Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Rechtspopulismus
3. Parteienfamilien
3.1. Die rechtspopulistische Parteienfamilie
3.1.1. Organisatorische Merkmale
3.1.2. Wählerstruktur und Entstehungshintergrund
3.1.3. Ideologische Merkmale
4. Die 'Alternative für Deutschland'
4.1. Entstehungshintergrund der 'Alternative für Deutschland'
4.2. Chronik der AfD
4.3. Analyse der 'Alternative für Deutschland' im Bezug auf rechtspopulistische Merkmale
4.3.1. Programmatik und politische Leitlinien
4.3.2. Entstehungshintergrund
4.3.3. Mitglieder
4.3.3.1. Mitglieder aus rechten Vereinigungen
4.3.3.2. Mitgliederaussagen
4.3.4. Wählerschaft
5. Vergleich mit anderen rechtspopulistischen Parteien Europas am gewählten Beispiel des Front National
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) sorgt seit ihrer Gründung 2013 für großes mediales Aufsehen in der Gesellschaft. Innerhalb kürzester Zeit konnte sie in das Europaparlament, sowie in mehrere Landtage einziehen. Den Einzug in den Bundestag verfehlte sie nur knapp.
Die vorliegende Hausarbeit versucht eine Einordnung der AfD in das deutsche Parteienspektrum bzw. die Zuordnung zu einer Parteienfamilie. Da die AfD oftmals mit dem Rechtspopulismus in Verbindung gebracht wird, ist die Frage nach der Zugehörigkeit der AfD zu diesem der thematische Schwerpunkt der Einordnung. Ausgangspunkt ist die Darstellung der rechtspopulistischen Parteienfamilie nach Decker.
Hierzu wird zunächst eine Definition des Rechtspopulismus angeführt. Im weiteren werden die Grundzüge Deckers Darstellung der rechtspopulistischen Parteienfamilie dargelegt und Kriterien aufgestellt, die die Zugehörigkeit zu einer solchen bedingen.
Im Weiteren wird die AfD mit diesen Kriterien verglichen. Hierzu werden sowohl die Programmatik der AfD, als auch Wählerstruktur und die Aussagen einiger Parteifunktionäre betrachtet.
Zusätzlich erfolgt ein Vergleich der AfD mit einer anderen, in der Politikwissenschaft als klar rechtspopulistisch definierten Partei, dem Front National.
Abschließend wird anhand der Kriterien eine Zuordnung der AfD zu der Parteifamilie des Rechtspopulismus oder ggf. einer anderen Parteifamilie vorgenommen. Relevant ist dies vor allem, um im Falle einer Zuordnung zur rechtspopulistischen Parteienfamilie oder eines anderen rechten Milieus angemessene Prävention leisten zu können.
2. Rechtspopulismus
Der Begriff des Populismus, aus dem lateinischen populus: Volk, bezeichnet eine politische Ausrichtung, welcher Volksnähe suggeriert und versucht, aus Emotionen, Vorurteilen und Ängsten der Bevölkerung politisches Kapital zu schlagen (Schubert/Klein 2011).
„Die soziale Basis des Populismus liegt in der Mitte der Gesellschaft, in den selbständigen Mittelschichten. Je stärker diese Schichten von Statusverlust und sozialen Auflösungserscheinungen bedroht sind, desto größer ist die Gefahr einer Fokusverschiebung und der Hinwendung dieser Klientel zu autoritären, meist charismatischen Führern“ (Priester 2007: 44).
Durch die fortschreitende Modernisierung und Flexibilisierung werden herkömmliche Strukturen - „Familie, Soziale Klasse, Nation“ - aufgelöst. Ein Teil der Menschen verkraftet den Verlust dieser Strukturen nicht und ist durch die Neuerungen verängstigt. Sie flüchten sich daher in antiliberale Strukturen und projizieren ihre Angst oftmals auf das andersartige, Fremde (Decker 2013: 15). Diese Gruppe ist das allgemeine Ziel der Populisten. Sie lenken Befürchtungen der Menschen in gewisse Bahnen und brechen komplexe, soziale und ökonomische Prozesse herunter und zeigen vermeintliche Verantwortliche auf (Decker/ Lewandowsky 2009: 1).
