Entwicklungspolitik


Seminararbeit, 2005

38 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundprobleme der Entwicklungsländer
2.1. Armut und Unterentwicklung – Probleme der Begriffsbestimmung
2.2. Die Teufelskreise von Armut und Unterentwicklung

3. Strukturelle Defizite als Ursachen für Armut und Unterentwicklung
3.1. Markt oder Staat – Eine Grundsatzentscheidung?
3.2. Marktversagen
3.3. Staats- und Politikversagen

4. Ziele und Träger der Entwicklungspolitik2
4.1. Ziele
4.2. Träger der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit
4.3. Träger der privaten Entwicklungszusammenarbeit

5. Instrumente der Entwicklungspolitik
5.1. Finanzielle Zusammenarbeit
5.2. Technische Zusammenarbeit
5.3. Personelle Zusammenarbeit
5.4. Konditionalisierung der ODA

6. Auswege aus der Misere
6.1. Die Notwendigkeit von „Good Governance“ und „Partizipation“
6.2. Kooperation, Kohärenz und weitere Grundbedingungen für langfristig erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang mit Darstellungen und Tabellen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: HIV-Infektionen und AIDS-Tote nach Regionen (Ende 2002)

Abb. 2: Sterblichkeitsrate und Grundschulabschlussquote

Abb. 3: Teufelskreise der Armut

Abb. 4: Übersicht über die Gesundheits- und Bildungsausgaben

Abb. 5: Entwicklungspolitik im Interessengeflecht

Abb. 6: Themenfelder von Nichtregierungsorganisationen

Abb. 7: Alphabetisierungsraten nach Alter, Geschlecht und Regionen

Abb. 8: Stimmenanteile der Staaten (Regionen) in IWF und Weltbank

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Auf der Erde leben ca. 1,2 Mrd. Menschen in absoluter Armut, die wiederum in direktem Zusammenhang mit Hunger, Krankheit und Konflikten um knappe Ressourcen wie Wasser und Boden steht. Die betroffenen Staaten sind aus eigener Kraft kaum in der Lage wirksame Maßnahmen gegen Armut zu treffen, da oftmals korrupte, auf Selbstbereicherung ausgerichtete, autokratische Herrschaftssysteme in der Verantwortung stehen, die weder auf Menschenrechte oder soziale Gerechtigkeit achten. Wenn hier die Ursache für Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen, aber auch für die Vernichtung von Umweltressourcen liegt, so wird schell deutlich, dass die Problematik von Armut und Unterentwicklung in Zeiten von Terrorismus und Globalisierung eine weltweite Dimension hat, die jeden von uns betrifft. Die Verfasser dieser Arbeit sehen daher die Bekämpfung von Armut als gemeinsame Aufgabe aller Länder und als Notwendigkeit zur langfristigen Sicherung von Frieden und politischer Stabilität an. Allerdings stehen die Probleme der Entwicklungsländer aufgrund von Interdependenzen zwischen politischen, soziokulturellen und ökonomischen Komponenten in einem komplexen Wirkungszusammenhang und verstärken sich oft gegenseitig. Für eine effektive Entwicklungspolitik ergibt sich daher besonders die Notwendigkeit, die länderspezifischen Gegebenheiten zu berücksichtigen und durch einen gezielten und koordinierten Instrumentarieneinsatz den Entwicklungsprozess zu initiieren bzw. zu unterstützen. Die folgende Seminararbeit versucht daher zunächst die Begriffe Armut und Entwicklung zu spezifizieren, bevor die Teufelskreise von Armut sowie die besondere Rolle von Markt- und Staatsversagen für Entwicklungsländer (EL) näher erläutert werden sollen. Im Anschluss daran werden kritisch die Zielsetzungen entwicklungspolitischen Handelns und die daraus resultierenden Spannungsfelder zwischen den einzelnen Akteuren skizziert. Mit den eingesetzten Instrumenten zur Zielerreichung beschäftigt sich schließlich ein weiteres Kapitel bevor in einem letzten Abschnitt konkrete Lösungsansätze aufgezeigt und diskutiert werden, die insbesondere den armen Menschen effektiv und nachhaltig durch interne und externe Maßnahmen helfen sollen. Die Arbeit endet mit einem gemeinsamen Fazit.

