Die Täter-Opfer-Beziehung aus Sicht der Subkulturtheorie


Hausarbeit, 1995

30 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der Begriff der Subkultur
2.1. Die Subkulturtheorie des A. Cohen
2.2. Die Ausbreitung des Konzepts der Subkultur
2.3. Die Verwendung des Begriffs der Subkultur in der vorliegenden Arbeit

III. Allgemeine kriminologische Überlegungen zur Täter-Opfer-Beziehung
3.1. Die Opferdefinition in der Victimologie
3.1.1. Der Victimisierungsprozeß
3.2. Die Person des Täters unter besonderer Berücksichtigung der Täter-Opfer-Interaktion
3.3. Die Untersuchung der Täter-Opfer-Beziehung als Teilbereich der Victimologie
3.3.1. Die Täter-Opfer-Beziehung bei Sexualdelikten
3.3.2. Die Täter-Opfer-Beziehung bei zweckmotivierten Bereicherungsdelikten

IV. Täter-Opfer-Beziehungen und der Subkulturansatz
4.1. Täter-Opfer-Beziehungen innerhalb der Subkultur
4.1.1. Besonderheiten subkulturinterner Täter-Opfer- Beziehungen
4.2. Die Täter-Opfer-Interaktion als Auseinandersetzung zwischen der dominanten Kultur und der Subkultur

V. Schlußbetrachtungen

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit wird einleitend die Subkulturtheorie des A. Cohen kurz vorgestellt. Dabei soll erkennbar werden, daß man Kriminalitätserscheinungen durchaus vor dem Hintergrund kleinerer "Ausschnitte" einer Gesellschaft betrachten kann, daß es aber sinnvoll ist, wenn man den Zusammenhang zwischen kleineren Gesellschaftssystemen mit der Gesamtgesellschaft nicht außer acht läßt.

Da es sich bei der Theorie Cohen´s um einen relativ frühen Ansatz zur Kriminalitätserklärung handelt, wird anschließend die Ausbreitung des Subkulturverständnisses aufgezeigt, um dann die Verwendung des Subkulturbegriffs in dieser Arbeit festzusetzen, da es sich bestimmt als hinderlich erweisen würde, wenn das Subkulturverständnis des A. Cohen oder aber auch ein kaum eingegrenztes Subkulturverständnis in dieser Arbeit leitend wäre.

Um das Verhältnis zwischen Opfer und Täter behandeln zu können, ist es notwendig, die Opferdefinition in der Victimologie und die einzelnen Stufen der Opferwerdung aufzuzeigen, bevor dann die Person des Täters nicht allgemein, sondern vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Opfer beschrieben wird. Es wäre zu umfangreich, hier dem Vorschlag Göppingers zu folgen und den Täter in seinen sozialen Bezügen vorzustellen.

Anschließend soll dann anhand zweier Beispiele die Täter-Opfer-Beziehung beschrieben werden, wobei primär die Sichtweise de Victimologie vertreten wird, da es sich bei dieser Disziplin um diejenige handelt, die den Täter, das Opfer und deren Beziehung zueinander untersucht hat.

Diese zunächst allgemeine Betrachtungsweise der Täter-Opfer-Beziehung wird dann ein wenig eingeengt, indem ich versuche anhand der Drogen-Subkultur diese Beziehung ausschließlich subkulturintern zu betrachten, um dann anschließend aufzuzeigen, daß subkulturinternes Verhalten auch vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge betrachtet werden sollte.

II. Der Begriff der Subkultur

Eine Subkultur kann als Teilkultur verstanden werden, die sich von der Gesamtkultur merklich abhebt. Dies bezieht sich im wesentlichen auf Sprache, Verhaltensweisen, Einstellungen, Werthaltungen, Verhaltensmuster und Aufenthaltsorte. Das Subkulturverständnis in der Literatur ist vielfältig. Trotha spricht sogar von einem "inflationären Gebrauch" (Trotha in: kl. kriminol. Wörterb., a.a.O.,S.342). Beim Subkulturmodell geht man davon aus, daß große soziale Systeme durch verschiedene Subsysteme, eben Subkulturen, strukturiert sind. In diesen Subkulturen können die Normen mit denen der Gesamtkultur übereinstimmen, aber auch in bestimmten Bereichen davon abweichen. Entsprechen die Mitglieder der jeweiligen Subkultur nun diesen von der Gesamtkultur differenten Normen, so spricht man aus der Sicht der Gesamtkultur von Abweichung. Daher wird der Subkulturansatz auch zur Erklärung abweichenden Verhaltens herangezogen (Lamnek, 1993, a.a.O.,S.143).

