Der Bologna-Prozess für einen europäischen Hochschulraum - Eine neue Form des Policy-Making im Bildungsbereich


Diplomarbeit, 2003

158 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1. GOVERNANCE IM TRANSNATIONALEN RAUM
1.1 STEUERUNGSFÄHIGKEIT - THEORETISCHE IMPLIKATIONEN FÜR POLITISCHES HANDELN
1.1.1 STEUERUNGSFÄHIGKEIT ALS POLITIKWISSENSCHAFTLICHES KONZEPT
1.1.2 SYSTEMTHEORETISCHE KRITIK AM KONZEPT DER STEUERUNGSFÄHIGKEIT
1.1.3 VON DER STEUERUNG ZUR „GOVERNANCE“
1.1.4 AKTEURSZENTRIERTER INSTITUTIONALISMUS
1.2 TENDENZEN DER ENTGRENZUNG - INTERNATIONALISIERUNG UND EUROPÄISIERUNG VON POLITIK
1.2.1 ÜBERGANG VON DER NATIONALEN ZUR INTERNATIONALEN UND POSTNATIONALEN KONSTELLATION
1.2.2 MERKMALE POSTNATIONALER POLITIK UND DES REGIERENS JENSEITS DES NATIONALSTAATS
1.2.3 MÖGLICHKEITEN DER RE-REGULIERUNG ALS ANTWORT AUF ABNEHMENDE NATIONALSTAATLICHE PROBLEMLÖSUNGSFÄHIGKEIT
1.3 KOORDINIERTE POLITIKEN UND NEUE GOVERNANCE-INSTRUMENTE
1.3.1 NEUE GOVERNANCE-FORMEN
1.3.2 KENNZEICHEN UND INSTRUMENTE DER NEUEN GOVERNANCE-FORMEN

2. DIE HOCHSCHULSYSTEME ZWISCHEN INTERNATIONALISIERUNG UND NATIONALSTAATLICHEM EINFLUSS
2.1 INTERNATIONALISIERUNG UND TRANSNATIONALISIERUNG DER HOCHSCHULEN DER HOCHSCHULPOLITIK
2.1.1 INTERNATIONALISIERUNG, EUROPÄISIERUNG, TRANSNATIONALISIERUNG UND GLOBALISIERUNG - BEGRIFFLICHE ABGRENZUNG FÜR DIE HOCHSCHULPOLITIK
2.1.2 DIE UNTERSCHEIDUNG DER INTERNATIONALISIERUNG UND TRANSNATIONALISIERUNG DER HOCHSCHULSYSTEME UND DER HOCHSCHULPOLITIK
2.1.4 TRANSNATIONALISIERUNG DER HOCHSCHULPOLITIK
2.2 NATIONALSTAAT UND HOCHSCHULE - DARSTELLUNG VON ZUSAMMENHÄNGEN
2.2.1 UNTERSCHIEDLICHE CHARAKTERISTIKA DER HOCHSCHULSYSTEME AM BEISPIEL DEUTSCHLANDS
2.2.2 DAS SICH WANDELNDE VERHÄLTNIS VON STAAT UND HOCHSCHULE
2.2.3 HOCHSCHULPOLITIK UND NATIONALSTAATLICHER EINFLUSS - WAS SPRICHT GEGEN EINE DENATIONALISIERUNG IN DER HOCHSCHULPOLITIK?
2.3 REFORMEN, REFORMBEDARFE UND REFORMPROBLEME
2.3.1 REFORMEN IM HOCHSCHULSYSTEM SEIT 1950 AM BEISPIEL DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
2.3.2 THEMEN UND GEGENSTÄNDE DER AKTUELLEN HOCHSCHULDISKUSSION
2.4 ENTWICKLUNGEN ZU EINER EUROPÄISCHEN HOCHSCHULPOLITIK?
2.4.1 TRANSNATIONALISIERUNG DER HOCHSCHULPOLITIK IN EUROPA
2.4.2 SKIZZIERUNG DER POLITISCHEN ZUSAMMENHÄNGE, IN DENEN DIE INTERNATIONALISIERUNG DER HOCHSCHULPOLITIK STEHT

3. DATEN, DOKUMENTE UND ANALYSEVERFAHREN
3.1 METHODIK DER ARBEIT
3.1.1 QUALITATIVE INHALTSANALYSE
3.1.2 FORSCHUNGSABLAUF DER ARBEIT
3.2 BESTIMMUNG DER DATENGRUNDLAGE UND DER STICHPROBE
3.3 KATEGORIENBILDUNG UND TEXTCODIERUNG
3.4 FORMULIERUNG UND OPERATIONALISIERUNG VORLÄUFIGER HYPOTHESEN
3.4.1 BILDUNG VON HYPOTHESEN ZUR ANALYSE DES BOLOGNA-PROZESSES
3.4.2 OPERATIONALISIERUNG DER HYPOTHESEN

4. REKONSTRUKTION DES BOLOGNA-PROZESSES
4.1 ZUM ZEITLICHEN ABLAUF DES PROZESSES UND DIE DYNAMIK DER AKTIVITÄTEN
4.2 DIE EINBINDUNG VERSCHIEDENER AKTEURE UND UNTERSCHIEDLICHER EBENEN
4.2.1 AKTEURE UND EBENEN
4.2.2 ABWESENDE AKTEURE UND NEUE AKTEURE IM BOLOGNA-PROZESS
4.2.3 ROLLE VON EXPERTEN UND WISSENSCHAFTLICHEN AKTEUREN IM PROZESS
4.2.4 DIE EINBINDUNG IN EIN NETZ VON TRANSNATIONALEN AKTEUREN
4.3 DIE PROZESSGESTALTUNG UND DIE CHARAKTERISTIK DES PROZESSES
4.3.1 DIE WICHTIGSTEN INSTITUTIONALISIERUNGEN DES PROZESSES
4.3.2 DIE ENTWICKLUNG EINES INSTITUTIONELLEN RAHMENS FÜR KONVERGENZ
4.4 DIE ANWENDUNG UNTERSCHIEDLICHER GOVERNANCE-INSTRUMENTE
4.5 DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN TRANSNATIONALER, NATIONALER UND HOCHSCHULEBENE
4.6 DER BOLOGNA-PROZESS UND DIE AKTEURE AUF DEN UNTERSCHIEDLICHEN EBENEN DES PROZESSES
4.7 SPIELTHEORETISCHE MODELLIERUNG
4.7.1 DIE TRANSNATIONALE EBENE
4.7.2 DIE NATIONALE EBENE
4.8 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN

5. DESKRIPTIVE DARSTELLUNG DER ZIELE DES PROZESSES
5.1 ZIELE DES PROZESSES
5.1.1 DIE VERBESSERUNG DER ANERKENNUNG UND EINFÜHRUNG DES „DIPLOMA-SUPPLEMENT“
5.1.2 DIE EINFÜHRUNG DER GESTUFTEN ABSCHLÜSSE „MASTER“ UND „BACHELOR“
5.1.3 DIE EINFÜHRUNG VON ECTS
5.1.4 DIE VERBESSERUNG DER MOBILITÄT
5.1.5 DIE SICHERUNG VON QUALITÄT
5.1.6 DIE SCHAFFUNG DES „EUROPEAN HIGHER EDUCATION AREA“
5.2 DIE ZIELE DES BOLOGNA-PROZESSES IM WEITEREN KONTEXT
5.2.1 ÜBERGEORDNETE ZIELE DES BOLOGNA-PROZESSES
5.2.2 ZIELE AUS DEM REFORMKONTEXT IN DEN NATIONALSTAATEN
5.3 KOHÄRENZ UND DIVERSITÄT
5.4 FINANZIERUNG
5.5 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN

6. ANALYSE DER ZIELE UND IHRER IMPLEMENTIERUNG
6.1 DIE ZIELSETZUNG AUF TRANSNATIONALER EBENE
6.2 DIE UMSETZUNG IN DEUTSCHLAND
6.3 DIE UMSETZUNG IN DER SCHWEIZ
6.4 ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN

SCHLUSS

LITERATUR

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Bildung und damit auch Bildungspolitik sind seit dem Beginn der Entstehung eines durchgängigen Bildungssystems ein Feld, das sehr eng mit dem jeweiligen Natio- nalstaat verbunden ist. Dabei standen neben ökonomischen Funktionen von Bil- dung immer Ziele wie die Legitimation und Integration der Nationalstaaten im Vor- dergrund. Dies kann auch von der Hochschulbildung und der Hochschulpolitik ge- sagt werden. Die Europäische Einigung hat an dieser Bindung der Bildungssyste- me an die Nationalstaaten bisher nur wenig verändert. Zwar ergaben sich einige Kompetenzen im Bereich der beruflichen Bildung (zurückgehend auf das Ziel Bin- nenmarkt und Freizügigkeit) und im Bereich der Sensibilisierung für Europa, die eigentlichen Kernaufgaben von Bildung und Bildungspolitik blieben jedoch natio- nalstaatlich (vgl. Thiele 2000, EU Verträge 2003).

Über verschiedene Mechanismen beginnt sich diese klare Zuordnung jedoch zu verschieben. Ähnlich wie in der Sozialpolitik ist es einerseits der EuGH, der Verän- derungen bewirkte (vgl. Leibfried/Pierson 1998; Leibfried 2002), aber auch durch die neueren Verträge wird das Gebiet Bildungspolitik ausgeweitet (EU-Vertrag 2002). Innerhalb Europas zeichnet sich dabei seit einiger Zeit ab, dass sensible Themen, die nicht im engeren Sinn in den Zuständigkeitsbereich der EU gehören in gemeinsame Politiken eingebunden werden (vgl. Wallace 2002; Rodrigues 2002).

Ähnlich wie in anderen Feldern der Bildungspolitik, die auf europäischer Ebene forciert werden, ist auch im Bereich der Hochschulbildung ein Wandel der Funktion die Bildung zugeschrieben wird, zu verzeichnen. Ziel ist weniger die “Integration” des Nationalstaates, sondern es stehen wirtschaftliche Ziele und Probleme unter Stichworten wie Competitiveness, Employability oder Globalisierung im Mittelpunkt, die mittels Hochschulpolitik, aber auch in anderen Bildungsfeldern bearbeitet werden sollen (vgl. Portuguese Presidency of the European Union 2002; EUKommission Education Policy 2002; Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2001a; Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2000).

Der Gegenstand der Arbeit ist der Bologna-Prozess, der das Ziel hat, bis zum Jahr 2010 einen Europäischen Hochschulraum - EHEA (European Higher ducation A- rea) zu entwickeln. Dabei wird der eingeschlagene Weg auf verschiedenen politi- schen Ebenen herausgearbeitet und untersucht, und es wird gefragt, inwiefern neue Formen des Policy-Making eingesetzt werden und eine neue Institution für den tertiären Bildungsbereich in Europa entsteht.

Besondere Aufmerksamkeit soll dabei in dieser Arbeit auf die Methoden gelegt werden, die in der Bildungspolitik auf supranationaler Ebene vorangebracht werden sollen. Mit „Soft-Policy-Instrumenten“ wie dem der “offenen Koordinierung”, das in verschiedenen Bereichen der Bildungspolitik wie auch in anderen Politikfeldern verstärkt seit dem EU Gipfel von Lissabon strategisch eingesetzt wird, sollen in diesen Politikfeldern dynamische Entwicklungen erzielt werden (Wallace 2002; Teló 2002; Rodrigues 2002, Falkner 2000, Platzer 1999).

Hinter diesem Ansatz steht die Frage danach, wie Politikprozesse beschaffen sein müssen, um etwas zu erreichen. Da die Nationalstaaten weiterhin eine entscheidende Rolle im untersuchten Politikfeld spielen, wird diese Fragestellung erweitert. Untersucht wird, wie sich der Prozess auf verschiedenen Ebenen im Hinblick auf Zielsetzung, Entscheidung und Implementierung gestaltet. Eine Evaluation von Ergebnissen des BP (Bologna-Prozess) ist dabei nicht angestrebt.

