Ein parlamentarisches System, das zwar breite Willensbildung im Rahmen repräsentativer Demokratie verspricht, faktisch aber alle Entscheidungen und Willensbildungen im politischen Leben einer winzigen Minderheit von Parteimitgliedern reserviert, hat ein chronisches Defizit an Beteiligung der Bürger1. Daraus ergibt sich die erste und vo rnehmste Verpflichtung für die Kommunalpolitik in der Weise, dass sie keine Politik „vom grünen Tisch aus“ sein darf. Kommunalpolitik muss davon ausgehen, dass der mündige und verantwortungsbewusste Bürger in immer stärkerem Maße an der Kommunalpolitik unmittelbar beteiligt werden muss. Das heißt, Planungen und Entscheidungen dürfen nicht in dem, dem für Bürger nicht zugänglichen Verwaltungsbereich getroffen werden. Sie muss so verstanden werden, dass der Bürger nicht nur formal, sondern vor allem politisch das Recht hat, mit zu diskutieren und mit zu entscheiden, wenn es um seine eigenen Belange, nämlich um die Gestaltung der Kommune geht. Diese Forderungen bzw. Ziele müssen gerade in einer repräsentativen Demokratie, wo die Betonung auf Demokratie und nicht auf Repräsentation zu liegen hat, im Mittelpunkt jeglicher kommunaler Entscheidungen stehen. Mitwirkung und Mitsprache der Betroffenen, denen Information und Aufklärung über den Zusammenhang des Details mit dem Ganzen vorausgehen muss, sind Grundvoraussetzungen, die im staatlichen Zusammenleben erfüllt sein müssen. Kritiker führen bei einer Erfüllung dieses Grundsatzes als Nachteil immer eine Verlangsamung des Verwaltungshandelns an. Diese Kritik kann aber dann nicht bestehen bleiben, wenn als oberste Maxime – Mitwirkung, Mitbestimmung, Mitverantwortung und Mitentscheidung von den Verantwortlichen für das jeweilige Gemeinwesen in den Mittelpunkt ihres Handelns gestellt werden. Ausgehend von diesen Grundüberlegungen wird der Versuch unternommen, nachstehend am Beispiel der Stadtgemeinde Bremen die Möglichkeiten und Verfahren für eine kommunale volks- und ortsnahe Verwaltung aufzuzeigen. 1 Vgl.: Heinz Grossmann, Bürgerinitiativen – Schritte zur Veränderung?, Fischer Nr. 1233, Seite 166, Frankfurt 1972
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geschichtlicher Rückblick
2.1 Rechtslage bis 1945
2.2 Beirätestrukturen in den Jahren 1945 bis 1971
2.3 Die Einführung der Beiräte im gesamten Stadtgebiet
2.4 Die Gesetzesnovellierung von 1971
2.5 Novellierung von 1989 – Einführung der Direktwahl
3. Aufgaben und Rechte des Beirats
3.1 Aufgaben des Beirates
3.2 Recht auf Akteneinsicht
3.3 Beschlussrecht des Beirates
4. Wahl der Beiräte
4.1 Direktwahl der Beiräte
5. Bewertung der Beiratsarbeit
5.1 Beiräte im Spannungsfeld zwischen Senat und Bürgerschaft
5.2 Verfassungsrechtliche Schranken der Beiratsarbeit
5.3 Rolle der Ortsämter als Verwaltungseinheit für den Beirat
6. Schlussbetrachtung
7. Rechtsquellen
1. Einleitung
Ein parlamentarisches System, das zwar breite Willensbildung im Rahmen repräsentativer Demokratie verspricht, faktisch aber alle Entscheidungen und Willensbildungen im politischen Leben einer winzigen Minderheit von Parteimitgliedern reserviert, hat ein chronisches Defizit an Beteiligung der Bürger[1]. Daraus ergibt sich die erste und vornehmste Verpflichtung für die Kommunalpolitik in der Weise, dass sie keine Politik „vom grünen Tisch aus“ sein darf. Kommunalpolitik muss davon ausgehen, dass der mündige und verantwortungsbewusste Bürger in immer stärkerem Maße an der Kommunalpolitik unmittelbar beteiligt werden muss. Das heißt, Planungen und Entscheidungen dürfen nicht in dem, dem für Bürger nicht zugänglichen Verwaltungsbereich getroffen werden. Sie muss so verstanden werden, dass der Bürger nicht nur formal, sondern vor allem politisch das Recht hat, mit zu diskutieren und mit zu entscheiden, wenn es um seine eigenen Belange, nämlich um die Gestaltung der Kommune geht.
Diese Forderungen bzw. Ziele müssen gerade in einer repräsentativen Demokratie, wo die Betonung auf Demokratie und nicht auf Repräsentation zu liegen hat, im Mittelpunkt jeglicher kommunaler Entscheidungen stehen. Mitwirkung und Mitsprache der Betroffenen, denen Information und Aufklärung über den Zusammenhang des Details mit dem Ganzen vorausgehen muss, sind Grundvoraussetzungen, die im staatlichen Zusammenleben erfüllt sein müssen.
