.

1.2. Terrorismusbekämpfung jenseits rechtsstaatlicher Grenzen 1983-87: Die GAL

Schon Mitte der 70er Jahre entfesselte sich ein rechter Gegenterror[26], meist von Armeeangehörigen und Mitgliedern der Guardia Civil getragen, der sich gegen ETA, aber auch gegen andere oppositionelle Kräfte sowie den Transitionsprozeß selbst richtete.[27] Dieser „terror parapolicial“ (Morales 1988: 23) stand in Verbindung mit verschiedenen staatlichen Sicherheitsorganen, erhielt von ihnen Informationen und im Falle einer Verhaftung konnten die Täter mit Milde rechnen (Reinares 1989: 627). An diese Formen gewalttätigen Gegenterrors knüpften die Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL) an. Sie traten erstmals in Erscheinung, als am 16.10.1983 vier spanische Polizisten in Südfrankreich versuchten, ein ETA-Mitglied zu entführen, um auf diese Weise ein Faustpfand für einen von ETA festgehaltenen Militär zu bekommen. Sie wurden jedoch von der französischen Polizei gestellt, die Geisel von ETA erschossen.[28] Die spanischen Polizisten wurden bald auf freien Fuß gesetzt und konnten sich nach Spanien absetzen. In Abwesenheit wurden sie zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die französischen Richter beklagten die Blockadehaltung der spanischen Behörden bei der Aufklärung des Falls.

Bei den folgenden ca. 30 Anschlägen der GAL wurden 28 Personen getötet.[29]

Ziel der Anschläge war die physische Auslöschung der exilierten ETA-Mitglieder, die Schaffung eines Klimas der Angst in ihrem Rückzugsgebiet sowie eine Eskalation der Gewalt in Südfrankreich, die die französische Regierung dazu bewegen sollte, massiv die Ausweisung von Etarras nach Spanien zu betreiben (Letamendia Belzunce 1994: 26). Zusätzlich wollten die für die Terrorismusbekämpfung zuständigen staatlichen Organe, die als Initiatoren der GAL gelten dürfen, nur aus einer Position der Stärke heraus mit ETA Verhandlungen beginnen (Miralles/ Arques 1989: 149).

Den Recherchen Miralles und Arques zufolge wurde der Beginn von „direkten Aktionen“ gegen ETA von der sog. Junta Antiterrorista dirigiert. Teil dieser Runde, die sich im Innenministerium traf, waren General Casinello, der Direktor für Staatssicherheit im Innenministerium, Rafael Vera, sowie Francisco Álvarez, Chef der Informationsdienste der Polizei, der eine Schlüsselrolle in fast allen GAL-Aktionen spielte (ebd.: 152f.).

Wurde auf die GAL-Morde im Baskenland mit Demonstrationen und Streiks reagiert, so hielt sich die PSOE-Regierung mit Kritik zurück und gebrauchte die Formel des „terrorismo de respuesta“ - eines antwortenden Terrorismus, der ursächlich mit dem ETA-Terror verknüpft sei (Letamendia Belzunce 1994: 27).

1987 endeten die Aktionen der GAL. Unterschiedliche Meinungen begründen dies zum einen mit dem Erreichen ihres Zieles (Frankreich unter Druck zu setzen, das Rückzugsgebiet für Etarras zu schließen) zum anderen mit dem Versiegen der Geldquelle aus dem Innenministerium, dem schließlich auffiel, daß die Kontaktpersonen der Bilbainer Polizei keine zuverlässigen Partner waren, sie unfähige Söldner verpflichteten und sich selbst in schamloser Weise bereicherten.

Umstritten ist, ob die GAL-Aktionen wirklich irgendeinen Erfolg im Rahmen der ETA-Bekämpfung hatten. Nach offizieller Darstellung erfolgte die Auslieferung von ETA-Aktivisten aus Südfrankreich aufgrund bilateraler Gespräche zuerst zwischen González und Mitterand im Dezember 1983 und dem folgenden Treffen der Innenminister. Andere Darstellungen sehen ein wirkliches Umschwenken der französischen Politik erst durch die Regierung Chirac ab 1986. Schwerlich läßt sich ein Kausalzusammenhang zwischen den GAL-Morden und der französischen Abschiebepraxis belegen.

