Morphologie beschäftigt sich mit dem Aufbau von Wortformen und Wörtern aus kleinsten „Wortbausteinen“, sie fragt nach der Kombinatorik von Einheiten wie Stämmen und Affixen, sei leitet Bedeutungen komplexer Wörter her und macht verständlich, aufgrund welcher Mechanismen neue Wörter entstehen. Wörter sind oftmals Produkte morphologischer Regularitäten und können auf dieser theoretischen Basis auch wieder in ihre Einzelteile zerlegt werden. Das Wissen um solche Regularitäten kann zu einer größeren Verständnissicherung beim Fremdsprachenlernen führen. (siehe 2.) Die Morphologie des Deutschen ist sehr komplex. Für eine korrekte Anwendung ihrer Regularitäten müssen diese umfassend und präzise gelehrt und gelernt werden. Im theoretischen Teil dieser Hausarbeit versuchen wir folgender Frage nachzugehen: Welche für den Fremdsprachenunterricht relevanten morphologischen Regularitäten hat das Deutsche und welche dieser Regularitäten sollten in den Fremdsprachenunterricht eingebracht werden? Dazu gehen wir in 2.1. zunächst allgemein auf die für den Fremdsprachenunterricht relevante Morphologie des Deutschen ein, um dann in 2.2. einen Überblick über verschiedene theoretische Ansätze zur Verwendung von morphologischen Regularitäten im Fremdsprachenunterricht zu geben. Im praxisorientieren Teil 3. wird dann untersucht, inwieweit die vorgeschlagenen theoretischen Ansätze tatsächlich in Lehrwerken umgesetzt werden, d.h. welche konkreten Aufgaben und Aufgabenstellungen in aktuellen Lehrwerken zu finden sind. Wir untersuchen in dieser Hausarbeit die Lehrwerke Tangram 1a und 1b und Em Brückenkurs, da sich in einer telefonischen Befragung der Hamburger DaF-Schulen herausgestellt hat, dass diese die am häufigsten verwendeten Lehrwerke sind.
Inhalt
1. Einleitung
2. Theorieteil
2.1. Morphologie des Deutschen
2.2. Didaktik der Morphologie
3. Untersuchung der Lehrwerke
3.1. Einführung
3.2. Derivation
3.2.1. Ableitung von Verben
3.2.2. Ableitung von Adjektiven
3.2.3. Ableitung von Substantiven
3.2.4. Zusammenfassend zu Derivation
3.3. Kompositabildung
3.3.1. Bildung von Substantiven
3.3.2. Bildung von Verben
3.3.3. Bildung von Adjektiven
3.3.4. Zusammenfassend zu Kompositabildung
3.4. Weitere Übungen zu Morphologie
3.4.1. Strukturierung des Lernwortschatzes
4. Schlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Morphologie beschäftigt sich mit dem Aufbau von Wortformen und Wörtern aus kleinsten „Wortbausteinen“, sie fragt nach der Kombinatorik von Einheiten wie Stämmen und Affixen, sei leitet Bedeutungen komplexer Wörter her und macht verständlich, aufgrund welcher Mechanismen neue Wörter entstehen.
Wörter sind oftmals Produkte morphologischer Regularitäten und können auf dieser theoretischen Basis auch wieder in ihre Einzelteile zerlegt werden. Das Wissen um solche Regularitäten kann zu einer größeren Verständnissicherung beim Fremdsprachenlernen führen. (siehe 2.)
Die Morphologie des Deutschen ist sehr komplex. Für eine korrekte Anwendung ihrer Regularitäten müssen diese umfassend und präzise gelehrt und gelernt werden.
Im theoretischen Teil dieser Hausarbeit versuchen wir folgender Frage nachzugehen: Welche für den Fremdsprachenunterricht relevanten morphologischen Regularitäten hat das Deutsche und welche dieser Regularitäten sollten in den Fremdsprachenunterricht eingebracht werden?
Dazu gehen wir in 2.1. zunächst allgemein auf die für den Fremdsprachenunterricht relevante Morphologie des Deutschen ein, um dann in 2.2. einen Überblick über verschiedene theoretische Ansätze zur Verwendung von morphologischen Regularitäten im Fremdsprachenunterricht zu geben.
Im praxisorientieren Teil 3. wird dann untersucht, inwieweit die vorgeschlagenen theoretischen Ansätze tatsächlich in Lehrwerken umgesetzt werden, d.h. welche konkreten Aufgaben und Aufgabenstellungen in aktuellen Lehrwerken zu finden sind.
Wir untersuchen in dieser Hausarbeit die Lehrwerke Tangram 1a und 1b und Em Brückenkurs, da sich in einer telefonischen Befragung der Hamburger DaF-Schulen herausgestellt hat, dass diese die am häufigsten verwendeten Lehrwerke sind.
