Konfliktverhalten im Kulturvergleich - Eine kulturvergleichende Studie zu Konfliktverhalten bei deutschen und russischen Bankangestellten in Abhängigkeit von kulturellen Werten.


Diplomarbeit, 2005

186 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

0 Zusammenfassung

1 Einleitung

2 Kultur und Werte
2.1 Der Begriff Kultur
2.2 Aktion in der Kultur
2.3 Verhaltensmuster: Sitten, Normen, Rollen
2.4 Kulturelle Einflüsse auf Persönlichkeit
2.5 Werte und deren Sozialisation
2.6 Wertorientierungen

3 Handlung - Kultur und Persönlichkeit
3.1 Handlungstheorie - Handlungsschemata
3.2 Antriebsregulation und Handlung in konflikthaltigen Situationen
3.3 Motivdisposition
3.4 Konfliktverhalten und Interaktionen in Situationen

4 Konfliktverhalten
4.1 Begriff Konflikt
4.2 Modell
4.3 Konflikt als Interaktion - Konfliktstile
4.4 Strukturzentrierte Konfliktperspektive - der situative Ansatz

5 Die vorliegende Untersuchung
5.1 Fragestellungen und Hypothesen
5.1.1 Fragestellung Eins
5.1.2 Fragestellung Zwei
5.2 Untersuchungsplan
5.3 Durchführung der Untersuchung

6 Methoden
6.1 Methode und Kulturvergleich
6.2 Erhebungsinstrument
6.2.1 Konfliktverhalten situativ (KV-S)
6.2.2 Schwartz Werte-Inventar
6.3.3 FPI-R
6.2.4 AVEM
6.2.5 Validierungsansatz für den Fragebogen Konfliktverhalten situativ in der russischen Version
6.3 Methodenkritik

7 Ergebnisse
7.1 Stichprobenbeschreibung
7.2 Fragestellung Eins
7.3 Fragestellung Zwei

8 Diskussion
8.1 Interpretation der Ergebnisse zu den Skalen
8.2 Zusammenführung der Ergebnisse

Literatur

Selbstständigkeitserklärung

Anhang
Anhang A: Untersuchung
A1 Untersuchungsfragebogen deutsche Version
A2 Untersuchungsfragebogen russische Version
Anhang B: Statistische Berechnungen
B1 Korrelationsanalyse zur Ermittlung der Skalenzusammenhänge
B2 Test auf Normalverteilung und Skalenhomogenität Fragestellung eins
B3 Multivariate Varianzanalyse (Kovariablenkontrolle) Fragestellung eins
B4 Partielle Korrelationen zwischen den Werten und dem Konfliktverhalten
B5 Mittelwertvergleiche der Werteskalen (ONEWAY ANOVA)

Tabellen

Tabelle 1: Dimensionen von Kulturen

Tabelle 2: Wertorientierungen nach Kluckhohn und Strodtbeck

Tabelle 3: Modell möglicher Handlungsorientierungen

Tabelle 4: Formale Darstellung der hypothetischen Beziehungen zur ersten Fragestellung

Tabelle 5: Beziehungen von Kulturdimensionen, äthiologischen Untersuchungen und den Skalen von Klemm

Tabelle 6: Formale Darstellung der hypothetischen Beziehungen zur zweiten Fragestellung

Tabelle 7: Untersuchungsplan der vorliegenden Fragebogenstudie

Tabelle 8: Four perspectives on culture as antecedent of thought and action

Tabelle 9: Itemanalyse Fragebogen Konfliktverhalten situativ

Tabelle 10: Itemanalyse Schwartz Werte-Inventar

Tabelle 11: Itemanalyse FPI-R

Tabelle 12: Itemanalyse AVEM

Tabelle 13: Aus der Literatur theoretisch begründbare Zusammenhänge der Konstrukte aus dem Konfliktfragebogen, dem Werte-Inventar, dem Fragebogen FPI-R und AVEM

Tabelle 14: Stichprobencharakteristik der Untersuchung

Tabelle 15: Varianzanalyse der Stichprobencharakteristik für die Gesamtstichprobe

Tabelle 16: Mittelwertvergleiche für die Skalen des Fragebogens Konfliktverhalten situativ (Klemm, 2001) zwischen den Nationalitäten...

Tabelle 17: Korrelationen zwischen Skalen Konfliktverhalten situativ und Werte-Inventar

Tabelle 18: Schematische Zusammenstellung der Ergebnisse Fragestellung zwei

Abbildungen

Abbildung 1: Drei Ebenen der Einzigartigkeit in der mentalen Programmierung des Menschen

Abbildung 2: Merkmale von Kulturen nach Maletzke

Abbildung 3: Ebenen der Kultur

Abbildung 4: Manifestation der Kultur auf verschiedenen

Abbildung 5: Modell der kulturellen Effekte auf rollenbezogenes Verhalten

Abbildung 6: The basic mediational triangle in which subject and object are seen not only "directly" connected but stimulataeously as "indirectly" connected through a medium constituted of artifacts (culture)

Abbildung 7: The ecocultural framework

Abbildung 8: How Values Operate in an Organisational Context

Abbildung 9: Sozialisation und nationale, berufliche und organisatorische Kultur

Abbildung 10: Interaktionsprozesse in der subjektiven Situation

Abbildung 11: Das Rubikon der Handlungsphasen

Abbildung 12: Konfliktverhalten als System nach Klemm

Abbildung 13: Theoretisches Modell für die vorliegende Untersuchung

0 Zusammenfassung

Diese Studie versucht ein differenziertes Bild von Konfliktverhalten im Kontext von Arbeit und Kultur bei russischen und deutschen Bankangestellten zu entwerfen, ohne von vornherein den Nutzen und die Güte bestehender interkultureller Trainings in Frage zu stellen. Ziel ist dabei, den Einfluss von Kultur auf handlungsleitende Dispositionen für Konfliktverhalten explorativ zu beschreiben, um die wachsenden Anforderungen an das Handeln der Bankmitarbeiter von diesen Variablen zu bereinigen. Es soll dadurch ermöglicht werden, differenziertere Aufgaben für die Personalentwicklung zu definieren und entsprechende Trainings genauer gestalten zu können.

Ausgehend von der genauen Betrachtung von Handlungen unter dem Fokus von Kultur und Konflikt wird ein Untersuchungsmodell entworfen. Dieses beschreibt die theoretischen Einflussvariablen auf diese Handlungen und lässt die Ableitung der Forschungsfragen zu. Die Erste hinterfragt gerichtete Unterschiede in Dispositionen zu Konfliktverhalten bei den untersuchten Bankangestellten in Abhängigkeit zur Nation. Die Frage ob diese Persönlichkeitseigenschaften mit kulturellen Werten im Zusammenhang stehen, geht Fragestellung Zwei nach.

Die handlungsleitenden Dispositionen werden mit dem Konfliktfragebogen situativ 2 (Klemm, 2001) operationalisiert. Das dem Fragebogen zu Grunde liegende theoretische Modell gliedert sich gut in das Untersuchungsmodell ein und untersucht 17 Defizite und Ressourcen. Die kulturellen Werte werden mit Hilfe des Schwartz Werte-Inventar (Bamberg, 2000) gemessen und beziehen sich somit auf die Theorie der grundlegenden menschlichen Werte von Schwartz in vier Kategorien. Zur Kontrolle weiterer Variablen und zur Sicherstellung der Validität in der russischen Übersetzung werden noch einzelne Skalen des Freiburger Persönlichkeitsinventar (Fahrenberg, Hampel & Selg, 2001) sowie des Fragebogens arbeitsbezogener Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) von Schaarschmidt und Fischer (1999) mit in die Untersuchung aufgenommen.

Die russische Übersetzung sowie sämtliche Gütekriterien sind überprüft und werden diskutiert. Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine differenzierte Betrachtung der Konfliktsituation in Abhängigkeit von Werten, Dispositionen und Zielen der Akteure notwendig ist. Es lassen sich für sechs von 17 Persönlichkeitsmerkmalen interkulturelle Differenzen nachweisen und zehn dieser Dispositionen stehen in dieser Untersuchung an deutschen und russischen Bankmitarbeitern im Zusammenhang zu Werten von Schwartz.

Für die Forschung und Praxis empfiehlt sich eine dispositionsbezogene Betrachtung. Eine weitere Vereinfachung des Modells geht mit nicht hinnehmbaren Ungenauigkeiten einher. Ein Einfluss von Werten auf die beschriebenen Merkmale kann im Rahmen dieser Studie für einzelne Persönlichkeitsmerkmale nicht falsifiziert werden. Es wird sehr deutlich, dass viele Modellkomponenten in Abhängigkeit verschiedener Dispositionen unterschiedliche Wirkungen zeigen.

