Das Problem 'Jugendarbeitslosigkeit' in Deutschland. Was hat der Staat diesem Phänomen entgegenzusetzen?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Problemstellung

2. Begriffbestimmung, Zahlen und Fakten zum thematischen Einstieg
2.1. Zum Begriff der Jugendarbeitslosigkeit
2.2. Die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland und Europa

3. Das (Berufs-) Bildungssystem in Deutschland
3.1. Die Bedeutung der schulischen (Vor-) Bildung
3.2. Das Duale System der Berufsausbildung - Auslaufmodell oder unverzichtbarer Bestandteil der beruflichen Erstausbildung?

4. Ursachen und Folgen von Jugendarbeitslosigkeit
4.1. Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit
4.2. Mögliche Folgen von Arbeitslosigkeit Jugendlicher und jungen Erwachsenen
4.3. Mögliche Gesellschaftliche Auswirkungen der Jugendarbeitslosigkeit

5. Instrumente zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit
5.1. Überblick
5.2. Staatliche Sonderprogramme
5.2.1. JUMP - Das Sofortprogramm der Bundesregierung zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit
5.2.2. Kritik an JUMP
5.2.3. Der nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland

6. Ausblick

Literaturverzeichnis

„Ich hasse Arbeit, weil ich keine kriegen kann“[1]

1. Problemstellung

Neben dem höchst akuten Problem der allgemeinen Beschäftigungskrise und der daraus resultierenden Massenarbeitslosigkeit in Deutschland und Europa, stellt insbesondere das immer stärker werdende Phänomen der Jugendarbeitslosigkeit sowohl Politik als auch Wirtschaft und Gesellschaft vor große Herausforderungen. Das Bewusstsein um den in dieser Richtung bestehenden massiven Handlungsbedarf existiert seit vielen Jahren. Bereits im Jahr 1997 wurde die Altersgruppe der Jugendlichen von der Bundesanstalt für Arbeit „als ihre Zielgruppe des Jahres“[2] erklärt. Dennoch ist anscheinend erst in den letzten Jahren die Dringlichkeit zur Entwicklung einer Lösung zu diesem Problem deutlich geworden, obwohl allen gesellschaftlichen Funktionsbereichen klar sein sollte, dass gerade in der Jugend die Zukunft unserer Gesellschaft liegt. Ein ‚Allheilmittel’ für das Phänomen Jugendarbeitslosigkeit ist bisher noch nicht gefunden worden, was schnell beim Blick auf die Fülle der vorhandenen Programme und Maßnahmen deutlich wird, welche seit Ende der 90er Jahre ins Leben gerufen wurden, um arbeitslosen Jugendlichen eine Perspektive zu bieten.

Im Rahmen dieser Arbeit werden - neben einer kurzen Darstellung der seit Jahrzehnten europaweit anwachsenden Jugendarbeitslosigkeit und einem Blick auf Ursachen und Folgen dieses Phänomens für die Individuen und die Gesellschaft - einzelne Programme vorgestellt, welche zur Zeit die maßgeblichen Hoffnungsträger der Politik im Kampf gegen die stetig ansteigende Jugendarbeitslosigkeit darstellen. Hierbei sei gleich vorangestellt, dass diese Arbeit bei Weitem nicht in der Lage ist, das Problemfeld Jugendarbeitslosigkeit mit all seinen Facetten darzustellen oder die existierenden Lösungsansätze erschöpfend zu diskutieren. Vielmehr wird im Rahmen dieser Arbeit zunächst ein Einblick in diesen Themenbereich gegeben anschließend werden die seit Jahren stattfindenden Versuche von Politik und Wirtschaft, diesem Problem angemessen zu begegnen und entgegenzuwirken kurz erläutert und kritisiert.

Da die hierzulande existierende Vielfalt an Lösungsansätzen bereits stark verkürzt vorgestellt werden muss, wird der Fokus rein auf innerdeutsche Programme gerichtet und der vergleichende Blick hin zu Programmen der übrigen Länder der Europäischen Union bewusst unterlassen. Es werden zwar Vergleichszahlen aufgezeigt, jedoch sollen keine programmatischen Vergleiche mit den Ländern Europas gezogen werden. Ein Blick nach „draußen“ sprengt zum einen den Rahmen dieser Arbeit und zum anderen dürfte jedem Leser bekannt sein, dass Jugendarbeitslosigkeit sich nicht auf unsere Nation beschränkt, sondern die Gemüter aller europäischen Staaten beschäftigt.