Von einer substantiellen Schwächung ETAs durch die Ermordung von einzelnen Mitgliedern kann in keinem Fall gesprochen werden. Vielmehr profitierte ETA durch den gestärkten Zusammenhalt der Basken in Südfrankreich, der durch den GAL-Terror entstand. Nur wenige zogen das Leben in einem Wiedereingliederungsprogramm in Spanien der Situation in Südfrankreich vor. Zusätzlich konnte die ETA-Führung verschärfte Formen von Terrorakten ihrererseits als „Antwort“ auf die GAL vor ihrer sozialen Basis rechtfertigen (Morales 1988: 104).

Augenfällig ist das mitunter unprofessionelle Vorgehen der GAL, die bei 28 Morden zehn Unbeteiligte töteten. Aufgrund der dilettantischen Vorgehensweise starben nicht nur viele unbeteiligte Personen, es konnten auch viele GAL-Mitglieder festgenommen werden.[30] Sie setzten sich aus spanischen Polizisten sowie Auftragsmördern aus der Marseiller Unterwelt zusammen. Aufgrund der begrenzten Loyalität zu ihren Auftraggebern konnten bald Amedo Fouce, Polizeiinspektor in Bilbao sowie sein Untergebener, Domínguez, als direkte Organisatoren ermittelt werden. 1991 wurden sie wegen zweier Bombenanschläge auf südfranzösische Bars (nicht wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande) zu 108 Jahren Haft verurteilt, ohne damals ihre Schuld eingestanden zu haben. Trotz vieler Hinweise, daß beide nur das vorletzte Glied in einer langen Befehlskette waren, die, wie sich später herausstellte, bis in die Regierung reichte, wurde der Fall abgeschlossen - einige „schwarze Schafe“ im Polizeiapparat hatten offenbar in Eigenregie staatliche Mittel aus den Geheimfonds des Innenministeriums dazu verwendet, einen schmutzigen Krieg gegen ETA zu initiieren - so die offizielle Lesart.[31] Angesichts der Urheberschaft der Verbrechen ist es nicht übertrieben, bereits zu diesem Zeitpunkt von Staatsterrorismus zu sprechen. Die Hoffnung der vielen in den Caso GAL Verwickelten sowie großer Teile der Bevölkerung, einen Schlußstrich unter die tragische Zeit der eskalierenden politischen Gewalt in Spanien ziehen zu können, sahen sich enttäuscht, als Amedo und Domínguez sich entschieden, die eigentlichen Initiatoren der GAL offenzulegen.[32]

In einem schwer zu entwirrenden Zusammenspiel von korrupten Polizisten, PSOE-Funktionären, ambitionierten Juristen, Geheimdienstlern, Journalisten und anderen konnte zumindest in einem Fall, dem Caso Marey, die Befehlskette bis zum damaligen Innenminister, Barrionuevo, rekonstruiert werden. Als Initiator der Entführung von Segundo Marey 1983 wurde er 1998 zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Am 10.9.1998 trat er zusammen mit seinem ehemaligen Staatssekretär R. Vera die Haftstrafe an. Mit ihnen wurden zehn hohe Polizeifunktionäre und Mitarbeiter des Innenministeriums verurteilt. Noch vor Ende des Jahres konnten sie, bis auf zwei von ihnen, das Gefängnis wieder verlassen. Auf Empfehlung des Obersten Gerichtshofs begnadigte die PP-Regierung zehn der zwölf Verurteilten im Caso Marey.[33]

Die 28 Morde der GAL wurden noch nicht juristisch verfolgt[34], als systematisch agierende, bewaffnete Bande wurde die Existenz der GAL nie juristisch bestätigt, es wurden also lediglich einzelne Straftaten ohne den Zusammenhang zu einer größeren Organisation untersucht. So steht die Aufarbeitung der GAL noch lange nicht an ihrem Endpunkt. Mit der Verurteilung Barrionuevos konnte keine juristische Verantwortung des Regierungschefs González abgeleitet werden. Daß er über das Handeln seines Innenministers informiert war, darf jedoch als gesichert gelten (Cotarelo 1996: 65) und auch ohne dieses Wissen ist er - selbst in einer minimalistischen moralischen Sichtweise der politisch Verantwortliche, der sich dieser Verantwortung aber niemals stellte.