2. Grundprobleme der Entwicklungsländer

2.1. Armut und Unterentwicklung – Probleme der Begriffsbestimmung

Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, welche Strategien und Instrumente zur Entwicklung von Ländern und zur Beseitigung von extremer Armut geeignet sind, so ist es zunächst erforderlich, sowohl Armut als auch Unterentwicklung zu definieren. Nur durch den Rückgriff auf einheitliche Parameter ist es schließlich möglich, die Effektivität von entwicklungspolitischen Maßnahmen ex post zu ermitteln, da sowohl Veränderungen im Zeitablauf als auch direkte Vergleiche der Entwicklungsfortschritte zwischen Ländern transparent werden. Die Empirie orientiert sich stark an monetären Indikatoren (z.B. Pro-Kopf-Einkommen), wobei die Datenerhebung in den einzelnen Ländern ebenso ein Problem ist wie die unvermeidliche Tatsache, dass eine Vernachlässigung von subjektiven (nicht monetären) Bestandteilen der Armut stattfindet, die von den jeweiligen Lebensverhältnissen abhängen. Bei der Armutsmessung wird grundsätzlich zwischen relativer Armut und absoluter Armut differenziert.

Relative Armut bedeutet, dass sich nur ein geringer Anteil des gesamten Einkommens einer Volkswirtschaft auf einen Großteil der Bevölkerung verteilt. Diese Disparität in der interpersonellen Einkommensverteilung, bzw. zwischen Arm und Reich, ist in den meisten Entwicklungsländern besonders stark ausgeprägt.[1] Relative Armut sagt hingegen nicht unbedingt etwas über die absolute Armut des Einzelnen aus, die vorliegt, wenn Menschen nicht über die für ihre Existenz mindestens notwendigen Güter wie Nahrung, Kleidung und Wohnung verfügen. Um eine genauere Definition zu finden und die o.g. Probleme zu entschärfen, wurde vom UNDP (United Nations Development Programme) der Human Poverty Index (HPI) entwickelt, welcher weitaus mehr Indikatoren wie Sterbewahrscheinlichkeit unter 40 Jahren, Analphabetenrate, Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsdiensten sowie die Untergewichtigkeit bei Kindern unter 5 Jahren berücksichtigt. Die Weltbank verwendet dagegen die einfache, aber gebräuchliche „1 Dollar Definition“, die absolute Armut anhand der täglich verfügbaren Kaufkraft bemisst. Als extrem arm gelten demnach rd. 1,2 Mrd. Menschen weltweit, die mit nur einem Dollar am Tag auskommen müssen, während insgesamt rd. 2,5 bis 3 Mrd. als arm bezeichnete Menschen von nur 2 Dollar am Tag leben. Betrachtet man die Entwicklung der Armut im Zeitablauf, so fällt auf, dass aufgrund der Entwicklungsfortschritte in China und Indien in den letzten beiden Dekaden die Anzahl der extrem armen Menschen weltweit zwar zurückgegangen ist, aber in Subsahara Afrika sogar noch zugenommen hat. Dies macht auch deutlich, dass erhebliche internationale und regionale Unterschiede bei der Bekämpfung von Armut bestehen, deren Ursachen in den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen ebenso wie in den jeweiligen soziokulturellen und ökonomischen Gegebenheiten der Entwicklungsländer zu suchen sind.[2] Armut hat neben der monetär materiellen noch eine politisch kulturelle Dimension, die unmittelbar bei den Menschenrechten ansetzt. Diese umfasst neben rechtlicher Beteiligung, mangelnder politischer Partizipation noch weitere Unfreiheiten, welche Einzelne oder gesamte Gesellschaftsgruppen in ihren individuellen Rechten und Handlungsmöglichkeiten einschränken.[3]