In Kapitel 2 wird einleitend der Begriff der Jugendarbeitslosigkeit, der dieser Arbeit zugrundegelegt wird, vorgestellt. Anschließend erfolgt eine kurze Darstellung der Entwicklung von Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland und Europa in den letzten 30 Jahren, um somit den seit Jahren wachsenden Handlungsbedarf im Hinblick auf dieses Thema deutlich zu machen. Kapitel 3 beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Darstellung des deutschen Berufs-Bildungs-Systems, wobei die besondere Stellung des Dualen Systems der Berufsausbildung näher beleuchtet und herausgearbeitet wird - insbesondere wird der Frage nachgegangen, ob dieses System heute noch die gleiche herausragende Stellung in der deutschen Erstausbildung einnimmt wie in den letzten Jahrzehnten. In Kapitel 4 werden wesentliche Ursachen und Folgen der Jugendarbeitslosigkeit herausgearbeitet, sowohl im Hinblick auf individuelle als auch auf gesellschaftliche Auswirkungen. Im 5. Kapitel wird unter Abschnitt 5.1 aufgezeigt, welche Vielzahl an Möglichkeiten zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bereits geschaffen wurde. Anschließend wird unter 5.2 kritisch auf zwei ausgewählte staatliche Programme näher eingegangen, sodass im abschließenden Ausblick unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ergebnisse eine Einschätzung auf zukünftige Handlungserfordernisse gegeben werden kann.

2. Begriffbestimmung, Zahlen und Fakten zum thematischen Einstieg

2.1. Zum Begriff der Jugendarbeitslosigkeit

Für den Begriff der Jugendarbeitslosigkeit gibt es weder in der einschlägigen Literatur, noch in den verschiedenen Arbeitslosenstatistiken eine allgemeingültige Definition. Vor allem die Festlegung der Altersgrenzen für die Begriffe Jugend bzw. junge Erwachsene scheint schwierig, da diese Lebensabschnitte weder an festen Schulzeiten orientiert werden können, noch das Alter des Berufseintritts als Maßstab herangezogen werden kann, da die Jugendlichen höchst unterschiedliche schulische Werdegänge durchlaufen. Zwar gibt es innerhalb Deutschlands die Festlegung der Pflichtschulzeit, dennoch variiert diese wiederum im europäischen Vergleich, d.h. wer in der einen Statistik noch als Jugendlicher gilt, scheidet in einer anderen bereits als Erwachsener aus. Des Weiteren sind weder die Studienzeiten, noch die Wehrpflicht oder sonstige Aktivitäten junger Erwachsener vor Eintritt in das Erwerbsleben einheitlich erfassbar.[3]

Um dieser Arbeit dennoch ein einheitliches Verständnis dieses Begriffes zugrunde zu legen, wird ‚Jugendarbeitslosigkeit’ hier in Anlehnung an die von Gütinger übernommene Definition nach EUROSTAT mit folgendem Verständnis verwendet.

Als jugendarbeitslos gilt demnach, wer

- ohne Arbeit ist, d.h. weder in entlohnter Beschäftigung steht, noch selbständig ist
- gegenwärtig bzw. innerhalb von zwei Wochen für eine (entlohnte oder selbständige) Beschäftigung verfügbar ist
- in der jüngsten Vergangenheit (mind. vier Wochen) auf der Suche nach einer Beschäftigung war
- im Alter zwischen 15 und 25 Jahren ist.[4]