Die der Arbeit zugrunde liegende Leithypothese leitet sich aus diesen Überlegun- gen ab. Vor dem Hintergrund des weiter bestehenden Einflusses der Nationalstaa- ten, der eingesetzten Governance-Instrumente und der unterschiedlichen Interes- sen in den Hochschulsystemen lautet diese: Der Bologna-Prozess gelangt, bedingt durch seine offene Policy-Methode, relativ schnell zu Ergebnissen auf dem Weg zu gemeinsamen Zielen, aber zu eher diffusen Ergebnissen und zu Divergenz statt zu Konvergenz auf der Implementierungsebene und damit nicht zu einem kohärente- ren System.

Die Arbeit versucht dabei die Analyse der oben genannten Einzelaspekte, um dadurch Bedingungen und Möglichkeiten der besseren Kohärenz der Bildungssysteme herauszuarbeiten. Dabei gehe ich davon aus, dass der zahlenmäßige Anstieg von Veränderungen im Sinn des BP zum jetzigen Zeitpunkt weniger aussagekräftig ist, als die politischen Weichenstellungen und verschiedenen Zielsetzungen auf transnationaler Ebene und innerhalb der Nationalstaaten. Auf eine Darstellung der quantitativen Entwicklung im Zuge des Bologna-Prozesses wird weitestgehend verzichtet (vgl. für diese Reichert/Tauch 2003).

Die Arbeit orientiert sich dabei am Ansatz des „Akteurszentrierten Institutionalis- mus“ als Ansatz für die Analyse der Governance-Methoden, -Strukturen und - Erfolge. Dieser Analyseansatz eignet sich besonders für die Herausarbeitung der Zusammenhänge des politischen Prozesses innerhalb des Mehrebenensystems (vgl. Mayntz/Scharpf 1995a).

Zusätzlich werden mit Hilfe spieltheoretischer Überlegungen die Zielsetzungs- und Umsetzungsversuchte des BP analysiert und interpretiert. Dabei wird die Spieltheorie nicht als Theorie über das Verhalten von Akteuren gesehen, sondern sie wird als Instrument der Gesellschaftsforschung herangezogen (Ryll 1989: 10; vgl. auch Scharpf 1990; Scharpf 1993; Gehring 1995; Zürn 1998).

Basis für diese Untersuchung bildet eine Dokumentenanalyse, in die den politi- schen Prozess dokumentierende Papiere von verschiedenen Akteuren und aus verschiedenen politischen Ebenen einbezogen wurden (vgl. Anhang 1). Die Daten- grundlage sind die offiziellen Dokumente des Bologna-Prozesses aus den Jahren 1997-2003. Dabei wurden alle zentralen Dokumente aus der transnationalen Ebe- ne und der nationalen Ebene einbezogen und durch Dokumente zu einzelnen Pro- zesszielen und von weiteren indirekten Akteuren ergänzt. Methodisch wird dabei auf die von Mayring beschriebene „Qualitative Inhaltsanalyse“ zurückgegriffen (Mayring 1997 (1984).

Ein solcher interdisziplinärer Ansatz, der politikwissenschaftliche, soziologische und erziehungswissenschaftliche Fragestellungen und Methoden kombiniert, erscheint für den Bereich der Hochschulentwicklung und der Internationalisierung sinnvoll und wird von verschiedenen Forschungsinstituten, beispielsweise dem Institut für Hochschulforschung in Wittenberg und dem Teilprojekt C4 „Internationalisierung von Bildungspolitik“ im DFG Sonderforschungsbereich 597 „Staatlichkeit im Wan- del“ in diesem Bereich eingesetzt (vgl. Kreckel 2001; Sackmann/Weymann 2002)

Zum in der Arbeit untersuchten Gegenstand liegen, soweit der Forschungsstand überblickt werden kann, bisher im engeren Sinn keine Untersuchungen vor. Jedoch werden aktuelle Ergebnisse von Studien zum Bologna-Prozess sowie zu wichtigen politikwissenschaftlichen Bezugsfeldern herangezogen. Die bisherigen Arbeiten zum BP, vor allem die offiziellen Untersuchungen haben hauptsächlich die Vorbe- dingungen und die tatsächlichen Veränderungen innerhalb der nationalen Bil- dungssysteme zum Gegenstand gehabt. Die für den BP sehr einflussreichen Pa- piere von Houg und Kirstein stellen die Strukturen in den beteiligten Nationalstaa- ten nebeneinander und arbeiten die aktuellen „Trends“ in der Hochschulbildung heraus (Hough 1999; Kirstein 1999). Zur Prag-Konferenz erschien eine weitere Untersuchung von Hough und Tauch die die Entwicklungen und die Resonanz in den Nationalstaaten als Reaktionen auf die Bologna-Declaration beschreiben. Im Jahr 2002 erschien eine von der EUA (European University Association) herausge- gebene Studie zur Entwicklung der Bachelor und Masterabschlüsse, die die bishe- rige Entwicklung im Hinblick auf die einzelnen Staaten zusammenfasst (Tauch/Rauhvargers 2002).

Neben diesen offiziellen Untersuchungen zum Prozess entstanden auch unabhän- gige Arbeiten, die sich direkt auf den BP beziehen. In Deutschland hat sich insbe- sondere Jahn mit Qualitätsaspekten und der inhaltlichen Gestaltung der neuen Studienabschlüsse, insbesondere auch in Hinblick auf die Aushandlungsprozesse innerhalb dieser Studienreformen befasst (Jahn 2001). Weitere Darstellungen der wachsenden Internationalisierung liegen in Arbeiten von verschiedenen Autoren vor. Teichler problematisiert das Thema als aktuelles Modethema der Hochschulre- form und im Zusammenhang mit Entwicklungen in der Arbeitswelt (Teichler 2002; 1997), Kehm stellt die wachsende Internationalisierung in Verbindung mit der wachsenden Relevanz von Qualitätssicherung (Kehm 2001a).

Über Deutschland hinaus wurden einige Arbeiten mit einbezogen, die ebenfalls die Entwicklungen im tertiären Bildungssektor untersuchten. Meyer und Ramirez arbei- ten heraus, wie sich die Angleichung der Bildungssysteme in einem langen Pro- zess bereits seit Beginn der Modernisierung und heute mit wachsender Beschleu- nigung vollzieht. Hierbei messen sie vor allem den entstehenden internationalen Bildungsinstitutionen eine entscheidende Rolle zu (Meyer/Ramirez 2000) Vom Center for Higher Education Policy Studies (CHEPS) konnten mehrere, ebenfalls die Trends der Hochschulsysteme in Europa vergleichende Arbeiten einbezogen werden. Insbesondere die Arbeit von Rakic ist hier von Interesse, da sie die Ent- wicklung zu Konvergenz zwischen den Hochschulsystemen in Europa beschreibt und dabei als Konsequenz die Entstehung der „massification in higher education“ und der wachsenden Rolle der EU im tertiären Bildungsbereich versteht. (Rakic 2001: 239; CHEPS 2002; CHEPS 2001;).

Für die Analyse der Policy-Making-Prozesse im Bereich der Hochschulsysteme, wie sie in dieser Arbeit am Beispiel des Bologna-Prozesses durchgeführt werden soll, muss zum einen auf einen theoretischen und methodischen Rahmen zurückgreifen und zum anderen das Verhältnis von Hochschule und Staat thematisieren (vgl. Williams 1992: 842f.).

Im ersten Kapitel der Arbeit wird dafür in mehreren Schritten ein theoretischer Hin- tergrund entfaltet, der auf sozialwissenschaftliche und insbesondere politikwissen- schaftliche Diskussionen der letzten Jahre zurückgreift. Dabei steht insbesondere die Frage nach der Möglichkeit von Steuerung und Governance (vgl. Luhmann 1989; Scharpf 1989; Mayntz/Scharpf 1995a) und der im Zusammenhang mit dieser Problematik entwickelte „Akteurszentrierte Institutionalismus“ als Ansatz zur Analy- se von politischen Prozessen in komplexen (politischen) Systemen (Mayntz/ Scharpf 1995b) im Mittelpunkt. Diese Zusammenhänge werden im weiteren Verlauf des ersten Kapitels im Kontext der Diskussion über die De-Nationalisierung und die wachsende Bedeutung von Governance in politisch entgrenzten Räumen eingebet- tet und erweitert (Jachtenfuchs 2002; Rieger/Leibfried 2001; Zürn 1998). Die Ab- schnitte 1.2.3 und 1.3 geben einige empirische Ergebnisse und Ansätze aktueller Politikforschung (vgl. Scharpf 1998; Zürn 1998) und praktischer Governance- Ansätze wieder (Wallace 2002; Teló 2002; De la Port 2002). Dabei werden die in Europa zunehmend eingesetzten Soft-Policies, insbesondere die durch den Euro- päischen Rat initiierten OMC (Open Method of Coordination), untersucht. Diese Analyse dient im weiteren Verlauf der Arbeit als Hintergrund für die Charakterisie- rung der für den BP eingesetzten Policy-Instrumente.

Neben der methodischen Diskussion des ersten Kapitels muss, um die Möglichkeit einer Hochschulpolitik auf über-nationaler Ebene zu diskutieren, das Verhältnis von Staat und Hochschulen thematisiert werden. Dazu werden im zweiten Kapitel un- terschiedliche Zusammenhänge erörtert. Als Grundlage für die weitere Diskussion der Entwicklung der Hochschulpolitik werden für die zentralen Begriffe „Internatio- nalisierung“, „Transnationalisierung“ und „Europäisierung“ Klärungen und Abgren- zungen vorgenommen (vgl. Kap. 2.1). Dabei wird unter anderem auch eine Unter- scheidung von Internationalisierung bzw. Transnationalisierung des Hochschulsys- tems und der Hochschulpolitik eingeführt.

Auf dieser Grundlage werden in den weiteren Abschnitten des Kapitels die engen Verbindungen zwischen Nationalstaat und Hochschulsystem und die Veränderun- gen in diesem Verhältnis thematisiert (vgl. Kap. 2.2). Dabei werden einige Hürden, denen der Versuch der Transnationalen Steuerung ausgesetzt sein könnte, her- ausgearbeitet. Diesen „nationalen Hürden“ stehen Reformbedarfe und Reforment- wicklungen gegenüber, die sowohl für Deutschland in der nationalen Entwicklung als auch im europäischen Vergleich im Kapitel 2.3 dargestellt werden. Am Ende des zweiten Kapitels werden diese Zusammenhänge zwischen Nationalstaaten und Hochschulentwicklungen, die aktuellen politischen Bestrebungen innerhalb der Eu- ropäischen Union und darüber hinaus skizziert, die eine transnationale Entwicklung der Hochschulpolitik befördern. Es soll gezeigt werden, wie auch heute noch ein Spannungsverhältnis zwischen in Nationalstaaten verwurzelten Hochschulsyste- men und den sich entwickelnden De-Nationalisierungstendenzen besteht. Zusam- men bilden Kapitel 1 und 2 den Hintergrund der Analyse des BP, die in den weite- ren Kapiteln erfolgt.

Das Kapitel 3 entfaltet die in der Arbeit angewandte Methodik, gibt einen Überblick über die für die Analyse herangezogenen Dokumente und entwickelt Hypothesen, die in den folgenden Kapiteln geprüft, erweitert und revidiert werden sollen. Nach der Rekonstruktion des BP in Kapitel 4.1 bis 4.6, insbesondere mit Blick auf den Ablauf, die Akteure und den erreichten Institutionalisierungsgrad werden am Ende dieses Kapitels spieltheoretische Modellierungen für den Verlauf des Prozesses, insbesondere für die Zielsetzung auf transnationaler Ebene und die Implementie- rung auf nationaler Ebene für Deutschland und die Schweiz, herausgearbeitet (vgl. Kap. 4.7). In Kapitel 5 erfolgt die Darstellung der Untersuchungsergebnisse im Hin- blick auf die Zielsetzungen des Bologna-Prozesses und die Verschränkung mit übergeordneten Zielen auf transnationaler und nationaler Ebene. Zusammen bilden Kapitel 4 und 5 die Grundlage für die Auswertung der Umsetzungsbemühungen, die im Kapitel 6 auf Grundlage der spieltheoretischen Modelle analysiert und disku- tiert werden.

