Prälokationsboxen. Eine erste Phänomenologie generalisierter Grundeinheiten der Vertebratenhand


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2018

11 Seiten

Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in)


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Leseprobe


PRÄLOKATIONSBOXEN

Eine erste Phänomenologie generalisierter
Grundeinheiten der Vertebratenhand

Übersicht: Bei der Entwicklung von Strömungsbauteilen, insbesondere der Konstruktion von Leit- und Steuertragflächen für Seefahrzeuge nach dem Vorbild der biologischen Mittelhandknochen im Forschungsvorhaben CARPO taucht die Frage auf, in welcher Art und Weise das biologistische Phänomen Eingang findet in den Entwicklungsprozess maritimer Technik. Eine ordinäre Übertragung der biologischen Form auf Strömungstragflächen scheitert aus wenigstens drei Gründen: Die Ergebnisse der biologischen Analyse der Naturwissenschaftler liegen nicht in einer für die Übertragung in Technik geeigneten Form vor. Ingenieure und Designer besitzen keinerlei Erfahrung mit der Übertragung wohluntersuchter Wachstums- und Differenzierungsprozesse in der belebten Natur auf Technik. Duktus und Argumentation in der maritimen Technik vor dem Hintergrund hochflexibler Tragflügelstrukturen müssen als abweisend eingestuft werden.

Survey: In the development of flow components, In particular the construction of control and control surfaces for marine vehicles modeled on the biological metacarpal bones in the research project CARPO, the question arises in which way the biological phenomenon can find its way into the development process of maritime technology. Ordinary transmission of the biological form to flow bearing surfaces fails for at least three reasons: The results of the biological analysis of scientists are not available in a form suitable for transmission in technology. Engineers and designers have no experience with the transfer of well-researched growth and differentiation processes in the living nature of technology. Duktus and argumentation in the maritime technique against the background ofhighlyflexible wing structures must be classified as repellent.

GENERALISIERTE GRUNDEINHEITEN

Die Idee der Prälokations-Box (PLBox) ist die Prälokation geometrischer Merkmale einer Form in generalisierten Koordinaten zum Zweck der numerischen Weiterverarbeitung in Transformationsszenarien. Die in PLBoxen erzeugten, gehegten und dargestellten Muster und Strukturen, gelegentlich als das Motiv einer Transformation bezeichnet, sind „generalisierte" Grundeinheiten biologischer oder artifizieller Formen. Sie sind in der Art und Weise der Organisation ihrer Koordinaten und geometrischen Zusammenhänge einer Transformation beliebigen, in unserem Zusammenhang auch krummlinigen, Koordinatensystemen zugänglich. Zur Transformation einer PLBox wurde zeitgleich und unter Achtung der Daten-kompatibilität das Transformationsverfahren DARCY1 entwickelt, das aus einer generalisierten Grundeinheit expremierte Formen generiert. Die generalisierte Grundeinheit der PLBox ist eine Schar von geordneten Konstruktionspunkten, die mit einer symmetrischen (n,n)-Matrix [0..1Д.1] in einem Gitter generalisierter Koordinaten korrespondiert. Die PLBox kann zur Analyse biologischer Formen dienen und es können Kataster biologischer Formen angelegt werden. Insbesondere die Extremitäten rezenter Wirbeltierskelette sind in einer PLBox abbildbar. In PLBoxen werden Positionsinformationen natürlicher und artifiziel­ler Muster gesammelt und gehegt. Die vornehme Idee der Prälokationsbox ist aber die Synthese artifizieller Muster mit dem Ziel, synthetische Formen nach dem Vorbild biologischer Gestaltungslösungen in der industriellen Produktent­wicklung zu verarbeiten. In diesem Zusammenhang ist Grundsätzliches zur wissenschaftlichen Bionik anzumerken:

