Es gibt keinen stichhaltigen Grund anzunehmen, Karl der Große habe das Kaisertum nicht angestrebt oder er sei ein ‚Kaiser-wider-Willen’ (Schramm) gewesen.
Diese Arbeit macht deutlich, dass die Errichtung des nachantiken, abendländischen Kaisertums im Jahre 800 nicht das Ergebnis eines einzelnen machtbewussten Willens war, sondern aus wenigstens drei Quellen zu schöpfen ist.
Der Wille Karls des Großen manifestierte sich erstmals deutlich in der Reaktion auf das Konzil von Nikaia (787). In den Libri Carolini gibt er schon 794 der Mit- und Nachwelt in klaren Worten zu erkennen, dass er nicht nur die imperiale, sondern auch die in Kirchenfragen universale Macht im imperium christianum anstrebte.
Die Aufwertung der so genannten ‚Kölner Notiz’ - also die ‚Übergabe des Imperiums’ durch die byzantinische Kaiserin Eirene an Karl schon 797/98 - erlaubt es, den Byzanzbezug auf die Kaiserkrönung neu einzuschätzen. Sowohl die Mediaevistik (Fried) als auch die Byzantinistik (Lilie) sehen in den acht ‚dürren Worten’ (Löwe) der ‚Notiz’ einen Katalysator der Erhebung Karls zum Kaiser des Westens.
Das Attentat auf Papst Leo III. im Jahre 799 scheint hier nur den noch ausstehenden ‚Rest’ besorgt zu haben. Der kausale Zusammenhang zwischen Revolte und Krönung in Rom, den die ‚lokalistische Theorie’ (Heldmann) über Jahrzehnte möglicherweise zu stark betont hat, ist zwar keineswegs auszuschließen, doch ohne den Bezug auf das byzantinische Kaisertum reicht diese Theorie nicht weit.
Karl sah sich im Verlauf der Ereignisse um das Attentat auf dem Gipfelpunkt seiner faktischen Macht, der nur die nominelle Würde (das nomen imperatoris) noch fehlte.
Der Papst - die schwächste der drei Mächte - sah 799 möglicherweise die lange ersehnte Gelegenheit gekommen, sich einen festen Platz ‚neben’, wenn nicht gar ‚über’ den weltlichen Gewalten zu erobern. Auch wenn im Vorfeld möglicherweise anderes abgesprochen worden war (Schweigen der Quellen), nahm Leo III. Weihnachten 800 das Heft in die Hand und schwang sich zum ‚Kaisermacher’ Karls des Großen auf. Für die Annahme, dass die ‚Rechnung’ des Papstes nicht aufgegangen ist, spricht die von Einhard überlieferte Reaktion Karls, er hätte die Kirche nicht betreten, „wenn er die Absicht des Papstes geahnt hätte.“
In der Rückschau der über 800jährigen ‚deutschen’ Geschichte des Kaisertums fällt das Urteil über das Ereignis am Weihnachtstag 800 zumindest zwiespältig aus.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historische Voraussetzungen
- 476 - Ein vakanter Kaiserthron im Abendland?
- 751/54 - Pippin erringt das Königtum der Franken
- Karls Weg zum Kaisertum
- Hadrian I. und Karl der Große: compaternitas
- 787 - Konflikte mit Papsttum und Byzanz: Das Konzil von Nikaia
- 797/98 - Eine,Kölner Notiz': Byzanz, übergibt' Karl das imperium
- Leo III. und Karl der Große
- 795 – Ein,programmatischer' Brief
- 799 Das Attentat auf Papst Leo III.
- Das Attentat in den Quellen
- Die Begegnung von Paderborn und die,Kaiserfrage'
- Die Mosaiken Papst Leos III. im Lateran
- Synodale Untersuchung in Rom und,Reinigungseid'
- Die Kaiserkrönung am Weihnachtstag 800
- Die Krönung in den Quellen
- Karls und Byzanz',Unmut'
- Karls Kaisertum
- Karl hält Gericht in Rom und ,ordnet die Kirche'
- Eine,komplizierte' Titulatur
- 812 - Byzanz und die Erhebung Karls zum Kaiser
- 813 - Kaiserkrönung Ludwigs des Frommen in Aachen
- Abschließende Einschätzung und Ausschau
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung des mittelalterlichen Deutschen Reiches und untersucht die Kaiserkrönung Karls des Großen als Schlüsselereignis in diesem Prozess. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Interessen und Machtansprüche von Karl dem Großen, dem Papsttum und Byzanz und analysiert, wie diese drei Potenzen in einem Spannungsfeld agierten, das zur Wiedererrichtung des abendländischen Kaisertums führte.
- Die Rolle des Papsttums bei der Krönung Karls des Großen
- Die Reaktion des Byzantinischen Reiches auf die Kaiserkrönung
- Die Bedeutung der Kaiserkrönung für die Entstehung des mittelalterlichen Deutschen Reiches
- Die Auswirkungen der Kaiserkrönung auf das Verhältnis zwischen Franken und Byzanz
- Die politische und religiöse Bedeutung des Kaisertums im Frühmittelalter
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der Einleitung und stellt die Forschungsfrage in den Kontext der historischen Bedeutung der Kaiserkrönung Karls des Großen. Es werden wichtige Schlüsselfiguren und Zeitpunkte benannt, die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt werden. Kapitel zwei beleuchtet die historischen Voraussetzungen für die Kaiserkrönung, indem es auf die Situation im Abendland nach dem Fall des weströmischen Reiches und die Rolle der Franken unter Pippin dem Jüngeren eingeht. Kapitel drei beschäftigt sich mit dem Weg Karls des Großen zum Kaisertum. Es analysiert die komplizierten Beziehungen Karls zu Papst Hadrian I. und dem Byzantinischen Reich und stellt die Konflikte und Bündnisse dar, die zur Krönung führten. Dieses Kapitel umfasst auch die Darstellung der Ereignisse rund um das Attentat auf Papst Leo III. und dessen Flucht zu Karl nach Paderborn. Die Kaiserkrönung selbst wird im vierten Kapitel beleuchtet. Hier werden die Quellenlage, die Reaktion von Karl und Byzanz sowie die Auswirkungen der Krönung auf die politische und religiöse Ordnung des Abendlandes untersucht. Die Arbeit endet mit einer abschließenden Einschätzung der Bedeutung der Kaiserkrönung und einem Blick auf die weitere Entwicklung des Kaisertums.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit folgenden Schlüsselbegriffen und Themenfeldern: Kaiserkrönung Karls des Großen, Entstehung des mittelalterlichen Deutschen Reiches, Papsttum, Byzanz, Franken, Universalismus, fränkischer und byzantinischer Universalismus, Kirchenherrschaft, Machtansprüche, Interessenslagen, Quellenkritik, Quellenlage, Constitutum Constantini, Liber Pontificalis, Chronik des Theophanes, Vita Leonis tertii, Reichsannalen, Einhardsannalen, Kölner Notiz.
- Arbeit zitieren
- Carsten Lux (Autor:in), 2005, Die Kaiserkrönung Karls des Großen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39678