1. Governance im transnationalen Raum

Das Hochschulsystem befindet sich, analog zu anderen gesellschaftlichen Teil- systemen, in einem massiven Wandlungsprozess. Um die sich abzeichnenden Veränderungen besser fassen zu können und am Bologna-Prozess zu untersu- chen, sollen in diesem Kapitel einige für die Analyse von Politikprozessen wichtige politikwissenschaftliche Konzepte diskutiert werden. Zunächst werden ausgehend von steuerungstheoretischen Überlegungen die Konzepte des Institutionalismus und der Akteurstheorie eingeführt. Dann wird dargestellt, wie sich die Veränderung der nationalen Rolle durch die Transnationalisierung der Politik entwickelt, und wel- che Möglichkeiten des Regierens beschrieben werden können. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels stehen die sich entwickelnden neuen Formen des Regierens in transnationalen Räumen am Beispiel der OMC im Mittelpunkt.

Diese drei Zugänge machen wichtige Zusammenhänge deutlich, in denen der Bo- logna-Prozess steht, und können dazu beitragen, die hochschulpolitischen Entwick- lungen in einem größeren Zusammenhang nachzuvollziehen. Sie dienen in den Kapiteln 4, 5 und 6 als theoretischer Hintergrund für die Analyse der ablaufenden Prozesse.

1.1 Steuerungsfähigkeit - Theoretische Implikationen für politisches Han- deln

Das Eingreifen des politischen Systems in sich selbst und in andere gesellschaftliche Teilsysteme, also jedes Regierungshandeln, kann unter dem Stichwort „Steuerungsfähigkeit“ problematisiert werden. Ausgangspunkt ist dabei die Einsicht, dass die Umsetzung von politischen Zielen in die gewünschten realen Veränderungen nicht mechanisch gefasst werden kann, sondern voraussetzungsreich und theoretisch schwierig oder gar unmöglich ist.

1.1.1 Steuerungsfähigkeit als politikwissenschaftliches Konzept

Seit in den 60er Jahren praktische Probleme mit der „politischen Steuerung“ auf- kamen, wurden die Fragen der Steuerungsfähigkeit auch Gegenstand der For- schung und der Theoriebildung in der Politikwissenschaft und in angrenzenden Wissenschaften und mündeten in die Vorstellung, mit mehr Planung und Steuerung könnten diese Defizite beseitigt und Reformen realisiert werden (Mayntz 1997: 263f.). Diese wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema war Mayntz zufolge jedoch den typischen Mustern der Wissenschaftsentwicklung unterworfen und führte zu unterschiedlichsten Ansätzen, die eher unverbunden nebeneinander standen und Konjunkturen folgend aufkamen und niedergingen.

Die frühe Steuerungstheorie war stark auf die staatliche Steuerungsfähigkeit kon- zentriert und verstand den Staat als die zentrale gesellschaftliche Steuerungsin- stanz und Garant öffentlicher Wohlfahrt (Mayntz 1997: 265). Der unitaristische Staat als Steuerungssubjekt auf der einen Seite stand der Gesellschaft als Steue- rungsobjekt in einer klaren Dichotomie gegenüber (Mayntz 1995a). Dem Staat wurde die Fähigkeit zu steuern zugesprochen, und die Gesellschaft wurde für steu- erbar gehalten.

Diese steuerungsoptimistischen Ansätze und die mit ihnen verbundenen Erwartungen begannen jedoch schon früh zu bröckeln. Ein Umschwung und die Abkehr vom Steuerungsoptimismus setzten ein, als die westlichen Staaten mit inneren Konflikten und wirtschaftlichen Problemen zu tun hatten und als die dagegen angestoßenen Reformen zu großen Teilen scheiterten.

„ Am Ende der Beschäftigung mit den verschiedenen Voraussetzungen staatlicher Steuerungsfähigkeit stand die Einsicht, daßes keine einfachen Rezepturen für ihre Erhöhung gibt, ja es stellte sich sogar die skeptische Frage, ob nicht eine Theorie poli- tischer Steuerung [...] auf unrealistischen Prämissen beruht “ (Mayntz 1997: 265).

Optimistische Ansätze der Steuerungsfähigkeit scheiterten im politischen Bereich an den realen Problemen, die eben diese Steuerung unmöglich machten. Besonders unter dem Eindruck systemtheoretischer Kritik und „empirischer PolicyAnalysen“ (Mayntz) veränderte sich das Bild von Steuerungsfähigkeit durch den Staat hin zu der Frage der Steuerungsfähigkeit des Steuerungssubjekts (Staat) und die Steuerbarkeit des Steuerungsobjektes (Gesellschaft).

Aus diesem Grund wird in diesem Abschnitt der eher steuerungsskeptische, insbe- sondere mit dem akteursbezogenen Institutionalismus verbundene steuerungstheo- retische Ansatz dargestellt.1 Ein weiter Grund für die Wahl dieser steuerungstheo- retischen Richtung ist die Beschäftigung einiger mit ihm eng verbundener Autoren mit den staatsnahen Sektoren. zu denen auch das Bildungssystem gezählt wird (vgl. Mayntz 1995a:13f) kann und die Beschäftigung mit der Anwendung des Ansatzes auf europäische und transnationale Problemlösungsfähigkeit im nächsten Abschnitt (Scharpf 1997: 121 ff.).

Eine wichtige Linie der Auseinandersetzung verläuft hierzu zwischen den ursprüng- lichen Vorstellungen von politischer Steuerung und der systemtheoretischen Kritik Luhmannscher Prägung am Steuerungsanspruch und der Steuerungsmöglichkeit in funktional differenzierten Gesellschaften. Ausgehend von dieser Auseinanderset- zung kann die Entwicklung zu komplexeren Steuerungsvorstellungen dargestellt werden.

1.1.2 Systemtheoretische Kritik am Konzept der Steuerungsfähigkeit

Systemtheorie hat, vor allem vertreten durch Luhmann, die Konzepte der Politik- wissenschaft zur politischen Steuerung einer prinzipiellen Kritik unterzogen. Auch Luhmanns systemtheoretischen Überlegungen gehen zunächst auf den Begriff der funktional differenzierten Gesellschaft zurück, wie er von Parsons entwickelt wurde (Willke 2000: 5; Parsons 1972: 29)1. Die Weiterentwicklung des Gesellschaftssys- tems führte zu den Veränderungen von der vertikal stratifizierten Gesellschaft hin zur modernen, horizontal und funktional differenzierten Gesellschaft2. Einzelne Merkmale dieser Entwicklung sind die Etablierung des Parteiensystems, die ver- fassungsrechtlich garantierte Gewaltenteilung, die Herausbildung von Teilsystemen in Bereichen wie Recht, Erziehung, Wirtschaft u.a. Die Allmacht des Staates wurde dadurch aufgeteilt und geschwächt. Staatliche Handlungsmöglichkeiten durch hie- rarchische Alleinentscheidungen waren damit begrenzt, neue Mechanismen kollek- tiver oder pluralistischer Entscheidungsfindung mussten etabliert werden (Sauer 2000: 20f.). Wichtiges Merkmal dieser strukturfunktionalistischen Modernisierungs- theorie ist jedoch, dass es weiterhin Mechanismen gibt, die das Auseinanderfallen der Gesellschaft verhindern können und müssen.

„ Die Ausdifferenzierung immer neuer und besserer spezialisierter Teilsysteme mußal lerdings mit einer neuen Reintegration einhergehen, da sonst Gesellschaft in ihre Teile zerfallen würde. Die Reintegration wird durch universale Wertmuster der Kultur und durch universale (Rechts-) Normen möglich “ (Weymann 1998: 90).

Mit der soziologischen Modernisierungstheorie nach Parsons gibt es ein Konzept, das die auftretenden und den Staat überfordernden Probleme erklären kann. In diesem Konzept steht die funktionale Differenzierung in entwickelten Gesellschaf- ten im Mittelpunkt, vertikale Differenzierung verliert in ihm zugunsten horizontaler Ausdifferenzierung der Gesellschaft. „In der funktional differenzierten Gesellschaft ist auch das politisch-administrative System nur noch ein Funktionssystem unter anderen“ (Mayntz 1997: 270). Damit geht auch die Vorstellung des Staates als Zentrum der Gesellschaft verloren.

Bereits dieses Konzept kann aus der Perspektive der Steuerungstheorie als theoretischer Erklärungsversuch für das Steuerungsversagen des Staates gesehen werden. Luhmann erweitert und verändert das Konzept der Differenzierung an wichtigen Stellen. Er ersetzt Parsons’ Begriffs ‚Handlung’ durch den der ‚Kommunikation’. Die Autopoiese der Teilsysteme, die Gleichrangigkeit aller Teilsysteme und der Unterscheidung in System und Umwelt sind wichtige Ergänzungen des Konzepts mit weitreichenden Folgen für die Steuerungstheorie (Luhmann 1984: 15ff., Scharpf 1989: 10ff., Willke 1995: 135f., Mayntz 1997: 271).

Die autopoietische Geschlossenheit der Teilsysteme impliziert, dass sie sich prinzi- piell nicht durch externe Einwirkung steuern lassen.1 Anstelle von Steuerung tritt die gegenseitige Perturbation der verschiedenen Funktionssysteme. Perturbationen können Systeme jedoch niemals determinieren, sondern lösen Veränderungen durch die interne Verarbeitung im System aus. Verarbeitung im System geschieht dabei jedoch immer nach den Gesetzmäßigkeiten des verarbeitenden Systems, d. h. selbstreferentiell. Diesen Zusammenhang bezeichnet Luhmann als operative Geschlossenheit (Mayntz 1997: 271; Willke 1995: 136, Luhmann 1984: 25f.). Was heißt das aber für die Steuerungstheorie?

- Die hierarchische Ordnung zwischen dem Staat auf der einen Seite und der Gesellschaft kann nicht mehr behauptet werden,
- es kann nicht vorausgesagt werden, wie sich Steuerungsbemühungen auf die zu steuernden Teilsysteme auswirken,
- Steuerungsversuche werden in den Systemlogiken, mit Ergebnissen, die diesen Logiken entsprechen, also nicht unbedingt nach der Logik des steuernden Systems, verarbeitet. Kurz: „ Steuerungsbemühungen haben selbstverständlich Effekte. Sie verändern andererseits aber nicht alles und oft mehr und oft weniger als beabsichtigt “ (Luhmann 1989: 4).

„ Selbst dann, wenn das politische System Probleme erkennt und Steuerungsbedarf sieht, sowie Programme zur Behebung des Problems initiiert und verabschiedet, ist damit noch lang nicht die erfolgreiche Problemlösung garantiert, denn politisch plausible und rationale Lösungen [...] sind keineswegs immer plausibel und rational für andere Systeme mit anderen Logiken “ (Luhmann 1986: 167).

Dieser theoretischen Konzeption kann nun vorgeworfen werden, über das Aufzeigen von Problemen der Steuerungstheorie nicht hinaus gekommen zu sein, sie brachte keine positiven Impulse für die politikwissenschaftliche Diskussion. (Mayntz 1997: 271) Mayntz schlägt darum vor, die blinden Flecken der Systemtheorie durch positive Theoriebildung zu beseitigen (Mayntz 1997: 272).