Im Mittelpunkt populistischer Parteien steht das 'Volk', welches im Kontrast zur politischen 'Elite' steht, welche nach populistischer Ansicht korrumpiert sei und in 'ihre eigene Tasche wirtschafte' (Ivaldi/ Swyngedouw 2006: 129). Als Teil dieser 'Elite' gelten unter anderem Berufspolitiker_innen, Banken und Großunternehmer_innen. Auch Mitarbeiter_innen der EU stehen unter Generalverdacht, da die EU den Prozess der Supranationalisierung vorantreibt und den populistischen Interessen, die zumeist national bzw. regional orientiert sind, entgegensteht. Weiter gilt sie als Teil des Feindbildes gegenüber dem vermeintlichen Establishments, da durch die voranschreitende Supranationalisierung nationalstaatliche Kompetenzen verloren gehen und man darin ein wachsendes Demokratiedefizit sieht.
Der 'Elite' wird die Verantwortung für soziale und wirtschaftliche Missstände zugeschrieben. Ziel ist es, die 'Elite' ihres politischen Einfluss zu berauben. Ein Teil dieser Anti-Establishment- Orientierung ist unter anderem die Forderung nach Plebisziten, da der Populismus Politik als Ausdruck des allgemeinen Volkswillens versteht (Rensmann 2006: 63). Aufgrund ihres Misstrauens gegenüber anderen politischen Akteuren, bezeichnet man populistische Parteien auch als Anti-Parteien-Partei. Sie tragen daher auch zumeist nicht den Begriff „Partei“ im Namen, sondern nennen sich bspw. „Front National“ oder „Lega Nord“. Populistische Parteien setzen zudem häufig auf starke Führungspersönlichkeiten, die den innerparteilichen Kurs vorgeben (Decker 2013: 301).
„Das "Volk", von dem Populisten sprechen, ist nicht mit der realen »Bevölkerung« zu verwechseln, sondern stellt ein Idealbild dar, das Identität schaffen und Zugehörigkeit vermitteln soll“ (Decker/ Lewandowsky 2009: 1). Diesem Idealbild werden bestimmte Tugenden und Charakteristika zugeschrieben, etwa das des rechtschaffenem Bürgers. Der Populismus führt damit auch zur Ausgrenzung von Minderheiten aufgrund von Herkunft, Kulturzugehörigkeit, sowie sexueller oder religiöser Orientierung. Der Rechtspopulismus setzt hier auf angebliche Merkmale einer nationalen Identität. Folglich steht der Populismus neben einer Anti-Establishment-Orientierung auch für eine Anti-Pluralistische-Haltung, da er die
Heterogenität der Bevölkerung leugnet.
Typisch für populistische Parteien ist des Weiteren das Denken in Schwarz-Weiß bzw. Feindbildern. Diese Feindbilder entstehen durch die Zuweisung von Schuld für gesellschaftliche Missstände auf spezielle Gruppen. In diesem Zusammenhang steht auch die eigene Selbstdarstellung als Opfer (Decker/ Lewandowsky 2009: 1).
Weitere populistische Merkmale sind die Verwendung von Gewaltmetaphern, der Hang zu radikalen Lösungen, fehlende Kompromissbereitschaft sowie gezielte Tabubrüche und Panikmache (Rensmann 2006: 66).
3.Parteienfamilien
Parteienfamilie ist die Sammelbezeichnung für Parteien vergleichbarer ideologischer Ausrichtung. Parteienfamilien sind Staatenübergreifend, allerdings kann es in einem System auch mehrere Vertreter einer Parteienfamilie geben. Diese Vertreter spalten sich in zwei Gruppen:
Vertreter der ersten Gruppe koexistieren innerhalb eines Systems nebeneinander durch eine regionale Trennung. Charakteristisch für Vertreter dieser Gruppe ist, dass sie bei Wahlen nicht gegeneinander antreten.
Vertreter der zweiten Gruppe gehören zwar zur selben Parteienfamilie, sind jedoch ideologisch differenziert. Als Teil der Parteienfamilie vertreten sie zwar eine ideologisch vergleichbare Richtung, stehen aber innerhalb des Systems in Konkurrenz zueinander. Neben der ideologischen Ausrichtung können Parteien auch nach ihren Funktionen innerhalb des politischen Systems, ihrem Entstehungshintergrund, ihrer Wählerstruktur oder ihrer Organisation typologisiert werden. Gerade bei der Analyse populistischer Parteien scheint diese Ausweitung der Kriterien über die ideologischen Merkmale hinaus notwendig, da sowohl Entstehung als auch Organisation einen zentralen Platz innerhalb populistischer Parteien innehaben.