2.1. Die Subkulturtheorie des A. Cohen

Nach Cohen entstehen Subkulturen, indem sich Individuen, die den Anforderungen der dominanten Gesamtkultur nicht entsprechen können, zusammenschließen. Bei diesen Menschen entsteht eine "Statusfrustration" (Kunz, a.a.O.,S.139.,Rn. 33). Sie bilden ein Kollektiv von Menschen, die über ähnliche Anpassungsprobleme verfügen. In der Subkultur bilden sich nun langsam Werte und Normen, die von allen Mitgliedern akzeptiert werden und erfüllt werden können. Diese Normen weichen jedoch vom dominanten gesamtgesellschaftlichen Wertesystem (teilweise) ab, wodurch sich dann "abweichendes Verhalten" erklären läßt. In der Subkultur erreichen die Mitglieder dann einen Status, der ihnen in der herrschenden Kultur verwehrt bleiben würde. Cohen vertritt die Ansicht, daß Jugendliche (er erforschte delinquente jugendliche "Gangs" in den USA) in der herrschenden Kultur ein Spannungsverhältnis erleben, das sie lösen, indem sie die Ziele und Werte dieser Kultur ablehnen und dem eigenen subkulturellen Wertesystem entsprechen (Lamnek, a.a.O.,S.142f.).

Cohen geht davon aus, daß das abweichende Verhalten in den Subkulturen eine Reaktion der von ihm beobachteten Jugendlichen auf die entstandenen Statusprobleme in der Unterschicht ist. Er hebt somit hervor, daß die Abweichung nicht als bewußt und zielgerichtet, etwa als Protestreaktion gegen bestehende Mittelschichtnormen, zu verstehen ist, sondern als irrationale Reaktion. In Cohen´s Subkulturtheorie werden zunächst "Basis-Subkulturen" beschrieben, die sich dadurch auszeichnen, daß ihre Mitglieder meist männlich, jugendlich und der Unterschicht angehörig sind. Diese "Basis-Subkulturen" beschreibt er als grundsätzlich ablehnend, bösartig, auf sich selbst bezogen und die Gemeinschaft ablehnend, autonom und vielseitig.

Es stellt sich nun die Frage, welche strukturellen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit solche Subkulturen entstehen können. Hier wurde bereits beschrieben, daß es zunächst zu Anpassungsproblemen kommt, die einen Spannungszustand voraussetzen. Unter einem solchen Spannungszustand ist sich beispielsweise der Wunsch eines materiell armen Menschen nach wertvollen Gütern vorzustellen. Dieses Spannungsverhältnis läßt sich auf legalem Wege, etwa durch entsprechende Arbeit, oder auf illegalem Wege, etwa durch einen Banküberfall, lösen. Über welche Bewältigungsstrategien der jeweilige Mensch nun verfügt, hängt entscheidend von seiner Sozialisation ab.

Selbstverständlich sind nicht alle Spannungszustände auf legalem Wege zu lösen. Um aber gesellschaftlich konform zu bleiben, sind beim Vorliegen eines nicht legal lösbaren Spannungsverhältnisses entsprechende Bewältigungsstrategien oder eine erhörte Frustrationstoleranz notwendig. In der Unterschicht kommt es häufig vor, daß die Menschen nicht über eine entsprechende Frustrationstoleranz verfügen oder Lösungsstrategien für diese Spannungsverhältnisse erlernen oder entwickeln, die gesellschaftlich als kriminell definiert sind.

Eine weitere Lösungsmöglichkeit für diese Spannungsverhältnisse ist der Zusammenschluß von Personen mit ähnlichen Anpassungsproblemen. Besteht für diese Personen nicht die Möglichkeit, ihren Anspruch zu mindern oder sich an anderen Maßstäben zu orientieren, haben sie aber die Möglichkeit, sich mit "Gleichgesinnten" auszutauschen und gemeinsam ihre unbefriedigende Situation zu erleben. So können Prozesse ablaufen, bei denen sich Werte und Normen herausbilden, die von der Gesamtkultur zwar abweichen, von den sich zusammengeschlossenen Personen aber akzeptiert werden. Es entsteht eine Subkultur.

Die "Basis-Subkultur" erfüllt nach Cohen die folgenden Funktionen:

sie verleihen ihren Mitgliedern einen Status, den sie in der Gesamtkultur nicht erreichen können,

für aggressive Handlungen gegen die in ihren Augen frustrierenden Instanzen finden die Mitglieder der Subkultur Erklärungen und Neutralisationstechniken,

die Subkultur bildet für das einzelne Mitglied eine Bezugsgruppe.