Ursache von Armut ist Unterentwicklung, die ganz allgemein als mangelnde Fähigkeit von Staaten, ihre Bevölkerung ausreichend mit lebensnotwendigen Gütern (Nahrung, Kleidung, Wohnung) und Dienstleistungen (Gesundheitswesen, Bildungswesen, etc.) zu versorgen, definiert werden kann.[4] Auch hier treten bei einer empirischen Bestimmung des Entwicklungsstandes einer Volkswirtschaft Probleme auf wenn primär monetäre Größen wie das Pro-Kopf-Einkommen (PKE) herangezogen werden, welches sich aus der Division des Bruttosozialproduktes (BSP, bzw. Bruttonationaleinkommen) durch die Bevölkerungszahl ergibt. Implizit werden nur Marktleistungen bewertet, nicht aber Leistungen im Rahmen des informellen Sektors[5] und der Subsistenzwirtschaft[6], die für Entwicklungsländer eine zentrale Bedeutung haben. Ebenso unberücksichtigt bleibt, dass durch das PKE eine Glättung der Einkommensverhältnisse stattfindet, die insbesondere bei extremen Gefällen zwischen Stadt und Land (wie z.B. in China) oder zwischen Männern und Frauen dazu führen kann, dass weiten Teilen der Bevölkerung statistisch ein zu hohes PKE zugewiesen wird. Darüber hinaus wird die Ausbeutung natürlicher Ressourcen (z.B. Abholzung von Regenwäldern) als positiver Beitrag zum Sozialprodukt bewertet.[7] Andere Indikatoren wie z.B. der vom UNDP entwickelte Human Development Index (HDI) beziehen aufgrund dieser Probleme auch nicht-ökonomische Komponenten[8] in die Bewertung mit ein. Obwohl auch sie nicht frei von Erfassungsproblemen sind, lässt sich gemeinsam mit den rein monetären Indikatoren zumindest ein differenzierteres Bild[9] einer komplexen Welt zeichnen. Vor dem Hintergrund dieser Aussagen wird unmittelbar deutlich, dass sich Entwicklung nicht lediglich in wirtschaftlichem Wachstum erschöpfen kann. Vielmehr geht es um menschliche Entwicklung, die den Mensch und dessen Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf die Teilhabe am öffentlichen und kulturellen Leben in den Mittelpunkt stellt.[10]

2.2. Die Teufelkreise von Armut und Unterentwicklung

Unabhängig der geschilderten Multidimensionalität von Armut, die sich einer einheitlichen Definition weitgehend entzieht, ist Armut doch das zentrale Glied eines negativen Kreislaufes, der von Entwicklungsländern aus eigener Kraft nur schwer durchbrochen werden kann. Aus diesem Grund wurde ihre Bekämpfung auf dem Milleniumsgipfel im Jahre 2000 als überwölbendes Ziel der Entwicklungspolitik propagiert. Der Großteil in extremer Armut lebender Menschen verfügt nicht über genügend Nahrung und hat oftmals keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Folgen sind chronische Unterernährung und Krankheiten, die zu einem insgesamt schlechten Gesundheitszustand führen. Dieser wird zusätzlich durch die AIDS Pandemie und andere Seuchen wie Malaria und Tuberkulose belastet, die sich insbesondere in unterentwickelten Regionen wie Subsahara Afrika stark ausbreiten.[11] Kranke Menschen sind nur eingeschränkt in der Lage zu arbeiten und für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, was nicht nur die Armut weiter verstärkt, sondern auch viele Kinder zur Arbeit und junge Frauen zur Prostitution zwingt. Das Problem ist oft nicht ein fehlender Gesundheitssektor, sondern dass armen Menschen aufgrund ihres geringen Einkommens der Zugang zu diesen Dienstleistungen und zu Medikamenten verwährt bleibt.[12] Ähnliches gilt auch für den Bildungssektor[13], der insbesondere in ländlichen Gebieten starke quantitative und qualitative Defizite aufweist, die sich in einem mangelhaften Angebot an Lehrkräften, Schulgebäuden und Lehrmaterialien konkretisieren. Besonders dramatisch ist die Tatsache, dass gebildete Personengruppen (inkl. Lehrer) sehr stark von HIV betroffen sind und insbesondere in Subsahara Afrika eine tendenziell sinkende Lebenserwartung haben.[14] Bildung ist allerdings eine grundlegende Voraussetzung für wirtschaftliche und menschliche Entwicklung. Akkumulation von Humankapital, also die Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften und der Aufbau von eigenen Kapazitäten in Bildung und Wissenschaft, ist neben der Sachkapitalbildung die Grundlage für anhaltendes wirtschaftliches Wachstum, welches den EL langfristig mehr Unabhängigkeit von den externen Hilfen der Geberländer in Aussicht stellt. Der formelle Sektor unterentwickelter Volkswirtschaften kann aber oft nur einem Bruchteil der Bevölkerung geregelte Arbeit und mithin ein geregeltes Einkommen garantieren. Das Aufblähen des informellen Sektors, Massenarbeitslosigkeit, ein weiterhin geringes PKE und die Manifestation[15] der Armut sind die Folgen. Diese Problematik birgt umso mehr Brisanz in sich wenn man bedenkt, dass steigende Armut positiv mit Bevölkerungswachstum korreliert. Ein Anstieg von Bevölkerung und Armut beinhaltet zusätzlich die Gefahr, dass Konflikte um knapper werdende Ressourcen wie Boden und Wasser auftreten, die nicht selten in kriegerischen Auseinandersetzungen enden. Parallel versuchen Menschen, sich diesen Gefährdungen ihrer Lebensgrundlagen durch Migration zu entziehen, was in den Städten zur Slumbildung[16] und in Empfängerländern zu einem erneuten Konfliktpotential führt. Besondere Negativwirkungen für eine Volkswirtschaft im Sinne von langfristigen Entwicklungshemmnissen hat die Abwanderung der Bildungselite und der ausgebildeten Arbeitskräfte (Brain drain).[17]