Die Ergebnisse zeigen, dass sehr differenzierte Trainings auf Grund der Unterschiede in Werten und Konfliktdispositionen sinnvoll sind.

1 Einleitung

Wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen miteinander agieren, möchte man gern Synergieeffekte (vgl. Thomas, 2003a) fördern und Komplikationen auf Grund der verschiedenen Kulturen meiden. Synergien werden als das Zusammenfügen kulturell unterschiedlich ausgeprägter Elemente wie Orientierungsmuster, Werte, Normen, Verhaltensweisen etc., zu einem qualitativ höherwertigem Gefüge verstanden.

Nicht erst seit dem ersten Mai 2004, als sich europäische Union nach Osten ausgedehnt hat, ist Russland ein sehr attraktives Feld für Kooperationen auch im Bankensektor. Oft ist für den Erfolg oder Misserfolg von Kooperationen gerade das Verhalten der Mitarbeiter in Konfliktsituationen von entscheidender Bedeutung. Es existieren bereits seit langer Zeit eine Reihe von interkulturellen Trainings, die sich auch mit diesem Themenfeld beschäftigen (vgl. Deller, 2004; Konradt, Hertel & Behr, 2002; Seidel, 1981).

Auffällig bei diesen Trainings ist, dass sie in erster Linie an der „sichtbaren“ Folge von Konflikten ansetzen und nicht an ihrer Ursache. Dieser Sachverhalt ist wohl vor allem dem Wissenstand auf dem Gebiet der Grundlagenforschung in Bezug auf Konflikte geschuldet. Es ist heute gut dokumentiert, wie sich Personen in unterschiedlichen Kulturen in Konfliktsituationen verhalten, aber eben nicht warum.

Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, möchte ich mit meiner Diplomarbeit, eine Fragebogenstudie, einen Beitrag zur Erforschung von Konfliktverhalten ausgehend von Persönlichkeitsmerkmalen leisten. Um das Bild zu vervollständigen, werden ebenso korrespondierende Faktoren und Theorien ausführlich betrachtet.

Die Frage ob entsprechendes Konfliktverhalten kulturell oder persönlichkeitsbedingt determiniert ist, kann natürlich auch diese Arbeit nicht beantworten. Dies liegt nicht zuletzt an der engen Verzahnung von Persönlichkeitsmerkmalen, Kulturen und Werten, die ihrerseits noch einmal in ihrer Phänomenologie durch Situationsmerkmale überformt sind.

Diese Arbeit gliedert sich grob in fünf Teile. Der Theorieteil (Kapitel 2 bis 4), stellt Theorien und relevante Untersuchungen aus der kulturellen und handlungstheoretischen Sichtweise sowie der Konfliktperspektive dar. Anschließend werden das Untersuchungsmodell, die Fragestellungen und die Hypothesen vorgestellt und abgeleitet (Kapitel 5). Nach dem Kapitel 6 ausführlich die Methodik vorgestellt hat, beschäftigt sich Kapitel 7 mit der Ergebnisauswertung. Anschließend werden die Ergebnisse diskutiert.

2 Kultur und Werte

2.1 Der Begriff Kultur

„Kultur (vom lat. colere, pflegen oder besorgen) bezeichnet teils die Tätigkeit, welche auf einen Gegenstand gewendet wird, um ihn zu veredeln oder zu gewissen Zwecken geschickt zu machen, teils den Erfolg dieser Tätigkeit. Man spricht daher ebensowohl von der K. eines Ackers, worunter man die Urbarmachung und den Anbau desselben versteht, als von der K. (Ausbildung) des Geistes, der K. (Pflege) der Wissenschaften, Künste u. f. m“ (Brockhaus, 1885; zehnter Band; S. 661). Diese sehr allgemein gehaltene Definition von Kultur soll deutlich machen, dass Kultur kein statisches Gebilde, sondern eine große Menge von Sachverhalten, die sich im ständigen Wandel befindet, ist. Somit ist Kultur im Kontext dieser Arbeit als eine „Allgemeine, umfassende Bezeichnung für die intellektuellen Aspekte der Zivilisation innerhalb einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die als ethische, geographische oder sprachliche Einheit verstanden wird“ (Fröhlich, 1997, S.256), zu sehen.

„K. bezeichnet sich im weiteren Sinn auf die Gesamtheit der Mythen, Künste, Wissenschaften, sozialen Normen und Gewohnheiten einschließlich ihrer Entstehung und Auswirkungen. Kulturgefüge (cultural pattern) bezieht sich auf ein Muster kultureller Entscheidungen, hinsichtlich dessen sich verschiedene Gruppen vergleichen lassen. Kultursysteme (cultural system) dagegen bezeichnet die Art der Beziehungen, die in einer umschriebenen Gruppe oder Gesellschaft zwischen den einzelnen kulturellen Normen vorherrscht. Die kulturvergleichende Psychologie (cross-cultural-psychology) berücksichtigt vor allem konkrete Verhaltensweisen, die den Bezug zu kulturgeprägten Einheiten und/oder Normen erkennen lassen“ (Fröhlich, 1997, S.256).

Erez & Gati (2004) machen in ihrem Artikel deutlich, dass Kultur nicht immer nur auf dem nationalen Level betrachtet werden muss. Daher gehen sie auf die strukturellen Dimensionen der Kultur ein und setzen diese Dimensionen in Beziehung zum Multi-Level Model of Culture. Sie unterscheiden die Global Culture, die National Culture, die Organisational Culture, die Group Culture und die Individual Culture (Cultural self representation), welche alle mit top down und bottom up Prozessen aufeinander wirken. In dieser Arbeit werden vor allem die National Culture und die Organisational Culture betrachtet.

Hofstede (1980, 1991, 2001) sieht Kultur als mentale Programmierung, welche gruppenspezifisch erlernt wurde und als Fühl-, Denk- und Handlungsmuster zum Vorschein tritt. Eine Person muss nicht immer entsprechend dieser Muster handeln. Der Mensch erlernt diese Muster in seinem sozialen Umfeld und integriert diese in seinen Lebenserfahrungen. Kultur ist in diesem Verständnis also nicht ererbt. Bourne (1991) zeigt in diesem Zusammenhang deutlich, das Lebenskonzepte kulturabhängig mit der Sozialisation ausgebildet werden und somit stark kulturell varieren können. Seine Auffassung von Lebenskonzepten gleicht der mentalen Programmierung von Hofstede. Abbildung eins verdeutlicht, dass Kultur von Persönlichkeit und der menschlichen Natur unterschieden werden muss. Die menschliche Natur ist universell und nach Hofstede bei allen Menschen gleich. Sie stellt somit die Basis der mentalen Software dar und steuert die Grundzüge unserer psychischen Vorgänge (Furcht, Angst, Liebe, Freude, Traurigkeit,...). Die Persönlichkeit wiederum ist einzigartig bei jeder Person und gründet sich auf Charakterzüge, die erlernt sein können oder durch durch Vererbung beeinflusst werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Drei Ebenen der Einzigartigkeit in der mentalen Programmierung des Menschen (vgl. Hofstede, G., 1991, S. 19 und 2001, S. 3)

Hofstede (2001) suchte in seiner IBM Studie zwischen 1967 und 1973 in mehr als 50 Ländern unabhängige Dimensionen, um Kulturen ordnen und vergleichen zu können. Solche Dimensionen sieht er als Voraussetzung an, um kulturvergleichende Untersuchungen durchführen zu können. Er entwickelte zu seinen Dimensionen (vgl. Tabelle 1) Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Individualismus, Maskulinität und Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung den Fragebogen VSM 94. Kolman, Noorderhaven, Hofstede & Diens (2003) konnten in ihrer Untersuchung europäische Tendenzen für die Hofstededimensionen bei Studenten finden. So zeigten alle untersuchten osteuropäischen Länder (Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Slowakei) deutliche Unterschiede für die Dimensionen zu Westeuropa (Niederlande). Die Autoren stellen einen schnellen Wertewandel im Vergleich zur restlichen Welt fest, halten dennoch den Einfluss der sozialistischen Systeme auf die Werte bis heute fest. Kühnen et al. (2001) zeichneten die kulturellen Differenzen zwischen individualistischen (USA und Deutschland) und kollektivistischen (Russland und Malaysia) Staaten in ihrer Untersuchung eindrucksvoll nach. Russland konnte eindeutig als signifikant kollektivistischer als Deutschland beschrieben werden, ohne das es geschlechtsspezifische Effekte gab. Der Einfluss von politischen Systemen und ideologischen Theorien, die von Hofstede (2001) ausführlich besprochen werden, kann somit belegt werden.