Als Teil der Terrorismusbekämpfung und im Sinne des Erhaltes ihrer Macht weigerte sich die Regierung beharrlich, die Aktionen der GAL untersuchen zu lassen und dies auch noch, als spanische Polizisten in Frankreich verhaftet worden waren und die gedungenen Killer längst ausgesagt hatten.

Zusammenfassend können die GAL vorgestellt werden als die Umsetzung von strategischen Entscheidungen der Staatsführung zur Terrorismusbekämpfung, an denen Spitzenfunktionäre des PSOE teilnahmen ebenso wie hochrangige Beamten des Innenministeriums und vielleicht der Ministerpräsident selbst. Finanziert mit Geheimfonds des Innenministeriums, wurde die konkrete Umsetzung in der Polizeidirektion Bilbaos ausgearbeitet und mit Hilfe von Söldnern und spanischen Polizisten ausgeführt.[35]

In dieser Perspektive erscheint es notwendig, die optimistische These zu prüfen, daß Spanien bereits zu einem frühen Zeitpunkt (1982) als konsolidierte Demokratie gelten konnte.

[...]


[1] Der Begriff einer strikten Gewaltenteilung, soll hier vermieden werden. Wie in jedem parlamentarischen System soll von einer Trennung zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit einerseits und der parlamentarischen Opposition andererseits ausgegangen werden.

[2] Zu den journalistischen Darstellungen gehören Álvaro Baeza 1996, Cerdán/ Rubio 1995, García 1988, García Pelegrin 1998, Miralles/ Arques 1989. Einzelne Ansätze einer wissenschaftlichen Annäherung finden sich in Kennedy 1990, Navarro 1995, Ruiz Muñoz 1997. Der Caso GAL hat jedoch noch nicht Eingang in die Untersuchungen des Systemwechsels in Spanien gefunden. So liegen noch keine Arbeiten vor, die den Zusammenhang von Caso GAL und der Konsolidierung der spanischen Demokratie untersuchen.

[3] Um nur einige zu nennen: Ethier 1990, Morlino 1998, O`Donnell 1996, O´Donnell/ Schmitter 1986

[4] Przeworski (1988: 58f.) kann für sich in Anspruch nehmen, die wohl minimalistischste Variante einer Demokratiedefinition gefunden zu haben - die „organized uncertainty.“

[5] Eine wichtige Anmerkung bei der Einschätzung der verschiedenen Konsolidierungskonzepte nimmt Kraus (1996: 263) vor: „Dabei scheint der Begriff der demokratischen Konsolidierung allerdings auch im südeuropäischen Kontext weitaus größere theoretische Definitionsschwierigkeiten aufzuwerfen als der Transitionsbegriff. Letztlich kommen in den einzelnen Vorschlägen zur Bestimmung des heuristischen Stellenwerts, zur inhaltlichen Präzisierung und zur zeitlichen Eingrenzung des Konsolidierungskonzepts auch verschiedene demokratietheoretische Positionen zum Ausdruck.“

[6] Die idealtypische Konzeption Lieberts kann in der Weise erläutert werden, daß „...consolidation should be conceived of not as a „phase“ that follows transition in a neat temporal sequence, but rather as a „process“ that may temporally overlap with that of transition, and the outcome of which is entirely indeterminated“ (Gunther/ Diamandouros/ Puhle 1996: 155).

[7] Für eine differenzierte Abgrenzung von Transition und Konsolidierung siehe Gunther/ Diamandouros/ Puhle 1995.