2. Theorieteil
2.1. Morphologie des Deutschen
Das Deutsche, als eine flektierende Sprache, besteht zum größten Teil aus Wörtern[1], die durch das Hinzufügen oder Wegnehmen von Affixen ihre Bedeutung und Form verändern können. Diese Affixe lassen sich in zwei Kategorien einordnen, zum einen in Flexionsaffixe (z.B. -st, -te, ge- in sag-st, sag-te, ge-sagt) und zum anderen in Derivations-, d.h. Wortbildungsaffixe (z.B. -lich, - un, -ung, zer- in rein-lich, un-reinlich, Zerstör-ung, zer-stören). Man unterscheidet folglich in der Morphologie zwischen Wortbildung und Flexion.
Im Deutschen lässt sich die Gruppe der Affixe in folgende drei Grundtypen aufteilen: Suffixe (werden an den Stamm angehängt), Präfixe (gehen dem Stamm voraus) und Circumfixe (umschließen den Stamm). Dieses Inventar an „Bausteinen“ ist die Grundlage für vier verschiedene mögliche Typen der Wortbildung im Deutschen[2]: die Komposition, die Präfigierung, die Suffigierung und die Konversion.
Affixe treten immer als gebundene, d.h. als nicht freie Formen auf, die bei der Wortbildung an den Wortstamm angefügt werden. Je nachdem wo sie sich an den Stamm binden, findet eine Suffigierung oder Präfigierung statt. Affixe sind dementspchend der nicht basisfähige Teil eines Wortes. Sie bilden eine in sich geschlossene Klasse[3], im Gegensatz zu den Wörtern, welche durch Affixe erschaffen werden können. Wortbildungsregularitäten führen zu Wörtern, die sich in die Ordnung der Wortklassen einfügen; es entstehen Verben, Substantive, Adjektive, etc. Die Wortbildung kann fast jede Wortklasse bereichern; ausgenommen sind jedoch z.B. Konjunktionen, Artikel, Partikel. Demzufolge ist die Lexikonerweiterung die Hauptaufgabe der Wortbildung.[4]
Gerade seine morphologische Beschaffenheit macht das Deutsche zu einer sehr kreativen und produktiven Sprache. Auch wenn nur die wenigsten Neuschöpfungen ihren Weg in den permanenten Wortschatz und -gebrauch finden, so hält doch auch in den offiziellen Medien der spontane „Wortschöpfungsgeist“ seinen Einzug. Im Moment sind besonders häufig Wortspiele um den Filmtitel „Terminator“ wie zum Beispiel der „Party-nator“[5] oder der „Schermi-nator“[6] zu beobachten.
Flexionsaffixe dienen im Deutschen dazu, Geschlecht, Kasus und Genus der Wörter festzulegen und tragen somit zu der grammatischen Formseite eines Wortes bei. Wortbildungsaffixe hingegen, wie der Name schon andeutet, werden innerhalb der Derivation verwendet und beeinflussen somit zum einen die syntaktischen Worteigenschaften, legen aber auch die Struktur der Wörter mit ihrer Formseite und ihrer Bedeutungsseite fest ( les-en, Les-erin, les-bar, ge-les-en).
Wörter die gemäß den jeweils entspchenden Wortbildungsregularitäten gebildet werden, nennt man morphologisch und semantisch transparent. Solchen systematischen Beschränkungen unterliegt zum Beispiel die Bildung von Substantiven auf -er mit Verbstämmen. Diese Endung kann nicht an jeden beliebigen Stamm angehängt werden (träum-en ~ Träum-er, gehör-en ≠ Gehör-er), sondern ist systematisch auf bestimme Verbstämme beschränkt.
Die solchen Wörtern zugrundeliegende Struktur ist evident, und daher ergibt sich deren Bedeutung kompositionell.[7] Die Bedeutung ist nicht mehr, wie bei morphologisch weniger komplexen Wörtern, völlig arbiträr, sondern teilweise motiviert. Die Motiviertheit eines Wortes ist umso vollständiger je leichter sich die Anreihung zerlegen lässt und je deutlicher der Sinn der Untereinheiten ist. Allerdings ist die Motiviertheit niemals vollständig, denn die Bestandteile eines motivierten Zeichens sind selbst beliebig.[8]
Genau diese Kategorie von motivierten Wörtern ist für den Fremdsprachenunterricht von Interesse. Lerner können durch das Beherrschen der morphologischen Regularitäten in die Lage versetzt werden, Wörter mit einer motivierten Bedeutung zu erkennen und selbst zu bilden. Jedoch stellt das Bilden oftmals eine größere Herausforderung an den Lerner dar, als das Dekodieren von Wörtern. So gibt es zum Beispiel das Wort Dieb. Ebenso gut könnte es auch das Wort Stehler geben. Es ist ein mögliches Wort, welches allen Wohlgeformtheitsbedingungen entspricht, die an Wörter gestellt werden. Dass dieses Wort jedoch nicht verwendet wird, ist mit der Existenz des Wortes Dieb zu begründen und nicht durch systematische Beschränkungen. Man kann folglich sagen, dass Stehler aus externen Gründen nicht existiert; seine Bildung ist blockiert. Blockierung entspricht jedoch nicht Nicht-Wohlgeformtheit. Dementspchend darf ungrammatisch nicht mit ‚steht nicht im Lexikon’ gleichgesetzt werden.