Tabelle 1: Dimensionen von Kulturen (vgl. Hofstede, 2001, S. 29)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: * Werte der Dimensionen für D = Deutschland und Ru = Russland (nach Hofstede (2001) ** Wert aus der Slowakei da keine Angaben für Russland

Hofstede (2001) hält fest, dass natürlich nicht nur Unterschiede in den Dimensionen zwischen den Kulturen, sondern auch innerhalb der Kulturen zu finden sind. So hat er bedeutend für den Kontext dieser Arbeit, Unterschiede bei verschiedenen Tätigkeiten und Positionen in einer Firma finden können, die sogar nationale Effekte ausgeglichen haben.

In der Studie von Spector et al. (2001) mit Daten aus dem Jahr 1996 aus 23 Nationen wurde Hofstedes Fragebogen VSM 94 (Hofstede, 2003) auf seine Gütekriterien untersucht. Der Fragebogen ließ in allen Nationen und Dimensionen nur unzureichende interne Konsistenzen erkennen. Dennoch wurden in der Untersuchung von Wasti (2003) Zusammenhänge zwischen der Dimension Individualismus und organisationalen Commitment gefunden. Er beschreibt, dass Personen mit einer hohen Ausprägung in dieser Dimension - determiniert durch affektives und normativen Commitment - ihre Befriedigung in der Arbeit finden. Bei Individuen mit kollektiven Werten scheint das Commitment über den Erfolg in der Arbeit vermittelt zu sein. Huang und Van de Vliert (2004) haben bezüglich dieser Dimension festgestellt, dass das Joblevel positiv mit der Zufriedenheit auf Arbeit in individualistischen Ländern verbunden ist, aber nicht in kollektivistischen Ländern, wenn Fähigkeiten auf Arbeit genutzt werden können.

Kashima et al. (2004) fanden einen viel bedeutenderen Zusammenhang zwischen der Dimension Individualismus und der Urbanität des Lebensraums. Sie konnten deutliche Unterschiede in dieser Kulturdimension zwischen den Gruppen identifizieren. So kann zusammengefasst werden, dass die Dimensionen von Kultur nach Hofstede, mindestens vermittelt über Drittvariablen, in der Interaktion von arbeitenden Personen wirken. Gerade Individualismus in Beziehung mit Commitment scheint in Abhängigkeit des Lebensraums deutliche Effekte zu generieren (vgl. Thomas, 2004).

Diese Definition von Kultur lässt sich gut mit der Ansicht von Thomas (1993) vereinen der Kultur als Orientierungsfunktion für eine Gesellschaft, Organisation oder Gruppe versteht. Kultur „beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für sich die der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuum spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung“ (Thomas, 1996, S.112). Die kausalen Beziehungen zwischen Kultur, Umwelt und sozialen Strukturen werden ebenso deutlich im Text von Berry et al. (1997) beschrieben und stellen somit den möglichen Bezug zum Konfliktverhalten dar.

Abbildung 2 zeigt eine Zusammenstellung der Merkmale von Kulturen nach Maletzke (1996). Diese „Strukturmerkmale“ machen es dem Betrachter möglich, Kulturen zu unterscheiden. Ausgangspunkt dieser These ist, dass jede Kultur auf ihre eigene Weise ausgeformt ist, also eine spezifische Form des Gefüges der einzelnen Ausprägungen der Merkmale aufweist. Diese Strukturmerkmale werden als untereinander verbunden verstanden und erhalten erst in der Struktur des Ganzen ihre Bedeutung und Funktion. Die Form der Merkmale ist dem einzelnen Menschen beim Agieren innerhalb seiner Kultur nicht bewusst. Erst wenn die Person mit anderen Kulturen in Berührung kommt, werden entsprechende Unterschiede wahrgenommen.

Für die vorliegende Arbeit sind die Strukturmerkmale Basispersönlichkeit, Wertorientierungen und Verhaltensmuster relevant. Basispersönlichkeit, beruht auf der Annahme, dass Menschen aus einer Kultur gleiche Persönlichkeitseigenschaften besitzen, welche sich von anderen Kulturen unterscheiden. Wenn die Annahme gilt, dass Persönlichkeitseigenschaften durch kulturelle Einflüsse geformt werden, dann kann man erwarten, dass Konfliktverhalten nach Klemm unterschiedliche Ausprägungen zwischen deutschen und russischen Bankangestellten hat. Dies trifft zu wenn der „nationale“ kulturelle Einfluss stärker ist als der der Organisationskultur.

Die kulturspezifischen Werte beeinflussen unsere Handlungen entscheidend. Diese Werte sind im Alltag aber nur in ihrer Auswirkung - beispielsweise durch Verhaltensmuster vermittelt - beobachtbar und nicht direkt. Normen und Rollen, also Verhaltensmuster, leiten ebenfalls das Verhalten der Menschen in einer Kultur. Während die Werte das Verhalten eher auf einer unsichtbaren Ebene regeln, wirken Normen, Sitten und Rollen direkt auf das tägliche Miteinander. Normen können nach der Stärke der Sanktionen bei ihrer Verletzung unterschieden werden (vgl. Maletzke, 1996, Yoosefi & Thomas, 2003).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Merkmale von Kulturen nach Maletzke (1996)

Auch Trommsdorff vertritt eine ähnliche Auffassung von Kultur. „Kultur beinhaltet die von einer sozialen Gruppe verwendeten Deutungs- und Handlungsmuster, Wissen, Sprache und Techniken zur Bewältigung von Anpassungsproblemen im Umgang seiner Umwelt. Kulturmerkmale stehen dabei in einem integrierten Zusammenhang miteinander in der Weise, daß sich Merkmale gegenseitig verstärken und ergänzen“ (Trommsdorff, 1989, S.12).

Kultur allgemein und Unternehmenskultur wird von Schein (1995) als ein Muster gemeinsamer Grundprämissen beschrieben, die dem Konzept der Strukturmerkmale ähneln. „Organisational culture is defined as shared perceptioons of organisational work practices within organisational units“ (van den Berg & Wilderom, 2004, S. 570). Diese Prämissen basieren auf Lernvorgängen von externer Anpassung und Integration in Gruppen und werden bei zukünftigen Handlungen als bewährtes Verhalten angesehen und eingesetzt. Diese Verhaltensweisen werden innerhalb der Gruppe weitergegeben. „Die Unternehmenskultur stellt also einerseits einen allgemein akzeptierten Rahmen für die Interpretation vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Ereignisse dar und liefert andererseits Richtlinien und Orientierungsmuster, die für die Mitglieder handlungsleitend sind, wodurch Komplexität reduziert und die daraus resultierende Unsicherheit abgeschwächt wird“ (Thomas, 2004, S.76). Weiter beschreibt Thomas (2004) in seinem Artikel die integrierende, identitätsstiftende, stabilisierende, bindende und kontrollierende Funktion von Unternehmenskultur. Thomas (2004) sieht Ethik als Teil, als Voraussetzung und als Folge von Unternehmenskultur.

Führungskräfte entwickeln in Abhängigkeit ihrer persönlichen ethischen Standards eine ethisch vertretbare Unternehmenskultur, die sich im Handeln der Gruppenmitglieder weiterentwickelt und manifestiert. Diese Annahme schließt ein, dass Unternehmenskultur nicht nur abhängig von den Führungskräften veränderbar ist. In einem 2002 erschienenen Artikel von Mjøs, K. werden genau diese Veränderungen in der Unternehmenskultur nach Hofstede anhand einer norwegischen Fluggesellschaft beschrieben. Schein (1995) betont, dass in seiner Kulturdefinition nicht von offenen Verhaltensmuster gesprochen wird. Stattdessen meint er, dass die wesentlichen Annahmen, die Art der Wahrnehmung sowie der gedanklichen und emotionalen Verarbeitung regeln. So spiegelt sich Kultur nur vermittelt in Handlungen wieder. Dieser Sachverhalt stellt eine Präzisierung der Annahmen von Maletzke dar und lässt sich mit dem Modell von Klemm (vgl. Kapitel 4.2) gut vereinen.