Die Bionik entschlüsselt Phänomene aus der belebten Natur mit der Absicht, Technik zu generieren. Sinn der Bionik ist nicht, biologische Formen technisch zu interpretieren. Vielmehr soll das Prinzip einer biologischen Form erkannt und auf Technik angewandt werden. Im speziellen Fall der PLBox bedeutet dies, die Topologie und die mechanisch-kinematische Funktion der Verdebratenhand zu verstehen und daraus Gestaltungsregeln für technische Produkte abzuleiten. Die Übertragung von Erkenntnissen der Biosystemanalyse auf die industrielle Produktentwicklung ereignet sich genau hier: in einem Szenario physikalischer Effekte, Wirk- und Funktionsstrukturen. Prinzipien der Beladung einer Präfor­mationsbox sind Abstraktion, Simplifizierung und Konformität der bearbeiteten Form. Prinzipien der Rücktransformation von Inhalten der PLBox aus dem Bild­in den Funktionenbereich sind Homologie und Plastizität der konformen Abbildung. Dient die PLBox der vereinfachenden Beschreibung eines bilogischen Systems, muss auf die semiotische Konsistenz2 des Motivs seitens der der simplifizierenden Methoden geachtet werden. Die Anwendung der PLBox erfolgt durch eine homologe und hinsichtlich des Bau-, Form- und Gestaltzusammenhangs konformen Transformation aus dem generalisierten (Koordinaten-) System der PLBox in ein krummliniges Koordinatensystem der Objektkoordinaten. Soll die Bedeutung der funktionalen und geometrischen Eigenschaften, des Motivs, welches Gegenstand der Beladung der PLBox ist und ihre in Knotenpunkten sowie ihre spezifischen Verknüpfungen lokalisierte Geometrie homolog sein (semiotische Konsistenz) sprechen wir fortan von einem schrittweisen semiologen Transformationsprozess, der kennzeichnend ist, für den (Transformations-) Umgang mit Prälokations-Boxen.

Abb.l: Übertragung eines schematisierten biologistischen Formzusam­ menhangs (links) einer fiktiven Extremität in eine Prälokationsbox (PLBox, rechts) über einen semiologen Prozessschritt (mittleres Bild).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

DETERMINANTEN

Die Information über die Konstruktionspunkte und deren Verknüpfung sind die Determinanten der Prälokationsbox. Der hier verwandte Modus ist Standard in zahlreichen technischen Simulationsumgebungen, beispielsweise der Finite Elemente Methode, FEM. In Konstruktionsknotenpunkten und Knotenver­knüpfungen (nachfolgend Fugen genannt) organisierte Datenstrukturen haben den Vorteil einer standardisierten informationellen Weiterverarbeitung in numerischen Transformationen-Szenarien sowie in ihrer visuellen Darstellung. Allerdings taucht während der Entwicklung eines Standard für PLBoxen (für mich unerwartet) das Problem auf, dass die zur Implementation avisierten Programmiersprache-Systeme nicht in gleicher Weise gut (im Sinne von effizient und numerisch schnell) mit in Knoten und Fugen geordneten Daten umgehen und selten eleganter Code3 das Arbeitsergebnis einer numerischen Prälokation ist.

Das Motiv, Prälokationsboxen zu entwickeln stammt aus der anwendungs­orientierten Erforschung biologischer Formen und ihrer Übertragung auf Artefakte. Speziell die „intelligente Mechanik (i-mech)" natürlicher Konstrukti­onen, wie sie in der Kinematik der Wirbeltierskelette identifiziert wird, soll in technischen Anwendungen eine Entsprechung finden. Da die wissenschaftliche Bionik Phänomene der belebten Natur entschlüsselt, aber eine unmittelbare Übertragung auf Technik allzu oft scheitert, werden Methoden entwickelt, Bauweisen, Funktions- und Wirkstrukturen biologischer Systeme, die wir gerne „Wesen" nennen sollen, phänomenologisch zu betrachten, zu analysieren und Gestaltungsprinzipien für artifizielle Systeme (die wir Technik nennen) extra­hiert. Eine Methode dieser Art ist die Prälokationsbox.

Die Organisation der in Knoten und Fugen geordneten Daten einer PLBox wird in der nachfolgenden Tabelle für ein sehr einfaches Motiv erkennbar. Es fällt sofort auf, dass die Berandung immer Element der Determinante einer Prälokationsbox ist. Die triviale Determinante ist der Rahmen selbst. Die Schar der Punkte und Verknüpfungen in einer PLBox ist endlich, aber beliebig.

Tabellel. Determinanten der Prälokationsbox Y-mesh

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben den generalisierten Koordinaten kann jedem Punkt ein Eigenschaftstyp zugeordnet werden. In der Transformationspraxis ist das vielleicht eine aurenhafte Umgebung im Sinne eines Umfelds in welcher keine anderen Punkte geduldet werden4 oder andere Gestaltungsinformationen.

Abb.2: Prälokationsbox der synthetischen Figur „Y-mesh" mit acht Fugen und sechs Punkten (links). Fugen, Kanten und Gelenke: Festlager (BAS); Konturkante (BOR), durchgehende Fuge (PAS), Filmgelenkfuge (BIT), Gelenkfuge (JOI).

