Das Thema dieser Arbeit ist die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit von Sätzen der propositionalen Einstellung worunter ich im Folgenden verstehe, dass von einem Satz, der eine propositionale Einstellung wie glauben, hoffen, denken, urteilen usw. enthält, gesagt werden kann, er sei wahr oder falsch. Um diese Frage zu beantworten, vergleiche ich drei prominente Positionen mit einander.
Im ersten Teil befasse ich mich mit Wittgensteins Analyse psychologischer Satzformen im Tractatus und zeige, dass und warum er die betreffende Frage vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung mit Russells Urteilstheorie letztlich verneint.
Der zweite Teil enthält eine Auseinandersetzung mit der Position Quines, demzufolge Sätze der propositionalen Einstellung nur unter bestimmten Voraussetzungen wahr sein können. Das Hineinquantifizieren in intentionale Kontexte führe zu referentieller Opazität, was gegen ihre Wahrheitsfähigkeit spricht, da sich ihre Referenz nicht eindeutig bestimmen lässt. Diesen Punkt verdeutlicht er am Beispiel von Ralphs Glauben hinsichtlich des Spion-Seins oder Nicht-Spion-Seins derselben Person (Bernard J. Ortcutt) in unterschiedlichen Erscheinungsweisen. Da das Referenzobjekt in diesem Zusammenhang nicht eindeutig zu bestimmen ist, kann die Frage danach, ob Ralph Ortcutt für einen Spion hält oder nicht, nicht sinnvoll beantwortet werden. Ein weiterer Punkt, auf den ich im zweiten Teil eingehen werde, ist Quines Ablehnung gegenüber modalen Kontexten. Auch diese führen seiner Ansicht nach zu referentieller Opazität, was ein Grund für seine Ablehnung gegenüber der Modallogik ist.
Gerade eine modallogische Semantik ermöglicht es Graham Priest zufolge jedoch ein paradoxes Argument, das die Identität derselben Person in unterschiedlichen Erscheinungsweisen sowie einen intentionalen Kontext enthält, zu berücksichtigen, wodurch die Paradoxie aufgelöst wird, wie ich im dritten Teil herausstelle. Das Modell, das Priest für diese Lösung konstruiert, macht es zudem möglich, eine widerspruchsfreie Antwort auf Quines Frage danach zu geben, ob Ralph von Bernard J. Ortcutt glaubt, er sei ein Spion oder nicht.
Priest zufolge sind Sätze, die propositionale Einstellungen enthalten, somit wahrheitsfähig, Quine zufolge nur unter bestimmten Voraussetzungen, wobei der propositionale Bezug zu berücksichtigen ist, und Wittgenstein lehnt zumindest Russells Position ab. Ein Vergleich dieser Positionen sowie eine kritische Auseinandersetzung erfolgt in den Zwischenfazits.
Inhaltsverzeichnis
- Verzeichnis der logischen Symbole
- Einleitung
- 1. Wittgensteins Kritik an der Wahrheitsfähigkeit von „gewissen Satzformen der Psychologie\" im Tractatus
- 1.1 Bertrand Russell: „,Wahrheit und Falschheit“
- 1.2 Wittgenstein über „gewisse Satzformen der Psychologie“ – 5.541
- 1.2.1 Die allgemeine Form des Satzes
- 1.2.2 Die Wahrheitsoperationen
- 1.2.3 Der,,Satz im Satze“
- 1.3 Wittgensteins Analyse der Form psychologischer Sätze – 5.542
- 1.4 Zwischenfazit 1
- 2. Quines quantorenlogische Analyse von Sätzen der propositionalen Einstellung
- 2.1 Wahrheit und Falschheit und die Stellung der Logik in Quines,,Begriffsnetz“
- 2.2 Propositionale Einstellungen und referentielle Opazität – Die extensionale Interpretation
- 2.2.1 Referentielle Opazität
- 2.2.2 Referenz und Existenz
- 2.2.3 Referenz und Identität
- 2.2.4 Die Wahrheit von Äußerungsereignissen und Propositionen
- 2.3 Propositionale Einstellungen und referentielle Opazität – Die intensionale Interpretation
- 2.4 Modale Kontexte und referentielle Opazität
- 2.5 Modalitäten de dicto und de re
- 2.6 Zwischenfazit 2
- 3. Graham Priests Intentionalitäts-Semantik mit Identität
- 3.1 Die Paradoxie des Verhüllten
- 3.2 Quines Paradoxie
- 3.3 Kennzeichnungen und Identität über mögliche Welten
- 3.4 Priest über Frege und das SI-Problem – Unterscheidung von Referenz und Konzept eines Eigennamens
- 3.5 Das Argument in de-dicto- und de-re-Lesart
- 3.6 Die Lösung der Paradoxie des Verhüllten
- 3.7 Die Anwendung der Lösung der Paradoxie auf Quines Ortcutt-Situation
- 3.8 Zwischenfazit 3
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage nach der Wahrheitsfähigkeit von Sätzen der propositionalen Einstellung. Dabei werden drei prominente Positionen – Wittgenstein, Quine und Priest – miteinander verglichen und kritisch analysiert. Das Ziel ist es, die unterschiedlichen Ansätze zu verstehen und zu bewerten, um eine umfassende Antwort auf die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit von Sätzen der propositionalen Einstellung zu geben.
- Wittgensteins Kritik an der Wahrheitsfähigkeit psychologischer Sätze
- Quines quantorenlogische Analyse von Sätzen der propositionalen Einstellung
- Priests Intentionalitäts-Semantik mit Identität
- Die Rolle von referentieller Opazität in der Analyse propositionaler Einstellungen
- Die Bedeutung von modalen Kontexten für die Wahrheitsfähigkeit von Sätzen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel analysiert Wittgensteins Position zur Wahrheitsfähigkeit psychologischer Sätze im Tractatus und zeigt seine Kritik an Russells Urteilstheorie. Es wird herausgestellt, warum Wittgenstein diese Sätze als nicht wahrheitsfähig betrachtet, da ihre Form nicht der allgemeinen Satzform entspricht.
Das zweite Kapitel befasst sich mit Quines quantorenlogischer Analyse von Sätzen der propositionalen Einstellung. Es werden die Voraussetzungen beleuchtet, unter denen diese Sätze wahrheitsfähig sein könnten, sowie die Problematik der referentiellen Opazität in intentionalen Kontexten. Quines Ablehnung von modalen Kontexten wird ebenfalls diskutiert.
Das dritte Kapitel stellt Priests Intentionalitäts-Semantik mit Identität vor und erläutert, wie diese eine paradoxe Situation, die die Identität derselben Person in verschiedenen Erscheinungsweisen beinhaltet, auflösen kann. Es wird gezeigt, wie Priests Modell eine widerspruchsfreie Antwort auf Quines Frage nach dem Wahrheitswert von Sätzen über propositionale Einstellungen ermöglicht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt zentrale Themen der Sprachphilosophie und der Logik. Zu den wichtigsten Schlüsselbegriffen zählen: Propositionale Einstellung, Wahrheitsfähigkeit, Referentielle Opazität, Modale Kontexte, Intentionalitäts-Semantik, Tractatus, Russell, Wittgenstein, Quine, Priest. Diese Begriffe werden im Kontext der Frage nach der Wahrheitsfähigkeit von Sätzen analysiert, die propositionale Einstellungen ausdrücken.
- Quote paper
- Christian Dörnte (Author), 2017, Die Wahrheitsfähigkeit von Sätzen der propositionalen Einstellung. Wittgenstein, Quine und Priest, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388264