Kritiker führen bei einer Erfüllung dieses Grundsatzes als Nachteil immer eine Verlangsamung des Verwaltungshandelns an. Diese Kritik kann aber dann nicht bestehen bleiben, wenn als oberste Maxime – Mitwirkung, Mitbestimmung, Mitverantwortung und Mitentscheidung von den Verantwortlichen für das jeweilige Gemeinwesen in den Mittelpunkt ihres Handelns gestellt werden. Ausgehend von diesen Grundüberlegungen wird der Versuch unternommen, nachstehend am Beispiel der Stadtgemeinde Bremen die Möglichkeiten und Verfahren für eine kommunale volks- und ortsnahe Verwaltung aufzuzeigen.
2. Geschichtlicher Rückblick
Ein Rückblick in der Gestaltung in der kommunalen volks- und ortsnahen Verwaltung in der Stadtgemeinde muss bis in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zurückreichen. Nur so ist es möglich, die Gestaltung der volks- und ortsnahen Verwaltung anhand der Entwicklung der Bremischen Ortsamtsverwaltung aufzuzeigen. Bis weit in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hinein war der öffentliche Wohnbezirk der Stadtgemeinde Bremen auf dem linken und rechten Weserufer durch Wall und Graben begrenzt. Die Stadtgemeinde bestand nur aus zwei Teilen, der Altstadt und der Neustadt. Das übrige zur heutigen Stadtgemeinde Bremen gehörige Gebiet war das bremische Landgebiet. Es bildete gemeinsam mit den Städten Bremen, Vegesack und Bremerhaven das bremische Staatsgebiet.
2.1 Rechtslage bis 1945
Im Laufe des 19. Jahrhunderts und anschließend noch in den Jahren 1902 und 1921 wurde im Zuge der sich immer weiter ausbreitenden städtischen Besiedelung ein erheblicher Teil des ehemaligen Landgebietes in die Stadtgemeinde Bremen eingemeindet und damit ihrer zentralen Verwaltung unterstellt.
Eine bedeutsame Änderung trat im Jahre 1939 ein. Aufgrund der 4. Verordnung über den Neuaufbau des Reiches, die am 01.11.1939 in Kraft trat, erfuhr die Stadtgemeinde Bremen durch die Eingemeindung ehemals preussischer Gemeinden einiger gleichfalls selbstständig gewesener bremischer Landgemeinden und der Stadtgemeinde Vegesack einen weiteren starken Gebietszuwachs und dadurch eine Ausdehnung in der Ost-/Westachse auf rund 40 Kilometer. Die außergewöhnliche Länge und Gestalt des neuen Verwaltungsgebildes zwang die Stadtgemeinde, örtliche Verwaltungsdienststellen einzurichten und diesen bestimmte Verwaltungsaufgaben zur selbständigen Wahrnehmung zu übertragen. Diese Maßnahme war unumgänglich, wollte man nicht der ortsansässigen Bevölkerung weite Wege in die Stadtmitte zumuten und die bisherigen Bindungen zur angestammten Gemeindeverwaltung zerreißen. Es mussten Mittel und Wege gefunden werden, die Bevölkerung in den eingemeindeten Gebietsteilen an ihre neue Verwaltungsstelle heranzuführen und das alte Zusammengehörigkeitsgefühl auch im neuen Landlebenskreis zu erhalten und zu stärken, ohne die innere Einheit der Stadtgemeinde Bremen zu gefährden. Eine weitgehende Rücksichtsnahme auf die gefühlsmäßige Einstellung der neu eingegliederten Bevölkerung war außerdem durch die Kriegsverhältnisse geboten. Diese verhinderten in den eingemeindeten Gebietsteilen vorerst bestimmte Maßnahmen, die normalerweise zu den Vorzügen einer Großstadt gegenüber ländlichen Gebieten gehörten, wie zum Beispiel den Anschluss an die Kanalisation. Zunächst wurden die bisherigen Gemeindeverwaltungen als Dienststellen der Stadtgemeinde Bremen weitergeführt, bis die Außenstellenverordnung vom 26.04.1941 diese Regelung ersetzte.
Durch die Verordnung am 26.04.1941 wurden unter Aufhebung der bis dahin in den Gemeindeteilen bestehenden Dienststellen Außenstellen in Hemelingen, Burglesum, Vegesack und Blumenthal eingerichtet. Die Außenstellen sollten der Sicherung einer volksnahen Verwaltung dienen. Sie sollten den Verkehr der Bevölkerung Ihres Bezirks mit der Verwaltung erleichtern. Weiter sollten sie durch ihre Arbeit dazu beitragen, das Gefühl der Verbundenheit der Einwohner ihres Bezirks mit den übrigen Teilen der Hansestadt Bremen als der Grundlage des gemeindlichen Lebens zu stärken.
