Betrachtet man die Auseinandersetzung der Politik, Medien und Wissenschaft mit der Roten Armee Fraktion fällt auf, daß es bis auf wenige Ausnahmen an einer kritischen Betrachtung der Sprache der RAF fehlt. Durch restriktive Gesetze wie den Radikalenerlaß
sowie die von Heinrich Böll in seinem Artikel ,,Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?"
angeprangerte Vorverurteilungen und Hatz gegen sogenannte Sympathisanten und vermeintliche Täter von Seiten der Medien, wurde in der bundesrepublikanischen Gesellschaft der siebziger Jahre eine emotional aufgeladene Atmosphäre geschaffen, in der ein differenzierter Umgang mit dem Phänomen RAF fast unmöglich war. Die für das Selbstkonzept der RAF entscheidende Freund - Feind, Gut - Böse, Mensch - Schwein Dichotomie wurde von Seiten des Staates sowie der Medien und der Wissenschaft übernommen. Kritiker der jeweiligen Seite wurden als Opportunisten, ,,Schleimscheißer" und ,,Arschlöcher" bzw. ,,Sympathisanten" abgetan und somit politisch und sozial diskreditiert.1 Es verwundert daher nicht, daß die wenigen Aussagen über die Sprache der RAF, die sich in wissenschaftlichen und anderen Veröffentlichungen der 70er und 80er
Jahre finden, eher dadurch motiviert sind, den 'Gegner' pauschal zu verunglimpfen, als dadurch, den Versuch einer möglichst vorurteilsfreien Analyse und Kritik der RAF 3 Sprache zu unternehmen. Beispielhaft für eine undifferenzierte Auseinandersetzung mit der Sprache der RAF ist die Aussage Günter Rohrmosers, der behauptet, daß die ,,Texte [des neuen politischen Terrorismus] den Eindruck sprachlicher Deformation, Verwilderung
und den einer Monotonie vermitteln, die alle Züge einer geistig-kulturellen Regression an sich trägt."2 Auch H. Kuhns Feststellung, die Radikalen von heute würden unmittelbar an das Zerstörungswerk der Nationalsozialisten anknüpfen, scheint programmatisch für den
damaligen Stil der Auseinandersetzung mit der Sprache der RAF zu sein.3 Diese Art der Sprachkritik steht in einer Tradition, die aufgrund ihres wertenden Charakters Anlaß zu Kritik von Seiten der strukturalistisch geprägten Sprachwissenschaft gab.
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1 ,,Die Rote Armee aufbauen. Erklärung zur
Befreiung Andreas Baaders vom 5. Juni 1970." In:
ID-Verlag (1997). A. Musolff (1989) weist darauf[...]
2 Rohrmoser, Günter (1981). S.278
3 Kuhn, H. (1975). ,,Despotie der Wörter. Wie man
mit der Sprache die Freiheit überwältigen kann." In:
Kaltenbrunner (1975). S. 14
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Sprachkritik vs. Sprachwissenschaft: Aufgaben und Ziele linguistisch begründeter Sprachkritik.
- 2.1 Das Verhältnis von Sprachkritik und Sprachwissenschaft
- 2.2 Zum systematischen Ort einer linguistisch fundierten Sprachkritik
- 3. Zur Sprache der RAF: Ein Überblick
- 3.1 Die RAF und ihr Selbstverständnis
- 3.2 Die Sprache der RAF: Lexikalische Aspekte
- 3.3 Argumentationsstruktur: Eine Analyse
- 4. Analyse der Argumentationsstruktur: Exemplarische Auswertung von Texten der RAF
- 4.1 Die „Massen“ als Objekt der RAF-Propaganda
- 4.2 Die Rhetorik des „Gegners“
- 4.3 Der Kampf gegen den „Unterdrückungsapparat“
- 5. Zusammenfassung: Die Sprache der RAF als Instrument der Revolution
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Sprache der Roten Armee Fraktion (RAF) und zielt darauf ab, eine sprachkritische Analyse der RAF-Texte zu liefern. Ziel ist es, die lexikalischen Besonderheiten sowie die Argumentationsstrukturen der RAF-Sprache aufzudecken und deren Funktion im Kontext des RAF-Selbstverständnisses zu untersuchen.
- Sprachkritik und Sprachwissenschaft
- Die Sprache der RAF: Lexikalische Aspekte und Argumentationsstruktur
- Analyse der Argumentationsstruktur in RAF-Texten
- Die Funktion der RAF-Sprache im Kontext der Revolution
- Das Verhältnis von Sprache und politischer Ideologie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der sprachkritischen Analyse der RAF-Sprache ein und erläutert die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise. Kapitel 2 beleuchtet das Verhältnis von Sprachkritik und Sprachwissenschaft, insbesondere den Streit zwischen einer wertenden Sprachkritik und einer strukturalistischen Sprachwissenschaft. Kapitel 3 bietet einen Überblick über die Sprache der RAF und behandelt das Selbstverständnis der Gruppe sowie lexikalische Besonderheiten und Argumentationsstrukturen.
Schlüsselwörter
Rote Armee Fraktion, Sprachkritik, Sprachwissenschaft, Argumentationsstruktur, Lexik, politische Ideologie, Revolution, Propaganda, Terrorismus.
- Arbeit zitieren
- Johannes Klaas (Autor:in), 1999, Eine sprachkritische Auseinandersetzung mit der Sprache der Roten Armee Fraktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3882