[8] Kraus (1996: 264) stützt diese Sichtweise auf die Konsolidierung als ein multidimensionales Phänomen „...das in der Regel eine Vielzahl ungleichartiger und sogar relativ widersprüchlicher Entwicklungsmomente einschließt.“

[9] „...consolidation is a much more nebulous concept with considerable uncertainty about its point of termination“ (Pridham 1990: 8).

[10] vgl. u.a. DiPalma 1990, Liebert 1995, Merkel 1995, Pridham 1990. Przeworski 1995, der in seinem handlungstheoretisch eingeengtem Konsolidierungskonzept die Rolle von Institutionen stark vernachlässigt, kann in dem begrenzten Rahmen der Arbeit nicht näher bearbeitet werden.

[11] O´Donnell (1996: 39) beklagt die starke Fixierung auf institutionalisierte Arrangements: „Consequently, calling some polyarchies „consolidated“ or „highly institutionalized“ may be no more than saying that they are institutionalized in ways that one expects and of which one approves. Without a theory of how and why this may happen, it is at best premature to expect that newer polyarchies will or should become „consolidated“ or „highly institutionalized.“

[12] DiPalma (1990) kritisiert das Mehrebenenmodell in mehreren Punkten: Die Einstellungen in der Bevölkerung lassen sich nicht verläßlich operationalisieren. Ergebnisse in diesem Bereich erreichen nur eine sehr begrenzte Validität. Die Stabilität des demokratischen Systems kann auf der Verhaltensebene nicht allein davon abhängen, ob explizit antidemokratische Kräfte existieren. Der Begriff der institutionellen Ebene mißfällt Schmitter (1997) als zu eng, da schließlich auch Entscheidungen nach informellen Regeln, dem Gewohnheitsrecht ähnlich, getroffen werden, die nicht weniger demokratisch als formelle sein müssen.

[13] Morlino (1998: 21) geht von einer Zeitdauer von ca. zwölf Jahren oder drei regulären Legislaturperioden aus.

[14] Daß dieser Test die Wirklichkeit nur unzureichend abzubilden vermag, zeigt das Beispiel Bundesrepublik Deutschland, die erst im Jahr 1982 das Kriterium für eine konsolidierte Demokratie erfüllt hätte.

[15] Dazu Huntington (1991: 263): „Democracy becomes consolidated when people learn that democracy is a solution to the problem of tyranny, but not necessarily to anything else.“

[16] O´Donnells (1996) grundsätzliche Kritik an dem Junktim von Demokratie und Konsolidierung als heuristisch wenig erhellend, muß zurückgewiesen werden. Die Einschätzung, ob der Systemwechsel irreversibel war und welche Überlebenschancen das neue Gefüge besitzt, ist ein essentielles Erkenntnisinteresse.

[17] Die Problemlast, die die Konsolidierung seit Ende der 70er Jahre behinderte, erreichte 1981 ihren Höhepunkt. Daß man nicht von einer „Ad-hoc-Konsolidierung“ 1982 ausgehen kann, wird unter 1.3. ausführlich begründet.

[18] Im Sinne einer Offenlegung des normativen Anspruchs dieser Arbeit soll die tiefgreifende Konsolidierung des politischen Systems als erstrebenswertes Ziel gelten.

[19] Domínguez Iribarren (1998: 217) sieht Zeitungen als wichtigste Quelle für Arbeiten, die sich mit dem Terrorismus in Spanien auseinandersetzen.

[20] Versuche einer quantitativen Herangehensweise existieren durchaus (z.B. Schedler 1997), jedoch expliziert vor allem das zu stark verengte Verständnis von Konsolidierung als „expected regime stability“ in keiner Weise, welche Forderungen an das demokratische Arrangement gestellt werden, und auch die Festlegung der Wahrscheinlichkeit des Systemerhalts ab einem bestimmten statistischen Wert erscheint willkürlich.

[21] Hier und im folgenden kann im einzelnen nicht zwischen den einzelnen Unterorganisationen differenziert werden, aus denen sich der militante Kern von ETA zusammensetzt: ETA militar, ETA político-militar, ETAVIII, ETAKAS, Comandos Autónomos Anticapitalistas, KIBAETAM.

