Die Meierstochter spielt in Hartmanns von Aue Der arme Heinrich eine zentrale Rolle. Obwohl vermieden wird, ihr einen Namen zu geben, nehmen ihre Monologe einen sehr großen Teil des Textes ein, ihre Entscheidung ist ausschlaggebend für den Verlauf der Geschichte. Die Geschichte um sie und ihren Willen, sich für Heinrich zu opfern, stellt eine eigenständige Binnenerzählung dar. Der Charakter des Mädchens stellt für viele Interpreten eine große Schwierigkeit dar. Nicht nur die Tatsache, dass sie anonym bleibt ist außergewöhnlich für eine mittelalterliche Erzählung. Auch ihre ständische Herkunft, es ist die Tochter eines einfachen Bauers, läßt sich nicht mit ihrer äußeren Erscheinung und ihrem tugendhaften Charakter verbinden. Seine Handlungen und ihre Intelligenz entsprechen nicht ihrer Herkunft, obwohl diese Entsprechung für die mittelalterliche Literatur eigentlich üblich war.
Das mit der Meierstochter verbundene zentrale Thema der Aufopferung wird in der folgenden Arbeit analysiert. Dabei soll vor allem erläutert werden, inwiefern der Wille des Mädchens, für ihren Herrn zu sterben, von ihr durchdacht ist und ob es sich hierbei um einen Akt der Nächstenliebe handelt, oder ob ihre Absicht sich zu opfern in erster Linie das eigene Seelenheil als Ziel hat und sie somit vor allem aus egoistischen Gründen handelt. Hierbei wird vor allem auf die A-Fassung des Armen Heinrich Bezug genommen, wobei einige Vergleiche mit der B-Fassung gemacht werden müssen, um zu erläutern, welche anderen Möglichkeiten Hartmann für den Ausgang der Geschichte um die Meierstochter in Betracht gezogen hat.
Um die verschiedenen Entwicklungsstadien der Meierstochter übersichtlich darzustellen und nachzuvollziehen, wird die folgende Analyse sich an der Textgliederung Heinz Rupps festmachen. Rupp gliedert den Armen Heinrich in drei, für die Entwicklung der Erzählung ausschlaggebende, etwa gleich lange Teile. Der zusätzliche vierte Teil besteht aus dem Schluss, der die Konsequenzen der vorhergegangenen Geschehnissen aufführt. Der Schlussteil fällt wesentlich kürzer aus, als die anderen Einteilungen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Erster Teil: Einführung der Meierstochter
II.1 Äußeres Erscheinungsbild des Mädchens
II.2 Die Beziehung der Meierstochter zu Heinrich
III. Zweiter Teil: Die Entscheidung und die Überzeugungskraft des zwölfjährigen Mädchens
III.1 Die Verzweiflung des Mädchens über die ausweglose Situation Heinrichs
III.2 Entscheidung und Argumentation
IV. Dritter Teil: Annahme Heinrichs des Opfers und Reise nach Salerno
IV.1 Überzeugung des Armen Heinrich
IV.2 Die Reise nach Salerno und das Opfer
IV.3 Sinneswandel der Meierstochter
V. Der Schluss: Hochzeit als Strafe oder Belohnung?
VI. Motivation des Mädchens zum Opfertod
VII. Konklusion
Literatur
Primärliteratur
Sekundärliteratur
I. Einleitung
Die Meierstochter spielt in Hartmanns von Aue Der arme Heinrich eine zentrale Rolle. Obwohl vermieden wird, ihr einen Namen zu geben, nehmen ihre Monologe einen sehr großen Teil des Textes ein, ihre Entscheidung ist ausschlaggebend für den Verlauf der Geschichte. Die Geschichte um sie und ihren Willen, sich für Heinrich zu opfern, stellt eine eigenständige Binnenerzählung dar[1].
Der Charakter des Mädchens stellt für viele Interpreten eine große Schwierigkeit dar. Nicht nur die Tatsache, dass sie anonym bleibt ist außergewöhnlich für eine mittelalterliche Erzählung. Auch ihre ständische Herkunft, es ist die Tochter eines einfachen Bauers, läßt sich nicht mit ihrer äußeren Erscheinung und ihrem tugendhaften Charakter verbinden. Seine Handlungen und ihre Intelligenz entsprechen nicht ihrer Herkunft, obwohl diese Entsprechung für die mittelalterliche Literatur eigentlich üblich war.