2.2. Die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland und Europa

Arbeitslosigkeit im Allgemeinen und Jugendarbeitslosigkeit im Besonderen sind seit den 70er Jahren sowohl in Deutschland als auch in den übrigen europäischen Ländern ein zentrales Problem. Parallel zur Entwicklung der Gesamtarbeitslosigkeit, unterlag auch die Jugendarbeitslosigkeit in der europäischen Union starken Schwankungen, was größtenteils auf konjunkturelle und strukturelle Faktoren zurückzuführen ist. Bereits im Jahre 1975 erreichte die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland einen Stand von über 280 Tausend Personen. Dieser derzeitige Höchststand unterschritt nur aufgrund des kurzfristigen konjunkturellen Aufschwungs der Jahre 1979 und 1980 wieder die Zweihunderttausendendermarke. Anschließend war allerdings ein rasanter Anstieg zu verzeichnen, wobei 1994 die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen auf ein Rekordhoch von 530 Tausend Personen anstieg.[5] Zwar erfolgte daraufhin aufgrund arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen eine Senkung der Arbeitslosenquote, jedoch war in den folgenden Perioden wieder ein starker Anstieg zu verzeichnen, wobei sich die Arbeitslosenzahlen Jugendlicher aufgrund des „weitreichenden Strukturwandels auf dem Arbeitsmarkt“[6] auf diesem hohen Niveau weitestgehend verfestigt haben. Ende Juni 2003 waren hingegen ‚nur’ 475 Tausend junge Menschen arbeitslos gemeldet. Allerdings fällt die Zahl der tatsächlichen Unterbeschäftigung dieser Altersgruppe noch um einiges größer aus, da im Jahr 2003 ca. 544 Tausend junge Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen involviert waren und somit ebenfalls keine dauerhafte Ausbildungs- bzw. Arbeitsstelle gefunden hatten.[7]

Aktuell liegt die Quote der Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland bei 12,7%, d.h. „etwa 635.000 Jugendliche unter 25 Jahren sind in Deutschland derzeit arbeitslos“[8], Zahlen, die nicht nur die Politik, sondern auch die deutsche Wirtschaft in höchste Alarmbereitschaft versetzen sollten.

Auch in der EU ist Jugendarbeitslosigkeit seit Mitte der 70er Jahre zunehmend zum politisch relevanten Thema geworden,[9] denn auch hier sieht die Lage der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht besser aus. Der EU-Durchschnitt der Jugendarbeitslosigkeit lag im Jahr 2003 zwischen 18,4 und 15,9%.[10]

Diese Zahlen sind alarmierend, weshalb die ehrgeizigen Ziele des Luxemburger Beschäftigungsgipfels im Jahre 1997, allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen Ausbildung und Beschäftigung zu ermöglichen[11], nicht verwundern, sondern umgehend die Schaffung von Beschäftigungsprogrammen und Integrationsmaßnahmen für Jugendliche und junge Erwachsene verlangen. Hierbei sind langfristige Maßnahmen gefordert, welche den Jugendlichen tatsächliche Zukunftsperspektiven eröffnen, auf denen sich eine materielle Existenzsicherung und eine individuelle Lebensplanung aufbauen lassen.

Um den Jugendlichen positive Zukunftsaussichten zu ermöglichen, obliegt in Deutschland vor allem den Arbeitgebern in der dualen Ausbildung eine besondere Verantwortung, wieder Ausbildungsplätze in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen[12] - überdies wird im Folgenden gezeigt, dass aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte der Staat ein hohes Maß an Verantwortung zu tragen hat, den Jugendlichen adäquate alternative Möglichkeiten zur dualen Ausbildung aufzuzeigen.

3. Das (Berufs-) Bildungssystem in Deutschland

3.1. Die Bedeutung der schulischen (Vor-) Bildung

Trotz aller Vorteile der Bildungsexpansion im letzten Jahrhundert wird im Hinblick auf den Wettbewerb um Ausbildungs- und Arbeitsplätze oftmals beklagt, dass die „massive Steigerung der Bildungsbeteiligung (…) zu Bildungsinflation und zu Entkopplung von Bildungssystem und Beschäftigungssystem geführt“[13] habe, wonach immer mehr Bildung benötigt wird, um Positionen zu erreichen, die man früher mit einem geringeren Bildungsstand bekommen hätte.