In dieser Hausarbeit sollen die Wortbildungsaffixe im Mittelpunkt stehen. Die Flexion fällt in den Bereich des Grammatikerwerbs und wurde für die Fremdsprachendidaktik schon weit reichend analysiert. Inwieweit die implizite oder explizite Vermittlung von Derivation und Komposition im FU stattfinden könnte und sollte, werden wir anhand zweier DaF-Lehrwerke im Praxisteil näher beschreiben.
2.2. Didaktik der Morphologie
I.S.P. Nation geht in seinem Buch „Learning Vocabulary in another Language“ (Nation, 2001) davon aus, dass das Erlernen morphologischer Regularitäten Fremdsprachenlernern den Umgang mit dem neuen Wortschatz sowohl was die Perzeption als auch was die Produktion betrifft, erleichtert. Das Wissen um morphologische Regularitäten erweitert demzufolge den potentiellen Wortschatz, ebenso wie den passiven Wortschatz.
Aber wie kann dieses Wissen vermittelt werden?
Beim Lernen neuer Vokabeln ist es oftmals sehr hilfreich, wenn diese einen schon bekannten Teil enthalten, wie zum Beispiel bei solchen Wortstämmen oder Affixen, die dem Lerner aus seiner eigenen Muttersprache, oder aus anderen bereits erlernten Fremdsprachen bekannt sind. Dies bezieht sich nicht nur auf Internationalismen, wie Television, television, télévision oder televisión, sondern besonders auf solche Fälle, wo ein Zusammenspiel der einzelnen Wortelemente den Sinn erahnen lässt. Ein Beispiel bildet der Fall, in dem ein deutscher Französisch-Lerner den Satz ‚C’est pour une inscription?’ liest und über das Wort inscription stolpert. Der Lerner kann nun sein bisheriges Sprachwissen mit dem unbekannten Wort vergleichen und wird im Idealfall die Parallele ziehen können zwischen dem lateinischen Wort inscribere, dem spanischen Wort inscripción und dem unbekannten Wort, welches jetzt nicht mehr unbekannt sein sollte. Da in einigen europäischen Sprachen, wie z.B. in den romanischen, viele Präfixe aus dem Lateinischen stammen, kann oftmals schon ein Vergleich dieser Sprachen einen Hinweis auf die Bedeutung eines unbekannten Wortes geben.
Im ihren Morphemstudien[9] haben Bauer und Nation untersucht, ob Lerner dazu tendieren, neue, völlig unbekannte Wörter zuerst als feste, komplexe und unanalysierte Worteinheiten aufzunehmen, um diese dann später, im Kontext mit anderen Wörtern, zu analysieren.
Worteinheiten wie interrail, intermission, internet oder international würden also unanalysiert aufgenommen. Erst später im Laufe des Sprachlernprozesses erkennt der Lerner, im Idealfall, ein Muster in den Wörtern und isoliert das Präfix inter-, um es dann semantisch und morphologisch zu interptieren.
[...]
[1] Obwohl Spcher ein intuitives Verständnis davon besitzen, was in ihrer jeweiligen Muttersprache ein Wort als Basiseinheit des Wortschatzes ist, tut sich die Lexikologie schwer, diese Grundeinheit klar und allgemeingültig zu formulieren. Da die Diskussion um die genaue Definition mittlerweile sehr umfassend und weitreichend geführt wird, möchten wir in dieser Hausarbeit nicht näher darauf eingehen und bauen auf das intuitive Verständnis des Lesers. (siehe auch Metzler, 2000, Eintrag: Wort)
[2] siehe Eisenberg, 2000, Seite 202
[3] siehe Metzler, 2000, S. 17, Eintrag: Affixe
[4] siehe Eisenberg, 2000, Seite 204
[5] MOPO, 20.08.2003, Seite 7
[6] American Pie 1 + 2, Columbia Tristar, Universal Pictures, 2000 + 2002, oder: http://us.ibdm.com/Quotes?0118276, 10.09.2003
[7] Eisenberg, 2000, Seite 204
[8] siehe Th. Lewandowski, 1994
[9] siehe Nation, 2001, Seite 47
- Arbeit zitieren
- Barbara Miertsch (Autor:in), 2003, Zur Vermittlung morphologischen Wissen im Fremdsprachenunterricht am Beispiel der DaF-Lehrwerke Em und Tangram, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39568
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