Neben der "männlichen Basis-Subkultur" unterscheidet Cohen fünf weitere Arten delinquenter Subkulturen:

die "konfliktorientierte Subkultur" besteht aus größeren Banden ab ca.20Mitgliedern, ist komplex organisiert. Man findet sie in Gegenden hoher Desorganisiertheit und starker Armut,

die "Subkultur der Rauschgiftsüchtigen" ist stark utilitaristisch orientiert, da die Betroffenen primär ihre Existenzprobleme zu bewältigen haben,

die "Subkultur des halbprofessionellen Diebstahls" zeichnet sich dadurch aus, daß ihre sich 16 bis 17 Jahre alten Mitglieder von der "Basis-Subkultur" absetzen und sich zeitweise dem zweckgerichteten Verbrechen widmen,

bezüglich der "delinquenten Mittelklassen-Subkultur" stellt Cohen fest, daß sich bei ihr zwar auch Anpassungsprobleme erkennen lassen, ursächlich für diese Art der Subkultur ist aber überwiegend ein Identifikationsproblem der Jugend, die tradierte Ziele hat, diese aber nicht mehr erreichen kann, weil sich die Strukturellen Gegebenheiten verändert haben,

zu den "weiblich delinquenten Subkulturen" führt Cohen , daß diese wenig erforscht sind und hier gewöhnlich sexuelle Vergehen zu finden sind, die aus Statusschwierigkeiten der Frauen resultieren, da sich die Frauen in diesen Subkulturen die Gunst der Männer, und damit einen gewissen Status, körperlich erwerben.

(Lamnek, a.a.O.,S.152-162)

Zusammenfassend sei hier nochmals erwähnt, daß nach der Subkulturtheorie Cohen´s Unterschicht-Angehörige das, was die dominante Mittelschicht an Werten und Normen vorgibt, kennt und akzeptiert, es aber teilweise nicht erfüllen kann. Status- und Anpassungsprobleme sind die Folge. "Die Kultur der Bande löst diese Probleme, indem sie Statuskriterien schafft, nach denen die Jugendlichen zu leben imstande sind." (Cohen,1961,zitiert nach Lamnek,1993,a.a.O., S.161)

2.2. Die Ausbreitung des Konzepts der Subkultur

Cohen entwickelte seine Subkulturtheorie vor allem im Hinblick auf delinquente Jugendbanden. Wie bereits erwähnt, ist der Subkulturbegriff mittlerweile wesentlich weiter gefaßt. Natürlich spricht man immer noch von kriminellen Subkulturen im Sinne Cohen´s. Trotha hebt aber hervor, daß es sich bei der Bande, die von Cohen beobachtet wurde, um einen Teil einer Subkultur handelt (Trotha,in: Kl. Kriminol. Wörterb.., a.a.O.,S.55) und zu beachten ist, daß sich durchaus eine Differenzierung zwischen den Begriffen "... soziale Gruppe, soziale Rolle, soziale Schicht usw. ..." (Trotha, in: Kl. Kriminol. Wörterb., a.a.O.,S.342) ergeben kann. Es bleibt anzumerken, daß man immer wieder im Zusammenhang mit Berufsgruppen, Vereinsmitgliedern, Arbeitern etc. von "Subkulturen" hört und hier durchaus von einem inflationären Gebrauch des Begriffs zu sprechen ist. Nach Trotha sind Subkulturen durch die folgenden einengenden Merkmale geprägt:

Subkulturen sind immer normative und kulturelle Systeme,

sie sind zu finden innerhalb abgrenzbarer Gruppen einer Gesellschaft,

vom dominanten kulturellen und normativen System weichen die Subkulturen ab,

die Sozialisation ihrer Mitglieder geschieht innerhalb der Subkultur, wobei sich abzeichnet, daß für die Mitglieder auch eine gewisse Verbindlichkeit gegenüber dem subkulturellen System besteht,

es ist deutlich zwischen den Begriffen "Gruppe" und "Subkultur" zu unterscheiden: die Beziehungen zwischen Gruppen und deren (kommunikative) Interaktion untereinander sind grundlegend für ein subkulturelles System,

die Mitglieder der Subkultur unterstützen die kulturellen Muster "ihres" Systems und definieren somit auch gewisse Randpersonen und Außenseiterpositionen der Subkulturmitglieder, wenn die Unterstützung des Systems durch die Mitglieder unterschiedlich intensiv ist,

ebenfalls ist deutlich zwischen "Subkultur" und "Kontrakultur" zu unterscheiden. Bei Kontrakulturen handelt es sich immer um Subkulturen, während dies umgekehrt nicht der Fall sein muß. Eine Kontrakultur zeichnet sich durch ihre bewußte negativistische Haltung gegenüber bestehenden Normen aus, dies ist bei Subkulturen nicht in jedem Fall üblich.

(Trotha, in: Kl. Kriminol. Wörterb.., a.a.O.,S.343f)

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Die Täter-Opfer-Beziehung aus Sicht der Subkulturtheorie
Hochschule
Universität Siegen  (FB 2)
Note
1,7
Autor
Jahr
1995
Seiten
30
Katalognummer
V4031
ISBN (eBook)
9783638125062
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Subkultur, Victimologie, Sozialarbeit, Resozialisierung
Arbeit zitieren
Martin Helm (Autor:in), 1995, Die Täter-Opfer-Beziehung aus Sicht der Subkulturtheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4031

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