Das mit der Meierstochter verbundene zentrale Thema der Aufopferung wird in der folgenden Arbeit analysiert. Dabei soll vor allem erläutert werden, inwiefern der Wille des Mädchens, für ihren Herrn zu sterben, von ihr durchdacht ist und ob es sich hierbei um einen Akt der Nächstenliebe handelt, oder ob ihre Absicht sich zu opfern in erster Linie das eigene Seelenheil als Ziel hat und sie somit vor allem aus egoistischen Gründen handelt.
Hierbei wird vor allem auf die A-Fassung des Armen Heinrich Bezug genommen, wobei einige Vergleiche mit der B-Fassung gemacht werden müssen, um zu erläutern, welche anderen Möglichkeiten Hartmann für den Ausgang der Geschichte um die Meierstochter in Betracht gezogen hat[2].
Um die verschiedenen Entwicklungsstadien der Meierstochter übersichtlich darzustellen und nachzuvollziehen, wird die folgende Analyse sich an der Textgliederung Heinz Rupps[3] festmachen. Rupp gliedert den Armen Heinrich in drei, für die Entwicklung der Erzählung ausschlaggebende, etwa gleich lange Teile. Der zusätzliche vierte Teil besteht aus dem Schluss, der die Konsequenzen der vorhergegangenen Geschehnissen aufführt. Der Schlussteil fällt wesentlich kürzer aus, als die anderen Einteilungen.
II. Erster Teil: Einführung der Meierstochter
II.1 Äußeres Erscheinungsbild des Mädchens
Nachdem der Arme Heinrich an Lepra erkrankt ist, reist er zuerst nach Montpellier und dann nach Salerno, um sich dort nach eventuellen Heilungsmethoden zu erkundigen. In Salerno wird ihm gesagt, dass nur das Herzblut einer Jungfrau ihn noch retten könne. Diese Aussage veranlasst ihn dazu jede Hoffnung auf Heilung aufzugeben. Er verschenkt seine ganzen Reichtümer und begibt sich zu der Meiersfamilie, die Pächter einer seiner Grundstücke ist. Während alle anderen Leute sich von Heinrich abgewendet haben, kümmern der Meier und seine Familie sich um den Kranken. Vor allem die Tochter des Meiers ist sehr besorgt um ihren Herrn, sie weicht ihm nicht mehr von der Seite.
Obwohl das Mädchen während der ganzen Erzählung ohne Namen bleibt, läßt schon ihre Einführung auf ihre wichtige Rolle schließen. Bei Heinrichs Ankunft ist das Mädchen, laut der A-Fassung, acht Jahre alt. Gleich zu Beginn sprengt der Erzähler das für die mittelalterliche Literatur übliche Stereotypenmuster, ihr adliges Aussehen und ihre Tugend widersprechen ihrem bäuerlichen Stand:
si was ouch sôgenæme
daz si wol gezæme
ze kinde dem rîche
an ir wætlîche
(V.311ff.)
Es wird also explizit von Hartmann darauf hingewiesen, dass sie so schön ist, dass sie die Tochter eines Kaisers hätte sein können, sie ist von adeliger Schönheit. Die Kalokagathie, also die Entsprechung des äußeren Erscheinungsbildes mit den Charaktereigenschaften der Figuren in der mittelalterlichen Literatur, läßt darauf schließen, dass die Meierstochter nicht nur außergewöhnlich schön, sondern auch außergewöhnlich tugendhaft ist. Diese Aussage widerspricht der aristokratischen Überzeugung, dass tugent von einem hohen gesellschaftlichen Rang abhängig ist und somit erblich ist.[4]
II.2 Die Beziehung der Meierstochter zu Heinrich
Die tugent des namenlosen Mädchens wird von Anfang an von Hartmann immer wieder hervorgehoben:
daz kunde gebâren
sô rehte güetlîchen.
diu enwolde nie entwîchen
von ir herren einen vuoz.
umbe sîn hulde und sînen gruoz
diente si im alle wege
mit ir güetlîchen phlege.
(V.304ff.)
Schon in diesen Versen wird klar, wie sehr sie an Heinrich hängt. Während alle anderen ihm aus dem Weg gehen, gibt sie sich ganz seiner Pflege hin. Dieser Akt der Nächstenliebe ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass es sich bei der „Krankenpflegerin“ um ein achtjähriges Kind handelt. Um ihr seine Dankbarkeit und Zuneigung zu zeigen macht Heinrich ihr unzählige Geschenke und nennt sie gemahel (V.341), seine Braut.