TOPOLOGISCHE ELEMENTE UND GEBIETE

Prälokationsboxen sind Räume in denen wir topologische Elemente vorfinden. Die Betrachtung der topologischen Elemente in einer PLBox erfolgt in einem (natürlichen) Euler-Koordinatensystem, in einem Ursprungspunkt (x=0, y=0) oder (den Elementen entsprechend) körperfest nach Lagrange.

Für unsere Belange ergeben PLBoxen nur dann Sinn, wenn sie einfach sind. Deshalb soll von der Entwicklung einer ausdifferenzierten Schar und damit einer Vielzahl an topologischer Elementen - denn nichts wäre einfacher als das - zunächst abgesehen werden. Nachfolgend determinieren primär lediglich zwei Elemente die PLBox: Knoten (Koordinatenpunkt) und Fuge (Verbindungs­element). Die primären Knoten werden in einer Liste ihrer generalisierten Koordinaten geordnet; Knoten kann ein Knotentyp zugeordnet werden. Der ordinäre Typ des Knotens sei „NON" (normal Node). Andere Vereinbarungen für den Typ des Knotens beziehen sich beispielsweise auf das Konstruktions­Feature „Bohrung", für das ein Durchmesser angegeben werden kann oder dieses selbst wieder einen Typ besitzt (z.B. Sackloch, Durchbohrung, gefast, gerundet, usw). Jeder Knoten, der an einer (Außen-) Kontur auftaucht ist vom Typ NON. Das Element Knoten kann linker oder rechter Partner einer Fuge sein (wobei die Eigenschaft links und rechts nur in Lagrange-Betrachtungen eine Rolle spielt). Zu den topologischen Eigenschaften eines Knoten gehört seine Konnektivität, also die Anzahl der Fugen, die ihn als (End-) Partner nennen.

Die Elemente Knoten können ihrerseits Element eines Gebiets sein. Es hat sich allerdings gezeigt, dass es günstiger erscheint, Gebiete und Bereiche über ihre Berandungen und Kanten, respektive Fugen zu beschreiben.

Ebenfalls primär determinierende Elemente in einer PLBox sind Fugen. Das Verbindungselement Fuge besitzt per Definition einen linken und einen rechten Konnektionspartner, den (linken oder rechten) Knoten. Prinzipiell verbinden Fugen Gebiete, oder beranden sie. Die Knoten einer Fuge besitzen keine Priorität, allerdings sind die Algorithmen mancher Codes ein wenig flotter, wenn die linken und die rechten Konnektionspartner in der Ordnung ihrer eigenen Liste (Knoten- und Koordinatenliste) nach genannt werden. Für die Praxis der Prälokationsboxen ist der Typ der Fuge von Relevanz. Der ordinäre Typ der Fuge sei „BOR", eine Außenkante (Border). Der Typ BAS ist faktisch eine Außenkante, die aber Eigenschaften einer (festen, im Sinne ebener Betrachtungen dreiwertigen) Lagerung besitzen soll. BASIS entspricht damit dem mechanischen Modell einer Einspannung. PASS (PAS) ist eine durch­gehende Fuge. PAS überträgt keine Kräfte und keine Momente, ist aber Element zweier Gebiete derart, dass PAS im mechanischen Sinne eine Trennung zweier Gebiete beschreibt, im topologischen Sinne aber eine Verbindung zweier Gebiete. Der Fugentyp JOINT (JOI) benennt ein reibungs­freies Gelenklager, wohingegen BITE (BIT) ein nicht-rückstellungsfreies Strukturgelenk darstellt. In der Gestaltungspraxis ist BIT ein Filmgelenk. Filmge­lenke können sehr unterschiedlich konstruiert sein, weisen aber ein gestalte­risches Grundmuster auf. Art und Wirkungsweise von Filmgelenken soll aber an anderer Stelle beschrieben werden. Allen Fugen und Gelenken ist verein­fachend gemein, dass ihre (gegebenenfalls virtuelle) Gelenkebene in der Ebene der PLBox liegt. In der Konstruktionspraxis kann das Element Fuge weitaus detaillierter beschrieben und determiniert werden.

Nichtdeterminierte Elemente in PLBoxen sind etwa homogene karthesische Gitter. Sie werden zur „Unterlegung" topologischer Elemente gebraucht und sind in Scilab-Code sehr elegant beschrieben.