Abbildung drei zeigt Scheins Auffassung von den Ebenen der Kultur. An dieser Grafik wird die Dialektik zwischen beobachtbaren leicht zugänglichen Phänomenen (Artefakte), die meist nur mit Erkenntnissen auf der Grundlage der Grundprämissen zu verstehen sind, den bekundenden Werten und den Grundprämissen selbst beschrieben. Der Kernbestand einer Gruppenkultur ist in den Grundprämissen zu finden (Thomas, 2003c), aber er manifestiert sich nur in den Artefakten und bekundenden Werten. „Entscheidend für die Untersuchung von Kulturen ist die Erkenntnis, daß sich Artefakte zwar leicht beobachten, aber nur schwer entschlüsseln lassen, und die Werte unter Umständen nur auf rationale Erklärungen und idealistische Bestrebungen hinweisen. Für das Verständnis der Kultur einer Gruppe ist es unabdingbar, ihre gemeinsamen Grundannahmen und den Lernprozeß, in dem sie entstehen, zu erkennen“ (Schein, 1995, S. 34). Schein beschreibt weiterhin den besonders wichtigen Einfluss der Führung auf die Kultur und natürlich auch den Einfluss der Kultur auf die Führung. An dieser Stelle wird die Multiplikatorfunktion der Führungskräfte und der Bezug zum vorangehenden Absatz besonders deutlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Ebenen der Kultur (modifiziert nach Schein, 1995, S.30)

Trommsdorff (1989) unterscheidet vier Modellannahmen der Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung. Das mechanistische Modell besagt, dass der Aufbau und die Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen nur auf die Umwelteinflüsse zurückzuführen sind. Das organismische Modell, beschreitet den genau entgegengesetzten Weg. In diesem wird das Individuum als Quelle der Veränderung gesehen. Im systhemischen bzw. interaktiven Modell wird Entwicklung als wechselseitige Anpassung und Durchdringung von Person und Umwelt gesehen. Das menschliche und soziale Entwicklung voneinander wechselseitig abhängen, postuliert das interaktive/ reflektive Modell. Hier entscheidet das Individuum über Ziele und deren Realisierung. Als Persönlichkeitsentwicklung gelten alle Prozesse der aktiven Gestaltung der eigenen Entwicklung auf Grund von Reifung, Erfahrung, biologisch vorgegebenen Merkmalen (z.B. Temperament) und der reflektiven Handlungskompetenz des Individuums. Dies unterstreicht den Einfluss von erlebten Alltagssituationen (vgl. Klemm, 2004), Kultur und Biologie auf das menschliche Handeln auch in konflikthaltigen Situationen, wobei das Handeln nicht unabhängig von Dispositionen geschieht (vgl. Berry et al, 1997 und Kapitel 2.4).

Organisationskulturen sind sehr spezifisch. Hofstede (1989) unterscheidet organisatorische Kultur in Werte und Praktiken. Als Praktiken beschreibt er dabei die Kombination von Symbolen, Helden und Ritualen, die die Arbeitsumgebung charakterisieren. Sie sind also kollektive, organisationsspezifische Gewohnheiten, wie sie von den handelnden Individuen wahrgenommen werden. Jede Organisation oder sogar Organisationsteile zeigen teilweise verschiedene Helden, Symbole und Rituale. Hofstede konnte in seinen Untersuchungen 6 Dimensionen von Organisationskulturen faktorenanalytisch festmachen.

1 Prozeßorientiert vs. ergebnisorientiert.
2 Arbeitnehmerorientiert vs. arbeitsorietiert.
3 Organisatonsbezogen vs. berufsbezogen.
4 Offenes System versus geschlossenes System.
5 Starke Kontrolle versus schwache Kontrolle.
6 Pragmatisch versus normativ gegenüber den Klienten.

Alle diese Dimensionen beschreiben bestimmte Handlungsweisen der Organisations- mitglieder auf der Basis der entsprechenden Kultur. Hofstede (1989) stellt fest, dass eine Aufgabe der kulturvergleichenden Forschung am Arbeitsplatz die Bestimmung des Ausmaßes der Einflüsse unterschiedlicher Gesellschaften auf die Sozialisation am Arbeitsplatz ist. Nach Hofstede (1998) werden sogar Subkulturen in Organisationen bedeutend handlungswirksam. Subkulturen gliedert er nach professional, administrative und customer interface subcultures. Er betont daher auch die Wichtigkeit kultureller, organisationskultureller und subkultureller Einflüsse für die Führung eines Unternehmens (vgl. Thoams, 2003c).

Van den Berg & Wilderom (2004) haben in ihrem Artikel die Modelle von verschiedensten Forschergruppen zu Organisationskulturen in fünf Dimensionen (automomy, external orientation, interdepartmental coordination, human resource orientation, improvement orientation) zusammengefasst. Das Ergebnis stellt somit einen Querschnitt der derzeitigen Forschung dar und lässt explizit eine Entwicklung der Kultur innerhalb der Organisationen zu.

Wenn man jedoch dem Ansatz von Trompenaars (1993) folgt, können Firmenkulturen in familiäre, Eifelturm-, Lenkraketen- und Brüderkulturen gegliedert werden. Diese Firmenkulturformen unterscheiden sich in der Art von Beziehungen zwischen den Beschäftigten, in der Einstellung zur Autorität, in den Methoden des Denkens und Lernens, in den Einstellungen zu Menschen und Methoden der Veränderungen, in Methoden zur Motivation und Entlohnung und in Kritik und Konfliktlösung. Nach dieser Taxonomie finden sich die beiden untersuchten Banken in der Eifelturmfirmenkultur wieder und sind somit konstant gehalten. Es werden folglich spezifische Rollen vergeben, die Interaktion folgt einem mechanistischen System, Status und Macht liegen bei den übergeordneten Rollen und sind begehrenswert und Konfliktschlichtungsmethoden sind für eine effiziente Kritikbearbeitung nötig.

2.2 Aktion in der Kultur

Das schwer zu durchdringende Geflecht von Kultur und Verhalten wird besonders gut im Handbook of cross-cultural psychology beschrieben.

„The venerable „culture and personality“ school was dominated for many years (1920-1945) by antropologists, and especially by those who primarily employed psychoanalytic theories and techniques in attempts to understand behavior in specific cultures [...] . The basic idea was (and still is) that one's personality and one's culture are inextricably intertwined-not that one exactly defines the other, but the powerful way to appreciate the characteristic mode of the behavior of the other people is to understand the role of their culture plays in influencing their behavior, a link with which it would be impossible to diagree“ (Berry, Poortinga & Panday, 1997, S. 45f).

Der Sachverhalt, dass Kultur durch Verhalten und Verhalten durch Kultur beeinflusst wird, macht es unabdingbar, sich in kleinen Schritten auf einzelne Sachverhalte bezogen der Entwirrung zu widmen.

Trommsdorff (1989) beschreibt, dass der Einzelne mehr von den kulturellen Begebenheiten geprägt wird, als er die Kultur prägt. „Je nach den biologischen und kulturellen Gegebenheiten werden bestimmte Handlungsmuster in der Persönlichkeitsentwicklung aufgebaut. Als Enkulturation werden dabei die subtilen Prozesse der Übernahme kultureller Merkmale in induviduelles Handeln bezeichnet“ (Trommsdorff, 1989, S. 9). Die Modellannahmen zur Wirkrichtung wurden bereits im Kapitel 2.1 beschrieben. Die Vorstellungen Wartofskyś (vgl. Cole, 1996) beschreiben den kulturellen Einfluss auf das menschliche Handeln vermittelt über drei Typen von Werkzeugen. Der erste Typ von „kulturellem“ Werkzeug geht direkt in der Handlung auf. Die entsprechenden kulturellen Erzeugnisse werden gebraucht oder hergestellt. Der zweite Typ geht als Repräsentation der ersten Stufe in die Handlungen ein. Der dritte Typ wird als relativ autonomer Handlungsmodus verstanden.

Verhalten in der Kultur ist nach Berry et al. (1997) von einer Reihe verschiedener Variablen abhängig, die an dieser Stelle nur aufgezählt werden sollen. Die Autoren gliedern Gruppen individueller, interpersonaler und institutioneller Variablen. Schon aus dieser Unterteilung wird deutlich, dass diese Faktoren auch immer zugleich ein Bestandteil der Kultur sind. Zu den individuellen Variablen gehören biologische Bedürfnisse, Wahrnehmungs- und Denkvorgänge, die Sprache sowie das Verständnis von Geschlechterrollen. Die interpersonale Variablengruppe wird durch das Verhalten in Gegenseitigkeit und Gruppenpolarisation, durch Status und Solidarität sowie durch Ethnozentrismus beschrieben. Die institutionellen Variablen werden durch die größten sozialen Institutionen dargestellt. Es können technisch-ökonomische Institutionen (Unternehmen), soziale Organisationen oder auch religiöse Institutionen sein. In den Kapiteln 2.1 und 3 werden Vorgänge beschrieben, wie Konfliktverhalten entsprechend den Handlungsmodi von Wartofsky und den Variablen von Berry im kulturellen Rahmen wirken.