Ein weiteres Problem stellt die in den vergangenen Jahrzehnten stattgefundene Strukturänderung des Arbeitsmarktes dar. Parallel zum (Bedeutungs-) Verlust der verarbeitenden Industrien und - damit verbunden - dem massiven Rückgang der dort benötigten Anzahl an Arbeitnehmern, haben die Dienstleistungsbranchen einen wahren Boom erfahren. Zwar werden in den Wachstumsbranchen nun umso mehr Arbeitskräfte benötigt, allerdings sind dort die Qualifikationsanforderungen an die Arbeitnehmer - im Vergleich zum Industriesektor - deutlich gestiegen.[14] Daraus folgt, dass sich mit der Zeit „formale berufliche Qualifikation zum zentralen Wettbewerbsfaktor für die Erwerbspersonen am Arbeitsmarkt entwickelt“[15] hat, was auch der „Trend zu höherwertigen Abschlüssen“[16] in den allgemeinbildenden Schulen belegt. Für all diejenigen, die den steigenden Qualifikationsanforderungen nicht entsprechen können (fast jeder fünfte Schulabgänger[17] ), steigt infolgedessen die Wahrscheinlichkeit für eine zukünftige Ausgrenzung aus dem Erwerbsleben. Dies wird auch in den Ergebnissen der 14. Shell-Studie deutlich, welche auf ein sehr hohes soziales Gefälle im Hinblick auf Bildungsabschlüsse, Schulerfolg und persönliche Zuversicht im Hinblick auf die eigene Zukunftsgestaltung verweisen.[18]

Da „der Zugang zu den Märkten der beruflichen Erstausbildung (…) zunehmend restriktiver“[19] wird, hängt das Risiko, arbeitslos zu werden, sehr stark vom Bildungsniveau des Einzelnen ab. Folglich müssen Arbeitssuchende heutzutage über ein möglichst gutes (Aus-) Bildungsniveau verfügen, um auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance zu haben. Folglich müssten neben „solide Kenntnisse in den grundlegenden Kulturtechniken (…) und Allgemeinwissen“[20] „in zunehmenden Maße zentrale überfachliche Qualifikationen,“[21] wie zum Beispiel Einblicke in die Prozesse des Arbeitslebens, treten, um die Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Betriebe und dem Leistungsvermögen der Schulabgänger zu vermindern.

[...]


[1] Servicestelle Politische Bildung 2004

[2] Krone, S. u.a. 2004, S. 13

[3] vgl. Gütinger, Chr. 1998, S. 11

[4] vgl. Gütinger, Chr. 1998, S. 10-11

[5] vgl. Strikker, F. 1990, S. 6/ vgl. Dietrich, H. 2001, S. 419

[6] Krone, S. u.a. 2004, S. 13

[7] vgl. DGB 2003, S. 1

[8] BMWA 2005

[9] vgl. Richter, I. u.a. 2000, S. 22/ vgl. Schierholz, H. 2001, S. 55

[10] vgl. Abb. zur Jugendarbeitslosigkeit in der EU der Servicestelle Politische Bildung 2004

[11] vgl. Richter, I. u.a. 2000, S. 26

[12] vgl. DGB 2003, S. 2

[13] Müller, W. 2001, S. 29

[14] vgl. Krone, S. u.a. 2004, S. 13-14

[15] ebd., S. 13

[16] ebd., S. 16

[17] vgl. Mutscheller, E. 1999, S. 53

[18] vgl. 14. Shell-Jugendstudie

[19] Lex, T. 1997, S. 49

[20] Mutscheller, E. 1999, S. 52

[21] Lindner, J. 1997, S. 262

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das Problem 'Jugendarbeitslosigkeit' in Deutschland. Was hat der Staat diesem Phänomen entgegenzusetzen?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Soziologische Aspekte von Arbeitslosigkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V39930
ISBN (eBook)
9783638385787
Dateigröße
595 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problem, Jugendarbeitslosigkeit, Deutschland, Staat, Phänomen, Soziologische, Aspekte, Arbeitslosigkeit
Arbeit zitieren
Tanja Lorenz (Autor:in), 2005, Das Problem 'Jugendarbeitslosigkeit' in Deutschland. Was hat der Staat diesem Phänomen entgegenzusetzen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39930

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