Karthesische Gitter in PLBoxen:

sis= size(img); idim=sis(2); kdim= sis(l); // Dimension eines Image img. xkoo = linspace(0,l,idim); // x-Diskretisierung homogen karthesisch. ykoo = linspace(0,l,kdim); // y-Diskretisierung, dto.

Sekundär determinierte Elemente sind topologische „Bereiche" in einer PLBox. Bereiche umschließen ein Gebiet vollständig. Es lassen sich alle Rand- und Berandungselemente, Fugen, Kanten, Gelenke eines Bereichs benennen. Mit den Fugen sind auch die Knotenpunkte in und an den Bereichsecken bekannt. Der Bereich G2 (mit der GNR=2) beispielsweise kennt die vier Fugen F3, F4, F5 und F8, umschließt ein gewisses Gebiet, das von den Fugen begrenzt und über die vier Knoten P3, P4, P5, P6 determiniert ist: G2 ist ein Tetragon5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

G2 ist darüber hinaus ein nichtregelmäßiges, aber konvexes Polygon6 mit vier Ecken (vulgo: Viereck). Die Frage nach der Konvexität eines (neu entstandenen Gebiets) dürfte in der Analyse biologischer (und synthetischer) Szenarien künstlicher Musterbildung eine Rolle spielen. Das wird zu zeigen sein. Konkav sind Polygone dann, wenn sie „hinterzogen" sind, also eine Einbuchtung ihrer Kontur aufweisen.

AUSBLICK undAUFGABEN

Die Entwicklung von und die Forschung an Prälokationsboxen befindet sich heute in einer Freakphase. Es ist noch früh. Einige Festlegungen sind getroffen, einige Eigenschaften geklärt und einige Erwartungen knüpfen sich bereits an die Gestaltungspraxis unter einem Konzept mit PLBoxen. Noch aber herrschen die unbeantworteten Fragen und Aufgaben vor. Etliche Ungeklärtheiten betreffen den Deutungskern der Prälokationsbox. Natürlich wissen wir, wofür

[...]


1 [Die 18-2] Dienst, Mi. (2018) DARCYTransformation. Einige Gedanken zu D'ARCY THOMPSONS THEORIE OF TRANSFORMATION. GRIN-Verlag GmbH München

2 Homologie und Homogenität der funktionalen und geometrischen Bedeutung von biologischen Bau-, Form- und Gestaltzusammenhang.

3 eleganter und leistungsschneller Code ist für die dynamische Visualisierung in Automatic Virtual Environments (abgekürzt: CAVE) zwingend erforderlich. CAVE bezeichnet einen Raum zur Projektion einer dreidimensionalen Illusionswelt der virtuellen Realität.

4 Van der Waals- Umgebung, ein topologisches Instrument, das Punkte einer variablen Geometrie „auf Abstand" hält und/oder Knotenpunkte vereint, was einer Variation der Topologie entspricht und nicht weiter als homologe Transformation gilt.

5 Dreieck (Trigon), Viereck (Tetragon), Fünfeck (Pentagon), Sechseck (Hexagon), Siebeneck (Heptagon), Achteck (Oktagon).

6 Polygon (von altgriechisch polygonion ,Vieleck'; aus polýs ,viel' und gönia ,Winkel') oder auch Vieleck bezeichnet in der elementaren Geometrie eine ebene geometrische Figur, die durch einen geschlossenen Streckenzug gebildet und/oder begrenzt wird, beziehungsweise ein zweidimen­sionales Polytop. Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Polygon

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Details

Titel
Prälokationsboxen. Eine erste Phänomenologie generalisierter Grundeinheiten der Vertebratenhand
Veranstaltung
Bionik
Autor
Jahr
2018
Seiten
11
Katalognummer
V389089
ISBN (eBook)
9783668627314
ISBN (Buch)
9783668627321
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bei der Entwicklung von Strömungsbauteilen, insbesondere der Konstruktion von Leit- und Steuertragflächen für Seefahrzeuge nach dem Vorbild der biologischen Mittelhandknochen im Forschungsvorhaben CARPO taucht die Frage auf, in welcher Art und Weise das biologistische Phänomen Eingang findet in den Entwicklungsprozess maritimer Technik.
Schlagworte
prälokationsboxen, eine, phänomenologie, grundeinheiten, vertebratenhand
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in), 2018, Prälokationsboxen. Eine erste Phänomenologie generalisierter Grundeinheiten der Vertebratenhand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/389089

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