2.3 Verhaltensmuster: Sitten, Normen, Rollen

Jede Kultur hat eigene Vorstellungen davon, wie ein Mensch sich „richtig“ oder „falsch“ verhält. Casadesus-Masanell (2004) beschreibt in seinem Artikel den Einfluss von Normen auf Vertrauen unter betriebswirtschaftlicher Sichtweise. Hier wird deutlich, dass Normen als eine Art Druckmittel das Verhalten einzelner Mitarbeiter leiten. Dabei gibt es kulturspezifische Verhaltensmuster (Maletzke, 1996). Maletzke beschreibt, dass sich Sitten, Tabus, Rieten und Normen im Gegensatz zu Werten auf der konkreten Verhaltensebene manifestieren, sich also im konkreten Alltagsverhalten zeigen. Damit sind Sitten, Normen, Tabus und Riten oft an ganz spezielle Situationen geknüpft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Manifestation der Kultur auf verschiedenen Tiefenebenen (vgl. Hofstede, 2001, S.11)

Abbildung vier stellt eine erweiterte Form der Manifestation von Kultur nach Hofstede (1991) in verschiedenen Tiefenebenen dar. Es soll angedeutet werden, dass Symbole die oberflächlichsten und Werte die tiefgehendsten Manifestationen von Kultur sind und Normen, Sitten, Tabus, Rituale sowie Helden dazwischen liegen. Diese Kulturstandards sind Beurteilungsmaßstäbe, die nicht mehr bewusst erfahren (culture as secret) und nicht mehr hinterfragt werden. Sie stellen aber Leitlinien des Handelns dar und werden als Selbstverständlichkeiten erfahren (Thomas, 2003b). Lamnek (1997) beschreibt Normen ebenso durch internalisierte Regeln, Verhaltenserwartungen und Zuschreibungen von Abweichungen, als handlungstheoretisch relevant. Damit ist die Brücke zwischen Normen und Handlung in Konfliktsituationen geschlagen (vgl. Kapitel 3).

„Individuum und Gruppe sind wechselseitig aufeinander bezogen. Dabei gibt es auf der einen Seite Gesellschaften und Kulturen, in denen der Akzent beim Individuum liegt, also bei Selbstbestimmung der Person; und auf der anderen Seite stehen Gesellschaften und Kulturen gegenüber, in denen die Unterordnung unter das Kollektiv als angemessenes soziales Verhalten gilt. Zwischen diesen beiden Extremen erstreckt sich eine gleitende Skala von Misch- und Zwischenformen“ (Maletzke, 1996, S. 104). Maletzke sieht die Kulturen, die auf Individualität hin orientiert sind, eng mit Kapitalismus und Werten wie Stärke und Bestimmtheit verbunden, also dem „westlichen Kulturkreis“. Russland ordnet er jedoch noch dem gruppenorientierten Kulturkreis hinzu. Hier herrscht kollektives Denken vor. „Gruppenorientiertheit ist in den meisten Fällen verbunden mit einem hohen Maß an Harmoniebedürfnis oder - anders formuliert - mit dem Wunsch, soziale Mißstände, Verstimmungen, Streit und Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das heißt: Gruppenorientiertheit bedeutet in der Regel ein konservatives Denken mit dem Wunsch, das Altherkömmliche zu bewahren und sich nicht auf gefährliche Neuerungen einzulassen. Das Bedürfnis, dem Anderen nicht wehzutun, geht in einigen Kulturen so weit, daß es dort unmöglich ist, direkt „nein“ zu sagen“ (Maletzke, 1996, S. 105f).

Berkel (1984) beschreibt in seinem Buch Organisationen als soziale Situationen. In diesen Situationen bringen Menschen ihre Bedürfnisse, Deutungen und Interessen ein. Das Verhalten der Mitglieder verläuft sehr gleichförmig, was auf Normen und Regeln schließen lässt. Zur Erreichung erwünschter Zwecke dienen den Mitgliedern psychisch-materielle Dinge, die ebenfalls in der sozialen Situation anzutreffen sind. Organisationen heben sich somit nicht von anderen sozialen Situationen ab; sie sind nur durch ihre Struktur spezifiziert. In einem Artikel von Stone-Romero, Stone & Salas (2003) wird eben dieser Einfluss von Kultur auf die persönlichen Rollenverständnisse und auf das Rollenverhalten in Anlehnung an das Role-Taking-Modell von Katz und Kahn beschrieben (vgl. Abbildung 5). In diesem Modell wird die Organisation als System von Handlungsrollen angesehen. Die Variablen des Modells werden als abhängig vom organisationalen Kontext (Technologie, Größe, Struktur, Regeln,...) charakterisiert. Wenn eine Person in einen neue Organisation kommt, spielen für die Übernahme der Rollen kulturelle Kontexte der Rollensender und der kulturelle Kontext des Rollenempfängers eine Rolle. Bei diesem „Übergabevorgang“ kommt es zu einer Reihe von Fehlern, so dass die übernommene Rolle nie vollständig der „Zielrolle“ entspricht und abweichendes Verhalten beobachtet werden kann. Als Beispiele für den kulturellen Einfluss werden von den Autoren die Familienorientierung, Kollektivismus, Machtdistanz und Zeitorientierung beschrieben. Der Bezug einiger dieser Dimensionen zu Konfliktverhalten wurde im Kapitel 2.1 bereits hergestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Modell der kulturellen Effekte auf rollenbezogenes Verhalten (vgl. Stone-Romero, Stone & Salas, 2003)

Die sowjetische Gesellschaft wird in Interpretationen als Gesellschaft der Doppeldeutigkeit und Doppelmoral wahrgenommen. Eine noch stärkere Differenzierung treffen Radajew und Schkaratan, der zuzustimmen ist. „Uns scheint [...], daß das kulturell-normative System [...] nicht in zwei- sondern in dreifachen Verhaltensstandards in Erscheinung tritt: die offiziellen Standards (Verhalten für die Öffentlichkeit); die formellen nichtoffiziellen Standards (die vor fremden Augen versteckt sind, ungeschrieben, dabei aber streng reglementiert sind); die nichtformellen Standards (Verhaltensnormen, die nur im engsten Kreisen gezeigt werden). [...] Für den homo sovieticus spielte bei individuellen Entscheidungen die Existenz von Institutionen und deren „Verhalten“ eine wichtige Rolle. [...] Da sich jeder so verhielt, stellten die dort vorherrschenden Normen eine besondere Art von Kollektivität her. Jedes Individuum war in diese Standards einbezogen und mußte sich folglich diesen Normen, ungeschriebenen Gesetzen, Verhaltens- und Spielregeln anpassen, wurde in diesem Sinne sozialisiert und erzogen“ (Dittrich, Hölscher, 2001, S. 37). Ein gesellschaftlicher Wandel in der ehemaligen UdSSR ist offensichtlich. So ergeben sich nach Dittrich & Hölscher (2001) für den ehemaligen Sowjetbürger durch den Einfluss von Markt und Eigentum und die neue Rolle des Staates eine Vielzahl von Wiederspruchslagen. Es existieren keine eindeutigen Verhaltenstandards mehr und neue sind noch nicht da. Die Gestaltungsräume und -möglichkeiten haben sich erweitert, die Fremdbestimmung von oben ist aufgehoben und der gesellschaftliche Alltag ist individuell zu leben.

Brodbeck at al. (2000) untersuchten bei 6052 Managern aus 22 europäischen Ländern der mittleren Führungsebene das Führungsverhalten. Es konnten in dieser Untersuchung zehn Cluster von prototypischen Verhaltensmustern identifiziert werden. Deutschland und Russland liegen in unterschiedlichen Clustern und unterscheiden sich in den an dieser Stelle nicht näher ausgeführten rollenähnlichen Verhaltensweisen/ -standards deutlich, auch wenn sich die sowjetischen Standards in Richtung Westen verändert haben.

