In meiner Arbeit möchte ich Girards Theorie der Gründungsgewalt, dargestellt in seiner aktuellen Publikation „Und ich sah den Satan vom Himmel fallen wie ein Blitz“, auf die mittelalterliche Version der Melusine des Thüring von Ringoltingen anwenden. Dass dieses Vorgehen relevant ist, zeigt bereits die Ausgangssituation des Romans: Herr Johann von Portenach trägt seinem Kaplan auf, herauszufinden, von welchem Geschlecht der Graf und seine Vorfahren sind. Während des Textes zeigt sich, dass die Genealogie auf Gewalt basiert. So schreibt auch Beate Kellner von einer Neugründung im Zeichen des Vatermords beziehungsweise von einem verbrecherischen Gründungsvorgang in der Melusine. Zudem entwickelte und verfestigte Girard seine Theorie der Gründungsgewalt beziehungsweise des mimetischen Begehrens, welches als Ausgangspunkt der Gründungsgewalt funktioniert, mit der Lektüre von Romanen der Neuzeit (Cervantes) und der Moderne (Dostojewski, Proust). Im ersten Kapitel werde ich kurz Girards Theorie skizzieren. Er macht zu Beginn seiner Publikation Parallelen zwischen der christlichen Eucharistie und kannibalischen Gelagen aus, die er durch den Vergleich von antiken Mythen und alt- beziehungsweise neutestamentarischen Texten zu einer Analogie verfestigt. Durch diese Präzisierung der Ähnlichkeiten versucht er, eine außertextliche Realität zu gewinnen, die die Einzigartigkeit des Christentums darstellt. Mein Augenmerk liegt bezüglich der Anwendung auf die Melusine nicht so sehr auf dem Kontext Mythos - Christentum als vielmehr auf dem immer wiederkehrenden mimetischen Zyklus, also auf dem Ablauf von Krise, einmütiger Gewalt und Ursprung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- René Girards Theorie der Gründungsgewalt
- Thüring von Ringoltingens Melusine
- Der Anfangsmord: Reymund versus den Grafen von Potiers
- Der Brudermord: Goffroy versus Freymund
- Der Sündenbock: Die Opferung Horibels
- Der Kreis schließt sich: Melusines Vatermord
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Anwendung von René Girards Theorie der Gründungsgewalt auf die mittelalterliche Version der Melusine des Thüring von Ringoltingen. Der Text zeigt, wie Gewalt die Genealogie prägt und eine „Neugründung im Zeichen des Vatermords“ (Kellner) kennzeichnet. Die Analyse soll die mimetischen Mechanismen des Textes aufzeigen, die zur Entstehung von Gewalt führen.
- René Girards Theorie der mimetischen Rivalität
- Die Rolle von Gewalt in der Genealogie
- Die Darstellung von Gewalt in der Melusine
- Die Motivationen der Protagonisten
- Der Zusammenhang zwischen mimetischer Krise und Gewalt
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel skizziert kurz Girards Theorie der Gründungsgewalt, die auf der mimetischen Rivalität und der Entstehung von mimetischen Krisen basiert. Es wird gezeigt, wie Gewalt in der Melusine als wiederkehrendes Muster auftritt, das sich durch den mimetischen Zyklus von Krise, einmütiger Gewalt und Ursprung erklärt.
Das zweite Kapitel analysiert die vier zentralen Morde in der Melusine: den Mord Reymunds am Grafen von Potiers, den Mord Goffroys an seinem Bruder Freymund, die Opferung von Horibel und Melusines Mord an ihrem Vater. Die Kapitel betrachten dabei auch die räumlichen und motivationalen Aspekte der Gewalt.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Gründungsgewalt, mimetisches Begehren, mimetische Krise, Gewalt, Genealogie, Mittelalter, Melusine, Thüring von Ringoltingen, René Girard.
- Quote paper
- Stefan Mayr (Author), 2005, Girards Theorie der Gründungsgewalt angewendet auf die Melusine des Thüring von Ringoltingen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40172