1.1.3 Von der Steuerung zur „Governance“

Die Neuorientierung der Steuerungstheorie beruht zum einen auf diesen system- theoretischen Einflüssen - ohne deren prinzipiellen Steuerungspessimismus zu teilen - und zum anderen auf den oben dargestellten realen Schwierigkeiten der Steuerungsbemühungen und auf empirischen Analysen in einzelnen Politiksekto- ren. Zentrale Ansatzpunkte sind die festzustellende Tendenz der Entstaatlichung (Mayntz 1997: 266) und die Differenzierung des Steuerungssubjekts und des Steu- erungsobjekts. Der Staat wird nicht mehr als aus einheitlicher Perspektive han- delnder Akteur angesehen und das Steuerungsobjekt „Gesellschaft“ wird differen- zierter als gesellschaftliches Regelungsfeld betrachtet (Mayntz/Scharpf 1995a: 9). Die Neuorientierung der Steuerungstheorie kann in mehreren Schritten nachge- zeichnet werden:

- die Abwendung von der Vorstellung eines hierarchischen Systems mit einem universellen Steuerungsanspruch des Staates,
- die stärkere Betonung der Selbstregulierungskraft des Marktes und die Zurück- drängung des Staates,
- die Frage nach einem Weg jenseits von Markt und Hierarchie, insbesondere die gesteigerte Aufmerksamkeit für kooperative Formen der Politik oder sogenannter Politiknetzwerke und damit die Möglichkeit der Politikentwicklung durch Akteure des nicht politisch-administrativen Systems (Mayntz 1997: 266ff.).

Vor allem dieser letztgenannte Punkt hängt eng mit der Erkenntnis zusammen, „daß in gesellschaftlichen Sektoren, die aufgrund ihrer institutionellen Verfasstheit einen gewissen Grad der Selbstregelungsfähigkeit besitzen, Steuerung nicht mehr allein von staatlichen Akteuren ausgeübt wird“ (Mayntz/Scharpf 1995a: 9; vgl. auch Knodt /Jachtenfuchs 2002: 10).

Der bloße Rückzug des Staates aus Steuerungsaufgaben ist jedoch eine negative und damit noch keine befriedigende Beschreibung der Rolle des Staates. Um den oben beschriebenen wachsenden Interdependenzbeziehungen zwischen den Teilsystemen gerecht zu werden, ist es notwendig, eine positive Bestimmung der Funktion des politisch-administrativen Systems zu finden. Diese neue Rolle des Staates beschreibt Mayntz zusammenfassend als „das Management der teilsystematischen Interdependenzen“ (Mayntz 1997: 272).

Der Staat verändert hier sein Agieren, und es setzt ein Formenwandel der Politik ein, welcher der veränderten Gesellschaft gerecht wird, weil er in den Politikformen und innerhalb des Staates die Komplexität der differenzierter werdenden Welt ab- bildet: weitere Akteure werden einbezogen, Selbststeuerungsmöglichkeiten und Netzwerkbildungen werden in verschiedenen Varianten genutzt, der Staatsapparat differenziert sich horizontal und vertikal und wird damit anschlussfähiger an Sach- gebiete und politische Ebenen oberhalb und unterhalb des Staatesbildes.1 „Das Ergebnis dieses Formenwandels politischer Steuerung ist ein teils kooperatives, teils konfliktives Zusammenwirken staatlicher und gesellschaftlicher Akteure“ (Mayntz 1997: 278).

Hierbei entstehen neue Muster der Interaktion zwischen Regierung und Gesell- schaft. Um dieser Veränderung begrifflich gerecht zu werden, schlagen Mayntz und Scharpf vor den engen Begriff Steuerung durch den umfassenderen Begriff „Go- vernance“ also „Regelung“ zu ersetzen (Mayntz/Scharpf 1995: 16)2. Damit soll

nicht behauptet werden, dass staatliche Akteure ihren Einfluss verlieren. Sie behal- ten einen großen Gestaltungsspielraum und können die gesellschaftlichen Rege- lungsstrukturen vielfältig beeinflussen, beispielsweise durch das Treffen von Orga- nisationsentscheidungen (Zusammensetzung und Struktur der Akteurskonstellatio- nen), „prozedual(es) Regieren“ (Festlegen und Verändern von Spielregeln), durch das Verändern der Handlungsorientierung der nichtstaatlichen Akteure z. B. durch Informationen oder durch die selektive Unterstützung einzelne Akteure (Mayntz 1997: 279).

„ Die ‚ neue ’ Theorie politischer Steuerung negiert nicht die fortdauernde Existenz auto- ritativer Staatsintervention mit dem Ziel einer direkten Verhaltenssteuerung, konzent- riert sich jedoch (daneben) auf die Möglichkeit und Folgen der absichtsvollen ‚ staatli- chen ’ (öffentlichen, politischen) Einwirkung auf Entscheidungsprozesse in rein gesell- schaftlichen und in gemischten Verhandlungssystemen staatlicher und gesellschaftli- cher Akteure. (...) Das politische Steuerungshandeln ist nur ein Teilprozess, der mit vielen anderen Teilprozessen interferiert und so zum sozialen Wandel beiträgt ohne ihn lenken zu können “ (Mayntz 1997: 286).

Diese sehr kurze Darstellung der sich verändernden Staatsrolle und die Verschiebung von einer Steuerungs- hin zu einer Governance-Perspektive kann im weiteren als Hintergrund für die Anwendung neuer Policy-Formen auch im europäischen und transnationalen Raum und für die Analyse des Zusammenspiels unterschiedlicher Akteure und Ebenen in der Hochschulpolitik dienen.

1.1.4 Akteurszentrierter Institutionalismus

Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, ist politische Steuerung oder Go- vernance in pluralistischen Demokratien weder das Resultat des rein staatlichen Handelns, noch ist es das Resultat des Handelns von Individuen. Vielmehr werden in komplexen Steuerungsprozessen verschiedene gesellschaftliche Akteure ver- bunden (Sauer 2000: 45). Der akteurszentrierte Institutionalismus ist ein Analyse- konzept, das systemische Strukturen (Institutionen) und die Konstellation der ver- schiedenen beteiligten Akteure und die entstehende Interaktionslogik einbezieht (Mayntz/Scharpf 1995b: 50).

Der akteurszentrierte Institutionalismus bestreitet dabei nicht den Anspruch des Staates und der Politik zu handeln, konzentriert sich jedoch stärker auf die Bedingungen, die dies schwierig oder unmöglich machen.

„ Der akteurszentrierte Institutionalismus [...] analysiert nicht nur die Akteure, sondern auch die Strukturen des politischen Systems. Institutionelle Rahmenbedingungen be- einflussen die Akteure und ihre Handlungsmöglichkeiten. Insofern ist dieser Ansatz ein integrierender, wenn auch komplexer Versuch, Staatshandeln sowohl durch institutio- nelle Kontexte als auch durch Handlungsorientierungen individueller und kollektiver Akteure zu erklären, wobei der empirische Befund eher steuerungsskeptisch ausfällt “ (Wagschal 1999: 268). 1

Dabei wird die oben beschriebene Tendenz des Rollenwandels des Staates in vie- len Politikbereichen hin zu einem stärker moderierenden, Prozesse anstoßenden, und durch Einflussnahme auf andere Teilsysteme gekennzeichneten politischen Systems betont.

Der Institutionenbegriff wird in unterschiedlichen theoretischen Ansätzen sowohl auf soziale Gebilde als auch auf sozial normierte Verhaltensmuster angewandt.2 Bei aller Verschiedenheit zwischen den Ansätzen ist der Begriffsverwendung ge- mein, dass mit ihm Regelungsaspekte betont werden „die sich vor allem auf die Verteilung von Macht, die Definition von Zuständigkeiten, die Verfügung über Res- sourcen sowie Autoritäts- und Abhängigkeitsverhältnisse beziehen“ (Mayntz/ Scharpf 1995b: 40). Institutionelle, d. h. definierte, praktizierte und sanktionierte Regelungen begründen wechselseitige Erwartungssicherheit (ebd.: 47).

Der im akteurszentrierten Institutionalismus verwandte Begriff lehnt sich an die Begriffsverwendung des Neo-Institutionalismus an, betont jedoch einige Merkmale in Abgrenzung dazu. Institutionen im hier gemeinten Sinn müssen keine politische Institutionen sein, der Institutionenbegriff wird jedoch - vor allem in Abgrenzung zu einem Verständnis des Begriffes das ihn mit Kultur gleichsetzt - eng gefasst, d. h. es sind bestimmte soziale Gebilde und ihre Regelungsaspekte gemein. Institutio- nen determinieren jedoch nicht das Verhalten, sondern bilden einen Handlungskon- text, der stimuliert, ermöglicht oder restringiert (Mayntz/Scharpf 1995b: 43ff.).

Der akteurszentrierte Institutionalismus mit seinen Anwendungsgebieten legt hauptsächlich eine Beschäftigung mit korporativen Akteuren nahe. Individuelle Akteure werden nur in bestimmten Fällen zur Verbesserung der analytischen Tiefenschärfe einbezogen.1 Korporative Akteure sind nach Mayntz und Scharpf handlungsfähige, formal organisierte Personen-Gruppen, die über zentralisierte, nicht individuell zustehende Handlungsressourcen verfügen und über deren Einsatz hierarchisch oder majoristisch entscheiden können; also Organisationen, Verbände, Vereinigungen etc. (Mayntz/Scharpf 1995b:54).

Dabei werden die Akteure durch Institutionen konstituiert. Die Institutionen definieren Anlässe für die Interaktion bestimmter Akteure und schaffen Arenen, „in denen spezifische Akteure zur Beratung oder Entscheidung über spezifische Themen zusammenkommen, wobei sie bestimmten Entscheidungsregeln unterworfen sind“ (Mayntz/Scharpf, 1995b: 48).

Wichtiges Merkmal des akteurszentrierten Institutionalismus ist die Betonung der Doppelperspektive. Sowohl die Sicht auf die Strukturen, also Institutionen ohne die Beachtung der Handlungsebene der Akteure wird als defizitär angesehen wie um- gekehrt eine einseitige Betrachtung des Akteurshandelns nicht ausreicht. Der akteurszentrierte Institutionalismus versucht auf der Basis der eingeführten Begriffe, die „verschiedenen Modi sozialer Handlungskoordination“ unter dem Stichwort „Governance“ zu klären. Um ein analytisches Vorgehen zu ermöglichen, reduzieren Mayntz und Scharpf die Komplexität der vorhandenen Strukturen, und sie differenzieren unterschiedliche Formen des Regierens (Governance) als Grund- formen sozialer Handlungskoordination.

Diese Governance-Formen sind im Einzelnen:

- Koordination durch einseitige oder wechselseitige Anpassung (z. B. Markt)
- Koordination in Verhandlungssystemen (z. B. negative Koordination)
- Koordination durch Abstimmung (z. B. bilaterale Vereinbarungen oder Netzwer- ke)
- die hierarchische Entscheidung (z. B. die klassische Staatsvorstellung).

Diese Unterscheidung basiert auf dem jeweilig unterschiedlichen Ausmaß der individuellen Autonomie bzw. der kollektiven Handlungsfähigkeit von Akteuren (Mayntz/Scharpf 1995b: 62). Die Autoren weisen darauf hin, dass sich kein gesellschaftlicher Sektor in der Realität durch nur einen Typ beschreiben lässt, und dass verflochtene Entscheidungsstrukturen, wie die hier zur Debatte stehenden Politikverflechtungen zwischen Bund, Ländern und der transnationalen bzw. europäischen Ebene in diesen Kategorien der „reinen Governance-Formen“ alleine nicht adäquat beschrieben werden können (ebd.).

Darüber hinaus weisen auch die Formen des Regierens, die hier zwischen Markt und Hierarchie liegend beschrieben werden, spezifische kritische Punkte auf:

- die mögliche Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit,
- die besondere Rolle der staatlichen Akteure gegenüber den nichtstaatlichen,
- die Qualität der hier erzielbaren Ergebnisse und
- die Möglichkeiten kooperativer Problemlösung und Versuche einseitiger Beein- flussung.

Governance mit Hilfe von Politiknetzwerken und Verhandlungssystemen ist also nicht unproblematisch und gelingt dann, wenn diese kritischen Punkte gelöst wer- den.