Teufelskreise von Armut[18] können jedoch neben dem humanitären auch von einem öko-nomischen und politischen Blickwinkel beleuchtet werden, da zwischen diesen Bereichen starke Interdependenzen existieren. Aus ökonomischer Sicht ist niedriges PKE eine Ursache für zu geringe Ersparnisbildung. Folglich reichen die daraus finanzierten Investitionen nicht aus, um die für eine wirtschaftliche Entwicklung mindestens notwendige Sachkapitalausstattung (sowohl im Produktiv- als auch im Infrastrukturbereich) zu gewährleisten. Gerade die Unterentwicklung der materiellen Infrastruktur, die Verkehrs- und Kommunikationsnetze sowie die Trinkwasser- und Energieversorgung umfasst, ist ein Hemmnis für ökonomische Entwicklung und die Bekämpfung der Armut.[19] Die Produktion verbleibt schließlich auf einem zu niedrigen Niveau um mehr Einkommen und Nachfrage zu erzeugen sowie die Arbeitslosigkeit abzubauen.[20] Da die meisten EL aus eigener Kraft die Investitionslücken nicht schließen und wichtige Importe nicht finanzieren konnten, haben sie in großem Umfang externe Finanzmittel in Anspruch genommen. Schlechte politisch-institutionelle Rahmenbedingungen, aber auch strategische Fehler der Geberländer führten im Wesentlichen dazu, dass auch durch diese Mittel die ökonomische Situation nicht verbessert, sondern im Gegenteil eine tiefe Verschuldungskrise[21] ausgelöst wurde. Die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und der primär staatlichen Sektoren Gesundheit und Bildung hängt entscheidend von den spezifischen politischen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen der einzelnen EL ab, mit denen sich der folgende Abschnitt näher auseinandersetzt.