2.4 Kulturelle Einflüsse auf Persönlichkeit

Das von Cole (1996) erläuterte Modell zur Beschreibung von Beziehungen zwischen Subjekten und ihrer Umwelt (vgl. Abbildung 6) geht auf die russische kulturvergleichende Psychologie zurück. Sie bezeichnet das Subjekt, das Objekt und das Werkzeug (artifact) an sich als „natürlich“ und unvermittelt. Artifacte sind fundamentale Bestandteile der Kultur und gleichzeitig „Ideale“ sowie „Reale“, sie existieren aber nicht als isoliertes Element der Kultur. Die Beziehungen zwischen dem Subjekt und seiner Umwelt (zum Beispiel die Subjekt-Objekt-Beziehung) werden als von der Kultur (artifact) vermittelt angesehen. Die beeinflussten Aktivitäten haben multidirektionale Konsequenzen. Sie beeinflussen simultan das Subjekt in der Relation zu der anderen Menschen und das Subjekt in der Verknüpfung zur Situation. Korrespondierende Ergebnisse zu diesen Annahmen wurden auch von Warr und Pearce (2004) gefunden. Sie untersuchten Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit von Organisationsklturen und antizipierten Handlungsergebnissen bei einer großen Stichprobe von britischen Erwachsenen. Ihre Ergebnisse deuten klar auf eine positive Beziehung zwischen Kulturdimensionen und Persönlichkeitseigenschaften hin. Diese Auffassung teilen auch Berry et al. (1997), die in diesem Zusammenhang auf multi- facted and culturally grounded views of self bestehen. Kulturelle Beeinflussung impliziert einen entwicklungsbedingten Wechsel, in dem die vorangegangenen Generationen Einfluss haben. Dies zeigt die große Bedeutung der sozialen Welt, da in ihr die Grundlagen der Veränderung mit verändert werden. Das heißt aber nicht, dass kulturelle Einflüsse die Phylogenetischen ablösen. Diese Aussage lässt aber offen, ob Modifikationen der Persönlichkeit auf Grund kultureller Einflüsse möglich sind. Auch Hofstede (1991) grenzt zwar Persönlichkeit von Kultur klar ab, gibt aber keine Hinweise zum Einfluss von Kultur auf die Persönlichkeit und umgekehrt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: The basic mediational triangle in which subject and object are seen not only "directly" connected but stimulataeously as "indirectly" connected through a medium constituted of artifacts (culture). (vgl. Cole, 1996, S. 119)

Heidi Keller (2003) wiederum beschreibt die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen als lebenslangen aktiven Prozess, der durch Konstruktion und Rekonstruktion, Erfindung und Modifikation mentaler und realer kultureller Artefakte gekennzeichnet ist und steht somit auch im Einklang zu Klemm (2004). Nur die Strukturierung dieses Prozesses wird durch Entwicklungsaufgaben vorgenommen. Dieser Sachverhalt macht es unmöglich, Kultur als unabhängig von Konfliktverhalten zu betrachten und zeigt deutlich den Einfluss von Kultur auf die Persönlichkeit. Diese Zusammenhänge werden auch im ökokulturellen Rahmenmodell von Berry et. al (1997) wiedergespiegelt (Abbildung 7). Dieses unterscheidet eine Ebene der Population und eine individuelle Ebene. Die Populationsebene empfängt die Einflüsse vom individuellen Verhalten. Der ökologische und der soziopolitische Kontext stellen das Setting dar, indem der Organismus mit seiner Umwelt agiert. Kultur mit all ihren Variablen spielt nach Berry et al. eine wichtige Rolle im gesamten Modell, also auf der Seite der Population und auf der individuellen Seite. Auf der Populationsseite wird Kultur als eine unabhängige Variable behandelt, die besonders zur Anpassung der Kultur an die Umweltfaktoren führt. Wenn Kultur als Mediator auftritt, spiegelt sich dies immer im individuellen Verhalten wieder. An der Grenze zwischen der Populationsebene und der individuellen Ebene spielen Einflüsse und Übertragungseffekte aus der Umwelt, den Genen, der Kultur und Akulturationsvorgänge eine Rolle. Diese stellen somit den Einfluss der Kultur auf die Persönlichkeit, vermittelt durch biologische und kulturelle Adaption der Population, dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: The ecocultural framework (Berry et al., 1997, S.66)

2.5 Werte und deren Sozialisation

„Werthaltungen sind ein Ergebnis von Sozialisationsprozessen, d.h. sie werden im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung aufgebaut, hierarchisiert und differenziert: Sie können sich je nach Kultur, Lebensalter und sozialer Stellung aufgrund von Erfahrungen verändern. Für Fragen zum Zusammenhang von Sozialisation und Werthaltungen im Kulturvergleich ist die Funktion von Werthaltungen für die Strukturierung von Selbst-Umwelt-Beziehungen und die Bewältigung kulturspezifischer Entwicklungsaufgaben relevant“ (Trommsdorff, 1989, S. 97f).

„Individuelle Werthaltungen und ihre Sozialisation sind also ein wichtiger Untersuchungsbereich, von dem aus sich Fragen nach den Bedingungen und Prozessen sozialen Wandels, d.h. auch des Wandels von kulturellen (kollektiven) Werten, stellen. Individuelle Werthaltungen lassen sich als bedeutsame Schnittpunkte für individuelles und soziales Handeln und deren Änderung verstehen. Diese Änderungen können die Lebensgeschichte des Individuums und seines soziokulturellen Kontextes und damit den Wandel von kulturellen Werten, Verhaltensmustern und Institutionen und Institutionen beeinflussen“ (Trommsdorff, 1989, S. 100).

„Die Orientierungen werden im Prozeß der Sozialisation von einer Generation zur nächsten weitergegeben, wobei durchaus Veränderungen im Rahmen eines sozialen Wandels möglich sind“ (Maletzke, 1996, S.80). Werte werden erst bewusst wenn man andere Kulturen mit anderen Werten begegnet trotz des sie unsere gesamte menschliche Existenz ordnen und gewichten und durchdringen und auf Grundbedürfnissen basieren (vgl. Kluckhohn & Strodtbeck,1961).

Isaksson et al. (2004) beschreiben in ihrem Artikel, dass sich arbeitsbezogene Werte auch 15 Monate nach Beendigung der Arbeit - in dieser Untersuchung entspricht dies einer Arbeitslosigkeit - unverändert und ohne Geschlechtsunterschiede wiederfinden lassen. Diese Untersuchung belegt damit, das Werte deutlich von Praktiken, Normen und Rollen abzugrenzen sind.

2.6 Wertorientierungen

Werte lassen sich laut Schwartz nach den sozialen Institutionen klassifizieren, durch die sie gefördert, vermittelt und erhalten werden (z.B. familiäre, religiöse oder politische Werte). So sind sie begehrenswerte transsituationale Ziele, die in ihrer Wichtigkeit in Bezug auf die Leitfunktion im Leben einer Person oder sozialen Einheit variieren können (vgl. Bamberg, 2000). Multikulturelle Studien haben kulturelle Unterschiede in den Wertdimensionen festgestellt (Liu, Borg & Spector, 2004). Das Werte dennoch in ihrer Wichtigkeit zwischen verschiedenen Nationen kaum schwanken, haben Schwartz & Bardi (2001) an 13 Nationen nachgewiesen. Die Korrelationen zwischen der Rangreihe aller Versuchspersonen und den Rangreihen einzelner Nationen lagen zwischen .97 und .70. Ostdeutschland korrelierte mit .95, Russland mit .87 und Westdeutschland mit .82 sehr hoch. Die Definition von Werten als Ziele beinhaltet implizit, dass sie (1) den Interessen einer sozialen Einheit dienen, dass sie (2) Handlungen motivieren, indem sie ihnen ihre Richtung und emotionale Intensität vorgeben, (3) als Standards für Urteile und Handlungsrechtfertigungen fungieren und dass sie (4) sowohl durch Sozialisation dominanter Gruppenwerte wie einzigartige individuelle Lernprozesse erworben werden.

Trommsdorff versteht ähnlich wie Schwartz individuelle Werthaltungen „als generalisierte und emotional verankerte, motivierende Überzeugungen. Sie dienen der Deutung und Bewertung der sozialen Umwelt und der eigenen Person und strukturieren Handlungsziele und das darauf bezogene Verhalten. Kulturelle Werte werden als in einer Kultur oder Gesellschaft vorherrschende Werthaltung von Individuen bzw. als kollektive generalisierte Überzeugungen verstanden, die sich z.B. in Ritualen, Mythen, Traditionen und Religionen spiegeln... “ (Trommsdorff, 1989, S. 99), (vgl. Trompenaars, 1993). Diese sehr komplexe Zusammenfassung des Themas „Werte“ lässt sich lückenlos in die im Kapitel 2 gemachten Ausführungen zu Kultur eingliedern (vgl. Abbildung 1).

Werthaltungen lenken die Wahrnehmung und Bewertung von Umweltanforderungen und von Ereignissen und strukturieren Entscheidungspräferenzen, die dann den weiteren Handlungsablauf in der Selbst-Umwelt-Beziehung beeinflussen. „Individuelle Werthaltungen lassen sich als bedeutsame Schnittpunkte für individuelles und soziales Handeln und deren Änderung verstehen. Diese Änderungen können die Lebensgeschichte des Individuums und seines soziokulturellen Kontextes und damit den Wandel von kulturellen Werten, Verhaltensmustern und Institutionen und Institutionen beeinflussen“ (Trommsdorff, 1989, S. 100).