Ein besonderes Problem liegt für Mayntz darin bedingt, dass diese Formen ohne eine zentrale Steuerungsinstanz auskommen. So besteht einerseits die Gefahr, dass Entscheidungen blockiert werden oder dass suboptimale Kompromisse geschlossen werden und andererseits, dass den getroffenen Entscheidungen die notwendige Bindungswirkung fehlt (Mayntz, 1997: 284f.).

Zum anderen liegen in den jeweiligen sektoralen Leistungsstrukturen (je nach Sek- tor in denen die Regelungsformen eingesetzt werden, z. B. Gesundheitssektor, Bildungssektor) potentiell konfliktive sozio-ökonomische Strukturen begründet, die die Regelung der Beziehungen zwischen verschiedenen Leistungsorganisationen und verschiedenen Untergruppen von Produzenten, zwischen Leistungsanbietern und Abnehmern und zwischen dem betroffenen Sektor und anderen gesellschaftli- chen Funktionssystemen (z. B. Wirtschaftsystem) erschweren (Mayntz 1997: 281). Um komplizierte reale Interaktionsprozesse nachzuzeichnen, kann auf die Netz- werkanalyse oder auf die im nächsten Abschnitt kurz eingeführte Spieltheorie zu- rückgegriffen werden.

Aus der Diskussion um Steuerung und Governance sollen zwei Problembereiche festgehalten werden. Zum einen stellt sich die Frage, wie „gut“ ein politischer Pro- zess in einem komplizierten Mehrebenensystem und in Verhandlungssystemen gesteuert werden kann, und wo es dabei zu Problemen kommt. Zweitens - und mit Blick auf die Steuerungsprobleme vergangener nationaler Hochschulreformen noch wichtiger - ist jedoch die Frage, inwiefern das Hochschulsystem durch das politi- sche System gesteuert werden kann, d. h. inwiefern erzielen die Steuerungsversu- che und die daraus resultierenden Ergebnisse die inhaltlichen Ziele des politischen Prozesses. In der hier vorliegenden Arbeit soll der durch die Form des Policy- Making bedingten Einbindung der verschiedenen Akteure und dem Institutionalisie- rungsgrad des Prozesses Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dabei wird unter- stellt, dass die institutionellen Rahmenbedingungen einen wichtigen Einfluss auf die Ergebnisse des Prozesses haben. Insbesondere die einbezogenen Akteure und ihre Interessen bestimmen maßgeblich die Möglichkeiten, politische Ziele zu errei- chen. Durch die Betrachtung der Europäisierung und Transnationalisierung sollen zuvor die Governance-Strukturen, die im Bologna-Prozess eine wichtige Rolle spie- len, in diesen Kontexten herausgearbeitet werden.

1.2 Tendenzen der Entgrenzung - Internationalisierung und Europäisie- rung von Politik

1.2.1 Übergang von der nationalen zur internationalen und postnationalen Konstellation

Die Verlagerung von Teilen des ‚Regierens’ auf die über-nationale Ebene wird von unterschiedlichen Autoren mit teilweise unterschiedlicher Akzentuierung und ver- schiedenen Begrifflichkeiten betont.1 In diesem Abschnitt sollen einige grundsätzli- che Überlegungen zu diesen Verlagerungstendenzen ausgeführt werden, um die Diskussion der Internationalisierung der Hochschulpolitik in diesen weiteren Kon- text einzubetten. Dabei besteht kein Anspruch, die ganze Breite des Problems zu erfassen oder darzustellen.

Gegen die Möglichkeit des Regierens auf über-nationaler Ebene wird von Seiten neorealistischer Theoretiker1 der internationalen Politik, aber auch durch europäi- sche Rechtswissenschaftler das Argument eingewandt, dass die Tätigkeit des Regierens einer übergeordneten Zentralinstanz mit den Mitteln der Rechtssetzung und den entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten vorbehalten ist (Zürn 1998: 93). Eine solche Zentralinstanz hat sich bis heute nicht herausgebildet. Darum wird im Zusammenhang mit der De-nationalisierungsthese auch nicht auf die Ausbildung solcher Strukturen abgehoben, die allenfalls für die EU in Ansätzen zu verzeichnen sind, sondern es wird auf die Herausbildung internationaler Institutionen verwiesen (vgl. Knodt/Jachtenfuchs 2002: 12; Krell 2000: 125ff., Zürn 1998: 176).

Gegen die oben angeführte Beschränkung kann die Veränderung der realen Politik der letzten Jahrzehnte eingewandt werden. Die starke Institutionalisierung und die Vielzahl internationaler Regime2 machen Regieren in internationalen Zusammenhängen möglich: „Viele dieser Institutionen sind positiv, d. h. sie schreiben den Staaten Eingriffe in gesellschaftliche Interaktionen vor“ (Zürn 1998: D amit kann Regieren jenseits des Nationalstaats wichtige materielle Ziele (z. B. die Balance von wirtschaftlicher Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit als soziale Wohlfahrt) erreichen. „Die Wahrscheinlichkeit, daß dies tatsächlich gelingt, hängt aber offensichtlich auch von den einzusetzenden Instrumenten bzw. dem Inhalt der Politik ab“ (Zürn 1998: 108).

Zürn sieht gute Gründe dafür, die derzeitigen Veränderungen als den Übergang von einer nationalen Konstellation zu einer postnationalen Konstellation zu interpre- tieren. Im Unterschied zur bloßen Postulierung einer wachsenden Bedeutung von internationalen Zusammenhängen versucht er stärker, den grundlegenden Wandel des Nationalstaates und seiner Funktionen darzulegen (Zürn 2002: 215). Die natio- nale Konstellation, wie sie im Grunde seit dem Ende des 30jährigen Krieg bestand und sich weiter entwickelte, diente im Kern der Erfüllung von vier Zielen innerhalb fester Grenzen: der Garantie von Sicherheit, der Durchsetzung von Recht und der Partizipation sowie der Wirtschaftlichen Effizienz und der Verteilungsgerechtigkeit, also der sozialen Wohlfahrt. Staatlichkeit hatte in diesem Kontext drei zentrale Di- mensionen. Erstens die Ankerkennung von außen (Souveränität) und innen (natio- nale Kultur); zweitens die Kontrolle von Ressourcen und drittens die Fähigkeit zur Politikformulierung. Gerade in dieser dritten Dimension, dem Umwandeln von Zie- len in Politik, erwiesen sich die Nationalstaaten gegenüber anderen Formen als überlegen (Zürn 2002: 217f.). Der Übergang von der nationalen Konstellation zu einer postnationalen Konstellation kann nun genau an diesen drei Dimensionen nachgezeichnet werden, wobei auch deutlich wird, dass die Nationalstaaten (bis- her) eher partiell Teile ihrer Rolle abgegeben haben und in anderen Bereichen wei- terhin eine wichtige Rolle spielen.

Als Bereich, in dem die postnationale Konstellation das größte Gewicht gewonnen hat, sieht Zürn die „Politikformulierung“ (Zürn 2002: 218). Durch das Entstehen ei- ner Vielzahl von neuen internationalen Institutionen, die sich auch in ihrem Charak- ter von nationalen Institutionen unterscheiden, geraten die Nationalstaaten bei der Politikformulierung von einer aktiven Rolle in eine passivere Rolle. Begründet wird dies durch den neuen Charakter vieler internationaler Institutionen, die tief in den Einflussbereich der Nationalstaaten eingreifen. Sie versuchen, das Verhalten von gesellschaftlichen Akteuren zu verändern. „Die letztlichen Regelungsadressaten sind zunehmend gesellschaftliche Akteure (im Gegensatz zu Staaten), und diese müssen zunehmend etwas tun (im Gegensatz zu unterlassen) [...] (Zürn 2002: 219).

Um dies zu erreichen und zu gewährleisten, werden Instanzen notwendig, die eine verstärkte Kontrolle gesellschaftlicher Prozesse gewährleisten können. Dies wie- derum fördert Supranationalisierung und Transnationalisierung, supranationale Regeln und Normen entstehen, unabhängige supranationale Institutionen bekom- men eine noch stärkere Rolle, und gleichzeitig wächst die Bedeutung internationa- ler Akteure:

„ Jenseits von undüberhalb des Nationalstaats hat sich ein dichtes Geflecht von Rege- lungen und Organisationen entwickelt, das internationale Foren zum vorrangigen Platz für die Formulierung von Politiken macht, die den Zielen des Regierens dienen “ (Zürn 2002: 221).

Dass der Nationalstaat in der Dimension „Ressourcensicherung“ nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, die ihm auch (noch nicht) strittig gemacht wird, bleibt dabei unbestritten. Diese Ressourcen sind allerdings auch dazu notwendig, die Zielset- zungen, die vermehrt nicht mehr in seinem Einflussbereich getroffen werden, um- zusetzen. Gegen diese Argumentation wird vor allem eingewandt, dass die demo- kratisch verfassten Wohlfahrtsstaaten diese Tendenzen aus inneren Antrieben heraus gefördert haben, und dass es immer noch in der Macht der Nationalstaaten liegt, diese Tendenzen umzukehren und wieder stärker unilateral zu agieren (Rieger/Leibfried 2001: 18):

„ In letzter Instanz ist, solange es keinen Weltstaat oder internationale Exekutivinstanzen mit einer autonomen Legislative gibt, die Grundlage jeder internationalen Organi sation das gemeinsame Interesse ihrer Mitglieder an kooperativen Lösungen “ (Walz (1962) nach Rieger/Leibfried 2001: 24).

Rieger und Leibfried zeigen sich auch skeptischer in der Frage, ob Globalisierungstendenzen in der weiteren Entwicklung zu so etwas wie „global Governance“ führt, und wie effektiv internationale Politik sein kann (ebd. 18ff.). Ohne diesen sich widersprechenden Diagnosen weiter nachgehen zu können, soll hier festgehalten werden, dass einerseits eine Zunahme von internationalen und transnationalen Institutionen mit einem Rollenwandel der Nationalstaaten einhergeht, auch wenn noch nicht absehbar ist, wie stabil dieser Rollenwandel ist, und zu wie tragfähigen Lösungen das Regieren in transnationalen Räumen führt.

1.2.2 Merkmale postnationaler Politik und des Regierens jenseits des Nationalstaats

Um aus der Feststellung der veränderten Rolle des Nationalstaates und der Zu- nahme der transnationalen Politik Ansätze für ein theoretisches Modell zu entwi- ckeln, müssen die konstitutiven Merkmale der postnationalen Politik herausgearbei- tet werden (Zürn 2002: 225). Prägend für das Organisationsprinzip ist, dass in der postnationalen Konstellation keine übergeordnete Zentralinstanz vorhanden ist. Somit gibt es keine hierarchische Möglichkeit, Normen, Regeln oder Vereinbarun- gen gegenüber den Akteuren durchzusetzen. Zwischen den Akteuren besteht je- doch auch keine Gleichheit, sondern eine funktionale Differenzierung und funktio- nal begrenzte Autorität, d. h. es kommt zur Zuweisung unterschiedlicher Aufgaben an unterschiedliche Akteure (ebd.).

Die bereits im vorigen Abschnitt ausgeführte Veränderung im Verhältnis von Staat und Gesellschaft als Steuerungssubjekt und Steuerungsobjekt hin zu einem Governance-Begriff, der diese klare Trennung aufhebt und die horizontale Differenzierung in Teilsysteme beinhaltet, müssen im transnationalen Kontext um eine Mehrebenenperspektive erweitert werden.

