"Die ältesten deutschsprachigen Dramen, die heute noch zum ständigen Repertoire unserer Bühnen gehören, sind Dramen Lessings." (Eibl, 1971: 95) So griffen die bürgerlichen Trauerspiele Emilia Galotti und Miß Sara Sampson schon im 18. Jahrhundert Themen auf, die unser modernes Dasein noch immer beschäftigen. Aus diesem Grund genießen sie noch heute große Beliebtheit.
Als erste Sozialisationsinstanz prägt der Bund der Familie die Entwicklung eines Menschen in hohem Maße. Mit der Aufklärung gewinnt die Familie zunehmend an Bedeutung; zum ersten Mal erleben Kinder tatsächlich eine Kindheit. Dennoch ist das Leben eingeschränkt, auf den intimen Familienkreis reduziert: Nur das elterliche Wertsystem dient als Maßstab für das Verhalten des Kindes; der Vater verfügt als Familienoberhaupt noch immer über das Leben der Heranwachsenden. Erst in der Aufklärung wird diese Bevormundung kritisiert. Auch Lessing gibt in seinen Werken zum Ausdruck, dass er als einer der Hauptvertreter der Aufklärung eine Erziehung zur Mündigkeit fordert.
Auf diesen Aspekt wird im Verlauf dieser Abhandlung näher eingegangen. Um einen theoretischen Rahmen herzustellen, wird im Folgenden zunächst die Geschichte des deutschen bürgerlichen Trauerspiels erläutert. Anschließend soll der Strukturwandel der Familie des späten 18. Jahrhunderts thematisiert werden. Dabei wird es vor allem um das neue bürgerliche Erziehungsideal gehen: Um die Humanisierung der Kleinfamilie sowie den Rückzug ins Private. Dass die Entsagung der Welt aber nur eine Utopie zu sein scheint, wird sich in dieser Arbeit herausstellen.
Darauf basierend werden die beiden Trauerspiele hinsichtlich der Rollen der Familienmitglieder analysiert: Welche Funktion hat Mutter Galotti in der Beziehung zwischen Vater und Tochter inne? Warum tötet Odoardo seine Tochter? Verkörpert Sir William Sampson das Vaterideal der Aufklärung? – Während die Familienkonstellationen der beiden Trauerspiele zunächst separat ergründet werden, folgt abschließend ein Vergleich beider Familien, der die Ähnlichkeiten der Schicksale beider Töchter darlegt; sie können als Prototypen für die damalige Zeit angesehen werden.
Fußnote: 1. Eibl, Karl: Gotthold Ephraim Lessing – Miss Sara Sampson. Ein bürgerliches Trauerspiel. Hg. von Wolfgang Frühwald. Frankfurt am Main: Athenäum 1971 (= Commentatio – Analysen und Kommentare zur deutschen Literatur), S.95
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Familie in der Aufklärung
- 2.1 Das deutsche bürgerliche Trauerspiel
- 2.2 Die Funktion der Familie in Bürgertum bzw. Adel
- 2.3 Die Familie Galotti
- 2.3.1 Claudia Galotti, Mediatorin zwischen väterlichem Tugendideal und realer Welt
- 2.3.2 Odoardo Galotti, mächtiger Patriarch und ohnmächtiger Untertan zugleich
- 2.3.3 Emilia Galotti, wohlbehütete Tochter zwischen den Fronten
- 2.4 Die Familie Sampson
- 2.4.1 Sir William Sampson, Vater zwischen Edelmut und Selbstsucht
- 2.4.2 Sara Sampson, starre Befolgerin der väterlichen Prinzipien?
- 2.5 Vergleich beider Familienkonstellationen
- 3. Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung der Familie in Lessings bürgerlichen Trauerspielen „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“ im Kontext der Aufklärung. Ziel ist es, die Funktion der Familie im Bürgertum und Adel des 18. Jahrhunderts zu analysieren und die unterschiedlichen Rollen der Familienmitglieder in beiden Stücken zu vergleichen. Dabei wird auch der Wandel des deutschen bürgerlichen Trauerspiels beleuchtet.
- Das deutsche bürgerliche Trauerspiel in der Aufklärung
- Die Rolle der Familie im Bürgertum und Adel
- Vergleich der Familienkonstellationen in „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“
- Der Einfluss des patriarchalischen Familiensystems
- Die Thematik von Tugend und Laster im familiären Kontext
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und begründet die Wahl der beiden Lessingschen Trauerspiele „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“. Sie hebt die anhaltende Relevanz der behandelten Themen hervor und skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit, der eine theoretische Auseinandersetzung mit dem deutschen bürgerlichen Trauerspiel und dem Wandel der Familie in der Aufklärung umfasst, bevor die Familienkonstellationen in den beiden Dramen analysiert und verglichen werden.