Auch Maletzke sieht den Einfluss von Werten in unseren Alltag gleich dem von Trommsdorff und Schwartz, nur das er die „vermittelnde“ Institution nicht näher klassifiziert. „Allem unserem Denken, Erleben, Handeln liegen Wertorientierungen zugrunde. [...] Welchen Werten die Menschen großes Gewicht zumessen, welche Werte also große Bestimmungskraft haben und welche nur wenig Beachtung finden, ist von Kultur zur Kultur verschieden. Die Wertorientierungen stellen somit ein kulturelles Strukturmerkmal dar“ (Maletzke, 1996, S.80).

Kluckhohn und Strodtbeck (1961) meinen, dass Werte die gesamte menschliche Existenz ordnen, gewichten und durchdringen. Dabei basieren die Werte auf Grundbedürfnissen und sind somit in ihrer Anzahl begrenzt. Basiswerte (vgl. Tabelle 2) entstehen aus der Lösung von Grundproblemen, die den Alltagsanforderungen nach Klemm (vgl. Kapitel 4.2) inhaltlich sehr nahe stehen (1, Wie ist der Mensch beschaffen? Was ist die Eigenart, das Wesen der menschlichen Natur? (Human nature orientation) 2, Welche Beziehungen bestehen zwischen den Menschen und der Natur? (Man-nature orientation) 3, Was bedeutet die Zeit im Leben des Menschen? (Time orientation) 4, Welche Art oder Formen von „Aktivität“ lassen sich unterscheiden? (Activity orientation) 5, Welche Arten oder Formen gibt es in den Beziehungen zwischen den Menschen? (Relational orientation)). Bei jeder dieser fünf Problemkreise sind nach Kluckhohn und Strodtbeck die Kategorien „gut“, „neutral“, „schlecht“ zu unterscheiden (vgl. Maletzke, 1996).

Tabelle 2: Wertorientierungen nach Kluckhohn und Strodtbeck (vgl. Maletzke, 1996, S.82)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beziehungen zwischen Menschen werden als kollaterale beziehungsweise als individualistisch ausgerichtete Verhältnisse beschrieben (vgl. Tabelle 1). Eine hohe Autonomie der Person wird in der individualistischen Ausrichtung angenommen. Damit steht dieses Konzept auch dem der strukturzentrierten Konfliktperspektive (vgl. Kapitel 4.4) nahe. Einige Sozialwissenschaftler meinen gegenwärtig bei uns einen deutlichen Wertorientierungswandel, also eine neue Gewichtung und Akzentuierung beobachten zu können. Bei der jüngeren Generation registrieren sie einen Trend zu mehr Aktivität, Kreativität und Eigenbestimmung. Spontaneität, Erleben, Freiheit und persönliche Kommunikation gewinnen an Bedeutung, während normierte und habituelle Verhaltensweisen zurückgehen (vgl. Wiswede, 2000). „Individuelle Werthaltungen und kollektive Werte sind generalisierte Überzeugungen, die auch als Funktionselemente von Sozialisationsprozessen selbst wirksam werden können“ (Trommsdorff, 1989, S.98). Daher wirken sie in Bezug auf Konfliktverhalten gleich der Unternehmenskultur. Das Unternehmenskultur nicht klar von Werten getrennt werden kann, steht dabei außer Frage.

So fast Miner (1992) die Funktionsweise von Werten im organisationalen Kontext in einem Modell zusammen. In Diesem werden die Kultur, das soziale System, das organisationale System, die Rollen und die Werte in Beziehung gesetzt. Es wird deutlich (vgl. Abbildung 8), dass sich die einzelnen Komponenten nicht nur gegenseitig Beeinflussen, sondern auch noch direkt und indirekt auf das Verhalten (behavior) wirken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: How Values Operate in an Organisational Context (Miner, 1992, S. 131)

In einem Forschungsprojekt aus den Jahren 1998 - 2001 lassen sich unterschiedliche Gruppen von Beziehungsorientierungen in verschiedenen Kulturen lokalisieren (vgl. Thomas, 2003a). Der polarisierende Beziehungsstil, der in der Untersuchung der deutschen Versuchsgruppe zuzuordnen ist, zeichnet sich durch eine individuelle Zuordnung von Erfolg und Misserfolg, also durch direktes Ansprechen von Konflikten und durch das Austragen von Meinungsunterschieden aus. Der durch Harmonisierung geprägte Beziehungsstil, der der indonesischen Gruppe zugeordnet wurde, zeigt eine kollektive Zuordnung von Erfolg und Misserfolg, eine Vermeidung von Konflikten und eine Kompromissbereitschaft. Da die Merkmale sehr denen einzelner Kulturen ähneln (vgl. Hofstede 2001; Bamberg 2000; Schwartz & Sagie 2000), kann davon ausgegangen werden, dass sich die russische Stichprobe in der Ausprägung auf den Dimensionen eher wie die indonesische Gruppe verhält und nicht wie die deutsche Stichprobe. Auf den organisationalen Kontext bezogen, stellen diese Ergebnisse deutlich dar, dass der Einfluss von Werten in Handlungen auch im Arbeitsalltag, also in Unternehmen, wirkt (vgl. Fuchs, 1995).

Hofstede (vgl. Trommsdorff, 1989) stellt fest, das eine Aufgabe der kulturvergleichenden Forschung am Arbeitsplatz die Bestimmung des Ausmaßes der Einflüsse unterschiedlicher Gesellschaften auf die Sozialisation am Arbeitsplatz ist. Amis, Slack & Hinings (2002) konnten den Einfluss von Werten auf Organisationen eindrucksvoll an einer Untersuchung zum organisationalen Wandel illustrieren. Sie belegten, mit ihrer Arbeit bei kanadischen Amateur-Sportorganisationen, dass Mitglieder des Verbands, die dem Wechsel konkurrente Werte hatten, im Prozess bedeutend engagierter waren. Die anderen Mitglieder konnten nur mit Druck und Zwang bewegt werden, sich dem Wechsel anzuschließen.

Unterschiedliche Werte konnte Hofstede (vgl. Trommsdorff, 1989) auf demografische Variablen wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Nationalität zurückführen. Abbildung neun verdeutlicht die Beziehung zwischen Werten und Praktiken im beruflichen Kontext. „Nachdem wir diese demographischen Merkmale kontrolliert hatten, waren die verbleibenden Unterschiede zwischen den verschiedenen organisatorischen Einheiten in Bezug auf die Werte relativ gering. Wir schlossen daraus, daß verschiedene Organisationen auf der Basis von relativ ähnlichen Wertvorstellungen der Arbeitnehmer sehr verschiedene Praktiken einsetzen können. Sozialisation am Arbeitsplatz ist nach dieser Untersuchung hauptsächlich eine Frage der Praktiken, die ein Anfänger lernen muß. Die Werte der Arbeitnehmer sind bereits in der Schule und Familie entwickelt worden; sie spielen beim Selektionsprozeß und Selbstselektionsprozeß des Berufs eine Rolle“ (Trommsdorff, 1989, S.160). Es sind die Praktiken, die in erster Linie von Kollegen vor gelebt werden, die darüber mit entscheiden, wie sich der neue Arbeitnehmer in Konfliktsituationen verhalten wird.

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Abbildung 9: Sozialisation und nationale, berufliche und organisatorische Kultur (Hofstede, 1989, S.165)

Die „Typologie universell auffindbarer grundlegender Werteinhalte (basic value contents) von Schwartz basiert auf der Überlegung von Rokeach (1973). Die von Schwartz entwickelte Wertetypologie beruht auf der Idee, daß der entscheidende inhaltliche Aspekt, anhand dessen sich Werte klassifizieren lassen, in dem motivationalen Ziel besteht, das durch einen Wert ausgedrückt wird“ (Bamberg, 2000, S. 4). Bamberg sieht nach Schwartz drei Anforderungen, die von Individuen und Gesellschaft bewältigt werden müssen. „Es müssen die Bedürfnisse von Individuen als biologische Organismen befriedigt, die soziale Interaktion muß koordiniert und ein möglichst reibungsloses Funktionieren und Überleben der Gruppe muß ermöglicht werden“ (Bamberg, 2000, S. 5). Aus den drei universellen Anforderungen, leitet Schwartz zehn Wertetypen mit unterschiedlichen motivationalen Zielsetzungen ab, die als Kontinuum verwandter Motivationen verstanden werden können. Die Wertetypen Selbst-Überwindung (Universalismus und Wohlwollen), Bewahrung (Konformität und Tradition), Sicherheit (Selbst-Erhöhung), Macht (Leistung, Hedonismus), Offenheit für Veränderungen (Hedonismus, Stimulation) und Selbst-Direktion können mit dem Schwartz Werte-Inventar erfasst werden (Bamberg, 2000; Schwartz, & Sagie, 2000).