Politik in der postnationalen Konstellation spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab und ergibt sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Ebenen. Die klassischen Trennungen von Innen und Außen können nicht mehr in dieser Form aufrechterhal- ten werden - nationale und internationale Politik verschwimmen: „Politik in der postnationalen Konstellation könnte [...] idealtypisch als ‚Mehrebenenregieren’ [...] bezeichnet werden“ (Zürn 2002: 226f) (vgl. auch Jachtenfuchs 2002: 10). Neben den Organisationsprinzipien und der Mehrebenenperspektive ist es zum Dritten wichtig, die Funktion und die Beschaffenheit internationaler Institutionen zu klären. Der Institutionenbegriff selbst wird dabei wie bereits oben eingeführt ver- wendet (vgl. Zürn 1998: 176). Wie bereits dargestellt, werden internationale Institu- tionen als die vorrangige Antwort auf die Denationalisierung der Problemlagen an- gesehen, dabei dienen internationale Institutionen sowohl der Formulierung als auch der Bearbeitung von Problemen. „Gut die Hälfte aller politisch als relevant wahrgenommenen Problemlagen werden heute also durch Politiken bearbeitet, die auf der internationalen Ebene formuliert worden sind“ (Zürn 2002: 230, vgl. auch Jachtenfuchs 2002: 6).

Um den Begriff weiter zu differenzieren, schlägt Zürn vier Typen internationaler Institutionen vor: Internationale Organisationen mit in sich verankerten Normen und Regeln, die sie zum Handeln befähigen, internationale Regimes, die die inhaltli- chen und prozedualen Normen und Regeln zur Regelung des Verhaltens der Ak- teure innerhalb eines begrenzten Problemfelds festlegen, inhaltliche Netzwerke mit prozedualen Normen und Regeln für ein bestimmtes Problemfeld und internationa- le Ordnungsprinzipien, also grundlegende Normen und Regeln für internationale Politik (Zürn 1998: 166ff.). Für alle diese Typen gibt es Beispiele rein zwischen- staatlicher und gemischter bzw. rein gesellschaftlicher Institutionen (vgl. ebd.: 176). Regieren im Sinn von Governance entwickelt nicht zuletzt durch die Beschaffenheit der Institutionen eine Dynamik, die nicht mehr unmittelbar von den Nationalsaaten abhängig ist. „Institutionelle Designs und institutionelle Dynamiken stellen einen Mechanismus dar, der scheinbar unüberwindbare strukturelle, in der Interessenkonstellation liegende Hindernisse abbauen kann“ (Zürn 1998: 114). Akteure in der postnationalen Konstellation sind korporative Akteure in hochorganisierten und hochspezialisierten Subsystemen. Es sind endgültig keine individuellen Bürger mehr. Zürn teilt die einbezogenen Akteure in drei Gruppen ein:

- Staaten als territoriale Interessenorganisationen, die zudem die Aufgabe haben, ihre Ressourcen bei der Politikumsetzung einzusetzen,
- transnationale Institutionen als sektorale Interessenorganisationen, sie haben eine Agenda setzende Funktion bei der Politikformulierung und
- supranationale Organisationen, die einen unabhängigen Standpunkt vertreten und daher eine funktional begrenzte Autorität zuerkannt bekommen (Zürn 2002: 226).

Die beschriebenen Akteure werden Zürn zufolge durch ein gemeinsames Interesse zur Problemlösung motiviert. Die „[...] postnationale Politik gerät zu einer permanenten ideen- und interessengeleiteten Auseinandersetzung über das Regieren jenseits des Nationalstaats“ (Zünd 2002: 226).1

1.2.3 Möglichkeiten der Re-Regulierung als Antwort auf abnehmende nationalstaatliche Problemlösungsfähigkeit

Im Abschnitt 1.2.2 wurde dargestellt, in welchen Formen sich Kompetenzen auf internationale und transnationale Ebenen verlagern, und dass internationale und transnationale Institutionen eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen. Wie und mit welchen Problemen Regelungen auf diesen über-nationalen Ebenen erzielt werden können, und wie sie mithilfe spieltheoretischer Modelle analysiert werden können, soll in diesem Abschnitt dargestellt werden. Ausgehend von der Argumen- tation, dass die nationalstaatliche Problemlösungsfähigkeit in vielen Bereichen, wie zum Beispiel in der Beschäftigungspolitik, in der Wettbewerbspolitik, bei produkt- orientierten Regelungen, bei produktions- und standortbezogenen Regelungen a- ber auch bei sozialpolitischen Vorschriften zurückgeht und sich die Problemlö- sungsspielräume verengen, zeichnet Scharpf die Möglichkeiten und theoretischen Bedingungen der von ihm sogenannten „Re-Regulierung“ auf europäischer Ebene oder auf internationaler und transnationaler Ebenen nach (Scharpf, 1998: 121ff.)(vgl. Scharpf 1993: 69ff.).

Generell können zwei Bedingungen für solche Re-Regulierungen, also für das Er- reichen von internationalen, transnationalen oder europäischen Regelungen benannt werden. Einerseits müssen die Regelungen für die beteiligten nationalen Regierungen und andere beteiligte Akteure, die ihr Veto einlegen können, akzeptabel sein, und die Regulierung muss die „zuverlässige Implementation vereinbarter Regeln sicherstellen“ (Scharpf 1998: 132). Um beide Bedingungen zu erreichen kommt es, so Scharpf, auf die Interessenkonstellation und die ideologischen Präferenzen der Verhandlungspartner an. Damit ist die Analyse solcher Interessenkonstellationen für die Prognose über den Erfolg von Politikprozessen auf internationaler und europäischer Ebene unerlässlich (ebd.).

Eine grundsätzliche Unterscheidung kann zwischen negativer und positiver Integra- tion bzw. negativer und positiver Regelung getroffen werden. Allgemein gespro- chen bezeichnen negative Integration die Abschaffung von Regeln, die das Funkti- onieren eines integrierten Raumes behindert und positive Integration die Schaffung von neuen oder die Veränderung existierender Institutionen (Jachtenfuchs 1998: 251). Besonders positive Regelungen sind schwer zu erreichen, da sie zum einen voraussetzungsreicher sind - innerhalb der EU muss ihnen beispielsweise durch den Ministerrat zugestimmt werden (Scharpf 1998: 121) - und da zum anderen im „regulativen Wettbewerb“ negative Regelungen, beispielsweise der Abbau von Handelshemmnissen eher zu erwarten sind als aufwendige positive Regulierungen, die mit Kosten verbunden sind und die dadurch eher Nachteile im Wettbewerb mit sich bringen (Scharpf 1998: 121f.)1.

Die beschleunigte Denationalisierung seit dem Ende der 80er Jahre machte regula- tive und redistributive Regelungen jedoch notwendig, auch wenn diese nicht ein- fach erreicht werden können (Zürn 1998: 110). Zürn ist in seiner Analyse wesent- lich optimistischer, dass aufwendige positive internationale Regelungen möglich sind und die „Schere“ zwischen negativen und positiven Regelungen nicht ausei- nanderklafft (ebd. 93). Allerdings bestätigt seine Untersuchung, dass es je nach Politikfeld unterschiedlich leicht oder schwer ist, positive Regulierungen zu erzielen (ebd. 107).

Die Unterscheidung in negative Regelungen und positive Regelungen kann weiter ausdifferenziert werden. Kriterium für eine weitere Differenzierung ist die Verteilung bzw. Umverteilung von Mitteln. Daraus entstehen vier analytisch unterscheidbare Regelungstypen. Konstituierende Regelungen (1) als negative, keine Umverteilung beinhaltende Regelungen. Diese Regelungen schaffen Handlungszusammenhän- ge, z. B. Märkte, in denen Hindernisse der Interaktion beseitigt werden, gegenseiti- ge Anerkennung vorgenommen wird oder prozeduale Grundlagen entwickelt wer- den.

Als distributiv (2) können solche negative Regelungen gelten, bei denen eine In- stanz vorher eingeworbene Ressourcen in infrastrukturelle Leistungen umwandelt und so Handlungszusammenhänge vertieft werden. Beispiele sind Investitionen in Transport- oder Kommunikationsnetze und öffentliche Bildungseinrichtungen. Durch positive, regulative Regelungen (3) soll das Verhalten von Akteuren in be- stimmten Problemfeldern mit Hilfe von Ver- und Geboten gesteuert werden (bei- spielsweise in der Umweltpolitik). Dabei werden keine Mittel umverteilt, es werden jedoch Regelungen getroffen, die oberhalb des kleinsten gemeinsamen Nenners liegen. Redistributive Regelungen (4) sind anspruchsvolle positive Koordinationen, welche die Umverteilung von Mitteln beinhalten. Die Realisierung sozialpolitischer Zielsetzungen erfordert oft solche Regelungen (Zürn 1998: 108f.).

Mit Hilfe dieser Schematisierung erhält man die Möglichkeit, die Internationalisie- rung von Governance und die Politikbereiche, auf die sie zielen systematisch zu erfassen und den Charakter von erzielten oder angestrebten Lösungen herauszu- arbeiten.

Um positive Regelungen zu erzielen, hält Zürn „kluge(n) institutionelle(n) Designs“ für hilfreich (Zürn 1998: 115) Hierzu müssen allerdings wichtige Komponenten wie die Institutionen, Akteure, Ideen und vor allem die verschiedenen Interessen, die einen je eigenen großen Einfluss haben, berücksichtigt werden. Förderlich für ein solches Design sind demnach die Schaffung eines kooperationsfördernden vertrag- lichen Umfelds, eine flexibler Umgang mit (unfreiwilligen) Regelungsabweichungen, der Ausbau der Fähigkeit schwächerer Regierungen, die gesteckten Ziele errei- chen zu können, die Schaffung von Verständnis für die Regelung bei den Nachzüg- lern und relative Stärkung der Position von Gruppen, die die Regelung unterstützen (Zürn 1998: 114f.). Trotz dieser sicher sinnvollen Ansätze, um den Erfolg von Re- gelungsversuchen zu verbessern, sollten dabei als wichtige Komponenten die Inte- ressenlage der einzelnen beteiligten Akteure und die sich daraus ergebenden Kon- fliktstrukturen für den Regelungsversuch nicht vergessen werden.

Um diese Interessen beteiligter Akteure - seien es Nationalstaaten oder nichtstaat- liche Akteure - als sehr einflussreiche Größe zu analysieren, bietet es sich an, spieltheoretische Überlegungen anzuwenden.1 „Die Spieltheorie erlaubt es, die sich aus den Präferenzen der Akteure ergebende Konfliktstruktur typisierend zu beschreiben“(Mayntz/Scharpf 1995b: 63)(vgl. Scharpf 1989: 14f.). Mit Hilfe einer solchen Beschreibung können eben diese Interessen der Beteiligten als wichtige Variable in die Analyse von Governance-Prozessen auf internationaler, transnationaler oder europäischer Ebene eingehen. Scharpf spricht hier von „einer Theorie interdependenter Entscheidungen“, deren Wert hauptsächlich im Nachweis, von „allseits antizipierbarer Lösungen“, die in wechselseitigen Interaktionen zwischen strategisch handelnden Akteuren enthalten sind und entdeckt werden können, liegt (ebd. 15). Nach dem Merkmal der Kongruenz bzw. der Inkongruenz der Präferenzen kann man vier Konstellationen unterscheiden:

- reine Koordinationsspiele,
- Koordinationsspiele mit Verteilungskonflikten
- Dilemmaspiele und
- reine Konfliktspiele

(Scharpf/Mayntz 1995b: 64).

Die ausführliche Beschreibung dieser Konstellationen und der dahinter stehenden theoretischen Überlegungen ist an dieser Stelle nicht möglich. Es soll jedoch im Kapitel 4 und 6 dieser Arbeit versucht werden, die Interessen der beteiligten Akteu- re im hier untersuchten Prozess mit spieltheoretischen Kategorien zu erfassen.

Im Mittelpunkt des letzen Abschnitts dieses ersten Teils der Arbeit stehen jedoch die Versuche, mit bestimmten politischen Instrumenten solche „klugen institutionel- len Designs zu schaffen“, wie sie Zürn in seiner Analyse herausgearbeitet hat.