3.1. Die rechtspopulistische Parteienfamilie
Diese Hausarbeit wird sich an Frank Deckers alternativem Typologisierungsvorschlag der rechtspopulistischen Parteienfamilie orientieren, in Abgrenzung zur Typologisierung Cas Muddes (Decker/ Lewandowsky 2011) . Decker sieht den Populismus als ideologisches Hauptmerkmal und nicht mehr als supplementäres Element. Er betrachtet für seine Typologisierung neben dem Ideologischen Merkmal auch Organisation, sowie Wählerstruktur und Entstehungshintergrund einer Partei.
3.1.1. Organisatorische Merkmale
Organisatorisch stilisieren sich rechtspopulistische Parteien als 'Bewegung von unten' und haben zumeist eine charismatische Führungspersönlichkeit. Mit dieser eng verbunden ist die Wähleransprache, welche sich durch „radikale Rhetorik, Appell an Ressentiments [und] gezielte Tabubrüche“ auszeichnet.
3.1.2. Wä hlerstruktur und Entstehungshintergrund
Wählerstruktur und Entstehungshintergrund sind bei populistischen Parteien eng verflochten, da die Betrachtung der Wählerschaft Aufschluss über die Entstehung der Partei gibt. Populistische Parteien sind das Resultat sozialer Modernisierungskrisen und Neuerungen, denen ein Teil der Bevölkerung verängstigt gegenübersteht.[1] Oftmals gehen rechtspopulistische Parteien aus Bewegungen ihrer Gründer hervor.
3.1.3. Ideologische Merkmale
Ideologische Merkmale unterscheidet Decker in drei Richtungen des Populismus:
- Erstens den kulturellen Populismus, indem rechtspopulistische Parteien als Vertreter einer Identitätspolitik begriffen werden. Die Identität kann sowohl durch nationale, als auch durch regionale oder religiöse Strukturen begründet sein. Je stärker das Identitätsthema die Parteipolitik bestimmt, desto stärker ist der Hang der Partei zur Radikalität.
- Zweitens der ökonomische Populismus, der sich wiederum in eine neoliberale und eine sozialökonomische Position unterteilt.
- Drittens der politische oder institutionelle Populismus, welcher sich aus der AntiEstablishment-Haltung des Populismus ergibt. Allgemeiner Gegenstand der institutionellen Systemkritik der rechtspopulistischen Parteien ist die Zugehörigkeit zu internationalen Organisationen wie z.B. die EU. Das Thema EU ist für den populistischen Wahlkampf deshalb bestens geeignet, da es kulturelle, ökonomische und politisch- institutionelle Aspekte in seiner Kritik vereint (Decker/ Lewandowsky 2011: 268-281).
4. Die 'Alternative für Deutschland'
4.1 Entstehungshintergrund der Alternative für Deutschland
Im Oktober 2010 rief der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke das 'Plenum der Ökonomen', als Reaktion auf die, seiner Ansicht nach verhängnisvolle, Eurorettungspolitik der Bundesregierung, ein.
Erstmals fiel das 'Plenum der Ökonomen' am 23. Februar 2012 auf, als es öffentlich die Finanzminister und den geplanten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) kritisierte.
Mitte 2012 gründeten Gegner_innen der Eurorettungspolitik das 'Bündnis Bürgerwille'. Unter deren Erst- und Hauptunterzeichner_innen finden sich u.a. Bernd Lucke, der prominente Eurogegner Hans-Olaf Henkel und Beatrix von Storch, derzeit 2. Stellvertretende Vorsitzende der AfD.
Inhaltlich an das von ihm gegründete 'Plenum der Ökonomen' und dem 'Bündnis Bürgerwille' anknüpfend, gründete Bernd Lucke im September 2012 gemeinsam mit dem CDU- Mittelstandsvertreter Gerd Robanus, dem ehemaligen CDU- Mitglied, früherem Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung und ex- Staatssekretär Alexander Gauland, sowie dem ehemaligen Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondenten der Zeitung 'Die Welt' Konrad Adam die 'Wahlalternative 2013'.
