Jedem Menschen begegnet das Fremde in seinen unterschiedlichsten Formen; als eine fremde Person, ein fremdes Land, ein fremder Gegenstand, befremdende Phantasien oder Vorstellungen. Die ,,Begegnungen“ sind durch den subjektiven Blick auf das Visuelle und Imaginäre geprägt. Dieser subjektive Kontakt verursacht in uns Empfindungen, die uns dazu veranlassen, etwas als fremd zu definieren. Es ist, wie so vieles im Leben, eine Frage der Perspektive. Demnach handelt es sich beim „Fremden“ oder „Unheimlichen“ um individuelle Gefühlregungen, die einerseits oftmals durch die Sozialisation zum kollektiven Gefühlsrepertoire gehören und andererseits durch die individuelle Biographie ganz entscheidend von denen des Kollektives abweichen können.
Ziel dieser Ausarbeitung des Referats vom 04.05.2005 zum Seminar ,,Faszination und Schrecken – Zur Soziologie des Fremden’’ ist es, einen tieferen Einblick in die Entstehung des Fremden, also des befremdenden Gefühls, und dessen Wirkung zu geben. Damit zusammenhängend soll eine Antwort darauf gefunden werden, wie es dazu kommt, dass aus Opfern Täter bzw. aus Geschlagenen wiederum Schläger werden und wie es eventuell möglich ist, aus diesem Kreislauf auszubrechen.
Die Leitgedanken des Referates und somit der Ausarbeitung, die mir einen Zugang zu diesem Thema lieferten stammen von Sigmund Freud und Arno Gruen. Arno Gruen erklärt die Entstehung des Fremden anhand seiner Erfahrung mit Traumapatienten. Sigmund Freud dagegen untersucht das Gefühl des Unheimlichen, welches uns beim Lesen oder Hören von Geschichten heimsucht. Durch diesen sehr begrenzten Bezugsrahmen ist es notwendig, weitere Quellen hinzuzuziehen, um ein allgemeineres Konstrukt zu erhalten. Ich möchte noch hinzufügen, dass ich zudem versuchen werde, durch eigene Gedanken dieses Erklärungsmodell zu vervollständigen, indem ich zum Einen Begriffe mit neuem Inhalt fülle und zum Anderen durch logische Schlussfolgerung diverse Lücken ergänze. Die Erklärungen der Begriffe wie „Trauma“, „Sozialisation“ und „Identität“ hegen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Selbst eine Annäherung an die Komplexität dieser Begriffe würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Sie werden nur in soweit erklärt, wie es zum Verständnis des gesamten Prozesses notwendig ist. Das Grundvokabular der Psychoanalyse setzte ich beim Leser voraus.
Inhaltsverzeichnis
- Die Definitionen des Fremden
- Der Prozess der partiellen Entfremdung des Eigenen
- Die Sozialisation als entscheidender Entfremdungsfaktor
- Die Identität als Barriere für das Bewusstwerden des Verdrängten
- Die Selbstdistanzierung als erster Lösungsschritt
- Ein Versuch des Zusammenfügens der verschiedenen Prozesse
- Schlussfolgerung und Aussicht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Ausarbeitung ist es, einen tieferen Einblick in die Entstehung des Fremden, also des befremdenden Gefühls, und dessen Wirkung zu geben. Zudem soll eine Antwort darauf gefunden werden, wie es dazu kommt, dass aus Opfern Täter bzw. aus Geschlagenen wiederum Schläger werden und wie es eventuell möglich ist, aus diesem Kreislauf auszubrechen.
- Die Definition des Fremden
- Der Prozess der partiellen Entfremdung des Eigenen
- Der Einfluss der Sozialisation auf die Entstehung des Fremden
- Die Rolle der Identität in der Bewältigung des Fremden
- Mögliche Wege aus dem Kreislauf von Opfer und Täter
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit verschiedenen Definitionen des Fremden, wobei die Ansätze von Arno Gruen und Sigmund Freud im Vordergrund stehen. Gruen beschreibt das Fremde als einen verlorenen Teil des eigenen Selbst, während Freud das Unheimliche als etwas Heimisches definiert, das durch Verdrängung ins Unbewusste gelangt.
Im zweiten Kapitel wird der Prozess der partiellen Entfremdung des Eigenen beschrieben, der bereits in der frühen Kindheit beginnt. Die Notwendigkeit von Kompromissen in der Interaktion mit der Außenwelt führt zur Verdrängung von Bedürfnissen und zur Abspaltung eines Teils des eigenen Selbst. Das Kapitel analysiert, wie die Sozialisation, die Identität und die Selbstdistanzierung zu dieser Entfremdung beitragen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Begriffen Fremde, Entfremdung, Verdrängung, Identität, Sozialisation und Trauma. Sie untersucht die Entstehung des Fremden aus psychoanalytischer Perspektive und analysiert die Rolle dieser Prozesse in der Entstehung von Gewalt.
- Arbeit zitieren
- Christoph Egen (Autor:in), 2005, Die psychoanalytische Erklärung der Entstehung des Fremden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40255