1.3 Koordinierte Politiken und neue Governance-Instrumente

Im Zusammenhängen mit den in den letzten Abschnitten dargestellten theoreti- schen Fragen können für Europa und vor allem für die EU (Europäische Union) neue Formen der Governance beschrieben werden. Diese Arbeit geht davon aus, dass diese Governanceformen, die als „soft policies“ charakterisiert werden, auf verschiedene Weise auch mit den Entwicklungen im Hochschulbereich Parallelen und Überschneidungen aufweisen. (Wallace 2002: 257). Erstens finden möglicher- weise im BP ähnliche Instrumente des Policy-making Anwendung, wie sie auch beispielsweise bei der OMC und in anderen Regimes Anwendung finden (vgl. Wal- lace 2002: 257; Teló 2002: 242ff.; De la Porte 2002: 39f.; EU Kommission Educati- on Policy 2002: 4)1. Zweitens können die politischen Rahmenbedingungen, in de- nen der BP eingebettet ist, durchaus mit den Bedingungen, unter denen sich die Policy-Prozesse in anderen Zusammenhängen verändern, beispielsweise was das Verhältnis von Nationalstaaten, Eu und transnationalen Akteuren betrifft, aber auch was die Frage nach der Möglichkeit von Konvergenz betrifft in Verbindung gebracht werden (vgl. Teló: 260ff.). Und drittens kann der Prozess der Angleichungen im Hochschulraum in einer direkten Verbindung mit den Eu-Policies und Policy-Zielen wie „dem Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft“ der Lisabon-Strategie gesehen werden (Europäischer Rat 2000: 2ff.; Rodrigues 2002: 19ff.; Régent 2002: 20f.).

1.3.1 Neue Governance-Formen

Mit der Schlussfolgerung des Europäischen Rates von Lissabon wird gleichzeitig

„ (...) eine neue offene Methode der Koordinierung auf allen Ebenen, gekoppelt an eine stärkere Leistungs- und Koordinierungsfunktion des Europäischen Rates, eingeführt (...) “ (Europäischer Rat 2000: 3).

Hier wird von Seiten des Europäischen Rates erwartet, dass sich mit dieser Governance-Methode die

„ Verbreitung der bewährten Praktiken und die Herstellung einer gr öß eren Konvergenz in Bezug auf die wichtigsten Ziele der EU leichter verwirklichen lassen “ (ebd.: 14).

Neben der OMC der Lissabon-Strategie können jedoch in anderen Bereichen wei- tere Governanceformen mit ähnlichem Charakter identifiziert werden. Platzer und De la Port weisen auf die Anwendung solcher Verfahren in „political sensitive A- reas“ wie Umwelt-, Sozial- und Beschäftigungspolitik bereits seit Mitte der 90er Jahre hin (De la Port 2002: 38; vgl. Platzer 1999: 186ff.) Für Telò ist die Begrün- dung für die Anwendung der neuen Methoden darin zu sehen, dass sie mit diesen Gegenständen zusammenhängt, für die die EU keine oder nur wenig Kompetenzen hat. Es sind zu großen Teilen die wichtigsten und heikelsten Themen im nationalen Zuständigkeitsbereich (Telò 2002: 248). Wallace und Wallace beschreiben die neuen Politikformen in einem breiteren Kontext als „Multi-Level-Governance“, Poli- cy-Coordination und „Benchmarking“ und als „Intensive transgovermentalism“ (Wal- lace/Wallace 2000: 31ff.). Helen Wallace stellt für die EU fest, dass sie neben einer tiefgreifenden Veränderung ihrer Agenda und einer neuen Runde der Diskussion über die „EU-Constitution“ auch durch das Aufkommen solcher neuer Policy- Methoden gekennzeichnet ist. Wie erfolgreich diese sein werden, steht indes nicht fest. (Wallace 2002: 255). Dabei sollte die Diskussion um die neuen Methoden im Kontext der Entwicklung der Verhältnisse in und zwischen den Nationalstaaten und der EU gesehen werden. Sowohl Wallace als auch Telò weisen dabei auf den grundsätzlichen Charakter und die Einmaligkeit der ablaufenden Veränderungen, sowie auf die Offenheit des Ausgangs hin (Wallace 2002: 256; Telò 2002: 256).

1.3.2 Kennzeichen und Instrumente der neuen Governance-Formen

Die hier angeführten Beispiele für neue Governance-Formen1 sind im Wesentlichen alle dadurch charakterisiert, dass sie „weiche Instrumente“ wie z. B. Empfehlungen, Deklarationen, und Kommunikation bzw. Konsultationen beinhalten und den Aus- tausch von Best-Practice anstreben. Sie gründen auf einer Mehrebenenperspektive und dem Versuch, das Verhältnis zwischen den Ebenen und den Charakter der einzelnen Ebenen zu verändern. Eine größere Anzahl von Akteuren wird einbezo- gen, und es wird eine Kombination von positiver und negative Integration ange- strebt (vgl. Wallace 2002: 261; Telò 2002: 248ff.; De la Port 2002: 38).

„ (...) the coordination approach is appealing, as it does not seek to establish a single common framework, but instead, to putt he EU Member States on a path toward achiev- ing common objectives, while respecting different underlying values and arrangements “ (De la Port 2002: 39).

Diese Neuerung kann an den Leitbegriffen der „koordinierten und verhandelten Europäisierung“ festgemacht werden (Platzer 1999: 178). Insgesamt wird ein brei- terer Politikbegriff, wie er oben beschrieben wurde, zugrunde gelegt (vgl. Kap. 3.1.3).

- Der Europäische Rat beschreibt die für die OMC im Zuge der Lissabon Strate- gie das Vorgehen und die eingesetzten Instrumente in vier Punkten:
- Die Festlegen von Leitlinien mit genauem Zeitplan für kurz, mittel und langfristi- ge Ziele,
- die Festlegung quantitativer und qualitativer Indikatoren und Benchmarks im „Vergleich zu den Besten der Welt“,
- die Umsetzung der Europäischen Leitlinien in der nationalen und regionalen Politik durch die Entwicklung konkreter Ziele und Erlass entsprechender Maß- nahmen unter Berücksichtigung der regionalen und nationalen Unterschiede, » die regelmäßige Überwachung, Bewertung und gegenseitige Prüfung im Rah- men eines Prozesses, bei dem alle Seiten voneinander lernen.
- (Europäischer Rat 2000: 14; vgl. auch EU-Kommission Education Policy 2002: 4; vgl. Teló 2002: 250).

Es wird ein dezentraler Ansatz im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips gewählt, der den starken Einbezug der verschiedenen regionalen und lokalen Akteure vorsieht. Es sollen verschiedene Formen der Partnerschaft und der Konsultation Anwendung finden. Dabei ist interessant, dass mit „Benchmarking“ und dem Einbeziehen von Experten und epistemischer Gemeinschaften Instrumenten Anwendung finden, die in Wirtschaftszusammenhängen und im Rahmen der OECD (Organisation of Eco- nomic Cooperation and Development) seit längerem Anwendung finden (Wallace 2000: 32).

Die hier in Kürze beschriebenen Soft-Policy-Instrumente können jedoch auch kri- tisch beurteilt werden. Einerseits gibt es noch keine ausreichenden Erfahrungen über die Wirkungsweise und die Effektivität dieser Vorgehensweise. Ob dieser Go- vernance-Versuch tatsächlich den Steuerungsproblemen in Europa als adäquates Mittel entgegentreten kann, muss grundlegend überprüft werden. Zweitens stellen die hier einbezogenen Autoren fest, dass Soft-Policy-Methoden zum Allheilmittel geworden sind, und dass wichtige Instrumente wie Benchmarking und „Best- Practice“ nicht unbedingt zu einer höheren Qualität führen müssen. Wallace und Wallace charakterisieren die hier beschriebenen Vorgehensweisen auch dadurch, dass sie für die Parlamente und die Öffentlichkeit häufig undurchsichtig sind, und dass nur ein ausgewählter, kleiner Kreis nationaler Politiker einbezogen wird (Wal- lace/Wallace 2000: 34). Ebenso weist De la Port darauf hin, dass der theoretisch gewollte gleichberechtigte Einbezug aller Akteure in der Praxis nicht realisiert wer- den kann (De la Port 2002: 44). Es ist darum letztlich auch zu fragen, wie sich die- se Methoden auf die politische und demokratische Konstitution der Nationalstaaten und der EU auswirken. Die Beachtung des Aufkommens und der Anwendung sol- cher neuer Governance-Formen ist wichtig, um den Fragen nach den Zielen, Vor- gehensweisen und Chancen von Politiken im transnationalen und europäischen Raum nachzugehen. Die oben aufgeführten Probleme der Transnationalisierung, Steuerungsfähigkeit und positiven Regulierung in komplexen Mehrebenensyste- men sollen in dieser Arbeit für den Bereich der Hochschulpolitik in diesen Zusam- menhang gestellt werden.

Im folgenden Kapitel werden diese theoretischen Überlegungen im Hinblick auf das Hochschulsystem konkretisiert und problematisiert. Es steht dabei die Frage im Mittelpunkt, wie sich Internationalisierungstendenzen bzw. Transnationalisie- rungstendenzen und traditionell stark national verankerte Hochschulpolitik zuein- ander verhalten und an welchen Punkten Veränderungen wahrscheinlich werden.

2. Die Hochschulsysteme zwischen Internationalisierung und nationalstaatlichem Einfluss

Unterschiedliche Politikbereiche unterliegen verschieden starken Einflüssen und Möglichkeiten, sowohl, was den „traditionellen“ Einfluss der Nationalstaaten, als auch, was den „neuen“ Einfluss im Zuge der Internationalisierung und Transnationalisierung betrifft. Im Bereich der Bildungspolitik wurde der internationalen Ebene bisher ein eher geringer Einfluss zugesprochen (vgl. Scharpf 1998: 140f.). Andererseits kann dem Hochschulsystem selbst eine traditionell über-nationale Orientierung zugeschrieben werden, und Internationalisierung ist seit längerer Zeit ein zentrales Thema in der Hochschuldebatte (Teichler 2002).

In diesem Kapitel soll das beschriebene Spannungsverhältnis unter verschiedenen Aspekten beleuchtet werden, zunächst durch eine begriffliche Abgrenzung von In- ternationalisierung und Transnationalisierung im Hinblick auf die Hochschulpolitik und die Hochschulsysteme selbst. Im Weiteren werden die enge Bindung der Hochschulen an ihre nationalen Traditionen auf der einen Seite und die parallelen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten auf der anderen Seite gegeneinander gestellt. Im letzten Abschnitt des Kapitels werden einige aktuellen Bemühungen der Koordination von Hochschulpolitik im europäischen Bereich dargestellt, die den Versuch illustrieren, den nationalen Einfluss auf die Entwicklung zu verkleinern.

2.1 Internationalisierung und Transnationalisierung der Hochschulen der Hochschulpolitik

Um die Entwicklungen in der Hochschulpolitik zu erfassen, die in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehen, ist es notwendig, klare begriffliche Unterscheidungen im Zusammenhang mit der Veränderung der nationalstaatlichen Rolle zu verwen- den. Für eine systematische Analyse der hier zur Untersuchung stehenden Pro- zesse werden in diesem Kapitel Hochschulpolitik und Hochschulsystem begrifflich getrennt. Zwar können Internationalisierungs- und Transnationalisierungstrends in beiden nicht losgelöst voneinander gesehen werden, sie müssen dennoch nicht parallel verlaufen. Da die vorliegende Arbeit hauptsächlich auf politische Prozesse abhebt, werden für diesen Bereich ausführlichere Begriffsbestimmungen vorge- nommen.