3. Strukturelle Defizite als Ursachen für Armut und Unterentwicklung

3.1. Markt oder Staat – Eine Grundsatzentscheidung?

Wirtschaftliche Prosperität ist die entscheidende Vorraussetzung zur Steigerung individueller Einkommensverhältnisse in EL und trägt somit potentiell zur langfristigen Reduktion der materiellen Armut bei. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Marktwirtschaft mit einem funktionsfähigen Preismechanismus die optimale Lösung zur dezentralen Koordination und Steuerung ökonomischer Aktivitäten darstellt.[22] Dem Staat kommt dabei die Aufgabe zu, durch Ordnungspolitik die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Hierzu zählen ein Rechtssystem, welches Privateigentum sichert, und eine effiziente Verwaltung, die über effektive Kontroll- und Sanktionsinstrumente verfügt. Dennoch kann der Staat als mächtiger Wirtschaftsakteur agieren und sowohl durch Angebots- als auch Nachfrageaktivitäten auf den Güter-, Faktor- und Geldmärkten eine erhebliche Lenkungsfunktion übernehmen. Interventionen und regulierende Maßnahmen können durch Mängel im Marktmechanismus (Marktversagen) oder mit der Ablehnung der Marktergebnisse[23] begründet werden. Die Frage lautet daher nicht ob Markt oder Staat die geeigneten Institutionen zur ökonomischen Steuerung darstellen, sondern in welchem Mischungsverhältnis sie zu einem nachhaltigen Entwicklungsprozess beitragen. Dieses optimale Verhältnis ist nicht universell, sondern kann aufgrund der spezifischen ökonomischen, soziokulturellen und politischen Gegebenheiten innerhalb der jeweiligen EL völlig unterschiedlich ausfallen, was sich auch in entwicklungspolitischen Strategien niederschlagen muss. Im Folgenden werden daher die Problemfelder Markt- und Staatsversagen und deren Bedeutung für die Entwicklungspolitik dargestellt.

3.2. Marktversagen

Die Koordination der ökonomischen Aktivitäten über Märkte und den Preismechanismus ist nicht für alle Bereiche geeignet, und kann aus mehreren Gründen zu unerwünschten Ergebnissen führen. Prinzipiell kommen nur die Nachfrager in den Genuss eines Gutes, die den geforderten Preis zahlen. Es gibt allerdings Güter (z.B. Polizeiwesen, Feuerwehr, Verteidigung), bei denen ein Ausschluss von der Nutzung (als mögliches Resultat der Unfähigkeit armer Menschen den Preis zu entrichten) nicht möglich bzw. sozial nicht vertretbar ist. In diesem Fall der öffentlichen Güter tritt dann i.d.R. der Staat als Anbieter auf.[24] Darüber hinaus können von ökonomischen Aktivitäten sowohl positive als auch negative Externalitäten (Spillover-Effekte) auf andere Wirtschaftssubjekte ausgehen, die nicht in das Entscheidungskalkül der Verursacher einbezogen werden. Sozialer Grenznutzen und Grenzkosten weichen folglich von den privaten Grenzkosten und Grenznutzen ab. Ursache dafür sind oft mangelnde Eigentumsrechte (z.B. an Luft oder Wasser), ohne die kein Preis für die Nutzung eines Gutes oder einer Leistung definiert werden kann bzw. muss. Die Folgen sind Übernutzung von Umweltressourcen und Unterversorgung mit bestimmten Gütern. Zu negativen technologischen externen Effekten kommt es schließlich, wenn bei der Güterproduktion keine Kosten für Luft- und Wasserverschmutzung oder daraus resultierende Klimaveränderungen berücksichtigt werden. Der Marktmechanismus kann in diesem Fall nur zu suboptimalen Ergebnissen führen, da nicht alle ökonomisch relevanten Angebots- / Nachfragebeziehungen über den Markt bewertet werden. Während hier die Produktion tendenziell zu hoch ist, findet bei manchen Gütern (z.B. bei der Erzeugung von Wissen) tendenziell eine Unterversorgung statt, da die daraus für die gesamte Gesellschaft resultierenden Nutzen (positive externe Effekte) wesentlich höher sind, als es sich für den Anbieter oder Produzenten in den Markergebnissen niederschlägt.[25] Damit dennoch für die Gesellschaft ein annehmbares, wohlfahrtsmaximierendes Ergebnis zustande kommt, muss der Staat intervenieren und durch die Implementierung von Institutionen (Regelungen, Gesetze, Verwaltungseinrichtungen etc.) eine Internalisierung dieser Diskrepanzen herbeiführen.[26] Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit zu Korrekturen in der marktwirtschaftlichen Steuerung liegt in der bereits angesprochenen, für viele EL typischen, extremen Divergenz in der personellen Einkommensverteilung. Diese resultiert aus der Ungleichverteilung von Zugangsmöglichkeiten und Eigentum an produktiv nutzbaren Ressourcen (Arbeit, Human- und Sachkapital, natürliche Ressourcen, technisches Know-How) zwischen einzelnen Gesellschaftsmitgliedern. Ein funktionsfähiger Preismechanismus führt zwar zu einer effizienteren Nutzung dieser eingesetzten Ressourcen, kann aber nicht kompensierend auf eine ungleiche Ausgangsverteilung an deren Eigentum wirken. Wenn Arme bspw. keinen Zugang zu Bildungs- und Gesundheitssektoren haben, werden sie kaum Chancen am Arbeitsmarkt haben und der Armutsfalle nicht entkommen können. Folglich haben sie, im Gegensatz zu der reichen Elite, auch unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine Partizipationsmöglichkeit an einem potentiellen wirtschaftlichen Wachstum, sofern hier keine staatlichen Maßnahmen ergriffen werden.[27] Marktversagen äußert sich auch in der Existenz von natürlichen Monopolen die entstehen, wenn das hergestellte Gut aufgrund von Kostenvorteilen[28] oder natürlichen Gegebenheiten[29] nur von einem Anbieter hergestellt werden kann. Um eine Ausnutzung dieser Machtposition im Sinne der willkürlichen Setzung von Preisen und der Abschöpfung von ungerechtfertigten Monopolrenten zu verhindern, muss von Seiten des Staates eine Preis- und Wettbewerbskontrolle erfolgen. Oftmals tritt der Staat dann selbst als Monopolanbieter auf.[30] Die unterschiedlichen Formen von Marktversagen oder die Ablehnung der Marktergebnisse durch die politisch Herrschenden dienen vielfach als Rechtfertigung für umfangreiche Eingriffe des Staates in die Märkte. Dies führt insbesondere dann zu erheblichen ökonomischen Problemen, wenn der Staat aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage ist, seine ordnungspolitische Rolle wahrzunehmen. Anders formuliert, besteht dann die latente Gefahr, dass Marktversagen durch Staats- bzw. Politikversagen substituiert oder verstärkt wird, was im Folgenden näher erläutert werden soll.