Ihre gegenseitige Zuneigung wird von Anfang an klar hervor gehoben. Es ist also nicht verwunderlich, dass der gesundheitliche Zustand Heinrichs die Meierstochter verzweifeln läßt. Allerdings erwähnt der Kranke in den ersten drei Jahren nicht, dass das Blut einer Jungfrau ihn heilen könnte. Dadurch erreicht Hartmann zum einen, dass sich das Mädchen bis zu ihrer schweren Entscheidung intellektuell entwickeln kann, und zum anderen, dass sich die Beziehung zwischen ihr und Heinrich bis dahin noch intensiviert.
Auch ihre Religiosität ist von Anfang an unterschwellig vorhanden. Selbst wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, so muss man doch annehmen, dass sowohl ihre tugent als auch ihre außergewöhnliche Schönheit ein Hinweis auf ihre enge Verbindung zu Gott hinweist. Außerdem sucht sie die Nähe zu dem aussätzigen Heinrich, was ein Zeichen ihrer Frömmigkeit ist. Die Krankenpflege gilt als christliche Eigenschaft und wird als Handlung der Demut und Selbstaufgabe sehr hoch bewertet.[5]
III. Zweiter Teil: Die Entscheidung und die Überzeugungskraft des zwölfjährigen Mädchens
III.1 Die Verzweiflung des Mädchens über die ausweglose Situation Heinrichs
Nachdem die Meierstochter gehört hat, dass die einzige Heilchance für ihren Herrn das Herzblut einer Jungfrau sei, ist sie sowohl besorgt um Heinrich als auch um ihre Familie, deren Zukunft nach seinem Tod nicht mehr gesichert wäre. Sie läßt durch ihre Sorgen ihre Eltern nachts nicht schlafen, weil ihre Tränen auf deren Füße fallen und sie somit wecken. Sie erzählt ihnen daraufhin von ihren Sorgen um den Armen Heinrich und um ihre Zukunft.
Schon in dieser Passage wird klar, dass das Mädchen nicht aus reinem Altruismus handeln wird. Obwohl sie erst zwölf ist, ist sie sich darüber bewusst, dass der Tod ihres Herrn das Unglück ihrer ganzen Familie und somit auch ihrer selbst zur Folge haben wird. Die mit dem Tod Heinrichs eventuell verbundene Verarmung der Familie würde mit sich bringen, dass man ihr keine Mitgift bereitstellen könnte, und sie somit in armen Verhältnissen leben müsste.[6]
III.2 Entscheidung und Argumentation
In ihrer zweiten schlaflosen Nacht trifft das Mädchen eine schwerwiegende Entscheidung: sie will sich selbst für Heinrich opfern. Mit dieser Opferbereitschaft beginnt eine Reihe von Diskussionen, bei denen das Mädchen immer wieder ihren Willen zum Märtyrertod vortragen, verteidigen und durchbringen muss. Ihre Argumentation nimmt fast ein Drittel der ganzen Erzählung ein.[7]
[...]
[1] Karl Heinz Borck : Nû ist si vrî als ich dâ bin. Bemerkungen zu Hartmanns « Armen Heinrich », v. 1497. In : Medium aevum deutsch. Beiträge zur deutschen Literatur des hohen und späten Mittelalters. Festschrift für Kurt Ruh zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Dietrich Huschenbett (u.a.), Tübingen 1979, S.37-50. S. 37
[2] Hartmann von Aue : Der arme Heinrich. Herausgegeben von Hermann Paul, neu bearbeitet von Kurt Gätner. 17., durchgesehene Auflage. Max Niemeyer Verlag Tübingen, 2001.
[3] Heinz Rupp : Über den Bau epischer Dichtungen des Mittelalters. In : Siegfried Gutenbrunner / Freidrich Maurer (Hrsg.) : Die Wissenschaft von deutscher Sprache und Dichtung : Methoden, Probleme, Aufgaben. Frestschrift für Friedrich Maurer. Klett Verlag, Stuttgart 1963, S. 366-382. S.372-372
[4] Maria E. Müller : Jungfräulichkeit in Versepen des 12. und 13. Jahrhunderts, München 1978, S. 267-291. S. 272
[5] Hans-Jochen Schiewer: Acht oder Zwölf. Die Rolle der Meierstochter im « Armen Heinrich » Hartmanns von Aue. In : Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 2002, S.649-667. S.659
[6] Maria E. Müller, S.270
[7] Marianne Wynn : Heroine without a name : The unnamed Girl in Hartmann´s Story. In : German Narrative of the Twelth and Thirteenth Century.Studies presented to Roy Wisbey on his Sixty-fifth Birthday. Herausgegeben von Volker Honemann (u.a.), Tübingen 1994, S. 245-256. S.245
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