[22] Die Strategie, die militärische Hierarchie zu treffen, erschien besonders wirkungsvoll im Sinne einer Systemdestabilisierung, da innerhalb der Streitkräfte besonders starke Spannungen zwischen continuistas und reformistas bestanden (Iribarren Domínguez 1998: 225).

[23] Domínguez Iribarren (1998: 223) zählt 1978-82 236 getötete Zivilisten, 159 Zivilgardisten, 117 Nationalpolizisten, 75 Armeeangehörige, 15 Mitglieder der lokalen Polizei sowie 4 Angehörige der autonomen baskischen Polizei.

[24] Das ideologische Programm von ETA, Alternativa KAS, enthält außerdem die Forderung nach der Privilegierung der baskischen Sprache und unterstreicht die Solidarität mit der Arbeiterklasse.

[25] „La victoria socialista es...expresión clara de que el pueblo español mayoritariamente se identifica con la democracia y quiere su consolidación“ (Sotelo 1986: 168).

[26] Zu nennen ist hier vor allem das Batallón Vasco Español (BVE), die Alianza Apostólica Anticomunista (AAA) und der Anti-Terrorismo-ETA (ATE). Insgesamt kostete dieser rechte Terror 1976-1982 73 Leben (nach Shabad/ Llera Ramo 1995: 441).

[27] Der traurige Höhepunkt war der Mord an sechs sozialistischen Anwälten in Madrid 1977 („Atocha-Morde“).

[28] Später wurde die vereitelte Entführung vom Innenminister Barrionuevo als „humanitäre Aktion“ bezeichnet, um das Leben des Militär zu retten (zit. nach Miralles/ Arques 1989: 158).

[29] Die genaue Zählweise schwankt, da die Urheberschaft verschiedener Anschläge nicht zweifelsfrei belegt werden kann. Die GAL verzichteten weitgehend auf eindeutig identifizierbare Selbstbezichtigungen.

[30] Miralles und Arques (1989: 170) zitieren Polizisten, die sarkastisch vom „terrorismo a la española“ sprechen und sich nicht nur ob der verbrecherischen Praktiken ihrer Kollegen erregen, sondern vor allem über deren Unfähigkeit, die die spanische Polizei bloßstellen würde.

[31] Selbst die PSOE-nahe Zeitung El País (19.10.1988) konstatierte, daß neben den angeklagten Amedo und Domínguez „...es el terrorismo de Estado lo que se sentará en el banquillo (des Gerichts, der Verfasser).“

[32] Der Sinneswandel hatte damit zu tun, daß die Verurteilten nicht wie gehofft, eine schnelle Haftentlassung erfuhren, und das Innenministerium ihre luxuriösen Bezüge strich.

[33] Ramonedo urteilt hierzu im El País (24.12.1998): „El indulto no eleva precisamente el prestigio de la política... En la clase política funcionan los reflejos gremiales, de que cierta conciencia de casta les impide aceptar que uno de los suyos tenga que sufrir las mismas servidumbres que un delicuente callejero.“

[34] Seit Mai 1999 wird allerdings die Finanzierung des Attentats auf Santiago Brouard, einem Dirigenten der ETA-nahen nationalistischen Partei Herri Batasuna (HB) Ende 1984 von der Staatsanwaltschaft untersucht.

[35] Diese Zusammenfassung berücksichtigt nicht die Beteiligung der spanischen und französischen Geheimdienste, der Guardia Civil und der spanischen Armee, die noch nicht zweifelsfrei geklärt sind.

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Die Konsolidierung der spanischen Demokratie und der Caso GAL
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Note
1,5
Autor
Jahr
1999
Seiten
95
Katalognummer
V38810
ISBN (eBook)
9783638377744
Dateigröße
744 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konsolidierung, Demokratie, Caso
Arbeit zitieren
Henrik Flor (Autor:in), 1999, Die Konsolidierung der spanischen Demokratie und der Caso GAL, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38810

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