[...] Diese Erkenntnis des Filmwissenschaftlers Joseph Wulf hat seine Gültigkeit keineswegs ausschließlich im Betrachtungsrahmen des Nationalsozialismus. Der gleichgeschaltete Medienapparat der NSDAP muss als Extrembeispiel für wirksame Agitation und der Film hierbei als wichtiger Bestandteil gelten, doch der Ruf, aktiv politische Einflussnahme zu betreiben, eilte dem Genre schon einige Zeit zuvor voraus. In der Weimarer Republik, in der der Film zu einem der bedeutendsten Industriezweige heranwuchs, entfaltete er neben seiner wirtschaftlichen Kraft zweifellos ein großes Wirkungspotenzial, das einige Autoren, allen voran „der große Psychoanalytiker der Filmliteratur“, Siegfried Kracauer, von konservativen Kräften ausgenutzt sah. Speziell Kracauer schätzte diese Art der Einflussnahme als so mächtig ein, dass er dem Film eine dem Nationalsozialismus den Weg ebnende Funktion unterstellte. Hierauf deutet der Titel seines bekanntesten Werkes Von Caligari zu Hitler, der eine Verbindung des Weimarer Films zur Machtübernahme des Despoten nachzuzeichnen sucht. Wie aber sehen Spezifik, Art und Umfang des filmischen Beitrags aus, „die zu den mentalen Veränderungsprozessen, die zur breiten Akzeptanz rechtskonservativer bis extrem republikfeindlicher Ideologien führten“?, fragt Helmut Korte, Deutschlands führender Filmwissenschaftler. Andere Autoren, am deutlichsten Thomas Koebner, ziehen indes die These in Zweifel, der Film der Weimarer Republik sei als Vorbote ihres Endes zu verstehen, wie er in seinem Aufsatz Von Caligari führt kein Weg zu Hitler zu belegen sucht, das er als neues Paradigma der Analyse des Weimarer Kinos verstanden wissen will. Es stellt sich die Frage, die Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein soll: Inwiefern hat der Film in der Weimarer Republik die Funktion eines Wegbereiters des Nationalsozialismus erfüllt? Hierzu ist zunächst ein bündiger Blick auf die Entwicklung der Filmindustrie von Nöten, um die für die filmische Wirkungsziele relevanten Besitzverhältnisse zu klären; im Anschluss soll eine Analyse relevanter Aspekte exemplarischer Werke die (direkten wie indirekten) Wirkungsmöglichkeiten und - intentionen des Films beleuchten, ehe eine Betrachtung des links-oppositionellen Films die Schwierigkeiten jener Kategorie erklären soll. Die Frage, inwiefern presserechtliche Bestimmungen die untersuchten Entwicklungen gehemmt oder begünstigt haben, ist Gegenstand des darauf folgenden Teils, der die Betrachtung abschließen soll.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Struktur der Filmindustrie in der Weimarer Republik
- Die UFA als Staatsdiener – Ein Gigant bietet Hilfestellung
- Krise der deutschen Filmindustrie und Übernahme durch die Nationalsozialisten
- Die Entfaltung konservativen und nationalistischen Gedankenguts im Film der Weimarer Republik
- Beeinflussung jenseits des Bewusstseins?
- Narkotisierende Dysfunktion: Ein Volk wird abgelenkt
- Politische Funktion der Filme
- Der filmische Widerstand der Arbeiterbewegung – Kampf mit ungleichen Waffen
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Funktion des Films in der Weimarer Republik als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Sie analysiert die Entwicklung der Filmindustrie, die Verbreitung konservativer und nationalistischer Ideologien im Film, und den filmischen Widerstand der Arbeiterbewegung.
- Entwicklung der Filmindustrie in der Weimarer Republik
- Einfluss konservativer und nationalistischer Ideologien im Film
- Funktion des Films als Propagandamittel
- Filmischer Widerstand der Arbeiterbewegung
- Regulierung des Films durch Zensur und Pressegesetzgebung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die These auf, dass der Film in der Weimarer Republik eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung konservativer und nationalistischer Ideologien spielte. Kapitel 2 beschreibt die Entwicklung der Filmindustrie, wobei die UFA und die Rolle von Alfred Hugenberg als Schlüsselfiguren dargestellt werden. Das dritte Kapitel untersucht die Entfaltung konservativer und nationalistischer Gedankenguts im Film, wobei die Kontroverse zwischen Siegfried Kracauer und Thomas Koebner im Hinblick auf die Beeinflussung des Films auf das gesellschaftliche Bewusstsein beleuchtet wird.
Schlüsselwörter
Weimarer Republik, Filmindustrie, Nationalsozialismus, Propaganda, Ideologie, Konservatismus, Nationalismus, Arbeiterbewegung, Zensur, Pressegesetzgebung, Siegfried Kracauer, Thomas Koebner, UFA, Alfred Hugenberg.
- Arbeit zitieren
- Daniel Pontzen (Autor:in), 2004, Der Film in der Weimarer Republik in seiner Funktion als Wegbereiter des Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39629