Die Ergebnisse aus den Validierungsarbeiten zum österreichischen Wertefragebogen (Salem & Renner, 2004) belegen eindrucksvoll, dass die Menge von Werten nicht klar zu umschreiben ist. Die Autoren erzielten in ihrer Untersuchung sehr gute Gütekriterien für diesen Fragebogen und konnten sogar Berufswahl und pro- bzw. antisoziales Verhalten wiederspiegeln. Diese Untersuchungen stellen somit ebenso einen Beleg dafür dar, dass Werte eher nach den sozialen Institutionen zu klassifizieren sind als nach Kulturen (vgl. Trommsdorff, 1989; Bamberg, 2000 und Hofstede, 2001), obwohl dem Fragebogen ein lexikalischer Ansatz zugrunde liegt. Der Vollständigkeit halber seinen an dieser Stelle die Wertedimensionen des Fragebogens aufgeführt. Intelekt (Openmindedness und Kultur), Harmonie (Gemeinschaft, Familie, Liebe zum Leben), Religiosität (Vertrauen, Anmut), Materialismus (Eigentum, Erfolg, Genusssucht) und Konservatismus (Nationalismus, Abwehr, Pflicht).

Auch Berings, De Fruyt & Bouwen (2004) stellen in ihrem Artikel fest, dass es auch in Bezug auf arbeitsbezogene Werte keine Einigkeit in der Wissenschaft gibt. So vereinten sie acht verschiedene Ansätze zu einen Fragebogen mit dem sie die Abhängigkeit von Werten auf Unternehmungsgeist und arbeitsbezogene soziale Interessen untersuchten. Der eingesetzte Fragebogen, erbrachte gute bis sehr gute Gütekriterien und kann demnach als weiterer Beleg für den Einfluss von Werten auf das Verhalten in Konfliktsituationen gesehen werden.

3 Handlung - Kultur und Persönlichkeit

3.1 Handlungstheorie - Handlungsschemata

Ausgehend von den im Kapitel zwei erfolgten Betrachtungen zum Begriff Kultur wird deutlich, dass bestimmte Gruppen von Handlungen zwischen verschiedenen Kulturen unterschiedlich sein müssen. Diese Handlungsgruppen werden als kulturspezifisch erlernt beschrieben und können somit auch als Handlungsschema bezeichnet werden. Um eine genaue Betrachtung von Handlungen im interkulturellen Kontext unter dem Fokus von Konfliktverhalten durchführen zu können, wird als erstes die Menge möglicher Handlungen eingegrenzt.

Eckensberger nach Thomas (2003a) unterscheidet verschiedene Typen von Handlungen nach dem Bezugspunkt für die Handlung. So kann eine Handlung auf die gegenständliche Umwelt, auf die soziale Mitwelt und auf die subjektive Innenwelt gerichtet sein. Eine Möglichkeit zur Bestimmung von Grundtypen für Handlungen im interkulturellen Kontext hat Straub (1999) vorgeschlagen. Er unterscheidet zielorientiertes Handeln, regelgeleitetes Handeln und narratives Handeln (vgl. auch Thomas, 2003a). Layes (2000) fasst die Ansätze von Eckensberger und Straub zusammen und folgert, dass sich insgesamt neun Handlungstypen unterscheiden lassen (vgl. Tabelle 3). Diese Taxonometrie ermöglicht es nach Thomas (2003a), die Art beziehungsweise die Probleme interkultureller Konfliktregulationen zu lokalisieren.

Tabelle 3: Modell möglicher Handlungsorientierungen (Layes, 2000, S. 93)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der grau gekennzeichnete Teil der Tabelle drei beziehungsorientiertes Fremdverhältnis, stellt die Kerngruppe der für diese Arbeit relevanten Handlungen dar. Es handelt sich also um soziale Handlungen, die nach Regeln (Normen, Riten, Schemen,...) ablaufen. Hierzu zählen auch die normorientierten Handlungen, die nach Straub (1999) Sonderfälle von regelgeleitetem Handeln sind. Thomas (2003a) bringt nach einer Analyse von einer Reihe von Forschungsergebnissen bestimmte Handlungsorientierungen mit Stilen interpersonaler Konfliktbewältigung in Verbindung, die sich in der grau markierten Zelle einordnen lassen.

„Die wesentlichen psychologischen Merkmale von Arbeitstätigkeiten ergeben sich aus diesen gesellschaftlichen Verhältnissen und Beziehungen. Sie sind vielfältig und wirken auf unterschiedlichen Verallgemeinerungsebenen. Sie wirken vor allem als Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln, die ihren Niederschlag in vielfältigen wirtschafts- und sozialpolitischen Gesetzen und Bestimmungen, in gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen haben“ (Hacker, 1998, S. 114). In dieser Aussage schlägt Hacker den Bogen von der individuellen Regulation von Handlungen zu kulturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen. Das Spannungsverhältnis zwischen Subjekt und seiner Umwelt sowie auch der sozialen Umwelt beschreibt Hoff (1992) als personenbezogene Rahmenkonzeption von Umwelt und als umweltbezogene Rahmenkonzeption von Persönlichkeit (vgl. Abbildung 10).

Die Rahmenkonzeption umschließt drei Analyseeinheiten: die objektive Situation, die subjektive Situation und die der Persönlichkeit. „Als subjektive Situation gelten der Ort und der Zeitpunkt, wo externe Faktoren (die objektive Situation) mit den internen, bereits vorhandenen Persönlichkeitsstrukturen interagieren. Dieser Situationsbegriff umschließt also Person und Umwelt gleichermaßen und er bezieht sich auf die Wahrnehmung, auf die kognitive sowie emotionale Verarbeitung innerer und äußerer Faktoren, und schließlich auf das beobachtbare Verhalten oder Handeln„ (Hoff, 1992, S. 40).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Interaktionsprozesse in der subjektiven Situation (Hoff, 1992, S. 41)

Hoff räumt ein, dass die Situation vermittelt durch die Verarbeitung der äußeren Reize - also durch Kognitionen, Interpretationsleistungen oder Antizipationen - auf die Persönlichkeitsentwicklung zurückwirken kann. Er stellt jedoch fest, dass die Bestimmung der Person durch die Umwelt stärker ist, als die Bestimmung der Umwelt durch die Person.

„Es sind reziproke Interaktionen in beide Richtungen, beide Seiten, Person und Umwelt, beeinflussen einander und sind ihrerseits beeinflussbar. In der rollentheoretischen Terminologie würde man von einem gleichermaßen vorhandenen „role taking“ und „role making“ sprechen. „Role taking“ und „role making“ ist dabei Abhängig von der Restriktivität der Situation, also von der Gestalltungsfähigkeit der Person in einer spezifischen Situation. Situationen werden als stark restriktiv (powerful“, strukturiert) bezeichnet, wenn objektiv, das heißt unabhängig von der Persönlichkeitsstruktur einzelner Individuen und ungeachtet ihrer jeweiligen Erwartungen, Bedürfnisse, Wünsche oder Ziele, nur ein einziges, bestimmtes Verhaltensresultat und eine bestimmte Verhaltensweise vorgeschrieben sind. Im Falle sozialer Situationen (im engeren Sinne) kann man ein starkes Machtgefälle der Interaktionspartner voraussetzen. [...] Situationen werden als wenig restriktiv („weak“; mehrdeutig oder ambing) bezeichnet, wenn reaktives Verhalten wegen fehlender oder zu vielfältiger externer Vorgaben kaum noch denkbar ist.“ (Hoff, 1992, S.42).

[...]

Ende der Leseprobe aus 186 Seiten

Details

Titel
Konfliktverhalten im Kulturvergleich - Eine kulturvergleichende Studie zu Konfliktverhalten bei deutschen und russischen Bankangestellten in Abhängigkeit von kulturellen Werten.
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Fakultät Mathematik und NaturwissenschaftenFachrichtung Psychologie)
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
186
Katalognummer
V39963
ISBN (eBook)
9783638386012
Dateigröße
1272 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konfliktverhalten, Kulturvergleich, Eine, Studie, Konfliktverhalten, Bankangestellten, Abhängigkeit, Werten
Arbeit zitieren
Sebastian Mittmann (Autor:in), 2005, Konfliktverhalten im Kulturvergleich - Eine kulturvergleichende Studie zu Konfliktverhalten bei deutschen und russischen Bankangestellten in Abhängigkeit von kulturellen Werten., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39963

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