[...]


[1] Zur Messung von relativer Armut und dem zugrunde liegenden Toleranzbreitenprinzip vgl. Hemmer (2002), S. 88 ff..

[2] Vgl. Weltenwicklungsbericht 2003, S. 2.

[3] Vgl. Nuscheler (2004), S. 146f.

[4] Vgl. Nuscheler (2004), S. 186.

[5] Anm. d. Verf.: Zu dem informellen Sektor, dessen Bedeutung mit dem Grad der Unterentwicklung zunimmt, zählen Kleinunternehmen, die ihre Produkte nicht über erfasste Märkte absetzen. In diesem Sektor werden z.T. 25-70% der städtischen Arbeitskräfte beschäftigt.

[6] Anm. d. Verf.: Subsistenzwirtschaft umfasst alle Bereiche der Selbstversorgung inklusive der Arbeit von Hausfrauen und Müttern.

[7] Vgl. Nuscheler (2004), S. 187 ff. i.V.m. Hemmer (2002), S. 11 ff.

[8] z.B. Schulbesuchsrate, Alphabetisierungsrate, Lebenserwartung etc.

[9] Anm. d. Verf.: Die Verwendung unterschiedlicher Indikatoren führt auch zu einer völlig uneinheitlichen Klassifikation von „Entwicklungsstand“ und „Entwicklungsfortschritt“ die wiederum Grundlage für die Bezeichnung „Entwicklungsland“ sind. Empirische Analysen, die im folgenden auch zitiert werden, sind daher stets vor dem hier dargestellten Hintergrund zu betrachten und ggf. zu relativieren, da eine allumfassende Begriffsdefinition aufgrund der subjektiven Elemente nicht möglich ist.

[10] Vgl. Hemmer (2002), S. 33-35.

[11] Anm. d. Verf.: Ca. 60% der weltweit mit dem HIV Virus infizierten Menschen leben in Subsahara Afrika, Vgl. dazu Abb. 1, Anhang S. VII.

[12] Vgl. Weltentwicklungsbericht (2004), S. 23.

[13] Anm. d. Verf.: Gemeint ist hier im besonderen die Sekundär- und Tertiärbildung, während durch den Ausbau der Primarschulbildung bereits Erfolge erzielt und die Alphabetisierungsraten erhöht werden konnten. Allerdings sind auch hier die Schulbesuchsraten in Entwicklungsländern bei dem reichsten Fünftel der Bevölkerung z.T. deutlich höher als bei dem untersten Fünftel.