2. Die Familie in der Aufklärung: Dieses Kapitel erörtert zunächst die Entwicklung des deutschen bürgerlichen Trauerspiels, beginnend mit „Miss Sara Sampson“ als dessen Urbild bis hin zur Weiterentwicklung in „Emilia Galotti“. Es werden charakteristische Merkmale des Genres herausgearbeitet, wie die Betonung des Allgemeinmenschlichen und Moralischen sowie die Fokussierung auf die familiale Gemeinschaft und emotionale Leidenssituationen. Der Wandel vom sentimentalen Moment zur Leidenschaft der Hauptfigur wird beschrieben und die Einbettung der Handlung in einen gesellschaftlichen Kontext mit Ständekonflikten beleuchtet. Schließlich wird die Funktion der Familie im Bürgertum und Adel des 18. Jahrhunderts thematisiert, wobei der Fokus auf der patriarchalischen Kleinfamilie liegt und die Kritik an despotischem Verhalten angedeutet wird.
Schlüsselwörter
Bürgerliches Trauerspiel, Aufklärung, Familie, Lessing, Emilia Galotti, Miss Sara Sampson, Patriarchat, Tugend, Laster, Ständekonflikt, Moral, Empfindsamkeit.
Häufig gestellte Fragen zu "Darstellung der Familie in Lessings bürgerlichen Trauerspielen"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Darstellung der Familie in Gotthold Ephraim Lessings bürgerlichen Trauerspielen „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“ im Kontext der Aufklärung. Der Fokus liegt auf der Analyse der Funktion der Familie im Bürgertum und Adel des 18. Jahrhunderts und dem Vergleich der unterschiedlichen Rollen der Familienmitglieder in beiden Stücken.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt unter anderem das deutsche bürgerliche Trauerspiel in der Aufklärung, die Rolle der Familie im Bürgertum und Adel, einen Vergleich der Familienkonstellationen in „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“, den Einfluss des patriarchalischen Familiensystems und die Thematik von Tugend und Laster im familiären Kontext. Der Wandel des deutschen bürgerlichen Trauerspiels wird ebenfalls beleuchtet.
Welche Werke werden analysiert?
Die Hauptwerke der Analyse sind Lessings „Emilia Galotti“ und „Miss Sara Sampson“. Die Arbeit vergleicht die Familiendarstellungen in beiden Stücken und untersucht deren Entwicklung innerhalb des Genres des bürgerlichen Trauerspiels.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Hauptkapitel ("Die Familie in der Aufklärung"), welches die Entwicklung des deutschen bürgerlichen Trauerspiels, die Rolle der Familie im Bürgertum und Adel, und detaillierte Analysen der Familien Galotti und Sampson umfasst, und eine Schlussbemerkung. Zusätzlich werden Zielsetzung, Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter bereitgestellt.
Welche Familien werden im Detail untersucht?
Die Arbeit analysiert die Familien Galotti und Sampson. Im Einzelnen werden die Rollen von Claudia, Odoardo und Emilia Galotti sowie Sir William und Sara Sampson untersucht und verglichen. Dabei werden die individuellen Charaktere und ihre Beziehungen zueinander im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen betrachtet.
Welche methodischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit kombiniert eine theoretische Auseinandersetzung mit dem deutschen bürgerlichen Trauerspiel und dem Wandel der Familie in der Aufklärung mit einer detaillierten Analyse der Familienkonstellationen in den beiden Dramen. Durch den Vergleich der beiden Stücke wird ein umfassenderes Verständnis der dargestellten Familienstrukturen erreicht.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Bürgerliches Trauerspiel, Aufklärung, Familie, Lessing, Emilia Galotti, Miss Sara Sampson, Patriarchat, Tugend, Laster, Ständekonflikt, Moral, Empfindsamkeit.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
(Die konkreten Schlussfolgerungen sind im Text selbst zu finden und werden in dieser FAQ nicht explizit zusammengefasst, da sie aus dem Kontext der detaillierten Analyse der beiden Stücke resultieren.)
- Arbeit zitieren
- Gaby Schneidereit (Autor:in), 2002, Die Stellung der Familie zur Zeit der Aufklärung. Gotthold Ephraim Lessings 'Emilia Galotti' und 'Miß Sara Sampson' im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38960