In dem Essay 'Zola' legt Heinrich Mann dem französischen Romancier folgende Worte in den Mund: "Die möglichste Lebensfülle bringt die möglichste Menge Glück. Wir sind nur da, das Leben zu verbreiten; jedes eurer Empfängnisse ist erhaben, heilig, und vielleicht das entscheidende..." Sofort danach heißt es dann: "Einige Jahre früher hatte am andern Ende Europas eine nicht weniger große Leidenschaft die Tötung alles Lebens gepredigt: aus Liebe, und um des Geistes willen, wie diese hier das Evangelium der Fruchtbarkeit. Zola war sehr allein damals, doch lebte sein ferner Bruder Tolstoi."
Zola der Beschwörer des Lebens und Tolstoi der des Todes? Und dennoch `Brüder'? Mann bekennt sich im Essay selbst zu dem aktivistischen Standpunkt Zolas: "An seine Geistesform sind wir hundertfach gebunden. Seine Geistesform zu entwickeln und zu erhöhen, sind wir hundertfach verbunden." Mann also auch ein Beschwörer des Lebens? War seine Aussage über den mit dem Leben, der Liebe und dem Geist zusammenhängenden Tod also nichts weiter als ein vereinzelter, sonderbarer Gedanke? Um es gleich vorwegzunehmen: dies ist gerade nicht der Fall. Schon Aussagen wie "Freiheit ist die Liebe zum Leben, den Tod mit einbegriffen" aus dem Jahre 1910 oder "Tod und Leben gelten gleichviel, sie sind dasselbe Ganze", die Mann zweiunddreißig Jahre später aufschrieb, deuten darauf hin, dass die Bedeutung des Lebens Heinrich Mann genauso stark interessierte wie die des Todes, dass er sogar ohne den Tod das Leben nicht, ohne das Leben den Tod nicht denken konnte.
In dieser Arbeit soll nun die These vertreten werden, dass sich die Todesthematik in den literarischen wie essayistischen Werken Manns lebenslang verfolgen lässt und sogar ein Kerngedanke ist, der den Hintergrund bildet, vor welchem der Dichter seine Helden auftreten lässt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Helden leidenschaftliche Verfechter eines reinen Geistesideals sind, die erkennen müssen, dass die Beschränkungen des Lebens die Reinheit des Ideals beeinträchtigen; der Tod kann zwar als Ende des Lebens diese Beschränkungen aufheben und die Reinheit des Ideals bewahren, dennoch ist der Tod zugleich auch die Aufhebung einer Einheit von Geistesideal und Lebenswirklichkeit. Hierin liegt Manns ironische Ambivalenz in Bezug auf das Todesmotiv verborgen, und vor diesem Hintergrund lässt er seine Helden die Entscheidung treffen: für das Leben oder für den Tod.
Inhaltsverzeichnis
- VORWORT
- EINLEITUNG
- Das Frühwerk; Anfänge eines Schriftstellers
- Das Wunderbare; die Kunst, der Tod und das Bürgerleben
- Pippo Spano; die Kunst, der Tod und das Komödiantendasein
- Heinrich Manns 'Wende'; die Essays um 1910
- Auferstehung; die Liebe, der Tod und das Leben
- Liliane und Paul; die Liebe, der Tod und das Leben
- Zum Schluẞ
- LITERATURVERZEICHNIS
- SIGLEN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Thematik des Todes im Werk Heinrich Manns, um aufzuzeigen, dass diese Thematik einen zentralen Platz im Schaffen des Autors einnimmt und die Handlungen und Motive seiner Figuren prägt.
- Die Rolle des Todes im Frühwerk Heinrich Manns
- Die Verbindung des Todes mit Kunst, Liebe und Leben in den Werken Manns
- Die Bedeutung des Todesthemas für die Entwicklung des Schriftstellers Heinrich Mann
- Die Beziehung des Todes zum Ideal des Geistes in Manns Werken
- Der Einfluss des Todes auf die Charaktere und Handlungen in Manns Romanen und Essays
Zusammenfassung der Kapitel
Das Frühwerk von Heinrich Mann wird hinsichtlich des Todesmotivs untersucht. Die Kapitel analysieren den Tod als ein zentrales Element in der Kunst, im Bürgerleben und im Komödiantendasein. Das Werk bietet Einblicke in die frühen Entwicklungen des Autors und seine Auseinandersetzung mit der Thematik des Todes.
Schlüsselwörter
Heinrich Mann, Todesthematik, Kunst, Leben, Geist, Ideal, Frühwerk, Komödie, Essay, Literaturgeschichte.
- Arbeit zitieren
- Robert Haak (Autor:in), 1997, Das Ideal des Geistes und seine Erfüllung - Zur Todesthematik im Werke Heinrich Manns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39257