2.2 Beirätestrukturen in den Jahren 1945 bis 1971
Als nach Kriegsende am 01.12.1945 die restlichen noch selbstständigen Landgemeinden des bremischen Landgebietes mit der Stadt Bremen vereinigt wurden, musste für diese Gebietsteile eine neue Verwaltungsorganisation geschaffen werden. Auch hier wurden zunächst die Verwaltungsgeschäfte von den bestehenden örtlichen Gemeindeverwaltungen als Dienststellen der Stadtgemeinde Bremen kommissarisch weitergeführt. Die Leiter dieser neuen Dienststellen führten die Bezeichnung „Bezirksbürgermeister“!
Doch trat auch hier bald ein entscheidender und grundsätzlicher Wandel ein. Im Zuge der staatsrechtlichen Neugestaltung nach dem Zusammenbruch wurde eine völlig neue Rechtsgrundlage für die Verwaltungsorganisation und die Zuständigkeitsabgrenzung, sowohl der im Jahre 1939 in Bremen eingemeindeten ehemalige preußischen Gebiete, als auch der im Jahre 1945 mit der Stadt Bremen vereinigten Landgemeinden geschaffen.
Es war das Gesetz über Ortsämter und Außenstellen der bremischen Verwaltung vom 14.12.1946, das in Blumenthal, Burglesum, Hemelingen und Vegesack die dort bestehenden Außenstellen sowie die in den früheren bremischen Landgemeinden eingerichteten Dienststellen der Stadtgemeinde Bremen aufhob und an ihre Stelle die Bildung von Ortsämtern in den Verwaltungsbezirken Blumenthal mit Farge, Vegesack, Burglesum mit Grambke, Hemlingen mit Mahndorf, Osterholz, Oberneuland, Borgfeld, Lehester Deich, Blockland, Huchting, Arsten, Habenhausen, Lankenau, Strom und Seehausen vorschrieb. Neben der hier gefundenen regionalen Verwaltungsorganisation, die 15 Verwaltungsbezirke umfasste, blieb die Verwaltungsgliederung der zentral verwalteten Innenstadt unverändert. Lankenau ist inzwischen durch die Hafenerweiterung auf dem linken Weserufer als Ortsteil untergegangen, nachdem sein Bereich seit 1950 mit Seehausen vereinigt worden war. Das Ortsamt Lehester Deich wurde zur gleichen Zeit mit dem schon seit 1921 zur Stadt gehörenden Gebiet Horn zum Ortsamt Horn-Lehe zusammengelegt.
2.3 Die Einführung der Beiräte im gesamten Stadtgebiet
Zwei Jahrzehnte, von 1951 bis 1971, blieb das Ortsamtsgesetz ohne gravierende Änderungen in Kraft, obwohl es immer wieder Versuche gab, die Beiräte mit mehr Rechten auszustatten. Diese Bemühungen waren von allen Parteien getragen, so dass die Bürgerschaft im Juni 1968 beschloss, einen nicht ständigen parlamentarischen Ausschuss zu bilden, der sich mit der Überprüfung und ggf. einer Novellierung des Ortsamtsgesetzes befassen sollte. Dabei wurden auch Vorschläge erarbeitet für die Ausweitung des Gesetzes auf das bisher ortsamtsfreie innere Stadtgebiet, um dem Wunsch der Bevölkerung in diesen Stadtteilen nach politischer Mitwirkung im citynahen Bereich gerecht zu werden. Am 14.06.1971 wurden die novellierten Gesetze:
- Ortsgesetz über Ortsämter und Außenstellen der bremischen Verwaltung und
- Ortsgesetz über die Beiratstätigkeit im ortsamtsfreien Gebiet der Stadtgemeinde Bremen
von der Bürgerschaft verabschiedet. Es wurden vier neue Ortsämter in den innenstädtischen Bereichen, wie Mitte/Östliche Vorstadt, Neustadt/Woltmershausen, Schwachhausen/Vahr und Findorf/Walle/Gröpelingen, eingerichtet. Durch diese Reform war es möglich, dass in den aufgeführten Stadtteilen 9 weitere Beiräte die Interessen der Wohnbevölkerung wahrnehmen konnten. Die Gesamtzahl der Beiräte erhöhte sich damit auf 22.
[...]
[1] Vgl.: Heinz Grossmann, Bürgerinitiativen – Schritte zur Veränderung?, Fischer Nr. 1233, Seite 166, Frankfurt 1972
- Arbeit zitieren
- Christoph Sakuth (Autor:in), 2005, Entwicklung und Aufgaben der Beiräte in der Stadtgemeinde Bremen - Erweiterung der Rechte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40260
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