„In ihrem Gründungsaufruf sieht sie die 'Bundesrepublik Deutschland in ihrer schwierigsten Krise ihrer Geschichte' , bezeichnet die Eurorettungspolitik als 'maßlos und unverantwortlich' und setzt sich dafür ein, das einheitliche Eurowährungsgebiet aufzugeben und es allen Staaten freizustellen, 'aus dem Euro auszuscheiden, sich in geeigneteren Währungsverbünden (Nord- und Südeuro) zusammenzuschließen oder Parallelwährungen einzuführen'.“ (Niedermayer 2015: 180)
Da man als Verein nicht an Wahlen teilnehmen konnte, kooperierte man bei den niedersächsischen Landtagswahlen 2013 mit den Freien Wählern. Der erhoffte Erfolg blieb hierbei jedoch aus, sodass man aufgrund dessen und aufgrund inhaltlicher Differenzen die Kooperation beendete. Als Resultat gründete Bernd Lucke gemeinsam mit Konrad Adam und Alexander Gauland am 6. Februar 2013 die 'Alternative für Deutschland', zu deren Unterstützer_innen sich viele Personen aus dem 'Bündnis Bürgerwille' und der 'Wahlalternative 2013' zählten (Niedermayer 2015: 177-181).
4.2.Chronik der AfD
Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte die AfD am 11. März 2013. Am 14. April 2013 folgte dann der Gründungsparteitag, auf welchem Bernd Lucke, Konrad Adam und Frauke Petry zum Parteivorstand gewählt wurden. Stellvertreter wurden Alexander Gauland, Patricia Casale und Roland Klaus.
Der AfD gelang es äußerst schnell, eine landesweite, funktionierende Organisationsstruktur aufzubauen. „Schon vor dem Gründungsparteitag konnten in fünf Bundesländern Landesverbände gegründet werden, die übrigen elf folgten bis Mitte Mai“ (Niedermayer 2015: 184). Des Weiteren konnte die Partei sehr schnell Mitglieder gewinnen, nach eigenen Angaben 10.000 Mitglieder in sieben Wochen (Niedermayer 2015: 184).
Die AfD schaffte es, bis zum Stichtag, dem 17. Juni 2013, alle rechtlichen Normen zu erfüllen und ihren Wunsch nach Partizipation in den anstehenden Wahlen somit fristgerecht anzumelden. Im Vorfeld der Wahl prognostizierten Wahlinstitute der AfD Ergebnisse zwischen 2-3% , vereinzelt Ergebnisse von bis zu 5%.
Bei der Wahl selbst scheiterte die AfD knapp mit 4,7%, , was aufgrund ihrer erst kurz vorausgegangenen Gründung dennoch als „Erfolgreiches Scheitern“ gesehen werden kann (Niedermayer 2015: 175-185).
Während im Zuge des Bundestagswahlkampfes zum Teil versucht wurde, die AfD nicht zu beachten und die Europroblematik nicht zu thematisieren, konnte die AfD 2014 bei den Europawahlen 2014 mit 7% der Stimmen einen Erfolg vermelden (Bundeswahlleiter Ergebnisse der Europawahl 2014).
Einen Ruck nach rechts machte die AfD durch die Gründung der Bürgerbewegung 'Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida)'. Nachdem zunächst in Dresden mehr als 10.000 Menschen zu Montagsdemonstrationen auf die Straße gingen (ZEIT Online 16.12.2014), entstanden unter dem Dach der Pegida- Organisation in vielen Deutschen Städten ähnliche Bewegungen, die gegen die vermeintliche Überfremdung Deutschlands, gegen Gender- Mainstreaming, gegen einen Kulturverlust durch eine Islamisierung und weiteres demonstrierten. Unter diesen Demonstranten befanden sich auch AfD Mitglieder. Aus der Führungsriege der AfD kam Verständnis für die Demonstrant_innen, in Teilen sogar Lob (FAZ Online 09.12.2014; Bender, Justus/ Locke Stefan 2014). Die zu diesem Standpunkt als stellvertretende AfD- Sprecherin tätige Frau Frauke Petry schloss eine Zusammenarbeit mit der Pegida- Bewegung nicht aus (FAZ Online 08.01.2015).
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[1]Siehe Punkt 2. Rechtspopulismus Seite 1f.