[14] Vgl. Weltentwicklungsbericht (2003), S. 27.

[15] Anm. d. Verf.: Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen PKE und der Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren sowie zwischen PKE und der Grundschulabschlussquote. Vgl. dazu Abb. 2, Anhang S.VII.

[16] Anm. d. Verf.: Viele Entwicklungsländer haben ihre Investitionsanstrengungen auf die Städte konzentriert, so dass ein erhebliches Gefälle zwischen Stadt und Land (im Hinblick auf PKE, Kapitalausstattung etc.) besteht. Migration wird dann durch die Hoffnung auf Arbeit und (höheres) Einkommen ausgelöst. Da Städte eine begrenzte Aufnahmefähigkeit haben, entstehen Slums die z.T. nur eine sehr rudimentäre Infrastruktur im Gesundheits-, Bildungs- und Verkehrsbereich aufweisen und als „Brutstätten“ von Seuchen und Gewalt gelten.

[17] Vgl. Hemmer (2002), S. 326.

[18] Vgl. hierzu Abb. 3, Anhang S. VIII.

[19] Vgl. Nuscheler (2004), S. 198-201.

[20] Anm. d. Verf.: Dieser kausale Zusammenhang wurde zwar empirisch für einige Länder bestätigt, trifft aber nicht bei jedem Land zu, so dass eine Verallgemeinerung ohne weitere Ergänzungen mit Fehlern behaftet wäre. Darüber hinaus kann mangelnde Spartätigkeit neben unzureichender Sparfähigkeit auch auf unzureichende Sparbereitschaft zurückzuführen sein. Ähnliches gilt auch für Investitionen, da finanzielle Mittel zwar verfügbar sind aber falsch eingesetzt werden! Vgl. Hemmer (2002), S. 177 ff.

[21] Anm. d. Verf.: Von 41 Ländern, die vom internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Weltbank als Highly indebted poor countries (HIPC) klassifiziert werden, liegen 33 in Subsahara Afrika.

[22] Anm. d. Verf.: Der begrenzte Umfang dieser Arbeit macht es leider nicht möglich, detailliert auf die alternative Steuerung der Wirtschaft durch zentrale staatliche Planung einzugehen. Das ordnungspolitische Konzept der Zentralverwaltungswirtschaft, wie es hauptsächlich im ehemals sozialistischen Ostblock propagiert und praktiziert wurde, hat allerdings nach dessen Zusammenbruch heute kaum noch praktische Relevanz.

[23] Anm. d. Verf.: Marktergebnisse können zu Verteilungsergebnissen führen, die vom Staat nicht als sozialverträglich angesehen werden.

[24] Vgl. Hemmer (2002), S. 120-122.

[25] Vgl. Weltentwicklungsbericht (2003), S. 31-33.

[26] Vgl. Kapitel 6.1.

[27] Vgl. Hemmer (2002), S. 125-126.

[28] Anm. d. Verf.: Unter Kostenvorteilen sind permanent, mit steigender Ausbringungsmenge sinkende Durchschnittskosten gemeint. Die Produktion eines Gutes durch einen Anbieter kann daher günstiger erfolgen als durch eine Vielzahl von Anbietern.

[29] Anm. d. Verf.: Unter natürlichen Gegebenheiten sind natürliche Ressourcen (z.B. Kohle-, Erz- und Ölvorkommen) ebenso zu verstehen wie die Vorhaltung von Netzen bspw. im Verkehrsbereich, die aus ökologischen und/oder ökonomischen Gründen nur einmal (also von einem Anbieter) bereitgestellt werden.

[30] Vgl. Hemmer (2002), S. 366.

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Entwicklungspolitik
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Politikwissenschaften)
Note
1,6
Autoren
Jahr
2005
Seiten
38
Katalognummer
V39434
ISBN (eBook)
9783638381970
Dateigröße
1802 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklungspolitik
Arbeit zitieren
Frank Göttlicher (Autor:in)Stefan Rühl (Autor:in), 2005, Entwicklungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39434

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