2.1.1 Internationalisierung, Europäisierung, Transnationalisierung und Globalisierung - begriffliche Abgrenzung für die Hochschulpolitik

Allen vier hier zu unterscheidenden Begriffen ist gemein, dass sie die Veränderung der nationalstaatlichen Rolle beschreiben. Sie unterscheiden sich jedoch durch eine jeweils unterschiedliche Grundbedeutung (Teichler, 2002: 2). Da die Begriffe nicht einheitlich Verwendung finden, ist eine grundsätzliche Klärung notwendig. Internationalisierung bezeichnet eine Weltordnung, die weiterhin auf Nationalstaa- ten beruht (Kehm 2001a: 265). Die grenzüberschreitenden Aktivitäten nehmen je- doch zu (Teichler 2002: 3). Globalisierung bezieht sich demgegenüber vor allem auf den ökonomischen Bereich und die hier stattfindenden Prozesse der Entste- hung einer Weltordnung, in welcher der Nationalstaat sich aufzulösen beginnt. (Kehm 2001a: 265)1. Diese Beschreibung basiert auf den zunehmenden und sich intensivierenden Austauschbeziehungen zwischen räumlich getrennten, weit von- einander entfernten Orten, Regionen, Staaten und Organisationen (Leibfried et al. 1998: 1; vgl. auch Rieger/Leibfried 2001: 28). Während Globalisierung ein auf der Makroebene verlaufender sozio-ökonomischer Prozess ist, der kaum kontrolliert werden kann, ist Internationalisierung ein „an den Institutionen und der Politik orien- tierter und insofern kontrollierbarer Prozess“ (Kehm 2001a: 265).

Um die mit der Globalisierung verbundenen Prozesse der De-nationalisierung (Zürn 1998: 91ff.) zu erfassen, die im politischen Bereich mit der sich verändernden Rolle der Nationalstaaten verbunden sind, erscheint die Verwendung des Begriffes Internationalisierung jedoch unscharf und unklar (Mayntz 2000: 7). Die von Leibfried et al.

[...]


1 Von dieser Ausgangslage aus können heute sehr unterschiedliche Ansätze unterschieden werden, die hier jedoch nicht diskutiert werden sollen. Die verschiedenen Ansätze, die auch auf unterschiedlichen theoretischen Ebenen angesiedelt sind, können Wagschal (1999) zu- folge in eine einfache Systematik gebracht werden: „Theorien politischer Steuerung lassen sich auf einem Kontinuum verorten, das von einem akteurstheoretischen Extrem [...] hin zu einem systemtheoretischen Extrem reicht. Dabei gibt es in beiden Theoriebereichen sowohl steuerungsskeptische als auch optimistische Varianten“ (Wagschal, 1999: 225). Dabei ord- net Wagschal eine große Zahl von Ansätzen, wie zum Beispiel die Parteiendifferenztheorie, die Elitentheorien, Rational Choice Ansätze, usw. den steuerungsoptimistischen akteursba- sierten Theorien zu. Steuerungsskeptische, akteursbasierte Theorien sind ihm zufolge die Theorie der non-decisions, der akteurszentrierte Institutionalismus, Korporatismus, Institutio- nelle Blockadetheorien (Veto player, Grand Koalition State, Semisouveräner Staat, Politik- verflechtung) u.a. (Wagschal, 1999: 225). Auch auf Seiten der Systemtheorie können neben pessimistischen Ansätzen (Autopoiesis, Chaostheorie, Policy Inheritance, u.a.) optimistische Ansätze (kybernetische Systemtheorie, Systemkonkurrenz, Systemzusammenbruchsthese) unterschieden werden (ebd.).

1 Eine ausführlichere Darstellung Parsons’ Modernisierungskonzepts, als sie hier möglich ist, findet sich bei Weymann (Weymann 1998).

1 Zum Konzept der Autopoiese vgl. beispielsweise Maturana 1987, Baraldi/Corsi/Esposito 1997, Willke 1995. Willke relativiert und erweitert diese Interpretation von autopietischen, so- zialen Systemen. (Willke, 1995: 135f.)

1 Eine Einführung in die Veränderung der öffentlichen Politik und zu Netzwerkbildung, Korpo- ratismus u.a. findet sich mit Anwendungsbeispielen bei Schneider (Schneider 1998).

2 Zum Governance Begriff vgl. Zürn (Zürn 1998: 91). Trotz des prinzipiellen Aufrechterhaltens des Konzepts der politischen Steuerung ist ein deutlich vorsichtigerer Umgang mit dem Beg- riff und seinen Implikationen zu verzeichnen. Jachtenfuchs spricht in einer Bilanz zur Steue- rungsfähigkeit davon, dass es zu einer Begriffsverschiebung weg von der Steuerung hin zu Begriffen wie „Regieren“ oder „Problemlösungsfähigkeit“ gekommen ist (Jachtenfuchs 1998: 235). Diese Begriffsverwendung drückt in seiner Interpretation „eine vorsichtigere Beurtei-lung der Möglichkeiten gezielter politischer Intervention aus, die nicht erst mit der jüngsten Globalisierungsdebatte aufkam“ (ebd.).

1 Vgl. hierzu auch Mayntz/Scharpf (Mayntz/Scharpf 1995b: 43ff.).

2 Eine umfassende Einführung findet sich bei Schneider (Schneider 1998: 43ff), die Darstel- lung der einzelnen Ansätze auch bei Mayntz/Scharpf (Mayntz/Scharpf 1995b: 40ff). Den Be- zug der des Institutionenbegriffs auf internationale Institutionen und eine Differenzierung un- terschiedlicher Typen internationaler Institutionen in Zürn (Zürn 1998: 176).

1 Scharpf verweist auf das Problem singulärer Akteure und den Versuch, durch den Bezug auf kollektive Akteure bzw. Makroakteure angemessene Analyseeinheiten zu definieren. „Wenn politische Steuerung heute überhaupt möglich ist, dann wird sie jedenfalls nicht von einem singulären Akteur ausgeübt, sondern allenfalls von Konstellationen von kollektiven oder kor- porativen Akteuren, die jeweils über bestimmte Anteile an den Steuerungsressourcen verfü- gen oder mit verfügen, die in ihren Interessen und Situationsdeutungen differieren, und die dennoch - das ist entscheidend - in der Lage sind, sich wechselseitig zu berücksichtigen (Scharpf 1989: 13f.). Für eine grundlegende Darstellung von Akteurmodellen vgl. Schimank (Schimank 1998).

1 Zürn mit der im Folgenden ausgeführten These der postnationalen Politik (Zürn 2002), mit Blick auf internationale Institutionen Knodt/Jachtenfuchs (Knodt/Jachtenfuchs 2002), Wallace und Scharpf mit dem Schwerpunkt auf die neuen Möglichkeiten und Formen des Regierens in Europa (Wallace 2002), (Scharpf 2002), Rittberger et al. im Hinblick auf Verrechtlichung und das internationale Regime (Rittberger et al. 2001), Zürn zu Prozessen der gesellschaftli- chen Denationalisierung (Zürn 1998), Kohler-Koch unter der Fragestellung von Regieren in entgrenzten Räumen, Effizienz und Demokratie (Kohler-Koch 1998) oder Börzel unter dem Aspekt des Föderalismus und Regieren jenseits des Nationalstaats (Börzel 1998). Kritisch Rieger und Leibfried (Rieger/Leibfried 2001).

1 Vgl. einführend zu Neorealismus Krell (Krell 2000: 100-122).

2 Zur Differenzierung des Institutionenbegriff und zum Regimebegriff vgl. Zürn (Zürn 1998: 176).

1 Neben diesen konstitutiven Merkmalen arbeitet Zürn einige Hypothesen heraus, die aller- dings stärker im Zusammenhang mit Sicherheitspolitik stehen. Hier soll davon lediglich auf die Bedeutung von Ideen hingewiesen werden. Der Sozialkonstruktivismus hat für die inter- nationalen Beziehungen überzeugend dargelegt, dass Ideen und Konstruktionen über inter- nationale Politik gerade auch in der nationalen Konstellation wirkungsmächtig waren. In der postnationalen Konstellation erweitert sich das Set an Ideen, das bedeutsam für das Ver- ständnis von Politik jenseits des Nationalstaats wird. Dadurch wächst auch die Bedeutung von epistemischen Gemeinschaften (Zürn 2002: 232) Außerdem setzen innerhalb der Institu- tionen Lernprozesse ein, in deren Verlauf die beteiligten Akteure ihre Interessenprofile ent- wickeln oder verändern (Zürn 1998: 113f.). Eine ausführlichere Darstellung findet sich bei Gehring (Gehring 1995) und bei Krell (Krell 2000: 239ff.).

1 Kritisch dazu auch Jachtenfuchs (Jachtenfuchs 1998: 235ff.)

1 Zur Anwendung der Spieltheorie auf den politischen und insbesondere internationalen- und postnationalen Bereich vgl. Zürn (Zürn 2002: Zürn 1998: 110f.), eine ausführliche Analyse verschiedener Politikbereiche findet sich bei Scharpf (Scharpf 1998: 132ff.). Eine grundle- gende Einführung in das Thema findet sich bei Esser, (Esser 2000: 55 ff.) bei Scharpf (Scharpf 1990: 477ff.; Scharpf ) Auf die Begrenztheit und die Probleme der spieltheoreti- schen Modellierung gehen Mayntz und Scharpf ein (Mayntz/Scharpf 1995b: 65).

1 Vgl. dazu auch das Weissbuch „Europäisches Regieren“ der EU-Kommission, welches die Grundsätze des „neuen Regierens“, die Einbindung von Akteuren, die Regeln und Instru- mente sowie den Zusammenhang zwischen Governance der EU und von „Global- Governance“ beschreibt (Eu Kommission 2001a).

1 Wallace nennt neben dem OMC der Lissabon-Strategie die „Creation of the economic an monetary union (EMU); the development of justice and home affairs (JHA); and the inclusion of an explicit defence and military dimension to the common foreign and security policy (CFSP)“ (Wallace 2002: 257). In all diesen Bereichen stellen die bisher praktizierten Com- munity-Methoden nicht mehr die vorrangigen Policy-Formen dar. Zu diesen vgl. Wallace und Wallace 2000: 28ff.).

1 Dieser Sicht widersprechen Rieger und Leibfried in ihrer Analyse des Zusammenhangs der Globalisierung und der Wohlfahrtsstaaten. Zum einen basieren die Prozesse der Globalisie- rung auf Entscheidungen der Nationalstaaten, die erst durch die fortgeschrittene Wohlfahrts- staatlichkeit möglich und nötig geworden sind, und zum zweiten halten Rieger und Leibfried diese Prozesse der Globalisierung nicht für irreversibel (Rieger/Leibfried, 2001: 46ff.). Rieger und Leibfried weisen darauf hin und belegen dies mit empirischen Daten, dass die Globali- sierung (im Sinne von Steigerung des internationalen Handels) auch in früheren Perioden stattfand und in der jetzigen Phase bereits in den 80er Jahren ihren Höhepunkt erreichte. Das Neue an der jetzigen Situation sei daher vielmehr durch ihre lange Dauer der relativen Offenheit der Märkte und die einsetzenden charakteristische Veränderung der Wohlfahrts- staaten (Rieger/ Leibfried 2001: 30). Die Folgen der wirtschaftlichen Globalisierung im inne- ren der entwickelten Gesellschaften sowie die Institutionen und Organisationen der internati- onalen Regulierung der Wirtschaft werden anders wahrgenommen und bewertet (ebd.). Die- se Autoren widersprechen der These, die Globalisierung als Entstaatlichung versteht. (41).

Ende der Leseprobe aus 158 Seiten

Details

Titel
Der Bologna-Prozess für einen europäischen Hochschulraum - Eine neue Form des Policy-Making im Bildungsbereich
Hochschule
Universität Bremen  (Fachbereich 12 Erziehungswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
158
Katalognummer
V39570
ISBN (eBook)
9783638383035
ISBN (Buch)
9783638937511
Dateigröße
1024 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bologna-Prozess, Hochschulraum, Eine, Form, Policy-Making, Bildungsbereich
Arbeit zitieren
Peter Weber (Autor:in), 2003, Der Bologna-Prozess für einen europäischen Hochschulraum - Eine neue Form des Policy-Making im Bildungsbereich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39570

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